Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung unseres Landtages und begrüße alle Anwesenden ganz herzlich.
Ich erinnere noch einmal daran, meine Damen und Herren, dass die Minister Hövelmann, Haseloff und Robra heute nicht anwesend sind. Ich hatte das gestern schon mitgeteilt.
- Meine Damen und Herren, regeln Sie bitte den Schallpegel ein bisschen herunter, damit ich auch in den letzten Reihen verstanden werde. - Herzlichen Dank.
Konsequenzen aus dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes zur Sportförderung für das Land Sachsen-Anhalt und den Landessportbund
Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Birke Bull, DIE LINKE. Vereinbart ist eine Zehnminutendebatte. Anschließend wird Frau Dr. Kuppe das Wort nehmen und dann beginnen wir mit der Debatte.
Sehr geehrte Damen und Herren! Um es auf einen Satz zu bringen: Der Sport ist in der Krise. So allgemein gehalten, wie dieser Satz ist, so sehr stimmt er auch, und zwar in wahrscheinlich jeder Dimension, die jeder bei diesem Satz in seinem Kopf hat. Ich würde sogar noch weiter gehen: Alles hat auch irgendwie miteinander zu tun. Es geht um Geld, es geht um Macht, es geht um Einfluss. Das an sich ist selbstverständlich noch kein Teufelszeug, es ist nur dann problematisch, wenn Gegenkräfte fehlen, wenn Demokratie fehlt, wenn Kontrolle fehlt, wenn Regelungen fehlen und wenn die kritische Distanz fehlt.
Der Sport verfügt über einen hohen sozialen Status. Das bringt für die Politik eher freudige Ereignisse mit sich, die das eigene Image aufbessern, hat etwas mit Erfolg zu tun, hat etwas mit Prestige zu tun. Auch das ist legitim. Aber es ist zugleich auch verführerisch und birgt Gefahren in sich. Das ist auf den großen Baustellen so und das ist auf den kleinen Baustellen so. Solch eine Baustelle gibt es nun auch in Sachsen-Anhalt. Was wir hier miteinander offen und ehrlich zu diskutieren haben, ist erstens die Frage, wie konnte es dazu kommen, und zweitens die Frage, wie gehen wir damit um.
Dem Präsidium des Landessportbundes ist ein außerordentlich großer Vertrauensvorschuss gegeben worden, nämlich zum einen mit dem Vorhaben, ihm ein fes
tes Budget zu geben, das angesichts fehlender oder zurückgehender Konzessionsabgaben durch das Land ausgeglichen wurde, und zweitens mit dem Vorhaben, das Budget vom Sport selbst verwalten zu lassen. Dieser Vertrauensvorschuss, meine Damen und Herren, ist durch das ehemalige Präsidium des Landessportbundes in Sachsen-Anhalt gründlich ruiniert worden.
Ich will an dieser Stelle schon einmal mit einer Legendenbildung aufräumen. Die Worte „Unwirtschaftlichkeit“ und „mangelndes Risikomanagement“ sind ja die Worte, mit denen der Landesrechnungshof zu Recht hantiert und agiert. Die Vorstellung aber, meine Damen und Herren, es sind die guten Jungs, und die wollten nur das Gute, sie haben nur hier und da ein bisschen zu viel des Guten getan, das ist eine Legende.
Sie hält sich zwar sehr hartnäckig und der eine oder andere tut auch etwas dafür, aber sie ist und bleibt falsch.
Ich will aus den Prüfungsfeststellungen des Landesrechnungshofes nur einige Beispiele nennen: zu hoch abgerechnete Schülerzahlen in den Sportmensen, nicht geltend gemachte Einnahmen gegenüber Dritten, Zahlungen für Ausgaben zugunsten Dritter - Klammer auf: nicht zugunsten des Sports, Klammer zu; das Problem Reitstunden ist durch die Medien gegangen -, ohne Leistungen zu erbringen, erbrachte Leistungen ohne Rechnungslegung zugunsten Dritter - Klammer auf: wiederum nicht zugunsten des Sports -, gefälschte Rechnungen, ein Grillabend - das nur als ein Beispiel - ist in Verpflegung eines Lehrgangs umgewidmet worden, zweckwidrige Weitergabe von Fördermitteln an die MAG, Rabatte für Geschäftspartner des ehemaligen Geschäftsführers und, und, und.
Meine Damen und Herren! Ich bediene mich hier ausdrücklich der Amtssprache des Landesrechnungshofes und übersetze das nicht in die Alltagssprache. Das würde zwar klarer sein, aber es wäre auch zugegebenermaßen reichlich tendenziös.
Die Legende von den guten Jungs - ich wiederhole es noch einmal - ist für alles Mögliche tauglich, aber nicht für eine ehrliche, selbstkritische und transparente Aufarbeitung dessen, was passiert ist, und das vor allen Dingen parteiübergreifend. Da kann ich gut etwas mit dem Appell von Thomas Konietzko in der Sitzung des Ausschusses anfangen.
Meine Damen und Herren! Das ist für uns alle, die wir hier sitzen, eine außerordentliche Herausforderung, weil sich hierbei die Sichtweisen, die Gemeinsamkeiten außerordentlich in Grenzen halten.
Für ebenso wenig geeignet - das will ich auch ganz klar sagen - halte ich allerdings die schlichten Oppositionsreflexe, die mit Rücktrittsforderungen einhergehen.
Meine Damen und Herren! Es geht hier einfach um zu viel. Nach meinem Empfinden - das will ich ganz klar sagen - hätte die Fraktion der FDP gute und schwergewichtige Gründe, hier einmal Maß zu halten.
Angeraten wäre, einfach mal in dem Sturm der Entrüstung einen Gang herunterzuschalten. Mir ist klar und ich habe Verständnis dafür, dass Sie Ihren ehemaligen Sportminister nicht vor das Loch schieben. Aber ein bisschen mehr innere Einkehr wäre angesichts dessen
angezeigt, dass auch Sie ein Stück Verantwortung haben, nämlich für die Jahre 2002 bis 2006. Ich komme darauf zurück.
Wenn diese Krise gemeistert werden soll, und zwar nicht im Sinne des Deckelns und auch nicht im Sinne neuer Grabenkämpfe, dann geht das nur mit Selbstkritik. Das ist bei Weitem - das will ich auch ganz klar sagen - nicht nur an die Adresse des Sports gerichtet, sondern auch an die Adresse von Politik und Verwaltung.
Es geht die kritische Distanz ganz verloren, wenn man sich in die Grauzone von Privilegien begibt. Da will ich auch nicht anfangen, mit dem Zeigefinger herumzuspazieren. Das ist eine Kritik, die auch an meine Fraktion geht, keine Frage. Wer werfe hier den ersten Stein?
Das ist eine schwierige Diskussion. Es bedarf einer ehrlichen Debatte darüber, wo die Verflechtungen zwischen Politik und Sport kritisch werden, wo Privilegien anfangen zu korrumpieren, was noch legitim ist. Geredet werden muss darüber, wie hart die Grenzen zwischen Geldgeber und Geldempfänger gezogen werden, sprich zwischen Verwaltung und Sport.
Ich finde es in der Tat gewöhnungsbedürftig und auch er- und aufklärungsbedürftig, wenn Mitglieder des Präsidiums des Landessportbundes selbst in der Fördermittelvergabeinstanz gearbeitet haben oder wenn hochrangige Verwaltungsverantwortliche ihrerseits hochrangige Ämter im Sport bekleidet haben.
Noch eine Bemerkung zur politischen Verantwortung: Mir ist gestern noch einmal ein Brief untergekommen, in dem ein Mitglied des Präsidiums des Landessportbundes bereits im Jahr 1998 eine klare Ansage darüber gemacht hat, dass es gute Gründe dafür gibt,
- ich komme gleich dazu; beruhigen Sie sich erst einmal -, in Sachen Transparenz, in Sachen Demokratie, in Sachen Geschäftsgebaren mal genauer hinzugucken.
Nun können Sie mit Recht sagen: Sie waren doch damals in der Halbverantwortung. Recht haben Sie. Ich habe den Brief selbst nicht gekannt. Ich habe den Brief selbst nicht gekannt, aber diejenigen, die ihn gekannt haben, hätten sich sehr wohl auf die Strümpfe machen müssen.
Nun will ich Ihnen aber einmal sagen, was dann passiert wäre. Wenn Sie eine Vorstellung davon haben wollen, was dann passiert wäre, dann gucken Sie sich einmal die „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 20. September 2007 an, als die Ministerin mit ihren Akten zur Staatsanwaltschaft spaziert ist. Und zur Staatsanwaltschaft, meine Damen und Herren, spaziert man nicht, wenn man keine guten Gründe hat.
Da kam die brutalstmögliche Aufklärung aus der CDU. Ich zitiere: „Das ist eine Kampagne von ein, zwei Leuten aus dem Sozialministerium, die Sportbundgeschäftsführer Henke und Präsident Marciniak abschießen wollen.“
Wenn Sie mich fragen, meine Damen und Herren, woher wir die Gewissheit haben, die relative Gewissheit,
dass im Ministerium an dieser Sache vernünftig gearbeitet wird, dann will ich Ihnen sagen: Wer damals die Nervenstärke besessen hat, gegen mindestens drei Fraktionen, die zu dieser Zeit in großen Teilen noch keinen Pfifferling darauf gesetzt haben, dass an dieser Sache etwas dran ist, wer zu dieser Zeit die Nervenstärke besessen hat, diese Sache durchzuziehen, was sollte dem daran gelegen sein, jetzt nicht das Gleiche zu tun?
Dennoch: Ein Schwamm-Drüber ist nicht - weder nach hinten noch nach vorn! Wir werden noch darüber zu reden haben. Ich will nicht darum herumreden: Das Krisenmanagement der Sportministerin geht in Ordnung. Ich finde, einen solchen Satz kann man auch einmal aus der Opposition heraus sagen. Ich bitte um Nachsicht im Einzelfall.