Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

Deshalb warne ich dringend vor dem Irrglauben, die Millionen aus dem Konjunkturpaket II seien eine Art Geschenk. Nein, diese Millionen sind Teil der notwendigen - ich gehe sogar so weit zu sagen: der alternativlosen - Abwehrstrategie des Staates gegen die Krise.

Das Konjunkturpaket bietet uns die Chance, viele Dinge schneller anzupacken und eher zu erledigen. Diese Chancen sollten wir entschlossen und tatkräftig nutzen. Wir sollten sie außerdem zugunsten der Ziele nutzen, die wir im Landtag und auch vonseiten der Regierung als wesentlich für die Entwicklung des Landes ausgemacht haben, nämlich Bildung, Wirtschaft und Infrastruktur.

Gleichzeitig haben wir darauf zu achten, unsere Konsolidierungs- und Vorsorgestrategien nicht aus den Augen zu verlieren. Unsere bisherige Politik war weder vergeblich, noch hat sie an Aktualität verloren. Im Gegenteil: Die Konsolidierungs- und Vorsorgestrategien haben dafür gesorgt, dass viele öffentliche Haushalte - so unser Landeshaushalt und auch etliche kommunale Haushalte - zu Beginn der Rezession vergleichsweise gut aufgestellt sind und dass Spielräume für die Finanzierung von Maßnahmen zur Krisenintervention bestehen.

Nach der wirtschaftlichen Erholung wird sich der Konsolidierungsbedarf allerdings noch erhöht haben, da durch die Krise erzeugte neue Belastungen und zum Teil erzeugte temporäre Defizite zusätzlich verkraftet werden müssen.

Im Klartext bedeutet das: Auch nach der wirtschaftlichen Erholung werden wir Schulden in Höhe von mindestens 20 Milliarden € und zusätzliche neue Belastungen zu tragen haben. Wir alle werden das zu spüren bekommen, und zwar schon beim Nachtragshaushalt, den wir im März 2009 einbringen werden, und erst recht bei der Aufstellung des nächsten Doppelhaushaltes. Denn die Kommunen werden das eine oder andere nicht ohne neue Kredite umsetzen können. Ich werde noch darauf eingehen, was das für die nächsten Haushalte für Sachsen-Anhalt bedeutet.

Was bringt das Zukunftsinvestitionsgesetz? - Im Rahmen des Gesetzes beabsichtigt der Bund, dem Land Sachsen-Anhalt Mittel in Höhe von rund 356 Millionen € für Investitionen in Bildung und Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Dies gilt für die Jahre 2009 und 2010. Land und Kommunen müssen eine Kofinanzierung in Höhe von rund 120 Millionen € sicherstellen, sodass insgesamt die schon bekannten 475 Millionen € zustande kommen.

Ein Anteil von 65 % dieser Mittel ist für Bildungsinfrastrukturmaßnahmen - das entspricht rund 309 Millionen € - vorgesehen und ein Anteil von 35 % der Mittel für sonstige Infrastrukturmaßnahmen. Dabei soll ein Anteil von 70 % der Mittel zur Finanzierung kommunaler Maßnahmen eingesetzt werden. An kommunalen Investitionen müssen sich die Kommunen mit einem Eigenanteil beteiligen. Finanzschwache Kommunen - so die politische Aufforderung im Gesetz - sind gleichberechtigt am Programm zu beteiligen.

Nach dem Gesetz sollen diese Investitionen in Einrichtungen der frühkindlichen Infrastruktur, in die Schulinfrastruktur, die Hochschulinfrastruktur - bei den letztgenannten geht es vor allen Dingen um die energetische Sanierung -, in Forschungs- und Weiterbildungseinrichtungen sowie in die allgemeine Infrastruktur fließen.

Zur allgemeinen Infrastruktur zählen ausdrücklich auch Krankenhäuser, Informationstechnologie, Lärmsanierung, ländliche Infrastruktur und Städtebau. Nicht förderfähig dagegen sind Ausgaben für das Wohnungswesen, für den ÖPNV, für den kommunalen Straßenbau - außer Lärmsanierung - sowie Investitionen in den Bereich vollständig gebührenfinanzierter Einrichtungen. Dabei gibt es eine Ausnahme, und zwar bei der öffentlichen Daseinsfürsorge.

Die Maßnahmen müssen im Jahr 2009 beginnen und spätestens im Jahr 2010 bzw. 2011 - je nachdem, wie man die Scheiben berechnet - abgeschlossen sein. Im Jahr 2012 können keine Zahlungen mehr geleistet werden.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, der Teufel steckt auch hier im Detail. Denn wenn es zu spät wird, führt das dazu, dass die Träger, die sich vorher freuen, letztlich für die Rückzahlung inklusive Zinsen herangezogen werden. Sie sehen auch, dass alle Beteiligten schnell, aber auch gründlich arbeiten müssen.

Der heute vorliegende Antrag für ein Impulsprogramm für Bildungsinfrastruktur in Schulen und Kindertagesstätten im Umfang von 80 Millionen € ist noch vor dem Nachtragshaushalt ein erster Schritt auf diesem Weg.

Ich möchte mich bei den die Regierung tragenden Fraktionen ausdrücklich für diese Initiative bedanken. Herr Kollege Olbertz wird mir Recht geben: Schulen folgen einem eigenen Rhythmus, Kitas im Übrigen auch. Wenn wir den Unterricht außerhalb der Ferien mit Bau- und Sanierungsmaßnahmen störten, täten wir der Bildung im Lande keinen Gefallen.

Der Beschluss, den wir heute auf der Basis des Antrags fassen sollten, ermöglicht es den Trägern, schnell in die Planung einzutreten und die Aufträge termingerecht auszulösen. Er bringt das Geld und die damit verbundenen Leistungen schnell an die richtige Stelle. Aufgrund der Vorbereitung und Planung durch das Kultus- und das Sozialministerium kann schnell gehandelt werden. Ich werde das noch erläutern.

Ich denke, die Redner der die Regierung tragenden Fraktionen werden hierzu noch ausdrücklich argumentieren. Frau Fischer hat dies bereits getan.

Noch ein wichtiger Hinweis: Das Land wird einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung des Investitionsprogramms leisten. Ein Anteil von 25 % des Gesamtbudgets werden Land und Kommunen bereitzustellen haben. Für die Eigeninvestitionen muss das Land in vollem Umfang aufkommen.

Von dem Eigenanteil der Kommunen in Höhe von 25 % wird das Land - das ist in der Öffentlichkeit auch schon bekannt; das hat die Landesregierung beschlossen und Sie müssen dem beim Nachtragshaushalt, wenn Sie das wollen, auch folgen - die Hälfte, also 12,5 % übernehmen. Das sind weitere Kosten, die den Kommunen erlassen werden.

Ich will aber auch gleich sagen, dass all die von mir genannten Zahlen, übrigens auch die 475 Millionen €, den Anteil der Träger einschließlich der Kommunen beinhalten. Mit der hälftigen Übernahme der kommunalen Kofinanzierung ermöglicht das Land allen Kommunen die Teilnahme an dem Programm, weil sie eben nur 12,5 % aufbringen müssen. Ich denke, das ist auch leistbar. Viele der Investitionen werden dafür sorgen, dass die Kom

munen in den nächsten Jahren entlastet werden, zuallererst bei den Betriebskosten und ähnlichen Ausgaben, die sie einsparen können.

Wegen ihrer schwierigen Finanzsituation dürften einige Kommunen trotzdem nicht in der Lage sein, den Anteil von 12,5 % aufzubringen. Damit sie trotzdem teilnehmen können und nicht auf die Bundeszuschüsse verzichten müssen, werden sicherlich die Sparkassen, andere Banken und auch die Investitionsbank zinsgünstige Darlehen auflegen. Die Investitionsbank wird am Ende des Weges mit eigenen Überlegungen dastehen, sodass alle Kommunen teilhaben können.

Das Innenministerium hat zugesagt, dass das Landesverwaltungsamt die einzelnen Projekte im Zuge der Bestätigung unabhängig von bisherigen Konsolidierungsstrategien genehmigen wird, das heißt unabhängig davon, wie auch immer die Frage der Haushalte ansonsten betrachtet wird. Dazu wird es auf der Verwaltungsebene noch Festlegungen geben.

(Zuruf von der LINKEN)

Somit lässt sich mit Fug und Recht sagen: Seit Mitte der 90er-Jahre gab es für kommunale Infrastrukturprojekte keine so günstigen Förderkonditionen mehr wie im Rahmen dieses Programms. Wer das nicht sieht und der Landesregierung bei der Umsetzung des Konjunkturpaketes Kommunalfeindlichkeit vorwirft, dem kann ich dann aber auch nicht helfen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zuruf von Herrn Krause, DIE LINKE)

- Aber es gab wenigstens schon einmal Applaus. Ich weiß, dass das alle Abgeordnete umtreibt.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, einige Bemerkungen zur Entwicklung des Landeshaushaltes. Das ist nämlich genauso wichtig.

Die Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel die Erbschaftsteuerreform, die Förderung von Familien mit Kindern, die Pendlerpauschale - unabhängig davon, wie auch immer Sie das persönlich sehen mögen -, die Absenkung des Steuertarifs, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und konjunkturbedingte Mindereinnahmen bringen für den Landeshaushalt im Jahr 2009 Mindereinnahmen von rund 400 Millionen € mit sich. Das muss Sie jetzt alle nicht völlig umtreiben. Aber ich möchte es wenigstens gesagt haben. Ich weiß - da glaube ich auch die Finanzpolitiker an meiner Seite -, dass das nicht unerheblich ist.

Zusätzlich wird das Land eigene Beiträge zur Stützung der Konjunktur leisten. Es wird eine Erhöhung des Bürgschaftsrahmens um 600 Millionen € auf 3 Milliarden € - das, was ich jetzt sage, sind vor allem Überlegungen des Wirtschaftsministeriums - und Beteiligungen am Gewährleistungsrahmen für die NordLB - ich habe es angesprochen - von 3,3 Milliarden € geben. Die IB wird die KMU-Darlehen, also Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen, für größere Unternehmen öffnen; der Höchstbetrag wird auf 3 Millionen € erhöht.

Alles in allem wird das Engagement des Landes nebst der Übernahme - ich sagte es vorhin - eines Teils der kommunalen Kofinanzierung eine Mehrbelastung von rund 500 Millionen € mit sich bringen. Dies erfordert einen Nachtragshaushalt. Dabei wollen wir - das sage ich

ganz klar; das ist das Ziel des Finanzministeriums - ohne Neuverschuldung auskommen. Das wäre das Dritte in der Rangfolge.

Allerdings wird man mit der ab dem Jahr 2009 geplanten Rückzahlung der seit dem Jahr 1990 aufgelaufenen Schulden vorerst nicht beginnen können. Ich denke, das könnten Sie uns sicherlich verzeihen. Ich halte auch nichts davon, einen symbolischen Betrag in Höhe von 10 Millionen € dafür einzustellen

(Herr Tullner, CDU: 1 €!)

- oder von 1 € -, bei dem wir uns am Ende eher darüber streiten, ob das nicht sozusagen ein Potemkinsches Dorf ist. Aber das Ziel, ohne neue Schulden auszukommen, haben wir nach wie vor.

Für das Jahr 2010 erscheint aus heutiger Sicht die Frage nach einem Budgetdefizit für Sachsen-Anhalt offen. Das gebe ich ehrlich zu. Wer weiß, dass andere Länder, zum Beispiel Berlin und Ähnliche, die auch auf null standen, innerhalb eines Jahres, nämlich zu Beginn des Jahres 2009 bei einer Neuverschuldung von fast 1 Milliarde € angelangt sind, der weiß auch, dass diese Diskussion viele Länder umtreibt und umtreiben muss.

Wir warten die weitere Entwicklung ab und halten trotz der Investitionsprogramme auch am Konsolidierungskurs fest. Das ist das, was ich sagen will: Beides muss gemacht werden.

Eines ist klar: Auch nach der Krise wird eine voraussichtlich nur moderat verlaufende Erholung der Wirtschaft die Steuereinnahmen nicht wieder sprunghaft ansteigen lassen. Die mittelfristige Finanzplanung muss also überarbeitet und angepasst werden, um die finanziellen Auswirkungen der heutigen Rettungs- und Konjunkturpakete von Bund und Land sowie der gewandelten Wirtschaftslage einbeziehen zu können.

Dies bedeutet keine Abkehr von der bisherigen Grundorientierung, die sich in Zielen und Grundsätzen wie Nachhaltigkeit, Schuldenabbau, Generationengerechtigkeit, Haushaltsausgleich und Zukunftsvorsorge ausdrückt. Wenn aber zusätzliche Haushaltsmittel - das sage ich ganz klar - vor allem für Investitionen zur Rezessionsbekämpfung nötig sind, ist über deren Bereitstellung ernsthaft zu reden.

Der nun weltweit stattfindende Einsatz von zusätzlichen Beträgen in Milliardenhöhe, die kaum vorstellbar sind, darf aber nicht zu einer Verschiebung der Maßstäbe dahin gehend führen, dass alle Hemmungen in Bezug auf neue Ausgabenwünsche fallen. Denn wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass auch ohne neue Zusatzbelastungen schon beträchtliche Anstrengungen erforderlich sein werden, um zukünftig ausgeglichene Landeshaushalte zu haben.

Völlig unabhängig von der Krise - das wird jetzt völlig verdrängt - sind die Einnahmeverluste, die durch den Rückgang der Solidarpaktmittel und der EU-Regionalförderung sowie aufgrund der demografischen Entwicklung entstehen werden, für die Haushalte des Landes Sachsen-Anhalt schon jetzt vorhersehbar. Diese Rahmenbedingungen werden sich nicht ändern, egal wie die Krise weitergeht.

Meine Damen und Herren! Die Konsolidierungspolitik kann also keineswegs durch die neueren Entwicklungen als überholt zu den Akten gelegt werden. Ausgabendisziplin und strukturelle Konsolidierung sind weiter gefragt.

Um dies als langfristige Perspektive allgemeinverbindlich zu verankern, können wir - das ist meine feste Überzeugung - auf die Schuldenbremse nicht verzichten.

Ich werde darauf unter Tagesordnungspunkt 5 der heutigen Sitzung noch näher eingehen. Sie werden mich in den nächsten Stunden ununterbrochen hier vorn sehen.

Wie sieht die weitere Planung aus? - Die politischen Ziele dieser Koalition lassen sich mit den Stichworten „Förderung der Wirtschaftsentwicklung“, „Förderung von Kindern und Familie“, „Verbesserung der Infrastruktur“ und „Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung“ umschreiben. An diesen Zielen halten wir fest.

Auf dem Weg dahin waren die Konsolidierung des Landeshaushaltes, der Stopp der Neuverschuldung, das Personalentwicklungskonzept und die Vorsorgeelemente für uns wichtige Mittel, um den Landeshaushalt wetterfest zu machen. Auch daran hält die Regierung fest.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Sie können mir glauben - wir haben darüber im vorigen Jahr so schön diskutiert -, dass wir es natürlich nicht haben vorhersehen können, dass eine mittelfristige Finanzplanung so schnell über den Haufen geworfen wird. Aber diesbezüglich bin ich in der Kontinuität anderer Finanzminister vor mir, die das auch schon erlebt haben.

Wir streben eine enge Verzahnung des Konjunkturprogramms mit dem Nachtragshaushalt an, indem wir noch weitere, zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt mobilisieren wollen. Das werden wir bei der Befassung mit dem Nachtragshaushalt weiter erläutern.

In mancher öffentlichen Verlautbarung habe ich den Vorwurf gehört, wir würden nur kleckern und nicht klotzen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

Die Landesregierung verfolgt mit dem Konjunkturpaket und dem Nachtragshaushalt allerdings eine andere Strategie. Wir wollen klotzen, ohne dabei zu kleckern. Deshalb wollen wir die Gelder nicht ausschließlich pauschal ausreichen, sondern auch Schwerpunkte bilden.