Protokoll der Sitzung vom 27.04.2007

Wir, die Fraktion der Linkspartei.PDS, - das will ich an dieser Stelle sagen - wussten nicht wirklich, dass wir in dieser Geschwindigkeit für die ausgegliederten Beschäftigten der Telekom den gesetzlichen Mindestlohn fordern müssen. Auch hierbei gilt: Die Deutsche Telekom kann sich nur entwickeln und Umsätze in Sachsen-Anhalt machen, wenn die Binnenkaufkraft bei den Menschen vorhanden ist,

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

um sich diesen Service, um den es der Telekom geht, leisten zu können.

In dem ersten Punkt unseres Antrags haben wir die Landesregierung aufgefordert, gegenüber der Bundesregierung alle notwendigen Initiativen zu ergreifen, um eine weitere Veräußerung von Unternehmensteilen der Deutschen Telekom AG bis zur Vorlage eines Gesamtkonzepts zur Erhöhung der Dienstleistungs- und Servicequalität auszusetzen.

Aus der Sicht der Fraktion der Linkspartei.PDS hat die Bundesregierung gegenüber den Mitarbeitern der Telekom eine beschäftigungspolitische Verantwortung. Wir wissen: Noch ist der Bund direkt und indirekt über die KfW mit insgesamt 32 % der Aktien an der Telekom beteiligt.

Wir wissen auch, dass Frau Matthäus-Maier als Vertreterin der KfW und Herr Staatssekretär Mirow als Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Telekom Sitz und Stimme haben. Beide haben nach unserer Kenntnis im Aufsichtsrat für das Umbaukonzept der Telekom gestimmt. Die Arbeitnehmerbank hat geschlossen gegen das Konzept gestimmt. Nur mit der Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden ist das Konzept angenommen worden.

Für die Beschäftigten des Konzerns ist es völlig unverständlich, dass die Vertreter der Bundesregierung ihre Möglichkeiten im Aufsichtsrat nicht genutzt haben und dass sie die Alternativvorschläge, die vonseiten der Arbeitnehmervertreter vorgetragen worden sind, nicht zum Anlass genommen haben, um die Entscheidung nicht zu fällen. Sie hatten erwartet, dass sich der Aufsichtsrat vorher mit den Alternativvorschlägen beschäftigt.

Zu oft wird aus unserer Sicht zu früh und zu einseitig vor allem im Personalabbau das Allheilmittel für größere Produktivität gesehen. Stattdessen sollten mehr und rechtzeitig gezielte Innovationen, intelligente Produktentwicklung, stetige Weiterbildung der Beschäftigten und andere Maßnahmen der Beschäftigungssicherung durchgeführt werden.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Insofern brauchen wir zumindest bei einem Teil der Wirtschaft einen deutlichen Mentalitätswechsel; denn nicht der Abbau, sondern der Erhalt von Arbeitsplätzen muss oberste Priorität haben.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Meine These ist: Ordentlich bezahlte Arbeitsplätze sorgen für Binnenkonjunktur und schaffen damit weitere Arbeitsplätze.

Zu dem zweiten Punkt unseres Antrages. In SachsenAnhalt befanden sich unmittelbar nach der Privatisierung der Deutschen Telekom noch 7 000 Beschäftigte. Nach einer weiteren Neugliederung, bei der die neuen Bundesländer in eine Mitte-Ost-Region und in eine NordOst-Region umstrukturiert wurden, gab es per 31. Dezember 2006 in der Mitte-Ost-Region - sie umfasst Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen - noch 6 526 Beschäftigte im Kernkonzern. Davon werden weniger als 500 Beschäftigte übrig bleiben. In der Nord-Ost-Region, wo es per 31. Dezember 2006 noch 6 651 Beschäftigte gab, werden noch maximal 500 Beschäftigte übrig bleiben. Damit werden in diesen Regionen mehr als 12 000 Menschen von den oben beschriebenen Maßnahmen betroffen sein.

Aus der Sicht der Fraktion der Linkspartei.PDS ist es ein gesellschaftspolitischer Skandal, dass ein Unternehmen,

das sich zu mehr als 30 % im Bundesbesitz befindet, in Ostdeutschland einen beschäftigungspolitischen Kahlschlag betreiben kann, ohne dass der landes- und der bundespolitische Einfluss geltend gemacht wird.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Zum Lokalpatriotismus gehört, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger auf ihre Landesregierung verlassen können, dass sie Hilfe finden und dass sie keine Leichtgewichte beim Personalabbau sind. In den Ländern Bayern und Rheinland-Pfalz sind die Landesregierungen sehr aktiv geworden und haben damit Standorte gesichert. Dadurch konnte eine Vielzahl von Arbeitsplätzen erhalten werden. Es geht, wenn man will.

Mit dem Punkt 3 unseres Antrags wollen wir erreichen, dass der Anteil der Niedriglöhne in Sachsen-Anhalt nicht weiter zunimmt. Jeder zehnte Bürger unseres Landes lebt bereits in Armut. Über 260 000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind ohne Sozialversicherungspflicht beschäftigt. - Die Liste könnte ich fortsetzen. Aber ich denke, das wird Herr Gallert nachher noch tun.

In Sachsen-Anhalt werden von den Maßnahmen der Telekom erneut mehrere Tausend Menschen betroffen sein. Es geht uns nicht darum, Maschinenstürmerei zu betreiben und damit den notwendigen Prozess der Unternehmensentwicklung aufzuhalten. Nein, darum geht es uns nicht.

Wir wollen allerdings nicht, dass nach Gutsherrenart einseitige Entscheidungen getroffen werden und dass die betroffenen Arbeitnehmerinnen keine Chance haben, sich an der Konzernentwicklung zu beteiligen. Wir wollen, dass sie ihre Vorschläge, Ideen, Innovationen und Ansätze einbringen können. Das, meine Damen und Herren, wäre ein echtes Signal für Wirtschaftsdemokratie in Unternehmen.

Eine Bitte habe ich: Ersparen Sie mir die Belehrung, dass in Deutschland unter den Unternehmen Wettbewerb herrscht, dass sich diesem jeder stellen muss, dass Innovation und Strukturveränderungen notwendig sind und dass die Politik nicht in Unternehmensentscheidungen eingreifen kann.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Franke, FDP: Genau das werden wir machen!)

Das weiß ich alles. Aber die Möglichkeiten, die gegeben sind und die ich aufzuzeigen versucht habe, können Sie nutzen. Ich bitte Sie deswegen um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Rogée. - Jetzt bitte Ihre Frage, Herr Franke.

Frau Rogée, Sie haben vorhin über die Billiglöhne bei Walter Telemedien gesprochen. Ist es richtig, dass Verdi die Löhne für die Mitarbeiter ausgehandelt hat?

Das ist richtig, ja. Das stimmt.

Okay, danke.

Vielen Dank. Damit ist der Antrag eingebracht worden. - Es spricht jetzt Herr Minister Dr. Haseloff. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz skizzieren, wie sich aus unserer Sicht die Problematik der Deutschen Telekom AG darstellt. Das Problem ist nach unserer Kenntnis dadurch akut geworden, dass die Deutsche Telekom AG in der letzten überschaubaren Zeit erheblich an Kunden verloren hat. Insgesamt sind 700 000 Kunden zu anderen Anbietern gewechselt. Es gibt eine Unternehmensprognose für die nächsten zwei, drei Jahre, nach der aus der jetzigen Kosten- und Angebotsstruktur bis zu drei Millionen Kunden abwandern könnten.

Das Unternehmen hat deswegen eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um die Kundenzahlen stabil zu halten und den Kundenstamm an sich zu binden, um damit die noch vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern und trotzdem als Unternehmen eine angemessene Entwicklung nehmen zu können.

Man will die Deutsche Telekom in drei neue Einheiten teilen bzw. aufgliedern: zum Ersten in den Bereich Kundenservice GmbH - das betrifft die Callcenter-Problematik, die schon angesprochen wurde -, zum Zweiten in den Bereich Kundendienst GmbH, den technischen Kundendienst vor Ort, und zum Dritten in die Netzproduktion, die den Aufbau und den Betrieb der Netzinfrastruktur umfasst.

Das Ziel besteht nach Angaben des Unternehmens darin, die Wirtschaftlichkeit des Gesamtkonzerns durch Produktivitätssteigerungen zu erhalten und diese auch mithilfe einer Verringerung der Personalkosten, also durch Lohnkürzung und Arbeitszeitverlängerung, zu realisieren.

Die Deutsche Telekom AG verhandelt mit Verdi und hat unter anderem Folgendes vorgeschlagen: Entgeltabsenkung in Höhe von 12 %, nach 30 Monaten mit sozialem Ausgleich, Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 34 auf 38 Stunden, Kündigungsschutz und Verzicht auf Verkauf der Bereiche, also Auslagerungsschutz bis Ende 2010, sowie Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, aber mit geringeren Einstiegsgehältern. Verdi hat diese Vorschläge abgelehnt und zusätzlich einen so genannten Auslagerungstarifvertrag gefordert.

Jetzt zu den einzelnen Punkten des Antrags. Zu Punkt 1 ist zu sagen, dass dieser Teil des Antrags zu diesem Zeitpunkt ins Leere geht; denn nach dem Konzept der Deutschen Telekom AG sollen bis Ende 2010 keine Bereiche verkauft werden.

(Beifall bei der FDP)

Die drei Servicebereiche verbleiben im Konzern. Wenn die Neuorganisation des Servicebereichs den Erfolg hat, den sich die Deutsche Telekom AG davon verspricht, sollte danach eine Auslagerung zu vermeiden sein.

Der Punkt 2 bezieht sich darauf, dass die Landesregierung Einfluss auf den Bund nehmen soll, um diesen ganzen Prozess in eine andere Richtung zu bringen.

Die Vorschläge der Deutschen Telekom AG zeigen, dass dem Konzern die Verantwortung für die Beschäftigtenzahl und auch für die Arbeitsplatzstruktur bewusst ist.

Die zukünftigen Bedingungen für die Beschäftigten sind zuallererst Sache der Tarifpartner, der Deutschen Telekom AG und Verdi, die trotz der Gegensätze noch immer im Gespräch sind. Beide Partner sollten sich im Übrigen ihrer Verantwortung für die Deutsche Telekom AG bewusst sein.

Unter Punkt 3 wird die Landesregierung aufgefordert, nicht tatenlos zuzusehen usw. - Es ist im Interesse der Landesregierung und sicherlich auch der Bundesregierung, dass eine Ausgewogenheit zwischen den berechtigten Interessen des Unternehmens und denen der Beschäftigten besteht. Die Deutsche Telekom AG hat Vorschläge zur Konsolidierung des Servicebereichs gemacht, die den Abbau und die Auslagerung von Arbeitsplätzen und damit die Ausweitung des Niedriglohnsektors für die nächsten Jahre ausschließen.

Ich glaube, wir sollten diesen Prozess weiterhin produktiv begleiten und auch als Gesprächspartner zur Seite stehen, dabei die Tarifautonomie respektieren und den Verhandlungspartnern auf beiden Seiten ausreichend viel Flexibilität wünschen, sodass die Verhandlungen zum Arbeitsplatzerhalt beitragen können.

Vielen Dank, Herr Minister. Möchten Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten? - Bitte, Herr Gallert.

Herr Haseloff, zu Punkt 3. Das große Problem, vor dem gerade diejenigen Bereiche der Telekom stehen, die im Callcenter-Bereich aktiv sind, ist, dass es gerade in dem Bereich eine Konkurrenzsituation gibt, in dem Niedrigstlöhne gezahlt werden.

Unsere Frage ist jetzt: Wissen Sie, ob solche Unternehmen öffentliche Mittel zum Zweck der Arbeitskostenerstattung bekommen? Wissen Sie, inwiefern öffentliche Mittel in solche Billigstlohnunternehmen im CallcenterBereich fließen?

Ich fange bei der Antwort mit dem Bereich an, den die Branche selbst zu tragen hat. Sie wissen, welch große Dynamik derzeit insbesondere in der Telekommunikationsbranche im Gang ist. Ich muss sagen, von der öffentlichen Seite, von der Politik ist diese Bewegung bewusst initiiert worden.

Ich bin Mitglied des Beirates der Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur, die sich nicht nur um Gas- und Stromnetze, sondern auch um die Telekommunikationsbereiche zu kümmern hat, ist geschaffen worden, um erstens Monopolstrukturen aufzubrechen, zweitens Wettbewerb zu erzeugen und drittens neuen Wettbewerbern den diskriminierungsfreien Zugang zum Markt zu ermöglichen und damit schlicht und einfach auch für den Endkunden und für den gewerblichen Kunden eine bessere Kosten- und Preisstruktur zu erzeugen.

Das war also politisch gewollt und entspricht auch den Vorgaben, die die Europäische Union im Rahmen ihrer Vorstellungen zum Wettbewerbsrecht in Deutschland umgesetzt sehen möchte. Genau in diesem Bereich bewegen wir uns.

Dem Beirat gehört übrigens auch eine Bundestagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt an. Wir haben immer wie

der auch die Frage gestellt, wie man hieraus zu einem ausgewogenen Verfahren kommt, damit wir das realisieren können, also faktisch das eine tun und das andere nicht lassen. Es geht also darum, die soziale Verantwortung nicht aufzugeben, eine Vernichtung von Arbeitsplätzen bzw. deren Abwanderung aus unserem Bundesland zu vermeiden und trotzdem eine Preisentwicklung für den Kunden sicherzustellen, die inzwischen international üblich ist.

Wir haben in Deutschland - das kann man wirklich nachweisen - insbesondere in diesen Bereichen immer noch die höchsten Kosten bzw. die höchsten Preise im Angebot.