Überregional arbeiten viele Kameradschaften bereits seit Langem eng zusammen, entweder im direkten Kontakt oder über so genannte Aktionsbündnisse wie das „Nationale und soziale Aktionsbündnis Norddeutschland“ oder das „Nationale und soziale Aktionsbündnis Mitteldeutschland“.
Die Vernetzung funktioniert somit von der lokalen Ausgangsebene über regionale und nationale Netzwerke bis hin zu einer internationalen Zusammenarbeit. Dabei ist verstärkt zu beobachten, dass die ursprüngliche Ablehnung einer parlamentarischen Strategie immer mehr der Zielsetzung einer Volksfront von rechts weicht, das heißt einer strategischen Zusammenarbeit von Parteien und freien Kräften. So kam es zu massenhaften Eintritten von freien Nationalisten in die NPD.
Alarmierend ist hierbei vor allem, dass die NPD nunmehr als politischer Arm von existierenden Neonazigruppen agiert, während die Kameradschaften wiederum als Posten der NPD im vorpolitischen Raum handeln. Dabei konnte die NPD nicht nur Wahlerfolge in Ost und West verbuchen.
Die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 7. Juni 2009 sind ein erschreckender Beleg dafür. So ist die NPD jetzt mit 19 Vertretern in 18 Stadt- und Gemeinderäten Sachsen-Anhalts vertreten. Schon seit Längerem hat die Partei 13 Sitze in sieben Kreistagen inne. Man kann diese Kommunalwahl schon als Gradmesser für die Normalisierung der NPD sehen. Gleichzeitig warnt sie davor zu glauben, dass die NPD doch nur geringe Ergebnisse erzielen könnte. Die Ergebnisse dieser Wahl zeigen somit auf erschreckende Weise, dass sich die NPD etabliert hat und auf eine feste Stammwählerschaft zählen kann.
Ferner gelang es der NPD auch, gemeinsam mit den „Freien Kameradschaften“ vielerorts eine rechte Alltagskultur zu etablieren. Die NPD kann dabei auf ein länderübergreifendes Netzwerk von Kameradschaften, Wirtschaftsunternehmen und Organisationen zurückgreifen. Diese werden dann als harmlose Bürgerinitiativen getarnt.
Oder sie versuchen - und das schon seit den 80er-Jahren mit teilweise erschreckendem Erfolg -, Fußballfans und Hooligan-Gruppen zu unterwandern, um dort ihren Nachwuchs zu rekrutieren. Wie das funktioniert, schilderte ein Funktionär der rechtsextremen Szene wie folgt - ich zitiere -:
„Der Fußball wird in der Szene immer genutzt. Fußball verbindet, Fußball ist gesund und bringt Körper und Geist in Einklang. Das haben wir andauernd propagiert. Wir hatten einen Bolzplatz, auf dem wir wöchentlich zum Kicken einluden. Wenn da einer war, aus dem man was machen könnte, hat man ihn zum Fußball eingeladen. Danach wurde noch gegrillt und Bier getrunken. So werden die 15- und 16-Jährigen geködert und rekrutiert. Danach wurde aussortiert, mit wem man etwas anfangen kann, mit wem nicht. Beim nächsten Mal hat man den Nachwuchs dann zum Spiel ins Stadion mitgenommen oder zu einer Demo. So funktioniert das heute noch.“
ligen tummeln sich viele Mannschaften der Rechten. Gerade im ländlichen Raum heißt es dann: Der Junge spielt Fußball und ist in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, das kann kein Nazi sein. Mit ehrenamtlicher Arbeit versuchen sich die NPD und die Kameradschaften unantastbar zu machen.“
Umso wichtiger ist es, dass sich vielerorts mittlerweile viele Fangruppen der rechten Ideologie widersetzen. Allerdings muss an dieser Stelle ganz klar festgestellt werden, dass von staatlicher Seite lange Zeit die Gefahr des nichtparteilichen Rechtsextremismus unterschätzt wurde. Die länderübergreifende Zusammenarbeit von staatlichen Institutionen verlief und verläuft eher mangelhaft. Es ist hierbei festzustellen, dass einer bundesweiten Vernetzung von Neonazis nicht konsequent begegnet werden kann, wenn die Arbeit der zuständigen Behörden an den Ländergrenzen endet. Ideologie und Aktivitäten machen nun mal nicht vor Ländergrenzen halt!
Wie bewusst Neonazis mit diesen Mängeln arbeiten, zeigt sich zum Beispiel daran, dass Veranstaltungen wie Rechtsrockkonzerte von vornherein an Alternativstandorten geplant werden. So ist es üblich, dass Veranstaltungen, sollten sie von der Polizei aufgelöst oder auf sonstige Weise verhindert worden sein, sofort territorial verlegt werden können. Oft geschieht das in angrenzende Bundesländer, da die dortigen Behörden häufig nicht darauf vorbereitet sind und somit auch nicht schnell genug reagieren können. Es beginnt sozusagen ein unwürdiges und unrühmliches Katz-und-Maus-Spiel, sehr zum Gefallen der rechten Szene.
So wurde zum Beispiel im November 2008 ein in Stadthagen in Niedersachsen geplantes Rechtsrockkonzert kurzfristig in das sachsen-anhaltische Harbke verlegt. Die hiesige Polizei erfuhr erst am Tag der Veranstaltung von ihren niedersächsischen Kolleginnen und Kollegen von der Verlegung und war somit nahezu handlungsunfähig. Das Konzert, bei dem einschlägige Bands aus ganz Europa auftraten, wurde von mehreren hundert Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet besucht.
Beispiele wie dieses kann man in ganz Deutschland finden. Sie zeigen zum einen, dass die Verlegung von Veranstaltungen über Landesgrenzen hinweg einer klaren Strategie folgt, und sie belegen zum anderen, dass die Kooperation zwischen den staatlichen Institutionen mangelhaft ist.
Weiterhin ist seit Längerem zu beobachten, dass vor allem im südöstlichen Niedersachsen eine zunehmende Verfestigung rechtsextremistischer Strukturen vor sich geht. Im Südharz gibt es immer wieder Schlagzeilen über Aktivitäten von Neonazis. Zahlreiche Waffenfunde bei Hausdurchsuchungen bei führenden Neonazis Ende des Jahres 2008 zeigten auf, dass die Situation äußerst bedrohlich ist.
Das Ziel unseres Antrages ist es, die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und der angrenzenden Bundesländer aufzufordern, sich zu ihrer gemeinsamen Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu bekennen. Dabei ist es erforderlich, dass Polizei, Ordnungsbehörden und Verfassungsschutz der benachbarten Länder eng miteinander kooperieren und kommunizieren. Durch einen regelmäßigen Informationsaustausch ist ein einheitlicher Wissensstand über aktuelle Ereignisse und Entwicklungen sicherzustellen, um der Polizei gegebenenfalls ein zeitnahes Agieren zu ermöglichen.
Wichtig ist dabei aber auch, dass länderübergreifend die Polizei mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren vor Ort auf dem Gebiet der Präventionsarbeit in den Austausch trifft und zusammenarbeitet, um ortsbezogen und zielgruppenorientiert mögliche rechtsextremistische Tendenzen in den Kommunen zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln, wohl wissend, dass dies ohne die Bereitstellung von angemessenen organisatorischen, strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen nicht machbar ist. Dazu sind - das muss ich an dieser Stelle mit aller Entschiedenheit sagen - die Streichungsabsichten des Herrn Finanzministers auf diesem Gebiet, die er in seinem Strategiepapier zur Finanzpolitik in SachsenAnhalt vorgestellt hat, das völlig falsche Signal. Sie bewegen sich an der Grenze der politischen Verantwortbarkeit.
Die Kürzungsabsichten des Finanzministers sind auch angesichts des vorgestern vorgestellten Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2008 umso unverständlicher. Ich zitiere den Innenminister Herrn Hövelmann:
„Rechtsextremisten sind zahlenmäßig leicht rückläufig, aber mit hohem Gewaltpotenzial. Die Demokratie in Sachsen-Anhalt ist gefestigt, aber sie wird von ihren Gegnern aktiv infrage gestellt und bedroht. Die wesentlichen Gefahren gehen dabei unverändert vom Rechtsextremismus aus.“
Es reicht eben nicht, nach Wahlen die Ergebnisse rechtsextremistischer Parteien zu beklagen, eventuell noch über die Ursachen nachzudenken und dann wieder zur Tagesordnung überzugehen. Es ist unbedingt erforderlich, auch und gerade zwischen den Wahlen Strategien zu entwickeln und diese dann in die Realität umzusetzen, um ein Erstarken der Neonazis zu verhindern, und das über Ländergrenzen hinweg. Sonntagsreden reichen dabei nicht aus.
frei nach dem Motto: Lasst uns mal darüber reden und dann zur Tagesordnung übergehen. - Es fehlen die konkreten Festlegungen, es fehlen die konkreten Forderungen, die in unserem Antrag aufgestellt wurden.
So wird es nicht funktionieren. Deswegen werden wir uns zu Ihrem Antrag der Stimme enthalten. - Danke.
Vielen Dank, Frau Tiedge. - Bevor wir die Stellungnahmen der Fraktionen hören, erteile ich Herrn Minister Hövelmann das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank. Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass in dieser Legislaturperiode die Bekämpfung des Extremismus und insbesondere des Rechtsextremismus auf der politischen Agenda ganz oben steht, brauche ich hier, so glaube ich, nicht geson
dert zu betonen. Mithin bin ich etwas geneigt, die Redezeit auszuschöpfen oder überzustrapazieren, wenn es um das Thema geht.
Deshalb will ich kurz anführen, was die Landesregierung an Maßnahmen zur Bekämpfung des Extremismus und insbesondere des Rechtsextremismus in dieser Legislaturperiode bereits auf den Weg gebracht hat, übrigens immer mit der überzeugenden Unterstützung des Parlaments. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.
Zu den Maßnahmen gehören Maßnahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr, polizeiliche Präventions- und Bekämpfungsstrategien, Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, der Ausbau der kommunalen Kriminalprävention, die intensive Kooperation von Polizei, Verfassungsschutz und Justiz bei der Bekämpfung extremistischer Aktivitäten sowie - auch das war und ist nach wie vor notwendig - vertrauensbildende Maßnahmen.
Parallel dazu sind in Sachsen-Anhalt in der zurückliegenden Zeit aber auch Maßnahmen der länderübergreifenden Zusammenarbeit umgesetzt worden. So sind insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus in den bundesweiten Gremien länderübergreifende Maßnahmen und Regelungen erarbeitet worden.
Beispielhaft möchte ich in diesem Zusammenhang auf den von der Innenministerkonferenz beschlossenen länderübergreifenden Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung rechtsextremistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Kriminalität hinweisen, in dem unter anderem auch die folgenden Maßnahmen aufgeführt sind: das Intensivieren von Aufklärungsmaßnahmen zu Tätergruppierungen und Strukturen sowie das Intensivieren der Zusammenarbeit sowie des Informationsaustausches im Vorfeld von Veranstaltungen von Polizei, Verfassungsschutz und kommunalen Behörden, Schulen, Trägern der Sozial- und der Jugendsozialarbeit, Vereinen und sonstigen Einrichtungen.
Parallel dazu finden auf der Bundesebene so genannte Sachbearbeitertagungen mit Vertretern der Länder und des Bundes statt, an denen selbstredend auch SachsenAnhalt beteiligt ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuell wird in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Arbeitskreise Polizei und Verfassungsschutz länderübergreifend ein Leitfaden zur Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz erarbeitet. Sachsen-Anhalt arbeitet daran aktiv mit.
Ein Beispiel für die länderübergreifende Zusammenarbeit ist aber auch das gemeinsame Lagebild von Verfassungsschutz und Polizei der Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt zum Thema Rechtsextremismus, welches in einer gemeinsamen Kabinettssitzung am 18. November 2008 in Holzdorf in Sachsen-Anhalt beschlossen wurde. Es soll zeigen, welche Aktivitäten länderübergreifend zwischen den rechtsextremistischen Strukturen stattfinden und in welcher Intensität sie ausgeprägt sind. Das Lagebild soll die Vernetzung der Rechtsextremisten beider Länder auf allen Ebenen beleuchten und Entwicklungstendenzen aufzeigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit länderspezifischen Regelung haben wir zudem die repressiven und präventiven Maßnahmen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus ergänzt und fortgeschrieben. Ferner haben wir in unserem Land mit der Errichtung entsprechender
Sachgebiete in den Polizeirevieren den Staatsschutzschutz gestärkt, die fachliche Sachbearbeitung in die Fläche verlagert, um strukturorientierte Ermittlungen künftig noch zielbewusster und unmittelbar vor Ort durchführen zu können. Dies verbessert die Möglichkeit, Informationen über Ländergrenzen hinweg umfassender, intensiver und direkter mit den betroffenen benachbarten Polizeibehörden auszutauschen.
So werden zum Beispiel anlassbezogen im regionalen Bereich gemeinsame Beratungen oder Besprechungen mit Polizeidienststellen benachbarter Länder durchgeführt. Gleiches gilt im Übrigen auch für Aufklärungsmaßnahmen oder auch für den Einsatz von Polizeikräften bei besonderen Lagen.
Letztlich ist mit den benachbarten Bundesländern, und zwar mit allen benachbarten Bundesländern, im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Veranstaltungen unter anderem vereinbart worden, dass nunmehr eine durchgehende Aufklärung und Begleitung bis zum möglichen Veranstaltungsort erfolgen kann, um zeitnah auf eine Änderung, zum Beispiel des Veranstaltungsortes - das haben Sie, verehrte Frau Tiedge angesprochen -, reagieren zu können, aber auch um die jeweilige betroffene Polizeibehörde mit Einsatzkräften unterstützen zu können.
Insbesondere gemeinsam mit Thüringen und Sachsen werden besondere Aufklärungsmaßnahmen im Bereich der rechten Szene in Bezug auf Strukturen und zur Verhinderung so genannter Skinheadkonzerte mit Erfolg durchgeführt. In einem Fall konnten zum Beispiel gemeinsame Erkenntnisse zu Bandprofilen gewonnen werden, die nunmehr bundesweit bei der Entscheidung über Verbotsverfügungen von Konzerten Verwendung finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Forderung der weiteren Erhöhung des Verfolgungsdrucks durch die Bildung von mobilen Sondereinheiten kann ich Folgendes sagen: Wir in Sachsen-Anhalt realisieren dies bereits mit dem Mobilen Einsatzkommando Staatsschutz, MEKS, und der Koordinierungs- und Ermittlungsgruppe Rechts, KEG Rechts, die beide - das wissen Sie - dem Landeskriminalamt zugehörig sind.
Eine Hauptaufgabe des Mobilen Einsatzkommandos Staatsschutz ist die kontinuierliche Aufklärung der rechten Szene. Ein Schwerpunkt der Koordinierungs- und Ermittlungsgruppe Rechts liegt in der Erhöhung des Verfolgungsdrucks auf die rechtsextremistische Musikszene. Hierzu ist das Bekämpfungskonzept gegen rechtsextremistische Aktivitäten von Vertrieben und Onlinegeschäften, kurz BRAVO, erarbeitet worden, das unter anderem auch die Erstellung der bereits angesprochenen Bandprofile vorsieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Bereich der Prävention ist eine Vielzahl von Maßnahmen, sowohl mit länderübergreifendem Charakter als auch länderspezifisch auf unser Bundesland bezogen, in zurückliegender Zeit realisiert worden. In Sachsen-Anhalt wurde das „Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“ im Juni 2007, beginnend mit dem Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“, ins Leben gerufen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Abgeordnete! Gern wird die Landesregierung, wird das Innenministerium den Landtag, wie bereits in der Vergangenheit praktiziert, auch künftig über Maßnahmen zur
So wichtig das vorgebrachte Anliegen auch ist - dies konnten Sie meinen Ausführungen entnehmen -, wurde und wird insbesondere im polizeilichen Bereich und im Bereich des Verfassungsschutzes mit den benachbarten Bundesländern zusammengearbeitet und ein kontinuierlicher Informationsaustausch betrieben. Die Landesregierung hat zudem in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl der in dem Antrag in den Nrn. 1 bis 3 enthaltenen Maßnahmen bereits umgesetzt.
Ich kann deshalb nur feststellen, dass es des vorliegenden Antrages der Fraktion DIE LINKE nicht bedurft hätte. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.