Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

(Herr Gürth, CDU: Sehr gut!)

Damit gehören eindeutig die Branchen der erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt zu den Gewinnern aus dem Energiekonzept. Das sollten wir auch in Sachsen-Anhalt gutheißen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Übrigens wird von denjenigen, die den schnellen Umbau unserer Stromversorgung hin zu erneuerbaren Energien verlangen, gern vergessen: Wir brauchen andere Netzstrukturen und wir brauchen größere Speicherkapazitäten. Um diese aufzubauen, braucht es einiges an Zeit. Für 20 % erneuerbare Energien im Jahr 2020, meine Damen und Herren, werden wir der Dena zufolge 850 km neue Hochspannungsleitungen benötigen. Nur 80 km sind bereits realisiert. Hier liegt noch viel Arbeit

vor uns. Solange die Infrastruktur fehlt, meine Damen und Herren, brauchen wir die Kernenergie.

Das Szenariengutachten zeigt auch, dass sich längere Laufzeiten entlastend auf die Strompreise auswirken.

(Oh! bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das ist keine Überraschung. Wenn die billige Kernkraft ausscheidet, rücken bei der Preisbildung an der Börse teure Kraftwerke nach, der Strompreis steigt, der in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarstaaten ohnehin schon vergleichsweise hoch ist, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Richtig! - Zuruf von Frau Rogée, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Szenariengutachten wurde die Entwicklung der Treibhausgasemission mit und ohne Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland seine selbstgewählten Klimaschutzziele, nämlich eine Emissionsminderung um 85 % bis 2050 gegenüber 1990, ohne Laufzeitverlängerung nicht erreichen kann. Es wären nur 62,2 % möglich. Mit längeren Laufzeiten könnten aber sogar mehr als 85 % erreicht werden. Auch das sollten wir bei dieser Diskussion, wenn uns Klimaschutz wichtig ist, nicht vergessen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe der Presse mit großem Interesse entnommen, dass sich prominente ausländische Umweltaktivisten für die Kernkraft als klimafreundliche Brückentechnologie aussprechen. In Deutschland sind wir offenbar noch nicht so weit.

Das Konzept der Bundesregierung sieht erhebliche Anstrengungen bei der Steigerung der Energieeffizienz vor. Es wird nicht einfach sein, für die damit einhergehenden Kosten Akzeptanz zu finden.

Meine Damen und Herren! Eine Entscheidung über ein Gesamtkonzept ist noch nicht gefallen. Sie soll im Bundeskabinett am 28. September 2010 getroffen werden. Ein Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes für eine Laufzeitverlängerung liegt noch nicht vor.

Selbstverständlich wird es auch bei dieser Atomgesetznovelle eine Behandlung im Bundesrat geben. Der Bundesrat ist prinzipiell bei jedem Gesetzgebungsvorhaben beteiligt. Die weitreichendsten Einwirkungsmöglichkeiten des Bundesrates sind allerdings bei so genannten Zustimmungsgesetzen gegeben.

Ob die notwendige Atomgesetzänderung als Einspruchs- oder als Zustimmungsgesetz zu behandeln ist, kann nur auf der Grundlage eines konkreten Gesetzentwurfs beurteilt werden. Die zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit vorgelegten mittlerweile recht zahlreichen Gutachten sind ohne Kenntnis eines konkreten Gesetzentwurfs gefertigt worden und daher nur eingeschränkt belastbar.

Auch von den Befürwortern einer Zustimmungsbedürftigkeit wird darauf hingewiesen, dass eine Ausgestaltung der Atomgesetznovelle lediglich als Einspruchsgesetz möglich erscheint.

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle auch nur darauf hinweisen, dass das so genannte Ausstiegsgesetz aus dem Jahr 2002 als Einspruchsgesetz und damit ohne Zustimmung des Bundesrates verkündet wurde.

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von der CDU)

Die fachliche und auch die rechtliche Diskussion, meine Damen und Herren, sollte auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs geführt werden. Vorabbewertungen oder Entscheidungen über Verfassungsklagen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit der notwendigen Seriosität vorgenommen werden. Daher begrüße ich ausdrücklich die von den Regierungsfraktionen vorgesehene Behandlung dieses Themas in verschiedenen Ausschüssen des Landtages.

Dieses für uns sehr wichtige Thema, meine Damen und Herren, bedarf einer nüchternen, seriösen Betrachtung. Wir brauchen Versorgungssicherheit in der Energieversorgung. Wir brauchen eine für Bürger und Wirtschaft bezahlbare Energieversorgung. Wir brauchen des Weiteren eine klimafreundliche Energieversorgung, damit Deutschland ein wettbewerbsfähiger Industriestandort bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Energiekonzeption der Bundesregierung zeigt uns den Weg. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Aeikens. Möchten Sie eine Frage von Herrn Bergmann beantworten?

Gern.

Bitte, Herr Bergmann, fragen Sie.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Erstens. Sie haben von einer nüchternen und ehrlichen Betrachtung gesprochen. Mir ist aufgefallen, dass Sie in Ihrem Wortbeitrag das ganz frische, aktuelle von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten angesprochen haben. Wie sehen Sie das im Vergleich zu dem Gutachten, das vor einigen Monaten vom Sachverständigenrat für Umweltfragen vorgelegt worden ist? Liegen Ihnen darüber auch Erkenntnisse vor und wie würden Sie das im Vergleich werten?

Zweite Frage. Haben Sie sich in Ihrem Haus einmal Gedanken darüber gemacht, wie die Energiepreisgestaltung aussehen könnte oder überhaupt die Kosten aussehen könnten, wenn Sie sie einer volkswirtschaftlichen Betrachtung unterziehen?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Bergmann, zur ersten Frage. Das Gutachten des Sachverständigenrates geht von vielerlei Annahmen aus, die meines Erachtens so nicht zu teilen sind.

(Zuruf von Herrn Tögel, SPD)

Das zeigt auch der erhebliche Widerstand, der aus weiten Teilen der Wissenschaft gegenüber diesem Gutachten zum Ausdruck kam. Das heißt also, auf der Basis

dieses Gutachtens kann nach meiner Einschätzung keine erfolgreiche Energiepolitik betrieben werden.

Zweite Frage. Selbstverständlich sind volkswirtschaftliche Implikationen bei der Gestaltung der Energiepolitik zu berücksichtigen. Das macht die Bundesregierung. Zu den volkswirtschaftlichen Betrachtungen gehören insbesondere die Komponenten Energiepreise und Energieversorgung.

Konzepte, die darauf aufbauen, dass ich mich sehr weitgehend auf Technologien verlasse, deren Umsetzung zurzeit noch gar nicht möglich ist - Stichwort Speicher, Stichwort Netze -, sind meines Erachtens sehr gewagt für eine Volkswirtschaft, die wie die deutsche außerordentlich abhängig ist von Energiepreisen und von verlässlicher Energieversorgung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Nachfrage.

Zum einen dachte ich natürlich auch - das haben Sie jetzt ausgelassen - an Kosten für die Endlagerung im nuklearen Bereich.

Ich möchte aber eine weitere Frage kurz anschließen. Es erschien etwa zeitgleich mit dem Gutachten des Sachverständigenrates eine Studie darüber, dass im letzten Jahr die Anschlusskapazität in Bezug auf die erneuerbaren Energien stärker gestiegen ist, als man es erwartet hatte. Daraus könnte man fast ableiten, dass das Ziel, auf fossile und nukleare Energien ganz zu verzichten, in Deutschland und erst recht in SachsenAnhalt, da wir gegenüber anderen Bundesländern einen deutlichen Vorsprung haben, eher erreicht werden könnte als im Jahr 2050. Wie stehen Sie dazu?

Sicherlich ist es wünschenswert - da wir, glaube ich, Konsens haben, dass die Atomenergie nur eine Brückenfunktion haben kann -, frühzeitiger auszusteigen. Aber wir müssen doch schauen, was realistisch ist. Die Dena hat darauf hingewiesen, was an Netzausbau noch zu leisten ist. Wir haben einen sehr hohen Anteil, auch in der Planung der Bundesregierung, was OffshoreEnergien angeht, einer Technologie, die erst am Anfang steht.

Das heißt also, es sind sehr viele Faktoren mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit, die wir heute noch nicht konkret beurteilen können, in den Szenarien drin, die eintreten müssen, wenn wir früher aussteigen wollen.

Die Steigerung der Energieeffizienz, meine Damen und Herren, die sich verdoppeln muss, auch in der Planung der Bundesregierung, wird nicht ohne ordnungspolitische Eingriffe und auch nicht ohne erhebliche Unterstützungsleistungen zu realisieren sein.

Zum Thema Endlager, Herr Bergmann, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Ich hätte mir in den letzten Jahren - in den letzten 15 Jahren, kann ich sagen - mehr Aktivitäten der Bundesregierung gewünscht, dieses Problem einer Lösung zuzuführen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, möchten Sie weitere Fragen beantworten?

Ja, gern.

Dann Frau Schindler, bitte.

Herr Minister, weil Sie vorhin angesprochen haben, dass die Speicherung bei den erneuerbaren Energien eben noch ein ungelöstes Problem ist und diese deshalb noch nicht so gut zum Einsatz kommen können oder noch keine Zukunft haben. Wie sehen Sie es mit der Speicherung oder der Endlagerung des Atommülls? - Das ist ebenfalls ein ungelöstes Problem. Wie werten Sie die zwei ungelösten Probleme gegeneinander?

Frau Schindler, weil bei dem Thema Endlagerung bisher nicht konsequent genug gehandelt worden ist - das sehe ich durchaus -, werden wir dieses Problem einer Lösung zuführen müssen,

(Zuruf von Frau Schindler, SPD)