Protokoll der Sitzung vom 10.10.2008

Die Bevölkerung des Landes Sachsen-Anhalt handelt nicht irrational. Es gibt einen erhöhten Beratungsbedarf; das ist ganz klar. Wenn die Telefone früher durchschnittlich 50-mal am Tag geklingelt haben, verzeichnen die Filialen nun 250 bis 300 Anrufe täglich. In Einzelfällen finden Abhebungen statt bzw. andere individuelle Reaktionen, aber sie halten sich absolut in Grenzen und sind überhaupt nicht vergleichbar mit Entwicklungen in anderen Regionen dieser Welt.

Das zeigt, dass die Bemühungen aller politischen Ebenen, Ruhe auszustrahlen, nicht zu dem Eindruck geführt haben, es wäre nur eine vorgetäuschte Ruhe. Letztendlich weiß man, dass die Politik ein Reaktionsschema entwickelt hat, welches mit belastbaren Aktivitäten verbunden ist.

An den Stellen, an denen die Bundesregierung Konsolidierungs- und Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen hat,

hat sie das sehr zielbewusst, zielgerichtet und ausgewogen gemacht. Sie hat dabei immer Wert darauf gelegt, dass zwischen den Hilfen für die Kreditbranche und den Belastungen für den Staat ein vernünftiges Verhältnis besteht. Ich denke, das ist ein ganz wichtiges Signal gewesen.

Des Weiteren, glaube ich, ist jedem, auch den Bürgern des Landes Sachsen-Anhalt bewusst, dass das deutsche Finanzsystem, das in den letzten 100 Jahren viele Erfahrungen gesammelt hat, ein völlig anderes ist, als das Finanzsystem, das sich im angelsächsischen Raum herausgebildet hat und das immer noch mit relativ niedrigen Schutzwällen für den Endverbraucher versehen ist.

Das deutsche Kontrollsystem hat sicherlich auch noch Mängel und ist optimierbar. Mit diesem System, das sowohl institutionelle Eigensicherungsmechanismen als auch staatliche Sicherungsmechanismen aufweist, wird ganz klar zum Ausdruck gebracht: Das Geld des Sparers ist sicher; die Einlagen des Privatkunden sind gesichert; die Einlagen der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die die wirtschaftliche Struktur ausmachen, sind gesichert.

Die Liquidität der Banken lässt sich am besten daran festmachen, dass momentan keine einzige Investition abgewiesen werden muss, sofern derjenige, der in Kreditverhandlungen eintreten möchte, eine belastbare Struktur und eine belastbare Geschäftidee vorweisen kann. Ganz im Gegenteil, vonseiten der Finanzbranche des Landes wird signalisiert: Jeder Investor ist herzlich willkommen.

Gerade jetzt sind Signale an dieser Stelle notwendig; sie sind finanziell darstellbar; es wird keine Kreditklemme geben. Herr Bullerjahn hat es gestern bereits aus seiner Sicht geschildert.

Die vorhandenen Finanzierungsinstrumente, auch in Kombination mit öffentlichen Fördermitteln, mit Bürgschaften, mit Eigenprodukten der Investitionsbank und in Verbindung mit Fremdkapitalfinanzierungen über die bekannten Finanzstrukturen, sind ausreichend, um jede Neuinvestition und jede Erweiterungsinvestition im Bereich der mittelständischen Wirtschaft sicherzustellen. Ich denke, mit dieser Botschaft kann die Wirtschaft sehr produktiv umgehen und sie kann letztendlich weiterhin planen.

(Zustimmung bei der CDU)

Gleichwohl - dies habe ich bereits an anderer Stelle auf Anfrage hin deutlich gemacht - haben wir bei einigen Großprojekten, die finanziell nur international darstellbar sind, zurzeit Schwierigkeiten beim zeitlichen Vollzug. Sie sind aber alle noch im Netz. Kein Projekt, das wir geplant haben, ist bisher gescheitert. Aber wir müssen Alternativen finden, um die Finanzierung darzustellen.

Das heißt also auch, Herr Gürth, die Leuchtturmprojekte, die wir brauchen, um im Umfeld dieser Nuklei weitere Unternehmen anzusiedeln, um die Entwicklung unternehmensnaher Dienstleistungen zu ermöglichen und um die Arbeitsmarktentwicklung weiter gut voranzutreiben, sind nicht gefährdet. Wir müssen uns lediglich auf eine andere Zeitschiene einlassen und alternative Finanzierungen finden.

Zum Teil werden wir auf landeseigene Mittel zurückgreifen können. Im Hinblick auf größere Investitionen bin ich aber auch mit der europäischen Investitionsbank im Ge

spräch, die bereit ist, klare Signale zu senden; denn bei dem erheblichen Einsatz von Eigenkapital, das bei diesen Projekten eine Rolle spielt, geht man ganz klar von der Solidität und von der Vorprüfung der Solidität dieser Projekte aus. Deshalb ist man bereit, hier einzusteigen. Die Verhandlungen laufen gerade an. Ich bin optimistisch, dass wir diese Vorhaben erfolgreich zu Ende bringen.

Das Jahr 2009 wird aber auch eine neue Qualität erfordern, wenn es darum geht, eine Zwischenbilanz der volkswirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren insgesamt zu ziehen. Denn eines muss man ganz klar sagen: Die krisenhaften Einflüsse der Weltwirtschaft, die wir derzeit zu spüren bekommen, sind nicht nur monokausal mit Finanzausfällen und mit Zusammenbrüchen von Banken verbunden. Vielmehr ist die Situation auch ganz wesentlich durch bestimmte Entwicklungen geprägt, die jetzt ohnehin zum Tragen gekommen wären.

Die Automobilbranche etwa beklagt zurzeit, dass sie Absatzschwierigkeiten habe. Dies wurde bereits vor Wochen und Monaten hinter vorgehaltener Hand an verschiedenen Stellen geäußert. Die Absatzzahlen großer Autos mit hohem Verbrauch waren schon länger nicht mehr aufrechtzuerhalten. An dieser Stelle muss man bei bestimmten Branchen fragen, inwieweit sie den Trend der Entwicklung frühzeitig erkannt haben und inwieweit sie sich auf Marktveränderungen eingestellt haben.

Jetzt wird diese Situation durch die Finanzkrise am Weltmarkt verschärft, was die Sache plötzlich so brutal auf den Punkt bringt, dass ganze Produktionslinien abgestellt werden müssen.

In diesem Fall muss ich ganz klar den Ball zurückwerfen und sagen: Das hat nichts mit irgendwelchen Dingen zu tun, die wir jetzt politisch zu managen versuchen, sondern hier haben bestimmte Konzerne, bestimmte Branchen die Entwicklung komplett verschlafen.

Die Spritpreise sind schon über viele, viele Monate und Quartale sehr, sehr hoch. Die entsprechenden Verbräuche sind zum Teil sogar zurückgegangen. Die Mobilitätskosten sind große Einflussfaktoren bei der Kaufkraft der Bürger generell. Wer davon ausgeht, dass etwa bei der Zukunftsplanung von Pendlern weiterhin diese Autos wie bisher zum Zuge kommen, der hat sich einfach geirrt.

Man muss an dieser Stelle ganz klar fragen: Wo sind die Dreiliterautos? Wo sind die Fünfliterautos? Wo sind die Hybridfahrzeuge auf dem deutschen Markt? Wo sind die Alternativen, die sich gegebenenfalls auch an der Verwendung von erneuerbaren Energien festmachen usw. usf.?

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

An dieser Stelle habe ich kein Verständnis dafür, wenn man das mit der jetzigen Situation in Verbindung bringt, sondern hier ist auch die einzige Leitindustrie in Deutschland einmal aufgerufen. Mit ihr sind wir natürlich ganz klar verbunden. Diese Industrie hat Zulieferer in Sachsen-Anhalt, und wenn dort im Jahr 2009 gegebenenfalls Schleifspuren entstehen, dann sind diese nur zu einem geringen Teil mit der jetzigen - in Anführungsstrichen - Finanzkrise verbunden.

Meine Damen und Herren! Vielleicht noch einige Ausführungen zu dem, was ich persönlich jetzt auch den Menschen raten würde, damit die gute Entwicklung, die wir

im ersten halben Jahr, eigentlich sogar in den ersten drei Quartalen dieses Jahres genommen haben, nicht abbricht.

Wenn der Bürger in der jetzigen Situation eine richtige Entscheidung fällen soll, dann sollte die so aussehen, dass er resümiert: Mein Geld ist sicher; die Frage ist, was ich mit diesem Geld mache. Denn Anlageformen der bisherigen Art haben sich letztlich in Teilen diskreditiert. Die Rücklagen, die man teilweise zur Altersvorsorge getätigt hat, sind oftmals mit einem großen Misstrauen behaftet.

Was sollte man also den Bürgerinnen und Bürgern empfehlen? - Ich würde empfehlen, dass man jetzt Maßnahmen in Angriff nimmt oder gegebenenfalls Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung vorzieht, die man ohnehin schon für sich persönlich geplant hatte: Wärmedämmmaßnahmen am eigenen Haus, Wärmeeffizienzmaßnahmen in den Heizungsanlagen, Auftragsvergaben in das hiesige Handwerk hinein.

Es geht darum, Investitionen in dem Bereich zu tätigen, der auf jeden Fall keinem Verfall unterworfen ist, nämlich das selbst genutzte Immobilieneigentum, das generell die beste Altersvorsorge darstellt. Das ist gut angelegtes Geld; denn selbst wenn sich die negative wirtschaftliche Entwicklung weltweit durch sinkende Rohstoffpreise etwas abmildern lässt - die Rohstoffpreise werden sicherlich temporär sinken -, werden die Spritpreise, die Gaspreise, die Ölpreise usw. langfristig hoch bleiben und sie werden zu einer Belastung in unseren Haushalten führen.

Deswegen ist das die unmittelbar beeinflussbare Größe, die auch wirtschaftspolitisch für die nächsten Quartale einen positiven Effekt auslösen könnte. Denn wir brauchen an dieser Stelle nicht nur Vertrauen, sondern wir brauchen auch eine Art und Weise, Geld in die Hand zu nehmen, die die Binnennachfrage und die Binnenauftragslage in Sachsen-Anhalt stabilisiert.

Dafür gibt es gute Gründe, und wir sollten einschließlich unserer Beratungsprogramme, die wir als Landesregierung mit den Kammern jetzt noch einmal zuspitzen, an dieser Stelle sehr, sehr deutlich nach vorn gehen und versuchen, Informationen an die Menschen heranzubringen, wie man das finanztechnisch darstellt.

Die Kreditinstitute sind aufgerufen, diese Paketlösungen anzubieten, einschließlich der KfW-Produkte, die hierfür zur Verfügung stehen. Das sind Vorsorgemaßnahmen, die in beide Richtungen positiv wirken, sowohl was den Umgang mit den eigenen Rücklagen, mit den eigenen Ersparnissen anbelangt, also die vorsorgliche Entwicklung der Finanzsituation im Privathaushalt, als auch im Zusammenhang mit Aufträgen für unsere regionale Wirtschaft, die wir gerade in den nächsten Monaten dringend brauchen. Ich glaube, dass wir dort mit unserem gemeinsamen Agieren als politisch verantwortliche Multiplikatoren in dieser Gesellschaft entscheidende Impulse setzen können.

Das Schlimmste, was wir machen könnten, ist, von uns aus bestimmte Dinge infrage zu stellen, wie das gestern auch die Bankenvertreter gesagt haben. Das heißt, wir dürfen nicht an der Verunsicherung der Menschen arbeiten, sondern wir müssen ganz klar sagen: Wir in Deutschland und wir in Sachsen-Anhalt haben die Sache im Griff.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das, was wir in unserem Verantwortungsbereich tun können, werden wir auch verantwortungsvoll ausfüllen. Wir werden versuchen, diesen Standard auch in der Europäischen Union zum Flächenstandard zu machen. Der angelsächsische Markt muss sich an dieser Stelle eindeutig unserem deutschen System anpassen. Uns ist durchaus bewusst, dass auch in Deutschland an dieser Stelle Korrekturbedarf besteht und dass wir im Rahmen des Krisenmanagements die entsprechenden Ableitungen an den Stellen vornehmen müssen, an denen wir nachjustieren müssen, an denen wir gegebenenfalls auch gesetzgeberisch noch einmal tätig werden müssen. - So weit erst einmal mein Einstieg.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Haseloff. - Wünschen Sie, Herr Gürth, oder ein anderes Mitglied Ihrer Fraktion eine Nachfrage zu stellen?

Ich werde nachher noch einmal fragen.

Uns steht jetzt beliebig viel Zeit zur Verfügung. Die erste Runde kann nahezu ewig dauern, ist nicht begrenzt. Es geht nur um die Frage, ob sich jemand selbst zähmt und die Antworten kürzer hält. Das ist alles. - Bitte, Herr Gürth.

Wir geben das Wort erst einmal an die anderen Fraktionen weiter.

Es gibt keine Nachfrage von Ihnen? Ich habe das jetzt nicht verstanden.

Wir können doch auch am Schluss eine Nachfrage stellen, oder?

Die eine Nachfrage bleibt Ihnen.

Wir haben noch Fragen, aber wir wollen auch die anderen Fraktionen zum Zuge kommen lassen.

Dann kommt jetzt die Fraktion DIE LINKE an die Reihe. Es ist angemeldet worden, dass Herr Henke eine Frage stellt. Bitte schön, Herr Henke, fragen Sie.

Herr Minister, Sie haben sehr wortreich über das Vergangene gesprochen. Ich habe eine konkrete Frage zur Zukunft der kommunalen Unternehmen in diesem Lande: Wie geht es mit denen weiter?

Ich habe bereits gestern auf das Cross-Border-Leasing hingewiesen. Die Nutzung legaler Steuerschlupflöcher in

den USA führte vor einigen Jahren nicht nur mit Genehmigung, sondern auch auf Anraten der Kommunalaufsichtsbehörden zum Verkauf und zum Rückmieten von kommunalem Unternehmensvermögen. Diese Verträge beinhalten die Übernahme von Ausfallbürgschaften durch die kommunalen Unternehmen bei finanziellen Problemen ihrer überseeischen Partner.

Im Zuge der Finanzkrise sind diese CBL-Partner der kommunalen Unternehmen nun von Insolvenz bedroht bzw. werden im Rating herabgestuft. Das hat zur Folge, dass auf die betroffenen kommunalen Betriebe zusätzliche Belastungen zukommen, da sie entweder ihre Depotbanken wechseln oder aber die Absicherung ihres Cross-Border-Geschäftes aufstocken müssen.

Welche finanziellen Risiken ergeben sich daraus für die kommunalen Unternehmen? Müssen sie zusätzliche Absicherungen vornehmen? Müssen sie ihre Depotbank oder ihren Versicherer wechseln? Und mit welchen finanziellen Belastungen mit all den Folgen für die kommunalen Arbeitsplätze ist zu rechnen?

Vielen Dank, Herr Henke. - Jetzt bitte die Antwort vom Herrn Minister.

Herr Henke, Sie wissen, dass es sich auf der einen Seite um eine sehr, sehr begrenzte Zahl handelt. Die Zahl der Cross-Border-Leasing-Verträge in Sachsen-Anhalt lässt sich wahrscheinlich an zwei Händen abzählen. Das heißt, die Betroffenheit ist sehr gering. Das ist auch gut so.

Auf der anderen Seite waren es damals ganz legale und reguläre Geschäfte, die innerhalb der Wirtschaftssphären zwischen den USA und Deutschland und demzufolge auch kommunalen Unternehmen zulässig waren. Es sind dort renommierte Anwaltskanzleien tätig gewesen, die sich speziell in diese Bereiche eingearbeitet haben.