In einem am Montag gesendeten Beitrag des „Report Mainz“ ging es um den Streit in Deutschland zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Es war zu hören,
dass 90 % der Deutschen den Mindestlohn für eine gute Sache halten. Übrigens sind das Wähler aller Parteien.
Ein Zusteller des privaten Postunternehmens PIN sagte, er sei 60 Stunden wöchentlich beschäftigt, von morgens 5 Uhr bis abends oft 19.30 Uhr, und zwar bei einem Bruttostundenlohn von 4,50 €. Davon kann sich der 49-Jährige keine eigene Wohnung leisten; er lebt noch bei seiner Mutter. Eigentlich, so sagte er, könne er sich gar nichts leisten.
Deutlich wurden in diesem Beitrag auch die Mechanismen und Ursachen des Streits: Es stehen unterschiedliche Interessenlagen dahinter, nämlich nicht solche, die die Lösung des Problems für die Allgemeinheit zum Ziel haben, sondern private und unternehmensbezogene Interessenlagen.
„Billig durch Ausbeutung“ ist deshalb angesagt. Gewinnmaximierung durch billige Arbeitskräfte, die Zuzahlungen vom Staat erhalten - auf diese Weise werden große Unternehmen mit Mitteln in Milliardenhöhe subventioniert.
Für die PIN AG hat die Springer AG eine halbe Milliarde Euro gezahlt. Das Geld soll natürlich vermehrt zurückfließen. Aber das geht nur, wenn geringe Preise durch billige Löhne gesichert sind. Dazu passt ein geregelter Mindestlohn oder ein gesetzlicher Mindestlohn überhaupt nicht ins Konzept der Konzernführung.
Deshalb wird dem Leser über die „Bild“-Zeitung vermittelt, dass ein Stundenlohn von 4,50 € sinnvoll ist und dass ein deutschlandweiter Mindestlohn mehr als eine Million Arbeitsplätze kosten würde. Dabei wird völlig ignoriert, dass das Doppelte an Transferleistungen bereits jetzt in Anspruch genommen werden muss, um existenzsichernd leben zu können.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, an dieser Stelle ist mir klar geworden, warum die Bundesregierung nicht bereit war, die Öffnung des Briefmonopols entsprechend dem Vorschlag der EU auf den 1. Januar 2010 zu verschieben. Das hätte natürlich überhaupt nicht ins Konzept des Springer-Konzerns, der PIN-Gruppe und anderer Unternehmen gepasst.
Haben Sie den Mut und unterstützen Sie den Anteil von mehr als 90 % der Menschen in unserem Land bei der Umsetzung der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von mindestens 8 €.
Lassen Sie mich dazu ein Zitat von Professor Dr. Stefan Sell von der Fachhochschule Koblenz anbringen:
„wo es seit langem einen Mindestlohn gibt, der auch kontinuierlich erhöht worden ist, zeigen, dass allein in den letzten sechs Jahren dort fast 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich geschaffen worden sind - trotz eines Mindestlohnes, der mittlerweile bei 8 € in der Stunde liegt.“
Die Erfahrungen in den europäischen Ländern zeigen, dass gesetzliche Mindestlöhne nicht zu Arbeitsplatzverlusten geführt haben. Im Gegenteil, in vergleichbaren
Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Irland haben sich das Bruttoinlandsprodukt und die Binnenkonjunktur stärker entwickelt als in Deutschland. Deshalb, meine Damen und Herren, wird es Zeit für ein Stück europäischer Normalität auch in Deutschland. - Danke.
Vielen Dank, Frau Rogée. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Franke. Die würde ich jetzt noch zulassen. - Bitte schön.
Frau Rogée, stimmen Sie mir darin zu, dass bei einer echten Liberalisierung der Briefpostzustellung ein Potenzial von ca. 40 000 neuen Arbeitsplätzen in Deutschland besteht und dass das Porto für den Verbraucher um ca. 20 % gesenkt werden kann?
Ich habe versucht, deutlich zu machen, welche Interessenlagen dahinterstehen. Natürlich ist es so, wenn die Löhne bei den Mitwettbewerberunternehmen niedriger sind - sie sind niedriger -, dann geht das zulasten der gelben Post. Das wissen die Kollegen. Das ist ihr Problem.
Weitere Fragen sehe ich nicht. Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 der Geschäftsordnung des Landtages werden in der Aktuellen Debatte keine Beschlüsse gefasst. Wir können den Tagesordnungspunkt somit verlassen.
Hierzu wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Einbringer ist der Minister des Innern Herr Hövelmann. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenstand dieser Vorlage ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften im Land Sachsen-Anhalt als Zustimmungs- und Ergänzungsgesetz zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland.
Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen soll das Glücksspielmonopol in dem bisherigen Umfang bis zum Jahr 2011 festschreiben und den Staatsvertrag zum Lotteriewesen ersetzen, der sich im Wesentlichen
Der Abschluss des Staatsvertrages ist erforderlich geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im März 2006 zu dem in Bayern bestehenden Sportwettenmonopol entschieden hat, dass es dem bayerischen Landesrecht an Regelungen mangele, die eine konsequente Ausrichtung des Monopols am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren gewährleisteten. Dieses Regelungsdefizit werde auch durch den Staatsvertrag zum Lotteriewesen nicht ausgeglichen.
Für eine Neuregelung hat das Gericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2007 eingeräumt. Im Dezember 2006 hat das Bundesverfassungsgericht einen grundsätzlich entsprechenden Beschluss zur Rechtslage in Sachsen-Anhalt gefasst. Auch das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat im Februar 2007 auf das noch vorhandene Regelungsdefizit hingewiesen.
Die Ausfüllung der gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielräume sieht die Landesregierung in der Schaffung eines ordnungsrechtlichen Rahmens, der den vom Bundes- und vom Landesverfassungsgericht sowie vom Europäischen Gerichtshof formulierten Vorgaben für ein konsistentes und kohärentes System zur Vermeidung und zur Abwehr von Suchtgefahren entspricht. An den Kernzielen, die seit Langem die Glücksspielgesetzgebung der Länder leiten und die bundeseinheitlich im Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland ihren Niederschlag gefunden haben, soll dabei festgehalten werden.
Bereits das Gesetz über das Zahlenlotto und über Sportwetten im Lande Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1991 als Vorgängervorschrift des jetzigen Glücksspielgesetzes verfolgte das Ziel, das Glückspiel um Geld einzudämmen und nur so viele Veranstaltungen zuzulassen, wie es zur Kanalisierung des Spieltriebes erforderlich war.
So, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat Frau Abgeordnete Grimm-Benne bereits Ende des Jahres 2004 bei der Einbringung des Entwurfes eines Glückspielgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt hervorgehoben, dass es - ich zitiere - angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die in unserem Land infolge der hohen Arbeitslosigkeit bestünden, nicht zu verantworten sei, die Menschen in stärkerem Maße zum Spielen zu animieren. Die Sucht- und die Schuldnerberatungsstellen hätten schon ohne diese liberale Aufforderung zur Sanierung des Landeshaushaltes an unsere Bürgerinnen und Bürger genug zu tun. Auf frischfreche Werbung um Kundschaft könnten wir auf diesem Gebiet verzichten.
Wichtigstes Ziel des neuen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen ist daher die Vermeidung und die Bekämpfung der Glücksspielsucht. Die Länder kommen damit der staatlichen Pflicht zum Schutz der Gesundheit der Bürger nach. Dies gilt insbesondere auch für den Jugendschutz. Auch gemeinschaftsrechtlich ist es Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, auf welchem Niveau sie den Schutz der öffentlichen Gesundheit sicherstellen wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll.
Wesentlicher Inhalt des Staatsvertrages ist unter anderem, das Glücksspiel im Internet zu verbieten, den Vertrieb über Annahmestellen qualitativ und quantitativ zu begrenzen, die Werbung auf eine Information und Auf
klärung über die Möglichkeiten zum legalen Glücksspiel zu beschränken sowie ein übergreifendes Sperrsystem für Spielbanken, Sportwetten und Lotterien in rascher Zeitfolge zu schaffen, das Spielsüchtige und Spielsuchtgefährdete von der Teilnahme am Spiel ausschließt. Außerdem soll ein unabhängiger Fachbeirat aus Experten für Spielsuchtbekämpfung neue Glücksspiele und die Einführung neuer oder die erhebliche Erweiterung bestehender Vertriebswege durch Veranstalter oder Vermittler untersuchen und bewerten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zur Vermeidung von Glücksspielsucht notwendigen Schranken für die Veranstaltung, die Vermarktung und den Vertrieb von Glücksspielangeboten sollen grundsätzlich und allgemein für staatliche und für private Veranstalter gelten. Abstriche von diesem Schutzniveau werden nur für Glücksspiele mit einem geringeren Gefährdungspotenzial zugelassen.
Damit wird auch den Hinweisen der Spielsuchtexperten, die diese vor dem Bundesverfassungsgericht und in den Anhörungen vorgebracht haben, Rechnung getragen,
wonach ein erweitertes Glücksspielangebot nach den eindeutigen Erkenntnissen der epidemiologischen Forschung untrennbar mit einer Ausweitung von Glücksspielsucht und problematischem Spielverhalten verbunden ist, unabhängig davon, ob Glücksspiele in öffentlicher oder in gewerblicher Regie veranstaltet werden.
Mit Beschluss vom 17. November 2006 hatte der Landtag, also Sie, die Landesregierung gebeten, in den Ausschüssen für Inneres, für Wirtschaft und Arbeit sowie für Finanzen über den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen zu berichten. Dieser Bitte ist die Landesregierung im Zeitraum von Dezember 2006 bis April 2007 nachgekommen.
Die Ministerpräsidenten aller Länder haben den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen nunmehr unterzeichnet.
Die Unterzeichnung durch Ministerpräsidenten Herr Professor Dr. Böhmer erfolgte am 8. Mai 2007. Auch - darauf will ich besonders hinweisen - der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein hat den Staatsvertrag zwischenzeitlich unterzeichnet.
(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Aber unter welchen Konditionen? - Herr Kosmehl, FDP: Welchen Druck haben Sie aufgebaut?)