Protokoll der Sitzung vom 10.10.2008

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

(Zu Protokoll:)

Die Verbesserung der Inanspruchnahme der EU-Schulmilchbeihilfen sowie die Initiierung des EU-Programms zur Förderung der Verteilung von Obst und Gemüse an Schulen leisten wichtige Beiträge für eine langfristig gesunde, abwechslungsreiche Ernährung von Schülerinnen und Schülern und steigern den Absatz von Milch und Milchprodukten sowie Obst und Gemüse.

Die Landesregierung ist sich der positiven Auswirkungen des Programms und der wichtigen Ziele durchaus bewusst - allerdings wird die Schulmilchbeihilfe mit einem vergleichsweise sehr hohen Verwaltungsaufwand administriert. Die EU akzeptiert keine Bagatellgrenzen und setzt die Förderung von Schulmilch mit anderen Beihilfen für die Landwirtschaft gleich. Das hat zur Folge, dass eine Beihilfe von rund 5 Cent für einen Viertel Liter Milch genauso verwaltet und kontrolliert werden muss, wie zum Beispiel eine Agrarumweltmaßnahme mit Verwaltungskontrollen, Vor-Ort-Kontrollen, Bescheinigender Stelle, Zahlstelle etc. Die verwaltungsmäßige Umsetzung darf uns bei aller Wertschätzung des Programms nicht gleichgültig sein.

Die Initiierung eines Schulobstprogramms beinhaltet eine Beihilfe für die Abgabe von Obst und Gemüse an Schülerinnen und Schüler. Auch die damit zusammenhängenden Kosten, zum Beispiel für Logistik, Ausrüstung, Kommunikation, sind beihilfefähig. Mit diesem Programm sollen folgende Ziele erreicht werden:

den Anteil an Obst und Gemüse in der Ernährung von Kindern im Entwicklungsstadium von sechs bis zehn Jahren zu erhöhen,

das Ernährungsverhalten langfristig zugunsten einer gesundheitsförderlichen Ernährungsweise zu beeinflussen,

die öffentlichen Kosten für die Folgen von ernährungsbedingtem Krankheitsgeschehen zu reduzieren sowie

positive Auswirkungen auf den Verbrauch von Obst und Gemüse zur Erfüllung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik zu erreichen.

Als EU-Budget sollen jährlich 91,3 Millionen € für die Verteilung von Obst und Gemüse einschließlich Kosten für die Logistik eingesetzt werden. Bei einem Kofinanzierungsbeitrag der Mitgliedstaaten in Höhe von 66 Millionen € stehen somit EU-weit rund 157 Millionen € für das Schulobstprogramm zur Verfügung.

Nicht zuletzt die Ergebnisse der kürzlich vorgelegten Schulanfängerstudie (durch das Ministerium für Gesund- heit und Soziales Datenerhebung bis 2006) als auch die vorläufigen Ergebnisse der landesweiten Erhebung der Verbraucherzentrale zur Schulverpflegung machen den dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich einer gesunden Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt deutlich:

Die wachsende Zahl übergewichtiger Kinder stellt den engen Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und der Gesundheitsgefährdung durch Übergewicht deutlich dar.

Der Hauptgrund für eine geringe Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an der Schulverpflegung

wird in der schwierigen finanziellen Situation ihrer Familien gesehen.

Ein Obstdessert, wie es laut Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu den Kriterien für ein gesundes Schulmittagessen gehört, wird nur an einem Prozent der durch die Verbraucherzentrale befragten sachsen-anhaltischen Schulen angeboten.

Die bereits bestehenden vielfältigen Maßnahmen und Projekte in Sachsen-Anhalt zur gesunden Ernährung von Kindern und Jugendlichen, wie zum Beispiel das Projekt aid-Ernährungsführerschein, müssen zusammen mit weiteren Anregungen des Nationalen Aktionsplans Bewegung und Ernährung aus Gründen der Effektivität gebündelt werden. Bestehende Strukturen sollten dabei genutzt und Kooperationen mit den bereits vor Ort tätigen Akteuren und Multiplikatoren vereinbart werden.

Gesunde Ernährung setzt Wissen voraus. Deshalb muss die Kompetenzentwicklung zur gesunden Ernährung von Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern dringend unterstützt werden.

Die Vernetzungsstelle wird in Zukunft ihre Aufgabe im Kontext des Nationalen Aktionsplans für die Lebenswelten Schule und Kita wahrnehmen. Ihre Aufgabe ist es, nachhaltige Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung der Kita- und Schulverpflegung umzusetzen. Durch den Bund werden dafür im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für fünf Jahre Fördermittel bereitgestellt, die durch Landesmittel kofinanziert werden müssen (Federführung durch das Kultusministerium und das Ministerium für Gesundheit und Soziales unter Be- teiligung des Ministeriums für Landwirtschaft und Um- welt).

Weil wir in Sachsen-Anhalt die Pflicht zur schultäglichen warmen Vollwertmahlzeit in § 72a des Schulgesetzes verankert haben, muss uns auch die tägliche Versorgung der Schülerinnen und Schüler mit Schulmilch und Milchprodukten sowie Obst und Gemüse, möglicherweise zu reduzierten Preisen, ein Anliegen sein.

Leider ist das Schulmilchprogramm in seiner jetzigen Ausgestaltung nur mit großem Aufwand zu realisieren. Deshalb darf ein Schulobstprogramm keinesfalls verwaltungsseitig nach dem Vorbild Schulmilch aufgelegt werden. Vielmehr müssen wir dafür Sorge tragen, bei beiden Programmen zu einer sachgerechten und effizienten Verwaltung zu kommen.

Deshalb ist bei der Initiierung eines EU-Programms zur Abgabe von Schulobst sowie bei der Verbesserung der Inanspruchnahme der EU-Schulmilchbeihilfen die Zusammenarbeit der verschiedenen Ressorts - Kultusministerium, Ministerium für Gesundheit und Soziales, Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt - und der nachgeordneten Behörden, Landkreise und Kommunen zwingend erforderlich.

Vielen Dank, Herr Minister, für Ihre heitere, aber doch ernste Einbringung bei diesem so wichtigen Thema. Wir können auch einmal ein herzliches Lachen gebrauchen.

Wir kommen dann zu den Debattenbeiträgen, die sicherlich mit aller Ernsthaftigkeit vorgetragen werden. Ich erteile zuerst der SPD-Fraktion das Wort. Frau GrimmBenne, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Auf dem Weg nach unten wurden mir schon die Worte: „Die Milch macht’s!“ entgegengerufen.

Um ernsthaft zu werden: Die SPD-Fraktion unterstützt das Anliegen des Antrages der LINKEN. Aus diesem Grunde werden wir uns rege an der Diskussion beteiligen. Wir sind für die Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur und in den Ausschuss für Soziales. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Grimme-Benne, für Ihren kurzen Beitrag. - Wir kommen zur FDP-Fraktion. Herr Hauser wird sich der Milch- und Obstproblematik widmen. Bitte schön, Herr Hauser.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht geglaubt, dass es heute Nachmittag noch so lustig wird. Mich wundert sowieso, welcher Blitz Harry Czeke getroffen hat.

(Heiterkeit - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ich kenne ihn mittlerweile recht lange. Bis jetzt hat er immer nur gegen die EU gewettert. Jetzt lobt er die EU. Lieber Harry Czeke, geht es vielleicht in Richtung Brüssel ab mit dir, oder was ist da los?

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Ist der 7. Juni 2009 schon angepeilt, oder was ist da los? Das ist sehr verdächtig. - Aber jetzt noch einmal zu den etwas ernsteren Dingen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Die EU ist aber nicht verdächtig! - Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Natürlich sind wir für die Ausschussüberweisung. Aber ich möchte schon bitten, sehr verehrter Herr Minister, die ganzen Investitionen zu bedenken, die Kühl- und Lagerräume. Es geht letztlich um Lebensmittel tierischen Ursprungs, und da gibt es einige Vorschriften, die man befolgen muss. Ich denke auch an die Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen - ich habe das durchgelesen -, an den gigantischen Papieraufwand und an das dazugehörige Personal. Wenn wir das alles sicherstellen können und die Mittel dafür haben, können wir entscheiden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hauser. - Wir kommen zu dem Beitrag der CDU. Herr Hartung, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte eigentlich hier ein Glas Milch erwartet, nachdem wir schon so in Stimmung sind.

(Heiterkeit)

Vielleicht noch einmal zu meinem Kollegen Herrn Czeke: In dem Antrag, den Sie vorgelegt haben, vermisse ich noch etwas. Hierzu gehört nämlich noch ein ganz wichtiger Punkt. Zur gesunden Ernährung gehört nämlich auch, was man hier vergessen hat, eine gesunde Bewegung. Wenn das mit drin gestanden hätte, hätte ich dazu aufgefordert, fünf Liegestütze und fünfmal Kniebeugen zu machen. Ich hätte das auch gern vorgemacht.

Aber ansonsten gebe ich meine Rede zu Protokoll. Es ist eigentlich alles gesagt worden.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme das erfreut zur Kenntnis, und die Kollegen freuen sich auch. Herzlichen Dank!

(Zu Protokoll:)

Die Schulmilchbeihilfe dient der Förderung des Absatzes von Milch und bestimmten Milcherzeugnissen. Zielgruppen dieser Maßnahme sind Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen. Sie sollen frühzeitig an den Verzehr von Milch und Milcherzeugnissen gewöhnt werden, um nicht nur einen kurzfristigen, sondern auch einen langfristigen Absatzeffekt zu erzielen. Mit der aus EU-Mitteln gewährten Beihilfe soll eine möglichst flächendeckende Versorgung vorschulischer und schulischer Einrichtungen zu vertretbaren Preisen erreicht werden.

Das Gleiche gilt für das geplante EU-Schulobstprogramm. Der Minister erwähnte es bereits. Die EU-Kommission regt an, ab dem Schuljahr 2009/2010 ein Beihilfeprogramm aufzulegen. Auch bei diesem Programm liegen die Ziele vor allem darin, Kinder im Entwicklungsstadium so zu beeinflussen, dass sie bereits frühzeitig mit einer gesundheitsfördernden Ernährung konfrontiert werden. Das ist richtig und auch im Sinne eines präventiven Gesundheitsschutzes.

Das Einnehmen von Mahlzeiten ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Da Kinder einen Großteil des Tages in einer Kita oder Schule verbringen, müssen wir ihnen dort auch eine Esskultur nahe bringen, die frühzeitig darauf abzielt, Übergewicht und chronische Krankheiten zu verhindern. Dazu dient vor allem Obst und Gemüse; es ist richtig, sie als selbstverständlichen Nahrungsbestandteil preiswert abzugeben. Dies erwähne ich auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Übergewichts der Deutschen.

Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts werden aus 80 % der übergewichtigen Kinder im Laufe des Lebens übergewichtige Erwachsene. Die Reduzierung von Übergewicht im Kindes- und Erwachsenenalter muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen werden, zumal die Folgen von chronischen ernährungsbedingten Erkrankungen wiederum von der Allgemeinheit über die sowieso schon strapazierten Krankenkassen getragen werden müssen.

Ich möchte als letzter Redner nicht das bereits Gesagte wiederholen. Auch der Minister hat die wesentlichen Schwerpunkte zur EU-Schulmilchbeihilfe und zum EUSchulobstprogramm beschrieben. Dennoch lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen darauf verweisen, dass die Gesundheit in einem hohen Maß Einfluss auf den Lebenslauf und auf den Erfolg oder Misserfolg von Biografien, hier insbesondere unserer Kinder, hat.

Übergewicht und schlechte Ernährung haben gesundheitliche Folgen sowohl in körperlicher als auch in seelischer Hinsicht.

Hinzu kommt häufig eine allgemeine Lern- und Leistungsschwäche. Wenn Kinder schon in der dritten Unterrichtsstunde keine Nährstoffe, keine Kohlenhydrate, keine Eiweißstoffe mehr haben, sind sie nicht in der Lage, dem Unterricht in der fünften Stunde ordentlich zu folgen. Wir reden also vor allem über gerechte Startchancen für unsere Kinder und Enkelkinder, der ersten Generation des 21. Jahrhunderts. Daher bitte ich Sie um Überweisung in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Mitberatung in die Ausschüsse für Bildung und für Soziales.

Meine Damen und Herren! Jetzt hat der Einbringer, Herr Abgeordneter Czeke, das letzte Wort und die Gelegenheit, noch einmal mit Milch anzustoßen und einen Apfel zu essen. Bitte schön, Herr Czeke.