(Beifall bei der SPD - Herr Steinecke, CDU: Gut! Wunderbar! - Minister Herr Dr. Daehre: Absolut gesagt, der Vorschlag der SPD in Sachsen-An- halt!)
Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich versuche noch einmal ähnlich wie Herr Bullerjahn die politische Dimen
sion aufzugreifen, die doch die inhaltliche Diskussion erheblich überschattet hat, was nicht überraschend ist, weil die inhaltliche Debatte in der Koalition nicht zu einem gemeinsamen Punkt führen kann.
Erstens. Die internen Kompromisse innerhalb einer Koalition sind nicht das Problem der Opposition. Wenn wir gestern etwas gelernt haben, dann zumindest eines: Wir sind nicht dafür verantwortlich, dass Sie Schwierigkeiten miteinander haben. Das tragen Sie bitte unter sich aus.
Jetzt zu beschließen, Sie hätten gar kein Problem, ist für mich nicht nachvollziehbar. Dazu sage ich Ihnen ausdrücklich: Wenn das so gewesen wäre, dann hätten wir gestern um 19.30 Uhr diesen Antrag abgehandelt. Dann hätte es keinen Alternativantrag gegeben; denn wir stimmen ja über nichts anderes ab als über eine Bestimmung des Koalitionsvertrages. Dann hätte es eine klare Mehrheit gegen unseren Antrag gegeben. Dann hätte es der Diskussionen überhaupt nicht bedurft.
Das Problem ist doch überhaupt erst dadurch entstanden, lieber Jens Bullerjahn, dass Sie zwar einen Kompromiss gefunden haben, aber niemand sich daran hält. Das ist doch das Problem. Frau Feußner weiß heute noch nicht, dass eine Verwaltungsgemeinschaft bei einem solchen Kompromiss in Zukunft nicht mehr existieren kann.
(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Lü- gen Sie hier nicht herum! Das ist eine Unterstel- lung!)
(Herr Gürth, CDU: So ein Quatsch! Politischer Klamauk! - Frau Feußner, CDU: Lesen Sie erst einmal richtig unsere Koalitionsvereinbarung, dann reden wir weiter!)
Wir wollen wissen, ob die CDU-Abgeordneten die Reden vor Ort, die sie vor den Bürgermeistern relativ klar und deutlich führen, hier auch in politische Willensbildung umsetzen.
(Herr Gürth, CDU: Ja, dann machen Sie das so! - Minister Herr Bullerjahn: Man muss auch warten können, Herr Gallert!)
Das ist ganz klar unser Ziel. Wir wollen wissen: Wo stehen Sie? Wir wissen in etwa, wo die SPD steht. Wir haben gesagt, wo wir stehen. Wir wissen eben nur nicht, wo die Kollegen der CDU stehen. Diese Klärung herbeizuführen ist absolut legitim.
- Ja, ist das hier ein Wahlkampfthema oder nicht? - Natürlich, alle politisch strittigen Themen sind Wahlkampfthemen. Es gab sogar einmal eine Partei, die vor noch nicht allzu langer Zeit in diesem Land gesagt hat: Bei dieser Verwaltungsreform wird die nächste Wahl das
entscheidende plebiszitäre Element. Die nächste Wahl wird eine Volksabstimmung über die von Ihnen vorgelegte Verwaltungsreform.
Offensichtlich ist das doch eine übliche und völlig berechtigte Vorgehensweise, bei den Wahlen entsprechend auch alternative politische Modelle vorzustellen. Natürlich werden wir das tun. Das finden wir gar nicht schlimm. Wenn Sie dann in die eigene Koalition hineinrufen, dass die Auseinandersetzung zwischen Ihnen dazu führt, dass wir mehr Stimmen erhalten, dann hoffe ich, dass Sie Recht haben. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.
(Lachen bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von der SPD: Ach! - Minister Herr Bullerjahn: Ein bisschen versteckt! - Herr Stahlknecht, CDU: Ge- legentlich!)
Diese Funktion liegt einfach nur darin zu sagen: Liebe Koalition, sagt doch bitte einmal den Menschen vor Ort, was ihr denn nun wirklich wollt.
(Unruhe bei der CDU und bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Machen Sie sich über sich selbst lustig? Erzählen Sie nicht so ein Zeug!)
Wollt ihr denn nun die flächendeckende Einheitsgemeinde, also eine politische Gemeinde mit einer Verwaltung, oder wollt ihr das Alternativmodell zulassen, und zwar mehrere politische Gemeinden, die zusammen eine Verwaltung realisieren? Wollt wir das nun oder wollt Ihr das nicht? - Das müssen die Menschen wissen.
Wenn sie von der Koalition definitiv eine Antwort in die eine oder die andere Richtung bekommen würden, dann wüssten sie, worauf sie sich einstellen können. Das Problem ist nur, mit dem Alternativantrag heute bekommen sie die Informationen wieder nicht.
Darin steht, man wolle nur Einheitsgemeinden. Wie groß sie sein sollen, das wisse man aber noch nicht. Dass sie später natürlich gemeinsame Verwaltungen bilden sollten, das wisse man eigentlich auch, aber man traue sich noch nicht richtig, das so zu sagen. Eigentlich steht es aber in dem Antrag.
Das heißt also, wir haben den Menschen im Grunde genommen gesagt: Jawohl, es gibt Ausnahmen. Es wird die Verwaltungsgemeinschaft weiterhin geben. Aber die Antwort auf die Fragen, wo es sie geben wird, unter welchen Bedingungen es sie geben wird und wie sie dann arbeiten sollen, wissen wir alle nicht.
Dann sagen wir noch einmal ganz ausdrücklich: Natürlich kennen wir die fiskalischen und demografischen Probleme, die wir in diesem Land haben. Aber wir sagen ausdrücklich: Ihre Schlussfolgerung daraus, die Probleme könnten nur durch die Einheitsgemeinde gelöst werden, ist richtig falsch. Das stimmt so nicht.
Eine Verwaltungsgemeinschaft kann darauf auch sehr flexibel reagieren. Jens Bullerjahn hat ja sehr deutlich gesagt, worin sich die Auffassungen bei dieser Frage unterscheiden.
Kommunale Verwaltungen sind für Jens Bullerjahn der Schalter, vor dem der Bürger steht. Das hat er ganz
deutlich zum Ausdruck gebracht. Dann äußerte er den Satz: Wie das hinter dem Schalter läuft, das interessiert doch den Bürger nicht.
Dazu sage ich ausdrücklich: Wenn das so ist, dann ist das inzwischen eine große Tragik. Diese erklärt ganz eindeutig die schlechte Wahlbeteiligung in diesem Land,
weil die politische Ebene eben nicht nur ein Dienstleister ist. Sie ist die wichtigste politische Entscheidungsfindungsebene, auf der die meisten Bürger in die politischen Entscheidungen eingreifen.
Das ist nicht der Supermarkt, in dem man an die Kasse geht. Vielmehr ist es die Ebene, auf der Bürger politisch entscheiden können.
(Frau Feußner, CDU: Schreien Sie Ihre Partei an! Hören Sie jetzt auf, hier herumzuschreien! Wer schreit, hat nicht Recht!)
Wenn dann die Bürger vorbringen, dass interessiere sie alles gar nicht, dann muss man dazu sagen: Wir haben jetzt schon die Situation. Es ist jetzt schon so, dass zum Beispiel Gemeinderäte nicht mehr besetzt werden können, weil sich die Bürger dafür nicht mehr engagieren wollen. Das ist ein demokratisches Problem in dieser Gesellschaft. Dann müssen wir alles tun, damit das nicht nur zugespitzt wird, sondern damit die Aufgaben realisiert werden.
Einen Satz vielleicht noch, Herr Scharf. Im Grunde genommen meinen Sie: Weil der Antrag von uns kommt, ist er schlecht, weil wir eigentlich auch schlecht sind. Das war ja in etwa die Argumentation: Wir sind die Zentralisten.
Nun sage ich jetzt einmal, Herr Scharf: Gerade das Verhältnis unserer Landespartei zur eigenen Bundesspitze weist eine Form von innerparteilichem Föderalismus auf, den Sie sich als CDU nicht leisten können. - Danke.