Protokoll der Sitzung vom 19.06.2009

Ich bitte Herrn Dr. Thiel, als Einbringer das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist kein einfaches Thema, das wir jetzt auf die Tagesordnung gesetzt haben, nicht nur weil die Mittagspause gerade vorbei ist, sondern weil sich sicherlich alle Fraktionen mit dem Thema beschäftigt haben und feststellen werden: Ja, was will DIE LINKE eigentlich mit diesem Antrag erreichen?

(Heiterkeit bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Was wollen Sie uns damit sagen?)

Denn das Thema EU-Dienstleistungsrichtlinie behandeln wir schon seit längerer Zeit im Parlament.

Es gab einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD zu Fragen der Umsetzung, den alle Fraktionen unterstützt haben. Wir haben die Behandlung dieses Antrages in der 33. Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 24. September 2008 für erledigt erklärt.

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Wir haben in der 34. Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien bemerkt, dass die Dinge auf einem guten Weg sind. Nun stellt sich die Frage: Wozu bedarf es eigentlich eines solchen Antrags?

(Herr Kosmehl, FDP: Richtig!)

Diesen nun auch noch nach der Mittagspause einzubringen, ist doppelt schwer. Nun könnte der eine oder andere auf die Idee kommen, es wäre vielleicht besser gewesen, DIE LINKE hätte einen Missbilligungsantrag formuliert,

(Herr Gürth, CDU: Nein!)

um die Landesregierung dahin gehend zu kritisieren, dass sie den Prozess der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht ordnungsgemäß voranbringt. Aber, meine Damen und Herren, das war uns eigentlich zu simpel; denn Sie alle wissen ganz genau, dass wir als LINKE, seit wir im Landtag über dieses Thema diskutieren, immer wieder klar unsere Position zum Ausdruck gebracht haben.

Wir haben auf die Stellen hingewiesen, an denen wir bestimmte Schwierigkeiten bei der Umsetzung der EUDienstleistungsrichtlinie in Deutschland und speziell in Sachsen-Anhalt sehen. Wir haben immer wieder betont, wie wichtig es ist, dass bei Fragen der freien Dienstleistung über Grenzen hinweg die Thematik der Standards und der Arbeitnehmerrechte nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir haben immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass offenbar ein erheblicher Verwaltungsaufwand auf das Land zukommt, wenn es darum geht, diese Richtlinie umzusetzen.

(Herr Gürth, CDU: Wann haben Sie das ge- macht?)

- In den Ausschüssen, hier im Landtag.

(Herr Gürth, CDU: Wirklich?)

- Ja, Herr Gürth, all das kann man in den Protokollen nachlesen.

Also wozu bedarf es noch dieses Antrags? - Das Problem besteht darin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir in Sachsen-Anhalt noch 196 Tage Zeit haben, bis diese Dienstleistungsrichtlinie in Kraft treten muss. Es sind also nicht einmal mehr 200 Tage. Vor uns

liegt eine parlamentarische Sommerpause, die - das gebe ich offen zu - verkürzt durch anstehende Wahlen bereits im August ihr Ende finden wird, und wir haben auch spannende Debatten zum Thema Haushalt vor uns.

Wir haben uns in den vergangenen Tagen gefragt: Wie ist denn eigentlich der Stand der Umsetzung der EUDienstleistungsrichtlinie in Sachsen-Anhalt? - Wir sehen folgende Problematik: Wir befürchten, dass wir nicht genügend Zeit haben, um die entsprechenden Verordnungen und Gesetze, die entsprechenden Umsetzungsmechanismen in den Kommunen, die damit verbundene Frage der Kosten und die Frage der Umsetzung der Anforderungen an einen einheitlichen Ansprechpartner in entsprechender Qualität und mit entsprechender Sorgfalt bedacht wiederzufinden. - Das ist unsere Sorge.

Deswegen haben wir gesagt, wir bringen im Juni 2009 noch einmal einen solchen Antrag in den Landtag ein, um gewissermaßen in allen Ausschüssen die Landesregierung noch einmal aufzufordern, diesbezüglich ihren Verpflichtungen nachzukommen. Darüber hinaus hielten wir es für sehr sinnvoll, wenn wir bei bestimmten, die Umsetzung der Richtlinie betreffenden Fragen noch einmal mit der kommunalen Ebene in ein sehr intensives Gespräch eintreten würden.

Nun kann man sagen: Dafür gibt es in den Ausschüssen die Möglichkeit der Selbstbefassung usw. Aber, meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass über die Fragen der Umsetzung durchaus noch einmal im Landtag und insbesondere in der Öffentlichkeit debattiert werden sollte.

Die Problematik, die Sie mit diesen Themen verbinden, ist vielleicht in drei oder vier Punkte zu fassen.

Der erste Punkt ist die Frage des einheitlichen Ansprechpartners. Das haben wir relativ frühzeitig geregelt. Die Landesregierung hat sich dafür entschieden, das Landesverwaltungsamt als entsprechende Mittelbehörde auszustatten. Die Fachleute, die sich damit befassen, wissen, dass das in den Ländern unterschiedlich geregelt ist. Wir haben uns für diesen Weg entschieden.

Nun ist aber die Frage zu stellen, wie die Dinge umgesetzt werden, die vom Landesverwaltungsamt initiiert werden und bei den zuständigen Stellen und Behörden zu regeln sind. Wir sehen noch Handlungsbedarf dahin gehend, dass hier entsprechende Regelungen gefordert werden - bis hin zu solch ganz einfachen Dingen, dass die EU zum Beispiel die so genannte Genehmigungsfiktion fordert. Das heißt, wenn innerhalb von drei Monaten auf einen entsprechenden Antrag nicht reagiert wird, dann setzt er sich um.

Wir haben in der Lombardei kennengelernt, dass das bei denen, glaube ich, in vier Wochen geht.

(Herr Gürth, CDU: Haben sie nur erzählt!)

- Ja, das haben sie erzählt. Das wollen sie im Prinzip machen. - Aber es ist tatsächlich die Frage zu stellen: Wie wird diese Zusammenarbeit mit den nachgeordneten Behörden geregelt?

Das zweite Thema, meine Damen und Herren, ist das berühmte Normenscreening. Wir haben in den Ausschüssen mehrmals darüber gesprochen und immer wieder die Berichte abgefragt. In der 34. Sitzung des Europaausschusses am 24. April 2009 wurde mitgeteilt, dass zwei große Gesetzespakete mit den entsprechenden Artikelgesetzen in Vorbereitung sind. Die Frage ist

nur, wann sie eingebracht werden und wie viel Zeit wir haben werden, um auf bestimmte Dinge hinweisen zu können.

Wir haben auch in der gestrigen Debatte festgestellt, dass es in anderen Bereichen durchaus Überlegungen dahin gehend gibt, das, was die EU-Dienstleistungsrichtlinie betrifft, bereits in entsprechende Gesetzesvorhaben umzusetzen. Wir hatten über das Thema Bauordnung in der gestrigen Landtagssitzung diskutiert. Wir haben vor wenigen Wochen das Thema Ingenieurgesetz angepackt. Ich denke, es gibt eine ganze Menge zu tun; es muss ausreichend Zeit für Diskussionen im Plenum bereitgestellt werden.

Wir hatten manchmal den Eindruck, dass die Landesregierung dieses Thema ein wenig als eine Art Verwaltungsakt ansieht: Man muss relativ wenig dafür tun; es sind ein paar Worte zu ersetzen, hier und da ist ein Komma einzufügen bzw. auf das Thema EU-Dienstleistungsrichtlinie zu verweisen. Aber ich denke, wenn Sie, meine Damen und Herren, sich dieses Thema etwas genauer anschauen, dann werden Sie feststellen, dass es durchaus zu einer ganzen Reihe von weitreichenden Gesetzesänderungen führen kann.

Über das dritte Thema ist zumindest hier im Landtag oft diskutiert worden. Das ist das Thema der elektronischen Verfahrensabwicklung. Es geht um das interne Marketing-Informationssystem, das aufzubauen ist und dessen Prototyp gewissermaßen das Deutschland-Online-Projekt ist. Es geht dabei zum Beispiel um Fragestellungen, wie von Europa aus über die Landesebene bis in die Kommune hinein die entsprechenden technischen Voraussetzungen zu schaffen sind und welche finanziellen und personellen Aufwendungen notwendig sind.

All das sind Dinge, die zwar angesprochen worden sind, die aber noch einer abschließenden Regelung bedürfen. Nach unserer Auffassung ist bereits zu viel Zeit verstrichen, ohne dass entsprechende Regelungen getroffen wurden und ohne dass Verhandlungen mit den Kommunen stattgefunden haben.

Deswegen haben wir gesagt, wir bringen noch einmal einen solchen Antrag in den Landtag ein. Wir haben uns insbesondere für die Einbringung dieses Antrages entschieden, weil in der letzten Sitzung des Europaausschusses festgestellt worden ist, dass die Kommunen momentan nicht hinreichend über die Umsetzung der Richtlinie und vor allem über die Anforderungen in ihrem Bereich informiert sind.

Ein genauso wichtiges Thema ist die Frage des Datenschutzes. Hierbei sollte zumindest sichergestellt werden, dass die Regelungen tatsächlich entsprechend den Datenschutzrichtlinien umgesetzt werden. Wir sehen noch einen erheblichen Bedarf hinsichtlich der Prüfung, inwieweit das tatsächlich passiert.

Deswegen sind wir der Meinung, ein solcher Antrag gehört noch einmal in den Landtag, um im Plenum auf die Dringlichkeit dieses Themas aufmerksam zu machen und alle Abgeordneten für diese Geschichte zu sensibilisieren. Denn die Umsetzung passiert vor Ort in den Landkreisen, passiert vor Ort in den kreisfreien Städten. Sie haben dann durchaus die Möglichkeit, als regionale Abgeordnete hier einmal nachzufragen, wie der konkrete Umsetzungsstand ist. Deswegen wollten wir gern eine solche Beschlussfassung herbeiführen.

Wir haben in unserem Antrag noch einmal separat ausgewiesen, dass es uns wichtig wäre, im Ausschuss für

Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien gemeinsam mit dem Ausschuss für Inneres und dem Wirtschaftsausschuss eine Anhörung der zuständigen Kommunen durchzuführen, und zwar möglichst noch im dritten Quartal, um die Probleme bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie aus erster Hand zu erfahren. Die Fragen, die wir dazu haben, sind in den Antrag entsprechend eingefügt worden.

Wie gesagt, wir würden uns freuen - ich weiß, dass die Anzahl der Antragsgegner relativ groß ist -, wenn Sie unserem Antrag zustimmen könnten. - Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Vor den Beiträgen der Fraktionen hören wir den Wirtschaftsminister Herrn Haseloff. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie bis zum 28. Dezember 2009 ist ein umfangreiches Verwaltungsmodernisierungsvorhaben mit der Zielsetzung, bürokratische Schranken für Dienstleister abzubauen, um den grenzüberschreitenden Handel für Dienstleistungen zu erleichtern. Die Beseitigung bestehender Hürden bei der Dienstleistungserbringung trägt somit zur Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarktes im europäischen Wirtschaftsraum bei.

Schwerpunkte der Umsetzung sind notwendige Anpassungen auf allen rechtsetzenden Ebenen sowie die Schaffung eines einheitlichen Ansprechpartners. Dabei ist sicherzustellen, dass sämtliche dienstleistungsrelevanten Verwaltungsverfahren entweder über den einheitlichen Ansprechpartner oder direkt bei der zuständigen Behörde elektronisch abgewickelt werden können. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten in Verwaltungssachen enger zusammenarbeiten.

Der Anpassungsbedarf im Landesrecht ist ermittelt und wird in einem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie in SachsenAnhalt Berücksichtigung finden. Das ist also gleichzeitig der Text des Gesetzes. Insgesamt sind zehn Gesetze und neun Rechtsverordnungen auf Landesebene an die Vorgaben der EG-Dienstleistungsrichtlinie anzupassen. Der Gesetzentwurf wird die datenschutzrechtlichen Anforderungen berücksichtigen, die sich aus der elektronischen Verwaltungszusammenarbeit ergeben.

Bereits im Dezember 2008 hat das Ministerium des Innern die Kommunen und die sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts über deren Verpflichtungen aus der EG-Dienstleistungsrichtlinie zur Normenprüfung informiert. Im Februar 2009 hat das Ministerium des Innern gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft für diese Verwaltungsebenen die entsprechenden Schulungen durchgeführt.

Das Normenscreening im kommunalen Bereich und bei den Kammern begann Anfang März 2009. Parallel dazu unterstützte das Innenministerium durch ein umfangreiches Internetangebot die Kommunen bei der Prüfung ihrer Normen.

Das Ministerium des Innern organisierte die Normenprüfung unter Einbindung der Kommunalaufsichten, sodass

die Prüfung kommunaler Normen in der überwiegenden Zahl abgeschlossen ist. Auswertungen ergaben, dass für einen Anteil von ca. 95 % der kommunalen Satzungen kein Änderungsbedarf besteht. Bis spätestens zum 30. Oktober 2009 soll das Normenänderungsverfahren in den Kommunen beendet sein.

Das Land muss gewährleisten, dass die dienstleistungsrelevanten Verfahren auf elektronischem Wege direkt mit der zuständigen Behörde oder über den einheitlichen Ansprechpartner abgewickelt werden können. Das zuständige Ressort hat hierzu ein Umsetzungskonzept erarbeitet. Zur Sicherstellung der elektronischen Verfahrensabwicklung befindet sich eine IT-Lösung in Vorbereitung.

Die Mindestanforderungen an die IT-Umsetzung können bis zum 28. Dezember 2009 für den einheitlichen Ansprechpartner und die zuständigen Stellen sichergestellt werden. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz ist bereits frühzeitig in die technische Umsetzung eingebunden worden. Die elektronische Verfahrensabwicklung soll auch den inländischen Dienstleistungserbringern zur Verfügung stehen.

Die Regierungschefs der ostdeutschen Länder haben auf der Regionalkonferenz am 11. Juni 2009 die Bundesregierung und die Unternehmen gebeten, die Anstrengungen für einen flächendeckenden Ausbau des Netzes mit schnellen und leistungsfähigen Breitbandanschlüssen im ländlichen Bereich zu erhöhen.