Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Der Gesetzentwurf muss auch noch den Praxistest bestehen. Wir müssen uns fragen, wie aufwendig die ganze Geschichte ist. Ein medienpolitischer Kollege aus Sachsen hat nach dem Aufwand recherchiert, den ich kurz nennen will: Allein im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird von insgesamt ungefähr fünf Millionen Seiten ausgegangen, die gekennzeichnet werden müssten. Geht man davon aus, dass für die Kennzeichnung einer Seite zehn Sekunden erforderlich sind - ich denke, das ist nicht zu hoch und nicht zu niedrig gegriffen -, ein durchschnittliches Arbeitsjahr 220 Arbeitstage hat und der Arbeitstag in der Regel acht Stunden umfasst, dann bräuchte man ungefähr acht Jahre, bis alle Internetseiten allein im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks altersklassifiziert sind.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Darüber muss man natürlich noch einmal nachdenken. Insofern können wir es nur begrüßen, dass man zwar nicht im Text des Staatsvertrages, aber in der Protokollerklärung der Länder gesagt hat, dass man den Staatsvertrag nach drei Jahren evaluieren möchte.

Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfes an den Fachausschuss zustimmen, die von mir gestellten Fragen dann noch einmal thematisieren und mit Sicherheit zügig zu der Verabschiedung des Gesetzentwurfes kommen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Gebhardt. - Zum Abschluss der Debatte hören wir den Beitrag der CDU-Fraktion. Ich erteile Herrn Borgwardt das Wort.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herrn! Da wir hier des Lobes voll sind, will ich das noch einmal gerade rücken. Der Kollege Kosmehl hatte gesagt, ich würde das kraft meiner Wassersuppe vorwegnehmen,

dass wir eine Anhörung haben werden. Gleichwohl haben wir uns unkonventionell darauf verständigt und haben die Anhörung auch am 21. Mai durchgeführt.

Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn uns dieser vorauseilende Gehorsam der Oppositionsfraktion nicht nur beim 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gelingt, sondern uns in gleichem Maße beim 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag Unterstützung widerfährt, sehr geehrter Herr Kollege Kosmehl.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklung des Internets und die dadurch neu entstandenen Nutzungs- und Kommunikationsformen stellen auch neue Anforderungen an den Jugendmedienschutz. Man könnte sagen, das sei eine Binsenweisheit. Gleichwohl braucht es Regelungen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, haben die Regierungschefs der Länder auf ihrer Jahreskonferenz im Juni 2010 den Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterzeichnet. Das Papier - meine Vorredner gingen darauf ein - liegt uns jetzt zur parlamentarischen Beratung vor.

Neben redaktionellen Änderungen des Rundfunkstaatsvertrags und des Deutschlandradio-Staatsvertrags geht es vor allem darum, den Herausforderungen durch die neuen Kommunikationsformen im Internet, insbesondere also dem Jugendmedienschutz, der schon mehrfach in Rede stand, gerecht zu werden. Der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll genau diesem Grundsatz dienen.

Meine Damen und Herren! Der freie Zugang zu Informationen sowie deren Kommunikation und weitere Verbreitung, die gerade das Internet auf besondere Weise ermöglicht, sind ein notwendiges und unverzichtbares Element im demokratischen Rechtsstaat. Insofern ist sowohl von privater als auch von öffentlicher Seite ein verantwortlicher Umgang mit den Möglichkeiten der Information und Kommunikation, die insbesondere das Internet bietet, geboten. Deshalb ist es wichtig, dass der europaweit als vorbildlich geschätzte Grundsatz - die Vorredner gingen ebenfalls darauf ein; ich betone diesen noch einmal - der regulierten Selbstregulierung gestärkt wird.

Tatsache ist aber auch, meine Damen und Herren, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor erziehungs- und entwicklungsbeeinträchtigenden Medieninhalten ein besonders schützenswertes Gut ist. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein; darauf ging auch der Kollege Felke bereits ein. Wir brauchen umsetzbare und wirksame Instrumente. Wichtig ist vor allem, dass diese Instrumente von den Beteiligten ernst genommen werden und - das teile ich ausdrücklich - praxistauglich sind.

Mit der Überarbeitung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags wird den Ergebnissen der Evaluierung aus dem Jahre 2002 Rechnung getragen. Die Evaluierung wurde durch das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg kontinuierlich begleitet. Auch die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V., die mit Inkrafttreten dieses Jugendmedienschutzstaatsvertrags eingesetzte Kommission für Jugendmedienschutz, die Landesmedienanstalt, MSA und der reichweitenstarke Verband Bitkom haben sich hierzu grundsätzlich positiv geäußert. Wir befinden uns also, denke ich, insgesamt auf einem guten und gangbaren Weg.

Meine Damen und Herren! Im Kern geht es um die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung. Hierauf

gingen meine Vorredner ein, weswegen ich nichts weiter dazu ausführen möchte. Die sogenannten User Generated Contents wie Blogs oder Foren, also Inhalte, die von Dritten mitgestaltet werden, erhalten ebenso die Möglichkeit der freiwilligen Alterskennzeichnung. Damit greift der Entwurf den Hinweis auf, dass auch Anbieter von Portalen mit fremden Inhalten ein Interesse an einer freiwilligen Kennzeichnung haben könnten.

Mit dem Staatsvertrag sollen die Bestimmungen und Regelungsansätze des Jugendmedienschutzstaatsvertrags und des Jugendschutzgesetzes des Bundes vereinheitlich werden. Hierauf gingen meine Vorredner ebenfalls ein.

Außerdem wollen wir wirksame Impulse für die Entwicklung von Jugendschutzprogrammen geben, damit Personen, die Erziehungsverantwortung haben - das ist für uns sehr wichtig -, die Möglichkeit haben, ihre Kinder selbst wirksam vor aus ihrer Sicht unpassenden Inhalten zu schützen. Dabei ist uns wichtig, dass diese Entscheidungen von den Erziehungsberechtigten selbst und eigenverantwortlich getroffen werden können. Es ist also der Nutzer, der entscheidet, was gesehen werden kann und was nicht.

Mit der zu Beginn des Verfahrens häufig beklagten Zensur hat das aus unserer Sicht wenig zu tun. Zugangsprovider wie T-Online, 1 & 1, Vodafone und viele andere mehr wurden schon genannt. Sie sollen aber - ich denke, das ist im Interesse des Medienschutzes vertretbar - verpflichtet werden, auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass ein solches Jugendschutzprogramm installiert werden kann.

Ich will mit Blick auf die Redezeit nicht auf die Einzelheiten eingehen. Dazu werden wir im Rahmen der parlamentarischen Beratung sicherlich noch Gelegenheit haben.

Die Reaktion der beteiligten Akteure zeigt, dass uns ein Entwurf vorliegt, der in seinen Zielen und Maßnahmen eine Grundlage für die parlamentarische Beratung liefert. Klar ist aber auch, dass wir uns über das eine oder andere Detail noch näher verständigen sollten. Daher bitte ich um Überweisung - wie meine Vorredner vorgetragen haben - ausschließlich in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir stimmen ab. Es wurde übereinstimmend die Überweisung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien beantragt. Wer stimmt dem zu? - Offensichtlich alle. Dann ist das so beschlossen und Tagesordnungspunkt 10 beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Landesrichterrechts des Landes Sachsen-Anhalt (Rich- terrechtsneuregelungsgesetz - RiNeuRG)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/2728

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und der FDP - Drs. 5/2828

Ich bitte die Ministerin der Justiz Frau Professor Dr. Angela Kolb, den Gesetzentwurf einzubringen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der Föderalismusreform I sind den Länderparlamenten neue Aufgaben zugewachsen. Das gilt insbesondere auch für den Bereich des Beamtenrechts. Sie haben sich hier in diesem Hohen Haus schon mit dem Landesbeamtengesetz beschäftigt. Das Landesbesoldungsgesetz ist derzeit noch in der parlamentarischen Diskussion. Mit dem heutigen Gesetzentwurf für ein neues Landesrichterrecht machen wir jetzt den Korb zu und legen den dritten Teil des großen Komplexes Neuregelung im Beamten- und Richterrecht vor.

Damit tragen wir den Änderungen nach der Föderalismusreform Rechnung. Wir vollziehen die Veränderungen, die die Änderungen im Landesbeamtenrecht mit sich gebracht haben, nach und übertragen sie auf die Richter, soweit das möglich ist. Sie wissen, die richterliche Unabhängigkeit hat auch Besonderheiten bei der Ausgestaltung des Richterverhältnisses zur Folge. Das bewirkt wiederum, dass bestimmte Regelungen des Landesbeamtenrechts nicht im Verhältnis 1 : 1 auf die Richter übertragen werden können.

Im Mittelpunkt der Neuordnung des Landesrichterrechts steht natürlich das neue Landesrichtergesetz; das ist Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs. Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs sind nicht nur die neuen Kompetenzen, die nach der schon angesprochenen Föderalismusreform nunmehr den Ländern obliegen, beachtet worden, sondern auch die bundesrechtlichen Regelungen, die insbesondere die Fragen der Statusrechte und Statuspflichten betreffen.

Darüber hinaus mussten auch Regelungen des Gerichtsverfassungsrechts in die Überlegungen einbezogen werden. Gemeint sind hiermit diejenigen Vorgaben im bundesdeutschen Richtergesetz, die seinerzeit zwar auch als Rahmenrecht oder als unmittelbar geltendes Dienstrecht erlassen wurden, heute aber immer noch als gerichtsverfassungsrechtliche Regelungen fortgelten. Dieses Bundesrecht darf trotz der Kompetenzveränderungen im Dienstrecht nicht durch Landesrecht ersetzt werden.

Sie sehen also, wir bewegen uns hier beim Landesrichterrecht in einem sehr engen Kompetenzgeflecht und mussten bei den einzelnen Regelungen sehr gut abwägen, wie weit die Gestaltungsspielräume gehen, um die Vorstellungen, die wir von einer möglichst modernen Ausgestaltung hatten, dann auch gesetzgeberisch umsetzen zu können. Das heißt, für die Zukunft werden wir es bezüglich der Richter auch weiterhin mit zwei Gesetzen zu tun haben, sowohl mit dem Bundesrichtergesetz als auch dem jetzt als Entwurf vorliegenden Landesrichtergesetz.

Das bedeutet aber auch, dass das Richterdienstrecht des Landes nur die Materien regeln kann, die im deutschen, das heißt, im Bundesrichtergesetz gar nicht oder nicht abschließend normiert sind. Ergänzend treten hier auch noch beamtenrechtliche Regelungen im Beamtenstatusgesetz, im Landesbeamtengesetz und weiteren Rechtsvorschriften hinzu, zum Beispiel auf dem Gebiet der Beihilfe und des Besoldungs- und Versorgungsrechts.

Bei der Formulierung der neuen Regelung haben wir insbesondere die Regelung des Artikels 97 des Grund

gesetzes, die uns ein hohes verfassungsrechtliches Gut ist, beachtet. Das hat auch zur Folge, dass es im Entwurf im Vergleich zum Beamtenrecht teilweise striktere Regelungen gibt. Das werden Sie insbesondere beim Nebentätigkeitsrecht feststellen.

Teilweise sind deshalb richterrechtliche Regelungen so zu fassen, dass sie der Exekutive insbesondere bei statusverändernden Entscheidungen keine Ermessensspielräume einräumen, aufgrund deren die richterliche Unabhängigkeit aus verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Gründen beeinträchtigt werden könnte. Zwar sollen die Statusgruppen der Beamten und der Richter möglichst vergleichbar behandelt werden, gleichwohl gebieten auch die bestehenden verfassungsrechtlichen Unterschiede Abweichungen vom Beamtenrecht.

Auf der Grundlage dieses, wie gesagt, nicht einfachen Komplexes von Vorgaben haben wir im Wesentlichen bewährte Vorschriften übernommen, haben einige Formulierungen präzisiert, haben Sie an aktuelle Entwicklungen angepasst.

Ich will im Folgenden auf einige Bereiche eingehen, wo stärkere Veränderungen zu verzeichnen sind, die uns insbesondere auch im Hinblick auf möglichst moderne flexible Arbeitsbedingungen auch im Richterberuf wichtig waren.

Wir haben beispielsweise die Möglichkeit einer voraussetzungslosen Teilzeitbeschäftigung eingeführt, sodass also nicht nur zur Erziehung von Kindern, sondern auch aus anderen familiären Gründen eine Teilzeitbeschäftigung ermöglicht wird.

Wir haben erstmalig eine vollständige Regelung des Nebentätigkeitsrechts in den Gesetzentwurf aufgenommen. Hier gab es in der Vergangenheit Unsicherheiten, sowohl was das Verfahren als auch die konkrete Frage betrifft, was in welchem Umfang genehmigungsfähig ist. Hierzu haben wir jetzt einen vollständigen Regelungskomplex, der aus unserer Sicht auch sehr praktikabel ist.

Wir haben darüber hinaus auch eine vollständige Regelung zum Dienstunfähigkeitsrecht eingeführt, und zwar wegen der Unterschiede zum Beamtenrecht, aber auch zur Erleichterung im Hinblick auf das bisherige Verfahren, das insbesondere sehr langwierig und aufwendig war.

Die Anpassungen der Regelung für die Vertretungsorgane insbesondere im Hinblick auf die Justizzentren zeigen, dass wir diese neue Entwicklung, den Aufbau von Justizzentren, jetzt auch im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Richtervertretung angepasst haben. So sollen in Zukunft alle Mitglieder des Richterrates in den Personalrat zur gemeinsamen Abstimmung entsandt werden; es sei denn, der Personalrat selbst besteht aus weniger Mitgliedern. In der Folge werden also alle betroffenen Personalgruppen in den Justizzentren gemeinsam beteiligt.

Abschließend: Wir haben eine Veränderung der organisatorischen Anbindung der Richterdienstgerichte vorgenommen, die nunmehr bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit angebunden sind. Es handelt sich hierbei eindeutig um öffentliches Recht, deshalb haben wir die bisherige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit nunmehr auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit verlagert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vorliegenden Entwurf des Richterrechtsneuregelungsgesetzes

sind auch die Ergänzungen und Vorschläge der Richterverbände und -vertretungen einbezogen worden.

Wir hatten also bereits im Entwurfsstadium und dann auch in der Phase der Kabinettsanhörung eine sehr intensive Zusammenarbeit mit den Richtern. Wir haben, insbesondere was Fragen des Nebentätigkeitsrechtes betrifft, Vorschläge aufgegriffen und in den Entwurf eingearbeitet. Das gilt auch für die Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände insbesondere der Richterräte.

Ich weiß auch, dass einige Kolleginnen und Kollegen Richter mit der derzeitigen Fassung im Hinblick auf die Mitbestimmungsmöglichkeiten noch nicht ganz zufrieden sind. Die Richterverbände, der Richterbund hätten sich vom Dualismus, also von der Existenz zweier verschiedener Richtervertretungen, gern verabschiedet. Nach derzeitiger Rechtslage ist das nicht möglich. Das Bundesrecht gibt die klaren Vorgaben, sodass es nicht möglich ist, in einem Land - Sachsen-Anhalt wäre tatsächlich das erste Land, das eine solche Regelung vornehmen würde - die bisherigen Richtervertretungen zu einer einheitlichen Richtervertretung zusammenzufassen.

Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir gerade auch im Hinblick auf die Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten im richterlichen Bereich auf Bundesebene darüber diskutieren und eine solche starke schlagkräftige Richtervertretung schaffen. Dafür würde ich mich auch gern auf Bundesebene einsetzen. Da Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr den Vorsitz der Justizministerkonferenz hat, ist das auch ein guter Anlass, um dieses Thema auf die bundespolitische Agenda zu setzen.