Für mich ist ein besonderer Punkt, der auch in der innerdeutschen Diskussion wichtig ist und der auch innerhalb der Koalition nicht unstrittig ist, die Frage der fehlenden sozialen Absicherung gegen Mini- und Dumpinglöhne ausländischer Firmen, die in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten. Dass wir in diesem Punkt noch vorankommen müssen - auch in der Koalition in Berlin -, ist völlig klar.
Ich halte eine Regelung in der Bundesrepublik für nötig, die unter anderem im Bereich von Kombilöhnen liegen kann. Ich präferiere tarifliche Mindestlöhne oder gesetzliche Mindestlöhne und auch die Ausweitung des Entsendegesetzes. Die Mehrheit der SPD-Fraktion sieht dies ähnlich. Ich denke, darüber werden wir sicherlich noch lange Diskussionen führen müssen.
Ich möchte noch einige positive Dinge nennen, die gemacht werden müssen. Ich finde es gut, dass in der Dienstleistungsrichtlinie das System der einheitlichen Ansprechpartner festgelegt wurde, damit gerade diejenigen Firmen, die im Ausland aktiv werden wollen, nicht von Pontius zu Pilatus rennen müssen, um sich Informationen und Genehmigungen zu holen, sondern einen einheitlichen Ansprechpartner haben werden. Wo der in Deutschland angesiedelt sein wird, ob bei Kammern, bei Verbänden oder bei der Verwaltung, wird sich zeigen. Das sind Dinge, über die wir im Ausschuss diskutieren müssen und über die wir informiert werden wollen.
Auch dieses europaweite einheitliche Informationssystem halte ich für eine gute Sache, weil damit gewährleistet ist, dass deutsche Firmen auf Daten ausländischer Firmen Zugriff haben und umgekehrt.
Ich möchte am Schluss etwas zu der Überweisung dieses Antrages sagen. Ich persönlich und auch die Koalition plädieren dafür, diesen Antrag ausschließlich in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu überweisen,
nicht weil wir in den anderen Ausschüssen nicht darüber diskutieren wollen, sondern weil sich beide Anträge nur mit einer Berichterstattung an den Landtag befassen. Solange wir über diese Anträge nicht beschlossen haben, können wir in den einzelnen Ausschüssen dazu gar nichts tun.
Wir sollten uns im Wirtschaftsausschuss nach den Informationen der Landesregierung damit beschäftigen, welche Ausschüsse sinnvollerweise damit zu befassen sind, was in einen zu beschließenden Antrag hineingehört oder was dann unter Umständen im Rahmen der Selbstbefassung behandelt werden kann.
Da sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene jeweils das Wirtschaftsministerium federführend ist, plädiere ich dafür, den Wirtschaftsausschuss federführend und als einzigen Ausschuss damit zu beschäftigen. Dort können wir uns darüber unterhalten, in welchen Ausschüssen später über das Verfahren hinaus, das wir im Wirtschaftsausschuss einleiten werden, Berichterstattungen und Diskussionen notwendig sein werden. Deswe
gen votiere ich dafür, diese beiden Anträge in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Tögel. - Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Haseloff das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Die Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist ein zentrales Projekt im Rahmen der Lissabon-Strategie der Europäischen Union. Das beabsichtigte Ziel des Richtlinienvorschlages, die weitere Stärkung des Binnenmarktes für Dienstleistungen, um positive Wachstums- und Beschäftigungsanreize zu erreichen, wurde von der Bundesregierung unterstützt.
Von der nun erreichten Lösung sollen alle profitieren. Für Dienstleister sollen sich die Rahmenbedingungen erheblich verbessern, insbesondere durch die vorgesehenen Verwaltungsvereinfachungen, zum Beispiel die Einführung der einheitlichen Ansprechstellen und erleichterte Genehmigungsverfahren. Durch ein Mehr an Transparenz und durch den Wegfall von Behinderungen bei der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sollen ebenfalls Verbesserungen erreicht werden.
Die Ende 2006 in Kraft getretene Richtlinie ist bis Ende 2009 bundesweit umzusetzen. Dabei kommt den Bundesländern in der Tat eine zentrale Rolle zu. Die formellen Verwaltungsverfahren, insbesondere was die daraus folgende Einrichtung einheitlicher Ansprechpartner betrifft, sind innerhalb der verbleibenden Zeitspanne an die Erfordernisse der Richtlinie anzupassen.
Bei den Fristen, die durch Anträge, Erklärungen usw. eingehalten oder in Gang gesetzt werden, dürfen Verzögerungen, zum Beispiel im Verantwortungsbereich dieser einheitlichen Ansprechpartner, nicht zulasten des Dienstleisters gehen.
Andere Dinge sollen ebenfalls von diesen Ansprechpartnern organisiert werden. Details möchte ich an dieser Stelle nicht nennen. Gegebenenfalls können wir im Ausschuss ausführlich darüber reden.
Genaueren Aufschluss über die weiteren Einzelheiten dürfte ein gerade aktuell tagender Bund-Länder-Arbeitskreis beim Bundeswirtschaftsministerium ergeben, an dem auch ein Vertreter meines Hauses teilnimmt. Dort wird das Ziel verfolgt, ein vertiefendes Pflichtenheft zu erarbeiten, welches Aufschluss sowohl über das Anforderungsprofil der einheitlichen Ansprechpartner als auch über die zu unternehmenden rechtsstrukturellen Schritte geben soll.
Aus diesem Grunde empfiehlt sich eine Beschlussfassung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD über eine Berichterstattung in den Ausschüssen für Wirtschaft und Arbeit sowie für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien, wenn es darum geht, die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie in Sachsen-Anhalt bekannt zu machen. In diese Berichterstattung könnten auch die Ergebnisse des Bund-LänderArbeitskreises einfließen.
Erstens. Welche Landesgesetze müssen aufgrund dieser Richtlinie verändert werden? - Diese Frage kann gegenwärtig noch nicht beantwortet werden. Wir haben die Möglichkeit, darüber im federführenden Ausschuss und auch in den anderen Ausschüssen zu reden, wenn die entsprechenden Ergebnisse des Bund-Länder-Arbeitskreises vorliegen.
Die Rechtsexperten meines Hauses und des Ministeriums des Inneren arbeiten jedenfalls unabhängig davon gegenwärtig gemeinsam mit den Kollegen anderer Bundesländer daran, zumindest für uns eine grobe Linie dahin gehend zu finden, was länderseitig auf die Prioritätenseite gehört und was unabweisbar bearbeitet werden muss.
Zweitens. Wie bewertetet die Landesregierung die Aussage, dass die Richtlinie zu Dienstleistungen im Binnenmarkt zwar nicht mehr den Begriff des Herkunftslandprinzips verwendet, aber mit dem Programm für eine wettbewerbsorientierte Deregulierung in ähnlicher Weise für die Abschaffung bürokratischer Hemmnisse in einem liberalisierten europäischen Dienstleistungsbinnenmarkt sorgt? Inwiefern können die Bedingungen der Nichtdiskriminierung, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit das Bestimmungslandprinzip unterlaufen?
In der Tat geht es hierbei um den Abbau bürokratischer Hemmnisse, indem dem Dienstleister ein einheitlicher Ansprechpartner gegenübersteht, mit dem er sämtliche Genehmigungsverfahren, woran mitunter eine Reihe von Behörden beteiligt ist, zentral abwickeln kann. Da nach meinem Dafürhalten auch der Inländer dieses Verfahren nutzen kann, dürfte an dieser Stelle von Diskriminierung keine Rede sein.
Drittens. Welche Auswirkungen hat die europäische Dienstleistungsrichtlinie nach Ansicht der Landesregierung auf die Bereiche der Daseinsvorsorge? - Gegen erheblichen Widerstand anderer Mitgliedstaaten konnte die Bundesregierung durchsetzen, dass Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, und zwar einschließlich des Pflege- und Rehabilitationsbereiches, nicht unter die Richtlinie fallen.
Auch das Arbeitsrecht, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die Sicherheit am Arbeitsplatz sowie das Tarifrecht inklusive Arbeitskampfrecht sind gemäß Artikel 7 nicht tangiert. Das ist eine wesentliche Aussage, sodass die Sozialstaatlichkeit in unserer Bundesrepublik durch diese Dienstleistungsrichtlinie nicht infrage gestellt wird.
Soweit die verbleibenden Dienste im Wirtschaftsbereich erbracht werden, gelten die allgemeinen Regeln für die grenzüberschreitenden Dienstleistungen nicht. Das ergibt sich aus Artikel 16 der Richtlinie. Insofern handelt es sich nicht um eine Änderung gegenüber dem Status quo.
Viertens. Wie können Kommunen, Sozialpartner, betroffene Unternehmen und Öffentlichkeit über die Auswirkungen der Richtlinie informiert werden?
Wenn die Auswirkungen im Einzelnen feststehen, wird dies in geeigneter Art und Weise geschehen. Daran haben wir als Landesregierung größtes Interesse; denn wir kennen die Sensibilität, die mit der Diskussion über die anfängliche Problematik auch in Deutschland erzielt wurde. Wir haben nicht nur ein Interesse daran zu informieren, sondern wir haben auch ein Interesse daran, bezüglich der Akzeptanzfindung innerhalb Sachsen-An
Fünftens. Welchen Standpunkt vertritt die Landesregierung in diesem Zusammenhang zum EU-Grünbuch „Ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ (Bundesrats-Drs. 868/06)?
Ende Dezember 2006 kündigte das Bundesarbeitsministerium an, eine Stellungnahme für die Bundesrepublik abzugeben. Bis heute liegt noch kein Entwurf einer Stellungnahme vor. Der Bundesrat wird in seiner Stellungnahme zum Grünbuch die Bundesregierung bitten, den Ländern im weiteren Verfahren Gelegenheit zur vorherigen Stellungnahme und zur Meinungsäußerung der Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission zu geben.
Bei dem üblichen Zeitbedarf von der Erstellung eines Grünbuchs bis zur Änderung von einschlägigen EURichtlinien dürfte zwischenzeitlich der zum Jahresende 2010 zu erstellende Evaluierungsbericht zur Dienstleistungsrichtlinie vorliegen. Insgesamt haben wir noch erhebliche Zeit, um mit der Bundesregierung alle Informationsbedürfnisse zu klären und auch noch auf den Meinungsbildungsprozess Einfluss zu nehmen.
Wie Herr Tögel schon sagte, sollten wir parallel dazu im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit darüber sprechen, welche Gesetze geändert werden sollten, für welche weiteren Ausschüsse dies letztlich interessant werden könnte und welche generellen Diskussionen wir im Landtag noch offensiv führen sollten. Wir haben jedenfalls ein Interesse daran, auf kooperative Weise ein Gesamtergebnis herbeizuführen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Haseloff. - Nun erteile ich für die FDP-Fraktion Herrn Professor Paqué das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz auf das reagieren, was Herr Czeke freundlicherweise angedeutet hat: Herz für die Menschen, Herz für den Wettbewerb.
Diejenigen, die ein Herz für die Menschen haben, haben hoffentlich auch einen Verstand für den Wettbewerb; denn der Wettbewerb - das zeigt sich gerade in Deutschland immer wieder - ist ein wesentliches Instrument, um etwas für die Menschen zu tun.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man braucht sich nur die Zahlen anzusehen. Deutschland ist nämlich ein Land, aus dem ungeheuer viele Waren und Dienstleistungen exportiert werden. 45 % unseres Sozialprodukts - das ist die Exportquote - sind letztlich für den Export bestimmt. Das meiste davon sind zwar Industrieprodukte, aber immerhin 13 % der Exporte gehen heute auf das Konto von Dienstleistungen. Im Jahr 2006 waren das immerhin 138 Milliarden € an Exporten bei übrigens 162 Milliarden € an Importen. Die Differenz von 24 Milliarden € erklärt sich aus dem Reiseverkehr. Wenn man ihn abzieht - wir Deutsche lieben ja den Import von Sonne und Natur -, haben wir auch in der Dienstleistungsbilanz einen satten Überschuss. Das wissen nur die allerwenigsten.
Kurzum: Deutschlands Wirtschaft braucht die Freiheit im internationalen Handel wie die Luft zum Atmen. Es ist deshalb schon etwas merkwürdig, wie defensiv die jahrelange Diskussion über die Dienstleistungsrichtlinie der EU in Deutschland geführt wurde. Immerhin ist die Dienstleistungsrichtlinie ein wesentlicher Schritt im Lissabon-Prozess zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Wachstum in Europa.
Der ursprünglich sehr liberale Entwurf versetzte viele im Land in Angst und Schrecken, allen voran die Gewerkschaften und - wie wir es auch heute wieder gehört haben - die Linkspartei.PDS. Die Vorstellung war dabei, dass die Beseitigung von bürokratischen Hemmnissen für Handel und Niederlassungen zum Abbau von Sozialstandards auf breiter Front führen würde. Dabei wurde vollkommen übersehen, dass Deutschland längst ein relativ liberales Handels- und Niederlassungsrecht für ausländische Dienstleistungsunternehmen hat, ganz im Unterschied zu einigen europäischen Nachbarländern, die viel restriktiver und protektionistischer sind als wir.
Von einer Liberalisierung wird Deutschland deshalb mit am stärksten profitieren, übrigens auch Ostdeutschland; denn wir nähern uns in unserer Wirtschaftsstruktur Schritt für Schritt dem Westen. Der liberale Druck aus Brüssel sollte uns Deutschen eigentlich hoch willkommen sein.
Es ist anders gekommen. Die Richtlinie wurde ein gutes Stück verwässert und sie wurde sehr kompliziert gemacht. Die Fassung, die schließlich verabschiedet worden ist, enthält eine Präambel von sage und schreibe 14 eng bedruckten Seiten mit 118 klarstellenden Gründen, die im Wesentlichen nichts anderes liefern als detaillierte Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit für eine Fülle von Sonderbereichen.
Man muss schon mit der Lupe suchen, um noch ein sensibles Thema zu entdecken, das in dem Ausnahmenkatalog nicht berücksichtigt ist. Jedenfalls ist die Wahrung sozialer Mindeststandards - der Minister hat es gesagt - in Artikel 7 der Richtlinie und Nr. 14 der Gründe gesichert. Der Katalog der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses sieht eine Menge Abweichungen vor.
Von einem mutigen Geist des pragmatischen Voranschreitens, wie es die EU in ihrer Geschichte eigentlich immer gekennzeichnet hat, ist da also nicht mehr so viel zu spüren. Trotzdem: Die Richtlinie ist da; sie wartet auf Umsetzung und Anwendung. Sie schreibt erstmalig das Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs fest - was immer das in Abgrenzung zum bisherigen Herkunftslandprinzip genau heißen mag.
Meine Damen und Herren! Wir als Liberale sagen deshalb, dass es sich in der Tat lohnt, dass sich das Hohe Haus intensiv mit der Dienstleistungsrichtlinie beschäftigt. Es besteht auch Klärungsbedarf, wie die Landesregierung vor allem das neue Prinzip des freien Dienstleistungsverkehrs interpretiert. Was man dazu in der Literatur oder in der Politik liest, ist höchst widersprüchlich.
Es ist auch die Frage zu beantworten: Wie beabsichtigt die Landesregierung die Bemühungen von Dienstleistern aus Sachsen-Anhalt zu unterstützen, im Ausland Fuß zu fassen? Dafür gibt es zunehmend Interessenten. Ich denke etwa an Ingenieurbüros, an Architekten und viele andere. Da müssen wir Wege finden, um die restriktiven Vergabe- und Zulassungspraktiken im Ausland unter Kontrolle zu bekommen. Das wird zu diskutieren sein.
Wir schlagen wie die Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD vor, dass dies ausschließlich im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit geschehen sollte. Das scheint nach Lage der Dinge das Sinnvollste zu sein. Wir als FDP-Fraktion unterstützen deshalb die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. - Herzlichen Dank.