Protokoll der Sitzung vom 10.10.2008

Fakt ist, dass immer weniger Flächen für Siedlungs- und Verkehrsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Im Jahr 2007 wurde ein Flächenverbrauch von 1 ha pro

Tag verzeichnet. Dabei muss deutlich gesagt werden, dass Siedlungs- und Verkehrsflächen nicht mit versiegelten Flächen gleichzusetzen sind, da in die Siedlungs- und Verkehrflächen auch unbebaute und nicht versiegelte Flächen eingerechnet werden. Die aktuellen Studien ergaben einen Versiegelungsgrad im Bereich der Siedlungs- und Verkehrsflächen von weniger als 50 %.

Der Statistik zur landwirtschaftlich genutzten Fläche in den Bundesländern zufolge ist diese Fläche in SachsenAnhalt seit dem Jahr 1999 etwa gleich geblieben. Der Landesregierung ist bewusst, dass die Betroffenheit der landwirtschaftlichen Betriebe durch großflächige neue Siedlungsmaßnahmen - dies trifft auch für die Neuausweisung von Industriegebieten zu - sehr hoch ist.

Meine Damen und Herren! Um es vielleicht einmal deutlicher zu sagen: Wir werden uns in Zukunft gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister genau überlegen müssen, ob die Nachhaltigkeit von Ansiedlungen im Verhältnis zum Verbrauch von fruchtbaren Böden steht. Ich darf das einmal etwas übersetzen.

(Frau Mittendorf, SPD: Die Magdeburger Börde!)

- Nicht nur die Magdeburger Börde, Frau Kollegin, auch die Querfurther Platte.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

- Richtig, ein bisschen Heimatkunde noch dazu, damit wir nicht immer nur über die Magdeburger Börde reden.

(Frau Mittendorf, SPD: Ich habe von meinem Wahlkreis gesprochen!)

- Ach, von Ihrem Wahlkreis. Wunderbar. Da haben wir den Abbau von Hartgestein.

Meine Damen und Herren! Wenn morgen ein renommierter Automobilhersteller ein großes Automobilwerk bauen will, dann werden wir ihn freundlich empfangen und sagen müssen: Jawohl, dafür stellen wir Flächen zur Verfügung, weil die Nachhaltigkeit gegeben ist. Das Gleiche trifft auch auf andere innovative Branchen zu, zum Beispiel die Mikroelektronik und vieles andere mehr. Wenn es aber um Lagerhallen geht, dann müssen wir uns sehr wohl überlegen, ob dieser Bau auf fruchtbaren Böden zugelassen wird, abgelehnt wird oder ob wir Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen.

Wir sind in dem Spannungsfeld, dass im Moment noch der Investor kommt und sagt, er geht nur hier hin, weil die logistischen Voraussetzungen da sind. Ansonsten geht er in die anderen Bundesländer oder nach Polen. Dann kommt der gleiche Druck aus der anderen Richtung. Dann wird gesagt: Um Gottes Willen, jetzt habt ihr den Investor laufen lassen, mit dem wir soundso viele Arbeitsplätze hätten schaffen können. Im Zweifelsfall sind wir natürlich immer dafür, dass die Leute hier Arbeit haben. Wir müssen versuchen, das auf den Weg zu bringen und diese Spirale zu stoppen.

Ich hatte schon gesagt, dass wir als Beispiele für die Sanierung industrieller Altlasten nicht nur Leuna und den Chemiepark Bitterfeld/Wolfen, sondern auch das Gewerbegebiet in Magdeburg-Rothensee mit erwähnen müssen. Was sich in den letzten Jahren dort ereignet, ist, denke ich, auch beispielgebend. Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir die Flächennachfrage besonders in den Bereichen haben, wo Autobahn-, Schienen- und vielleicht auch eine Wasserstraßenanbindung vorhanden ist. Diese Gebiete müssen in Zukunft weiterentwickelt werden.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Prinzip die große Problematik, die eben auch schon von Herrn Hauser und heute Morgen vom Wirtschaftsminister berechtigterweise angesprochen wurde. Es geht immer um Flächen in einer Größenordnung von mindestens 50 ha.

Wir können an dieser Stelle einmal auf die Ansiedlung in Osterweddingen zu sprechen kommen, weil ich denke, dass ich das ganz gut einschätzen kann. Da haben wir das Problem. Die Bauern sind deswegen auch bei mir und diskutieren mit mir. Ich verstehe jeden Bauern, der sagt, jetzt muss ich wieder 20 ha abgeben, für die ich natürlich irgendwo einen Ersatz bekommen kann. Aber, meine Damen und Herren, wir nehmen die Flächen woanders weg und geben sie ihm. Das ist kein Neugewinn. Deshalb danke ich allen, auch den Landwirten, die Verständnis hatten und die Flächen zur Verfügung gestellt haben.

Der Bau der B 6n ist auch nicht einfach gewesen. Die Landwirte mussten diese Flächen zur Verfügung stellen. Also sitzen wir mit den Landwirten in einem Boot. Ich denke, wir sind auch gut beraten, wenn wir mit dem Landwirtschaftsministerium genauso eng weiter zusammenarbeiten und immer wieder diese Abwägung vornehmen.

Sehr geehrter Herr Dr. Köck, wir bearbeiten mit dem Landesentwicklungsplan sehr wohl dieses Problem. Wir werden im Landesentwicklungsplan wieder Vorranggebiete für die Landwirtschaft, für den Rohstoffabbau und für vieles andere mehr ausweisen. Es wird immer eine Abwägung sein. Ich denke, die müssen wir auch in Zukunft berücksichtigen. Dann werden wir auch sparsamer mit Flächen umgehen, zumal wir bei der Senkung der Arbeitslosigkeit schon auf positive Effekte verweisen können.

Ich weiß auch um die Tatsache, dass wir den Wohnungsbau um die großen Städte herum im letzten Jahrzehnt entwickelt haben. Dafür gab es auch unterschiedliche Gründe. Einerseits war der Grund und Boden in den Städten zu teuer. Ich kann es keinem verdenken, wenn er deswegen woanders gebaut hat. Wir haben aber das Steuerungsinstrument dahin gehend entwickelt, dass der Wohnungsbau nur noch in zentralen Orten gefördert wird. Eine Förderung von Bauten auf der grünen Wiese findet nicht mehr statt. Wer dort bauen will, der muss entsprechend bezahlen.

Unter dem Strich denke ich, meine Damen und Herren, dass wir auf einem Wege sind, nicht nur das Problem erkannt zu haben, sondern auch zu versuchen, in den nächsten Wochen und Monaten im Rahmen der Diskussion über den Landesentwicklungsplan diese Thematik aufzugreifen.

Deshalb, denke ich, brauchen wir kein neues Handlungskonzept. Wir werden uns vielmehr an dem vorhandenen entlang hangeln, so wie wir es in dem Landesentwicklungsplan vorgesehen haben. Dann müssen wir letztlich auch dafür sorgen, dass es zu einer Reduzierung der Flächen kommt.

Jetzt darf ich vielleicht noch eines sagen: Wir haben gestern über den Bau der A 14 diskutiert. Wenn die A 14 kommen sollte, dann wird es auch entlang dieser Autobahn Flächen geben, welche tatsächlich nur die Bodenwertzahl 30 aufweisen. Vielleicht kann man sich auch darauf verständigen, für Industrieansiedlungen diese Flächen zu nutzen und sie dort zu fördern.

Als Letztes zum Thema der Ausgleichsmaßnahmen. Wenn ich bedenke, wie viele Flächen wir für Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung stellen, dann muss auch einmal die Frage gestattet sein, ob diese direkt an der Autobahn liegen müssen oder ob wir die Ausgleichsmaßnahme nicht auch dort durchführen können, wo der Wald aufhört, indem wir noch einen Streifen von 20 oder 30 m aufforsten.

Wir hatten bei der A 38 schon solche Fälle, sehr verehrter Herr Kley. Dort wurde neben der Autobahn aufgeforstet, dann folgt auf einer Breite von 2 km landwirtschaftliche Fläche und daran schließt sich der Kyffhäuserwald an. Wir hätten die Ausgleichsmaßnahme auch direkt am Kyffhäuserwald durchführen können und nicht direkt an der Autobahn. Also, das Problem ist, denke ich, erkannt.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage Ihnen eines: Ich bin den beiden Parteien dankbar, dass sie das Thema aufgegriffen haben, um zu dokumentieren, dass wir eine Opposition in diesem Lande haben, die sich auch dieser Frage stellt.

Die Regierungsfraktionen haben einen Alternativantrag vorgelegt. Dem sollten wir zustimmen und gemeinsam im Rahmen des Landesentwicklungsplanes dafür sorgen, dass wir das Spannungsfeld zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt und einem minimalen Flächenverbrauch gemeinsam lösen. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich bitte um Ihre Unterstützung für diesen Prozess. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bergmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir über das Thema Flächenversiegelung/ Flächenreduzierung hier und heute diskutieren. Ich habe schon festgestellt: Es gibt in dem Hohen Hause überwiegend Konsens zu dieser Thematik. Dennoch - so habe ich Herrn Dr. Köck am Anfang verstanden - sieht er das in einigen Punkten sehr kritisch. Diese kritische Betrachtungsweise ist sicherlich richtig, auch wenn ich als Mitglied einer Koalitionsfraktion, Herr Dr. Köck, an der einen oder anderen Stelle nachher noch widersprechen möchte.

Herr Hauser, ich lege Wert darauf festzustellen, dass sich unser Antrag nicht nur auf die landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Flächen bezieht, sondern auch auf die übrigen Flächen, zum Beispiel auf ökologisch wertvolle Brachflächen, die zumindest für die Umweltpolitiker interessant sind. Es gibt sicherlich noch jede Menge andere Flächen, die wir betrachten müssen.

Herr Dr. Daehre, wir sind fast immer zu 100 % einer Meinung, heute sind es mal nur 99 %.

(Minister Herr Dr. Daehre: Das reicht!)

- Das reicht, nicht wahr? - Ich denke aber schon: Was das Ansiedeln von Industrie oder Unternehmen angeht, dürfen wir uns nicht alles gefallen lassen. Ich habe immer noch ein schlechtes Beispiel im Hinterkopf - ich bin nicht gegen die Ansiedlung selbst, sondern dagegen, wo sie stattgefunden hat -, und zwar die Ansiedlung der

Glunz AG. Das ist in raumordnerischer Hinsicht nicht akzeptabel gewesen, das weiß jeder. Trotzdem, denke ich, war es - -

(Zuruf)

- Gerd Miesterfeldt fühlt sich getroffen. Ich weiß gar nicht, warum. Du warst doch in ein einem anderen Kreis Landrat.

(Minister Herr Dr. Daehre: Wir haben damals re- giert! Aber ihr habt es mitgetragen!)

- Das ist richtig. Ich sage gleich etwas dazu. Lassen Sie mich das einmal zu Ende bringen.

Fakt ist - und darum geht es mir ja -: Wir müssen in Sachsen-Anhalt so selbstbewusst werden, dass wir sagen: Wir haben mit der Raumordnung ein Instrument geschaffen; danach hat man sich zu richten und daran hat man sich auch zu halten. Das ist für mich das Entscheidende.

Wir haben in der Vergangenheit vielleicht zu oft nachgegeben, weil wir die Investoren ansiedeln wollten. Aber wir liegen im Herzen Europas, wir liegen wirklich mittendrin. Diese Lage ist ganz interessant für viele Ansiedlungen, weil viele von hier aus den nord-, west-, süd- und den osteuropäischen Markt erreichen können. Deswegen sollten wir auch so selbstbewusst sein und sagen: Entlang unserer Trassen, der A 14, der A 9, der A 2 und an vielen anderen Stellen gibt es die Möglichkeit, Ansiedlungen zu schaffen und dort geht das, aber nicht da, wo es wenig sinnvoll ist.

Selbstverständlich muss man darüber diskutieren, Herr Dr. Daehre, auch im Zusammenhang mit dem Landesentwicklungsplan, wie sinnvoll es ist, für das eine oder andere Vorhaben wertvollen Bördeboden zu opfern, etwa für den Gesteinsabbau oder für Industrieansiedlungen.

(Zuruf von der FDP)

- Na klar sind das die Fragen. Aber wir brauchen keine Raumordnung zu machen, wenn wir uns hinterher nicht daran halten. - Das geht an die Kollegen der FDP; von daher kam gerade der Zwischenruf.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Recyclingflächen sagen. Recyclingflächen sind immer dann sinnvoll, wenn sie saniert sind und wenn sie so liegen, dass sie genutzt werden können. Das ist nicht der Fall, wenn sie nicht wohnortnah liegen oder aus anderen Gründen nicht genutzt werden können.

Tilman Tögel sagte mir gerade noch: Wir haben auch eine globale oder internationale Verantwortung. Als Vorsitzender der deutsch-bulgarischen Gesellschaft sagte er auch: Schaut euch Bulgarien an; dort wird nichts saniert; dort gibt es keinen Altlastenfonds; dort geht man nur auf die grüne Wiese. Ich glaube, auch vor diesem Hintergrund müssen wir sagen: Wir machen das hier genau richtig; wir sind auf dem richtigen Wege, auch mit unserem Altlastenfonds entsprechende Flächen aufzuarbeiten.

Herr Hauser, lassen Sie mich etwas zu den angesprochenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sagen. Wir haben ein Naturschutzgesetz. Danach haben wir uns zu richten. Das Problem, das auch Herr Dr. Daehre ansprach, ist: Wir müssen uns erst einmal dort um Ausgleichsmaßnahmen kümmern, wo es das Naturschutzgesetz vorschreibt, nämlich in erster Linie in räumlichem

Zusammenhang zu dem Eingriff. Zwar kann man eine Ersatzmaßnahme ein bisschen weiter weg vornehmen, aber dann muss ich es erst im Verfahren nachweisen. Das ist die planerische Problematik. Ich glaube aber, dass das im Land gut umgesetzt wird.

Mir ist auch eines aufgefallen: Bisher hat kein Unternehmen, das sich in unserem Land angesiedelt hat, auch nur einen Euro Ausgleichszahlung geleistet. Der Titel ist im Haushaltsplan immer vorgesehen - ich muss Herrn Dr. Aeikens einmal anschauen -, es ist aber noch nie eine Einnahme zu verbuchen gewesen, weil es die Planer immer geschafft haben, frühzeitig Ausgleichsmaßnahmen oder Ersatzmaßnahmen zu entwickeln.

Wir haben dieselbe Entwicklung bei dem Ökokonto, das ich für richtig gut halte. Die Verordnung zu dem Ökokonto hat die Vorgängerregierung gemacht - ich lobe es mal ausdrücklich -, aber es wird leider nicht so angenommen und zum Flächenmanagement verwendet, wie wir uns und Sie sich das vielleicht erhofft haben. Das zeigt: Die Riesenflächenproblematik war zumindest bisher noch nicht da. Mir ist aber auch klar, dass es brisanter wird.

Ich bin jetzt schon mitten in der fachlichen Diskussion, die wir eigentlich in den Ausschüssen führen wollen. Lassen Sie mich abschließend noch einmal sagen: Mit mehr Selbstbewusstsein in diesem Land - das hat dieses Land auch verdient - schaffen wir es, die Unternehmen an die richtigen Orte zu kriegen und den Flächenverbrauch zu reduzieren.

Ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Wir wollen auch über die Stiftung Umwelt-, Natur- und Klimaschutz versuchen, Lösungen zu finden, bzw. wir wollen versuchen, die Stiftung mit in das Flächenmanagement einzubinden. Ich halte auch das für eine sehr sinnvolle Sache.