Erst muss erwirtschaftet werden, was danach verteilt werden kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich Schwarz-Gelb im Bund auch dazu verpflichtet, dass wir im Bereich von Hartz IV nachsteuern, dass wir zum Beispiel mehr Schonvermögen zulassen,
damit diejenigen, die Vorsorge getroffen haben, auch für den Schicksalsfall der Arbeitslosigkeit etwas davon haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da bin ich schon bei einem weiteren Punkt. Der Kollege Czeke hat den weiten Bogen gespannt von der EU über die Bertelsmann-Studie hin zu Roland Koch.
Ich fand die Äußerungen von Herrn Koch nicht glücklich, und ich finde sie übrigens auch nicht richtig, weil sie in die falsche Richtung zielen. Wir müssen ohne Zweifel auch im Bereich der Hartz-IV-Gesetzgebung nachsteuern, aber doch nicht mit solchen Forderungen und mit der Androhung von Arbeitszwang, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir müssen die Menschen dazu animieren, dass sie aktiv durch Qualifikation weitergebildet werden und wieder in den ersten Arbeitsmarkt übertreten können. Dabei muss gelten, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass derjenige, der arbeitet, mehr hat, als derjenige, der nicht arbeitet.
(Beifall bei der FDP - Zuruf von der FDP: Genau! - Zurufe von Herrn Gallert, DIE LINKE, und von Herrn Czeke, DIE LINKE)
Erst wenn wir dieses Verhältnis wieder herstellen, wird auch weitere Bewegung in die Bereiche kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit dem Jahr 1983 macht die Europäische Gemeinschaft, jetzt die Europäische Union eine Art Sensibilisierungskampagne, indem sie jedes Jahr ein bestimmtes Thema zum Themenjahr, zum Europäischen Jahr macht mit dem Ziel, die Bürger zu informieren, Projekte anzuschieben und somit einen Dialog zwischen den Bürgern, zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern einerseits und der Europäischen Union andererseits zu ermöglichen.
Das Jahr 2010 ist nun das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung ist kein Thema nur für das Jahr 2010,
aber dieses Europäische Jahr bietet im Jahr 2010 die Chance, zusätzliche Projekte, und zwar wirklich zusätzliche Projekte zu initiieren, um auch bei diesem Thema Projekte und vor allen Dingen Projektträger zu unterstützen, die vielleicht in vorhergehenden Jahren nicht zum Zuge gekommen sind.
Umso bedauerlicher - das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich - ist es, dass es nicht gelingt, noch mehr Mittel von den 2,25 Millionen €, die in Deutschland aus deutscher Sicht und aus europäischer Sicht zur Verfügung stehen, für Projekte zur Verfügung zu stellen.
Wer sich den Kostenplan einmal angeschaut hat, wird feststellen, dass wir nur 1,24 Millionen € für insgesamt 62 Projekte, etwa 20 000 € pro Projekt, ausgeben. Wir geben aber beispielsweise 120 000 € für eine Auftakt- und eine Abschlussveranstaltung aus. Wir geben 800 000 € für Kommunikation und Medien aus. 300 000 € sollen angeblich schon im letzten Jahr ausgegeben worden sein. Davon habe ich relativ wenig gehört, dass darauf aufmerksam gemacht worden ist,
dass im Jahr 2010 dieses Europäische Jahr stattfindet. Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch das darf und muss man, glaube ich, hinterfragen.
Herr Kollege Czeke hat zu Recht darauf hingewiesen: Derzeit leben - nach europäischen Berechnungen; das sage ich ausdrücklich dazu - etwa 79 Millionen EU-Bürger unterhalb der Armutsgrenze. Definiert wird die Armutsgrenze wie folgt: 60 % des Durchschnittseinkommens des Landes, in dem der Betreffende lebt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer die Situation in Bulgarien oder in Rumänien kennt, der weiß, dass es eine andere ist als die Situation, die wir hier oder in Luxemburg haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns allen Ernstes nur aufgrund dieser Statistik ins Bockshorn jagen lassen, dann sind wir verloren. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir dieses Thema ernst nehmen, auch die Probleme, die wir in Deutschland haben. Diese darf man, Herr Staatsminister, auch im Europäischen Jahr
diskutieren; denn in dieser Hinsicht haben wir noch viel zu tun. Wer aber glaubt, dass wir hier wirklich ein Armutsproblem haben, das vergleichbar ist mit den Problemen, die die Menschen in Bulgarien und in Rumänien oder die die Menschen in Haiti haben,
dann sage ich Ihnen: Diese Diskussion werden wir nicht gewinnen können. Sie ist auch aus meiner Sicht dem Thema und der tatsächlichen Situation nicht angemessen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sieben Themen oder Themenpfeiler hat die EU in ihre Planung aufgenommen. Diese lauten: Kinderarmut und Vererbung von Armut, der integrative Arbeitsmarkt, der Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung, geschlechtsspezifische Dimension der Arbeit, Zugang zur Grundversorgung, Überwindung von Diskriminierung und Förderung der Integration von Zuwanderern sowie Eingliederung von ethnischen Minderheiten in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, und Eingehen auf die Bedürfnisse behinderter Menschen und sonstiger gefährdeter Gruppen.
Diese sieben Themenbereiche können wir abarbeiten. Ich hoffe und ich wünsche mir einfach - vielleicht kann man das im Wege der Selbstbefassung machen oder aus dem Sozialministerium heraus -, dass man im Laufe des Jahres, vielleicht in der ersten Jahreshälfte berichtet, wenn zwei Projekte - das habe ich gehört - aus Sachsen-Anhalt den Zuschlag erhalten - vielleicht gibt es noch weitere Projekte, die sich ohne zusätzliche Bundesmittel finden -, dass man diese Projekte einmal vorstellt und wir darüber diskutieren, was diese Projekte abdecken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung kann nicht allein durch den Staat erreicht werden. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dieser wollen wir uns stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz noch auf die Studie der BertelsmannStiftung eingehen - sie ist ja erst vor ein paar Tagen vorgestellt worden -, die Studie „Die Bundesländer im Standortwettbewerb 2010“. Die Ergebnisse sind klar: Bürger in Bayern und Baden-Württemberg sind kaum auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Berlin hat die rote Laterne. Hier sind 20 % der Bürger auf Transferleistungen angewiesen. In Sachsen-Anhalt sind es 17 %.
Sachsen-Anhalt liegt als einziges ostdeutsches Land aufgrund des im Beobachtungszeitraum zweithöchsten Wirtschaftswachstums im Bereich der Einkommen im Mittelfeld. Es wird natürlich darum gehen, uns dort auch zu halten. Hingegen haben wir im Bereich der Sicherheit, sowohl der inneren als auch der sozialen Sicherheit, Nachholbedarf. Ich denke - das darf man an dieser Stelle auch sagen -, das wird auch weiterhin eine Aufgabe bleiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluss noch einmal auf die Europäische Dimen
sion zurückkommen. Herr Kollege Czeke, Sie haben vieles heute hier angesprochen. Es würde wie immer zu weit gehen, auf alles einzugehen. Im Rundumschlag gegen die EU - wenn Sie das Protokoll noch einmal lesen, wird es sich zeigen - sind viele Behauptungen enthalten, zu denen wir gemeinsam feststellen können, dass sie so nicht gelten.
Wer weiß, wie die Umweltstandards in Europa sind, der weiß, dass sie hoch sind. Das haben Sie abgewiesen. Umweltstandards stehen nie den sozialen Grundrechten im Wege. Ich warne an dieser Stelle einfach davor, dass wir eine Diskussion führen, in der wir eine soziale Europäische Union gegen eine Wirtschaftsunion ausspielen.
Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum, wir brauchen den Binnenmarkt, wir brauchen die Grundfreiheiten, um auch soziale Transferleistungen hinzubekommen und ein gemeinsames Europa zu bauen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.