Protokoll der Sitzung vom 18.06.2010

(Frau Weiß, CDU: So ein Quatsch!)

mit der Konzentration von immer mehr Menschen mit geringem Einkommen in bestimmten Wohnquartieren. Die dort bereits vorhandenen sozialen Probleme würden eskalieren und allein mit einem Förderprogramm „Soziale Stadt“ niemals gelöst.

Anmerkung: Die Mittel für das Förderprogramm „Soziale Stadt“ sind im laufenden Bundeshaushalt bereits um

20 % gekürzt worden. Also, Frankreichs Banlieues lassen grüßen.

(Frau Weiß, CDU: Oh! Also! - Unruhe bei der CDU)

Die Krise darf nicht als Alibi für Streichorgien herhalten. DIE LINKE fordert von der Bundes- und von dieser Landesregierung eine Garantie dafür, dass die binnen Wochenfrist zur Rettung des Euro - genauer gesagt: der Banken, Fonds und Versicherungsgesellschaften - bereitgestellten Milliarden nicht durch Kürzungen bei den Sozialausgaben finanziert werden dürfen.

Das Ergebnis der Sparklausur von Schwarz-Gelb vor eineinhalb Wochen offenbarte: Die Streichung des Heizkostenzuschusses beim Wohngeld für Geringverdiener kann man nur zynisch nennen und die mit der Wohngeldreform überfälligen Verbesserungen infrage stellen. Die Kosten für Heizung und Warmwasser müssen Bestandteil der Miete und somit beim Wohngeld anerkannt bleiben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auf eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag erwiderte in dieser Woche Jan Mücke - den wird hier niemand kennen -, auch ein Staatssekretär im BMVBS, dass mindestens 3,6 % aller ostdeutschen Haushalte Wohngeld beziehen, das wären in Sachsen-Anhalt nach dieser Rechnung 43 000 Haushalte mit 85 000 betroffenen Mietern im Jahr 2009. Das ist fast eine Verdoppelung der Zahlen des Jahres 2008. Hoffen wir, dass es nicht ganz so ist.

Die Heiz- und Nebenkosten werden immer mehr zu einem Armutsrisiko und bringen Einkommensschwache in Bedrängnis. Angesichts dessen ist die Begründung für die Streichung, nämlich dass sich die Situation - Zitat - „erfreulicherweise entspannt“ habe, eine Provokation, durch die Thilo Sarrazins Skandalempfehlung, statt eine beheizte Wohnung zu fordern, doch einen dickeren Pullover anzuziehen, Wirklichkeit zu werden droht.

Infolge der rückläufigen Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung vergrößert sich die Deckungslücke bei den Landkreisen in Sachsen-Anhalt. Selbst bei Ausgaben, deren Höhe mit der des Vorjahres vergleichbar ist, wird die Deckungslücke nach neuesten Angaben des Landkreistages im laufenden Jahr 2010 fast 40 % betragen, das entspricht 150 Millionen €. Dabei handelt es sich um eine im doppelten Wortsinn erzwungene Lücke; denn niemand wird frieren wollen, und bevor es zu Unruhen kommt, werden die Landkreise diese angebliche Einsparung des Bundes selbst stemmen müssen. Die Bundesregierung verlagert die Kosten wieder einmal nach unten.

Aber gerade in Krisenzeiten, in denen fast jeder zweite ostdeutsche Arbeitsplatz prekär ist, darf nicht auch noch die Wohnung unsicher werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Darum haben wir schon mehrfach gewarnt: Es darf keine irreparable Reduzierung bei Daseinsvorsorgesystemen geben. Die Wirtschaftsbeschleunigungsgesetze oder die Schuldenbremsen beim Bund und geplant auch bei uns gefährden die Lebensqualität und die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre. Stichwort: IBA. Dort gibt es sehr viel Schönes zu bestaunen, aber eben auch noch sehr viel Unerledigtes zu sehen.

Der soziale Frieden gerät in Gefahr. Wenn in der vergangenen Woche selbst der CDU-Wirtschaftsrat auf der Bundesebene - im Gegensatz zu unserem Ministerpräsidenten - die mangelnde soziale Balance im Rotstiftprogramm der Bundesregierung beklagt, dann erkennen immer mehr Menschen, dass die Grundlagen des Zusammenlebens bröckeln und mit ihnen auch die Existenzgrundlagen vieler Wirtschaftunternehmen.

Letzter Punkt. Es ist nicht zu trennen: Der Stadtumbau braucht auskömmliche Kommunalfinanzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was bleibt? - Es bleibt dringender Handlungszwang. Hier geht es nicht um einen von Lobbyisten herbeigeschriebenen Subventionsbedarf. Zur erfolgreichen Fortsetzung des Stadtumbaus brauchen wir also die Streichung der Altschulden, die aufgabengerechte Kommunalfinanzausstattung und auskömmliche KdU-Sätze. Wir sind gezwungen, jetzt zu handeln.

Sehr geehrte Damen und Herren! Da wir uns eigentlich alle einig sind, gehe ich davon aus, dass Sie diesem Antrag unserer Fraktion Ihre Zustimmung nicht verweigern werden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, für die Einbringung. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Minister Herrn Dr. Daehre das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Henke, ich hatte eigentlich gedacht, dass wir über die Propagandareden hinweg sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Das, was Sie heute hier dargestellt haben, fordert einfach dazu heraus, dass man auch wieder einmal betont, wo wir im Jahr 1989 hinsichtlich der Stadtsanierung gestanden haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Herrn Kley, FDP)

Meine Damen und Herren! Es kann doch wirklich nicht angehen, dass Sie dieses Land, diese Städte, diese Dörfer, die sich in 20 Jahren so positiv entwickelt haben, so schlechtreden. Wenn das jemand hört, der zum ersten Mal hier ist, sagt er sich: Da gehe ich doch nicht hin.

Wir sollten doch stolz sein auf das, was wir erreicht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Die Innenstädte waren im Jahr 1989 fix und fertig.

Stellen Sie sich einmal die Frage, was wir mit diesen Milliarden, die wir Gott sei Dank eingesetzt haben, in den letzten Jahren Vernünftiges getan haben. Wir haben schon 1,2 Milliarden € für die Altschuldenentlastung zur Verfügung gestellt. Das muss doch zumindest vorweg einmal gesagt werden. Dann können wir uns über die Probleme unterhalten. Aber wir dürfen doch nicht den Eindruck entstehen lassen, dass der Untergang des Abendlandes bevorstehe.

Fahren Sie einmal nach Osteuropa und sehen Sie sich einmal die Städte in Osteuropa an. Sie können mit Ihren Genossen gern einmal hinfahren und sich das anschauen und dann kommen Sie zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Aeikens - Herr Scheurell, CDU: Dableiben soll er! - Frau Weiß, CDU: Er soll dableiben!)

So, meine Damen und Herren, das war erst einmal das Vorwort.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)

Jetzt kommen wir zu dem Eigentlichen, nämlich zu dem Thema Altschulden. Wir haben uns in den letzten 15 Jahren mit diesem Thema beschäftigt. Das war eine politische Entscheidung, das wissen wir. Deshalb haben wir, CDU, SPD, FDP, uns immer dafür stark gemacht, dass hier eine Regelung erfolgen müsste. Die im Jahr 1993 unter anderem unter Mitwirkung des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler und meiner Wenigkeit gefundene - -

(Oh! bei der FDP - Unruhe)

- Ja, daher kennen wir uns. Daher kennt man sich.

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD - Heiterkeit)

Aber eines war damals klar, meine Damen und Herren: Das war eine vernünftige Regelung - wenn wir den Leerstand nicht bekommen hätten. Sie hätte den Wohnungsunternehmen geholfen und wir wären sicherlich ein Stück weiter.

Jetzt haben wir eine neue Situation. Wir haben den Leerstand. Deshalb müssen wir sehen, wie wir weiter damit umgehen, damit wir auch den Wohnungsunternehmen, die Träger des Stadtumbaus sind, helfen können.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP)

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass die CDU und die FDP - im Moment wird so viel über die Bundesregierung geschimpft, aber diesen Punkt hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag stehen - sich mit dem Thema beschäftigen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Das kostet wieder viel Geld. Meine Damen und Herren! Ich darf eines nicht vergessen: Wir reden über die Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften. Vergessen wir nicht den dritten Träger des Stadtumbaus: Das sind die Privaten.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP - Zustimmung von Minister Herrn Dr. Aei- kens)

Das muss doch auch einmal gesagt werden. Deswegen haben wir reagiert. Wir haben einige Punkte, die will ich Ihnen kurz vortragen. Das Erste, was die Altschulden angeht, sagte ich schon: Die Übertragung der Altschulden war eine rein politische Entscheidung.

Zweitens. Gleichzeitig waren die Wohnungsunternehmen tragende Akteure des Stadtumbaus. Durch die von ihnen in den letzten Jahren getätigten Abrisse von Wohngebäuden konnte ein weiterer Anstieg des Wohnungsleerstandes in Ostdeutschland verhindert werden. Damit haben die Wohnungsunternehmen maßgeblich zu einer Steigerung und Sicherung der Attraktivität der Städte als Wohn- und Wirtschaftsstandort beigetragen.

Drittens. Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt seit Jahren entsprechende Initiativen, die den Erlass der Altschulden für alle dauerhaft leer stehenden, abzureißenden Wohnungen zum Ziel haben. Gibt es keine Anschlussregelung bei der Altschuldenhilfe, so sind die Wohnungsunternehmen nicht in der Lage, die Umgestaltung der Städte weiter voranzubringen.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Viertens. Insofern beobachte ich die Entwicklung auf Bundesebene mit großem Interesse und begrüße die Erstellung des Gutachtens „Städtebauliche Begleitforschung - Stadtumbau Ost - Anschlussregelung Altschuldenhilfeverordnung“. Ich bin überzeugt davon, dass es keine Alternativen zu einer Fortführung der Altschuldenhilfe gibt.

Fünftens. Bedingt durch Abwanderung und demografische Entwicklung werden Wohnungsleerstände weiterhin städtebauliche und gesellschaftliche Probleme aufwerfen. Durch weitere Mietrückgänge, teurer werdenden Rückbau, höhere Betriebskosten und notwendige Sanierungen kommen auf die Wohnungsunternehmen neue finanzielle Belastungen zu. Außerdem gefährden die Altschulden die Kreditfähigkeit der Unternehmen.