Protokoll der Sitzung vom 27.04.2007

Meine Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 21. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie alle herzlich.

Wir haben heute wieder die Freude, einem Mitglied des Landtages, nämlich Frau Petra Grimm-Benne, zum Geburtstag gratulieren zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Wie bereits gestern bekannt gegeben worden ist, wird Herr Minister Professor Dr. Olbertz heute lediglich bis 11 Uhr anwesend sein. Herr Staatsminister Robra wird in der Zeit von 10 bis ca. 12 Uhr nicht anwesend sein.

Wir setzen nun die 11. Sitzungsperiode fort. Es ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 19 - Entwurf zur neuen Sportstättenverordnung endlich vorlegen - vorzuziehen und nach dem Tagesordnungspunkt 16 zu behandeln.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Einsetzung einer Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt“

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/638

Ich bitte Frau Dr. Paschke, diesen Antrag einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wollen wir den öffentlichen Dienst im Land Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und für sie entwickeln? Was soll und muss er leisten und wie viel können und müssen wir uns dafür leisten?

Soll es ein öffentlicher Dienst sein, der Anzeichen von Bulimie aufweist und seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann? Oder soll es ein öffentlicher Dienst sein, der wettbewerbsfähig in der Gesellschaft, bürgerorientiert und leistungsorientiert arbeitet?

Wir sind uns sicher, dass keiner der beiden Kontrapunkte sich im Jahr 2020 so darstellen wird. Wir müssen aber genau den richtigen Punkt finden, um sicherzustellen, dass die Qualität und die Quantität des Personals ausreichend sind, um alle Erfordernisse erfüllen zu können.

Mit ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und ihrer Leistungsmotivation sollen die Beschäftigten letztlich dafür Sorge tragen, dass der politische Wille von Parlament und Regierung in hoher Qualität, wirtschaftlich, nachhaltig und bürgerfreundlich umgesetzt wird.

Daher ist es insbesondere Aufgabe der Landespolitikerinnen und Landespolitiker, den öffentlichen Dienst funktions- und wettbewerbsfähig zu halten, ihn nach außen und nach innen attraktiv zu gestalten und ihn mit Blick auf neue gesellschaftliche Herausforderungen weiterzu

entwickeln. Das sind die zentralen Fragen, um die es in den nächsten Jahren gehen wird. Dafür müssen wir jetzt die Weichen stellen.

Die Linkspartei.PDS bringt in der heutigen Sitzung einen Antrag zur Bildung einer Enquetekommission ein, die sich mit der Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 beschäftigen soll.

In den letzten Monaten ist viel über die Zukunftsfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt geredet worden. Zur Zukunftsfähigkeit eines und somit auch unseres Landes gehört es, dass alle Landesaufgaben in der erforderlichen Qualität und Quantität erfüllt werden, und das unter den veränderten Rahmenbedingungen, über die in der letzten Zeit schon viel diskutiert worden ist. Ich nenne Stichpunkte wie Föderalismusreform, demografische Bedingungen und finanzielle Rahmenbedingungen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Diskussion geführt und letztlich auch entschieden werden muss, aber nicht ausschließlich hinter den Kabinettstüren. Nein, dazu ist eine breite gesellschaftliche Debatte zu führen, die sich nicht darin erschöpfen darf, dass die Landesregierung eine Pressekonferenz durchführt und im Finanzausschuss einmal darüber berichtet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ehrlich gesagt, wir haben wirklich fest damit gerechnet, dass es heute eine Regierungserklärung zu einem solchen zukunftsweisenden und wichtigen Problem geben wird. Der Landtag jedenfalls steht in der Pflicht, die Aussagen der Landesregierung kritisch zu hinterfragen und sich einen eigenen Standpunkt zu einer so wichtigen Frage wie der der Personalentwicklung zu bilden.

Aus der Sicht der Linkspartei.PDS gibt es neben den vielen Einzelaussagen in dem vorgelegten Konzept zumindest die folgenden grundsätzlichen Probleme des Herangehens, auf die ich heute eingehen möchte.

Erstens. Das beschlossene Personalentwicklungskonzept der Landesregierung enthält keinerlei Aussagen darüber, welche Landesaufgaben, insbesondere welche Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge im Bereich der Sicherheit, der Bildung, der Justiz, der Finanzverwaltung, der Landwirtschaft und der Umwelt usw., mit welchen Abstrichen an Qualität und Quantität mit dem dann noch verbliebenen Personal überhaupt abgesichert werden können bzw. an welcher Stelle das Land sozialstaatliche Abstriche machen kann, machen will oder machen muss.

Bleibt diese entscheidende Frage offen, dann sind zwei Schlussfolgerungen für die Öffentlichkeit möglich. Entweder: Bei der Arbeit des jetzigen Personals gibt es so erhebliche Reserven, dass auch bei einem Abbau von Tausenden von Arbeitsstellen annähernd die gleichen Leistungen erbracht werden können - mit dieser Einstellung wird derzeit stillschweigend der bereits laufende Personalabbau betrieben. Oder: Unser Land verabschiedet sich in großen Umfang von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wenn das so sein muss, dann muss das aber auch gesagt werden.

In der öffentlichen Diskussion macht sich der Eindruck breit, es wäre im Personalkörper des Landes tatsächlich so viel Luft, dass alle Leistungen weiterhin in dem bisherigen Umfang erbracht werden könnten, auch wenn mehr als 10 000 Stellen abgebaut würden. Allein hierin

liegt der entscheidende Unterschied zu unserem Ansatz für die Arbeit der Enquetekommission zur Bewertung der Personalentwicklung bis in das Jahr 2020. Wir sind der Auffassung, dass in erster Linie aus den zu erfüllenden Aufgaben heraus die Entwicklung des Personals bestimmt werden muss. Unser Ansatz ist also aufgabenorientiert, während der Ansatz der Landesregierung bis auf wenige Ausnahmen fiskalisch orientiert ist.

Es ist - das sage ich ganz offen - ein Verdienst der Landesregierung, insbesondere des Finanzministers, einen so detaillierten Ansatz vorgelegt zu haben. Wir haben jetzt eine Grundlage für die Diskussion und natürlich auch für die Kritik. Wir sind uns jedoch sehr sicher, dass durch einen aufgabenorientierten Ansatz im Abgleich mit den fiskalischen und anderen Bedingungen eine zukunftsorientierte Bestimmung der Personalentwicklung möglich ist.

In den vergangenen Jahren wurde viel über Aufgabenkritik geredet: in Erklärungen der Regierung, Kommissionen wurden einberufen und Zeitpunkte bestimmt, zu denen Ergebnisse vorliegen sollten. Diese erblickten aber leider nicht das Licht der parlamentarischen Öffentlichkeit. Jetzt hat die Landesregierung, haben die einzelnen Ministerien die Chance, die Ergebnisse vor der Enquetekommission zu präsentieren.

Zweitens. Das beschlossene Konzept der Landesregierung verstetigt eine bereits über Jahre hinweg nahezu ausnahmslos betriebene Personalpolitik und untersetzt den aus unserer Sicht im Koalitionsvertrag bestehenden Schwachpunkt Personal.

Unter dem Stichwort Personalentwicklung wird über Personal- und Stellenabbau geredet. Über Jahre hinweg hat die Landesregierung, haben aber auch wir, das Parlament, bis auf verschwindend kleine Ansätze nahezu ausschließlich Personalabbaupolitik betrieben. Das rächt sich in einigen Bereichen bereits jetzt. Würden wir das Konzept der Landesregierung so umsetzen, würden immer mehr entscheidende Kriterien einer qualitativen Personalentwicklung auf der Strecke bleiben.

Wenn es denn stimmt, dass wir zukünftig mit erheblich weniger Personal auskommen können und müssen, dann müssen wir, wenn wir die Aufgaben erfüllen wollen, fragen: Wie muss das verbleibende Personal aufgestellt sein, um die hoheitlichen Aufgaben auch tatsächlich erfüllen zu können? Wie muss es qualifiziert, wie muss es motiviert, wie muss es auf Leistung orientiert werden?

Wir haben in einer Enquetekommission die einmalige Chance, mit der Landesregierung, mit den Betroffenen und mit anderen gesellschaftlichen Kräften darüber zu debattieren.

Drittens. Meine Damen und Herren! Als ein Dreh- und Angelpunkt der Personalentwicklung kristallisiert sich die Altersstruktur im öffentlichen Dienst heraus. Wir alle wissen das. Auch hierzu möchte ich Sie nicht mit Zahlen behelligen; diese wurden in der Öffentlichkeit bereits mehrfach vorgetragen. Für alle ist jedoch unstrittig, dass wir dringend eine Verjüngung im Personalbereich brauchen. In einigen Bereichen ist der Zeitpunkt dafür bereits in Ansätzen irreparabel überschritten.

Nunmehr sieht das Konzept der Landesregierung vor, umfangreiche Neueinstellungen in den Landesdienst erst zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem in großem Umfang bereits die erforderliche Anzahl von Absolventen fehlt. In den nächsten fünf Jahren muss es unbedingt

gelingen, den letzten geburtenstarken Abschlussjahrgängen im Land Sachsen-Anhalt eine Perspektive zu bieten.

Wir sollten also bereits im kommenden Doppelhaushalt - so steht es auch in dem empfohlenen Einsetzungsbeschluss - darum ringen, diese Schrumpfzahlen im Neueinstellungsbereich etwas aufzustocken. Wir verschieben sonst die notwendige Verjüngung und tragen somit dazu bei, dass junge, leistungsstarke Menschen das Land verlassen. Und anschließend legen wir, wie es das Wirtschaftsministerium oder andere tun, Programme auf und lassen Heimatpäckchen packen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ich bitte Sie sehr, lassen Sie uns diese Frage kompakt und an erster Stelle in die Diskussion in der Enquetekommission einbringen, sodass sie im Hinblick auf den nächsten Doppelhaushalt noch berücksichtigt werden kann.

Ein Minister hat in einem Ausschuss gesagt, auch wenn sich die Zahl der Absolventen reduziere, gebe es in seinem Bereich jährlich so viele Bewerbungen, dass es trotzdem noch genügend Neueinstellungen geben werde. Das ist jedoch nicht das gesellschaftliche Problem. Das gesellschaftliche Problem ist vielmehr, dass junge Leute aus dem Land verschwinden. Es ist nicht nur eine Frage, ob die Ministerien geeignete Absolventen finden.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Sehr verehrte Abgeordnete! Ich möchte an dieser Stelle neben der Tatsache, dass wir uns mit diesem Thema als Erstes beschäftigen sollten, einige Worte dazu sagen, wie wir uns das Herangehen in der Enquetekommission vorstellen.

Wir haben in den Diskussionen zum Personalentwicklungskonzept sehr wohl gemerkt - so ist auch die Landesregierung in ihrem Papier herangegangen -, dass wir die Ministerien einzeln - ich sage es einmal so - durchforsten müssen, weil es unterschiedliche Bedingungen gibt. Deshalb haben wir in dem empfohlenen Einsetzungsbeschluss beschrieben, dass wir uns jedes Ministerium nach einem Raster vornehmen wollen. Dieses Vorgehen hat auch schon in dem zeitweiligen Ausschuss zum Erfolg geführt.

Aber auch wenn man jedes Ministerium nach einem Raster bewertet, sollte es doch verallgemeinernde Aussagen zu wesentlichen Bereichen der Personalentwicklung geben. Darauf wird in dem empfohlenen Einsetzungsbeschluss unter dem Abschnitt „Schwerpunkte der Aufgabenstellung“ in Form von Fragestellungen eingegangen.

Es geht also darum, zunächst die Ministerien nach dem Raster zu durchforsten und dann verallgemeinernde Schlussfolgerungen für den Bereich der Personalentwicklung zu ziehen.

Sehr verehrte Abgeordnete! Uns ist sehr stark bewusst, dass eine Enquetekommission nicht das Allheilmittel zur Bestimmung einer qualitativ und quantitativ ausgewogenen Personalentwicklung bis in das Jahr 2020 sein kann. Ich verschweige nicht, dass ich zu Beginn des Jahres auch die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses oder zumindest eines Unterausschusses sehr attraktiv gefunden hätte. Leider sind derartige Anträge in diesem Haus immer wieder gescheitert.

Aber auch eine Enquetekommission hat ihre Vorteile: Wir können mit mehreren gesellschaftlichen Kräften die

ses so wichtige gesellschaftliche und auch Landesproblem diskutieren.

Meine Damen und Herren! Was mich dennoch etwas irritiert, um nicht zu sagen vom Sitz gerissen hat, waren die Äußerungen, die in der letzten Zeit in der Zeitung herumgeisterten. Manchmal wird es darin auch etwas anders ausgedrückt, aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es Parlamentarier gibt, die meinen, dass Personalentwicklung ausschließlich eine Angelegenheit der Landesregierung ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ob wir Gesetze verabschieden, ob wir einzelne Aufgabenstellungen innerhalb der Ministerien im Haushalt festschreiben, ob wir den Stellenplan beschließen - all das sind Fragen, die sich um das Personal drehen. Es dreht sich immer um die Aufgaben, die wir im Land zu erfüllen haben. Das ist erstrangige Pflicht von Landespolitikerinnen und Landpolitikern. Darüber wollen wir mit Ihnen in die Diskussion kommen. Wir hoffen, Sie werden mit uns die Diskussion auch führen.