Protokoll der Sitzung vom 08.06.2006

Ich freue mich auf das absehbare Ergebnis dieser Bemühungen, nämlich darauf, dass wir noch im Laufe dieser Legislaturperiode als Landtag einvernehmlich ein In

formationszugangsgesetz beschließen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung von Herrn Stahlknecht, CDU)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Nun hat noch einmal Frau Tiedge das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sich die Argumente gleichen! Immer wieder dasselbe Spiel!

Es wird der Verwaltungsaufwand heraufbeschworen, der zu groß sei. Dann wird erklärt, der Anwendungsbereich sei zu weit ausgedehnt, es würden Rechte Dritter beschnitten. Es wird, wie soeben von Herrn Stahlknecht geschehen, die große Gefahr beschworen, dass die Sekten scharenweise kommen, um Informationen zu bekommen.

Alles alte Hüte, alles nicht belegt! Alles konnte widerlegt werden. Aber um zu begründen, dass so ein Gesetz nicht nötig sei, wird es immer hervorgeholt.

Herr Stahlknecht, Sie sagten, wir hätten im Rechtsausschuss über diesen Gesetzentwurf diskutiert. Ja, wir hätten das gern getan, aber es wurde nicht diskutiert. Im Rechtsausschuss wurde nicht ein einziges Mal inhaltlich über dieses Gesetz geredet, es wurde nur erklärt, dass man es nicht wolle. Das ist für mich zwar keine inhaltliche Begründung; aber zumindest die Mehrheitsverhältnisse haben seinerzeit dazu geführt, dass das Gesetz nicht verabschiedet wurde.

Jetzt sehe ich einen breiten Konsens. Er macht mir aber ein bisschen Angst; denn wenn das Gesetz auf das Bundesgesetz reduziert werden soll, das aus meiner Sicht ein Informationsverhinderungsgesetz ist, habe ich Bauchschmerzen, wenn dieser Konsens die Ausschussberatungen überstehen sollte.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn genau das haben wir nicht gewollt. Wir wollten kein Gesetz, das dem Bundesgesetz analog ist. Sie können sich die Protokolle der Anhörungen gerne noch einmal ansehen. Wir werden sicherlich wieder eine Anhörung machen. Unser Gesetzentwurf wurde von fast allen Praktikern als sehr gut, sehr fortschrittlich, sehr praktikabel - um uns nicht noch mehr zu loben - dargestellt. Was die Paparazzi betrifft, Herr Wolpert, so finden diese die Schlafzimmer Prominenter auch ohne Informationszugangsgesetz.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Damit ist die Rednerliste abgeschlossen.

Es wurde übereinstimmend beantragt, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Recht und Verfassung zur federführenden Beratung und in den Innenausschuss zur Mitberatung zu überweisen. Darüber stimmen wir jetzt ab. Wer stimmt zu? - Das sind auf jeden Fall mehr als 24 Abgeordnete. Damit ist dieser Gesetzentwurf in die beiden Ausschüsse überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt 3 ist abgeschlossen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4:

Erste Beratung

Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/28

Ich bitte nun Herrn Höhn, diesen Entwurf für die Linkspartei.PDS einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns entschieden, diesen Teil des Schulgesetzes bereits in der ersten Sitzung nach der Konstituierung aufzurufen, weil die Änderung des Teils des Schulgesetzes, der dort angesprochen wird, aus unserer Sicht nur sinnvoll ist, wenn wir die Änderung relativ schnell vornehmen, also möglichst noch vor Beginn des nächsten Schuljahres.

Wie immer ist das Leben konkret. Schulentwicklungsplanung ist insgesamt ein etwas trockenes Thema, aber wenn es konkret wird, dann bewegt es die Leute. Insofern muss ich fast dankbar sein, dass ich in dieser Woche durch den Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg oder auch durch das Landesverwaltungsamt, wie immer man das sieht, nochmals eine konkrete Begründung für unser Anliegen bekommen habe. Ich gehe davon aus, dass Sie der „Volksstimme“ entnommen haben, worum es geht. Dazu komme ich aber später noch einmal.

Ich will am Anfang auch noch einmal deutlich Folgendes sagen, damit wir kein Missverständnis in der Sache haben: Es geht uns nicht um eine generelle Neuverhandlung der Schulentwicklungsplanung. Diese Debatten haben wir in der vergangenen Legislaturperiode sehr ausführlich und kontrovers geführt.

Allerdings möchte ich auf eines hinweisen: Tenor des Kultusministers ebenso wie der Koalitionsfraktionen war - ich verkürze das jetzt -, dass die Einschnitte so stark sein sollten, wie sie in der letzten Legislaturperiode waren, damit wir eine Struktur bekommen, die dann auch dauerhaft hält. Das Beispiel Magdeburg zeigt, dass wir dieses Ziel nun dennoch nicht erreicht haben.

Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf eine punktuelle Entlastung, vor allem in den ländlichen Regionen. Wir wollen, dass die Schulen, die nach der genehmigten Schulentwicklungsplanung bis zum Jahr 2009 als bestandsfähig gelten, auch bis dahin bestandsfähig bleiben. Das Schulnetz ist aufgrund von Entscheidungen in der jüngsten Zeit auf das Äußerste gespannt. Wir alle sollten bemüht sein, eine weitere Ausdünnung zu verhindern.

Nun zu dem Beispiel Magdeburg, damit noch einmal deutlich wird, worum es in dem Gesetzentwurf geht. Es ist bei Weitem nicht so, dass dieses Beispiel ein Einzelfall wäre. Wir haben natürlich auch in Magdeburg eine bestätigte Schulentwicklungsplanung bis 2008/2009. Dazu gehören die beiden von der Entscheidung betroffenen Sekundarschulen Gottfried Wilhelm Leibniz und Oskar Linke.

Nun ist entschieden worden, dass beide Schulen in diesem Schuljahr keine 5. Klassen aufnehmen dürfen. Warum? - Weil die Mindestjahrgangsstärke in beiden Schu

len nicht erreicht wird. Allerdings - das muss man dazu sagen - wird in der entsprechenden Verordnung auch auf die Mindestschülerzahl verwiesen. Diese Mindestschülerzahl wird an beiden Sekundarschulen erreicht.

Was passiert denn nun bei einem solchen Vorgang? - Schulen, die eigentlich in der Schulentwicklungsplanung vorgesehen sind, werden dennoch zur Disposition gestellt. Auch wenn Staatssekretär Herr Willems in dieser Woche erklärt hat, dass das kein Eingriff in die Hoheit der Träger der Schulentwicklungsplanung ist,

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Damit hat er auch Recht!)

ist es doch einer. Sie mögen auf der formalen Ebene Recht haben - das gestehe ich Ihnen gerne zu -, aber wenn wir uns ansehen, was in den Schulen und im Bereich der Schulträger faktisch passiert, dann ist es doch ein solcher; denn wenn Sie einer Schule Eingangsklassen versagen, stellen Sie diese Schule zur Disposition, auch wenn der Schulträger gesagt hat, dass das nicht der Fall ist. Es ist völlig klar: Wenn von unten keine Schülerinnen und Schüler nachwachsen,

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Darauf komme ich nachher noch zurück!)

dann gefährden Sie schon aufgrund dieser Entscheidung ein zweites Kriterium - das habe ich schon angesprochen -, nämlich die Mindestschülerzahl.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

- Ich komme noch zu den Nachwachsenden, Herr Olbertz.

(Herr Tullner, CDU: Nachwachsenden Schülerzah- len, richtig?)

- Die Schüleranzahl, die nachwächst. Richtig, Herr Tullner. - Aber wenn die Schule keine 5. Klasse bildet, wächst nichts nach - das ist der entscheidende Punkt - und die Schule wird dauerhaft in ihrem Bestand gefährdet.

(Herr Gürth, CDU: Erst einmal müssen die ge- macht werden, bevor sie nachwachsen!)

Ich will in diesem Zusammenhang - ich habe schon darauf hingewiesen, dass wir in der letzten Legislaturperiode ausführlich darüber geredet haben - einige Worte des Ministers Herrn Professor Dr. Olbertz in der Aktuellen Debatte zum Thema Schulentwicklungsplanung am 21. November 2003 zitieren. Der Minister hat in dieser Debatte Folgendes ausgeführt:

„Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel: Unter den 60 bei Stichproben zufällig ausgewählten Schulen für die aktuelle Pisa-Studie, an denen vor Kurzem die Untersuchungen liefen, ist allein ein Drittel bestandsgefährdet. Mir kann niemand erzählen, dass diese Situation keinen Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und die Motivation der Schülerinnen und Schüler habe.“

Ich stimme ihm ausdrücklich zu. Allerdings ist das, was wir jetzt an diesem Beispiel und an anderen Stellen erleben, genau das: In den Schulen ist nicht klar, wie die Perspektive der Schüler und der Schule ist. Das hat natürlich Einfluss auf das Lernklima an der Schule.

Dann lese ich, dass die Pressesprecherin des Kultusministeriums in der letzten Woche zu alldem sagte:

„Wie man damit umgeht, ist Angelegenheit des Planungsträgers.“

Das ist eine Verfahrensweise, die dem Problem nicht angemessen ist.

Selbst wenn im jeweiligen Planungsgebiet perspektivisch nicht alle Schulen Bestand haben können, so muss dies aus unserer Sicht die Entscheidung des Trägers der Schulentwicklungsplanung sein, die er im Zuge der Fortschreibung der momentan beschlossenen Schulentwicklungsplanung, also nach 2009, zu treffen hat. Diese kann durch solche Entscheidungen bezüglich der Eingangsklassen im Grunde nicht vorweggenommen werden; denn schließlich hat der Schulträger auch die Folgen zu tragen. Als Stichworte sind die Schülerbeförderung oder die zu erwartenden steigenden Kosten, nämlich wenn die Schulstandorte geschlossen werden, zu nennen.

Worum geht es im Schulgesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, im Einzelnen? - Ich will die drei Schwerpunkte noch einmal benennen:

Erstens. Ich bin schon darauf eingegangen: Die Genehmigung von Eingangsklassen soll nicht mehr von der Mindestjahrgangsstärke, sondern von der Gesamtgröße der Schule und der Größe der Einzelklasse abhängig gemacht werden.

Zweitens. Sollte dennoch keine Eingangsklasse gebildet werden können, soll am Ende die Entscheidung des Trägers der Schulentwicklungsplanung über die Zuweisung der Schülerinnen und Schüler auf andere Standorte maßgebend sein und nicht mehr die der Schulbehörde.

Drittens. Die Mindestgrößen für Gymnasium und Gesamtschulen sollen abgesenkt und im Sinne der Gleichbehandlung die Richtwerte zur Festlegung der Einzügigkeit für alle Schulformen - gleich der Sekundarstufe I - einheitlich auf 20 festgelegt werden. Gleichzeitig soll die Mindestzügigkeit von Gesamtschulen gesenkt werden.

(Frau Weiß, CDU: Wer soll das bezahlen? - Herr Borgwardt, CDU: Auf unter null, oder was?)

Ich will noch zu einem Punkt kommen, nämlich dazu, dass es in der Anfangsklassenverordnung Ausnahmeregelungen gibt. Der Staatssekretär - ich habe dies seiner Presseerklärung entnommen - hat noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Ausnahmegenehmigungen sehr häufig erteilt werden. Wenn es so ist - die Anzahl der Ausnahmegenehmigungen, die Sie genannt haben, bezweifele ich erst einmal nicht -, dass die Schulbehörde in den meisten Fällen eine Ausnahmegenehmigung erteilt und der vorgesehene Regelfall dadurch zur Ausnahme wird, dann ist es aus meiner Sicht konsequent, dass man diese Ausnahmeregelung, also sprich das Abstellen auf die Gesamtschülerzahl, zur Regel macht und dies auch im Gesetz verankert.

Das hat einen entscheidenden Vorteil, nämlich dass wir Rechts- und Planungssicherheit für die Schulträger und auch für die Schülerinnen und Schüler bekommen und dass es dann nicht mehr erforderlich ist, jedes Jahr auf die Genehmigung der Anfangsklasse zu warten.