Protokoll der Sitzung vom 07.10.2010

Glücksspiele, die nicht unter das Monopol fallen und ein höheres Suchtpotenzial aufweisen, von den zuständigen Behörden eine Politik zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeit betrieben und geduldet, um Einnahmen zu maximieren, dann, und zwar unter diesen drei Prämissen, kann dieses Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung der mit der Errichtung des Monopols verfolgten Ziele, nämlich die Vermeidung von Spielausgaben und die Bekämpfung der Spielsucht, tatsächlich zu gewährleisten.

(Herr Tullner, CDU: Das war eine gelb-rote Karte! - Frau Dr. Hüskens, FDP: Rot-rot!)

Das war weder eine gelbe noch eine gelb-rote Karte. Es war eine klare Ansage, was der Gesetzgeber regeln soll. Denn wenn die drei Bedingungen erfüllt sind, trägt es nicht dazu bei, Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise auch tatsächlich zu begrenzen.

Mit anderen Worten: Der EuGH hat zu den Feststellungen der vorlegenden Gerichte eine sehr vorsichtig formulierte mögliche Auslegungshilfe gegeben.

Was bedeuten die Entscheidungen des EuGH nun für den Glücksspielstaatsvertrag und für das Glücksspielgesetz unseres Landes? - Die Entscheidungen haben keine unmittelbaren Auswirkungen auf diese Vorschriften, die deshalb auch weiterhin anzuwenden sind. Die Gerichte werden allerdings unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH in den bei ihnen anhängigen Verfahren zu entscheiden haben, ob der Glücksspielstaatsvertrag und die jeweiligen Landesgesetze, also auch unser Gesetz, den unionsrechtlichen Anforderungen genügen.

Es kommt also entscheidend darauf an, welche Feststellungen die Gerichte bei ihren Entscheidungen zugrunde legen. Das kann zum Beispiel auch bedeuten, dass Gerichte feststellen, die glücksspielrechtlichen Regelungen sind europarechtskonform. Auch das kann eine Feststellung eines nationalen Gerichtes sein.

In diesem Zusammenhang wird der noch in diesem Jahr zu erwartenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in dem bayerischen glücksspielrechtlichen Revisionsverfahren eine zentrale Bedeutung zukommen. Übrigens ist beim Bundesverwaltungsgericht auch ein Revisionsverfahren aus Sachsen-Anhalt anhängig.

Gleichwohl, meine sehr verehrten Damen und Herren, zeigen die Betrachtungen des EuGH - darin hat Herr Kosmehl ausdrücklich Recht -, dass es Handlungsbedarf gibt. Im Gegensatz zu den deutschen Obergerichten hat der EuGH nämlich keine sektorale Betrachtung, also nur Sportwetten und Lottereien, angestellt, sondern, was vernünftig ist, hat den gesamten Glücksspielbereich einbezogen.

Daher sind auch das gewerbliche Spiel und die Pferdewetten zu untersuchen. Im Hinblick auf das gewerbliche Spiel, das nach dem Stand der derzeitigen Forschung eine wesentlich höhere Suchtrelevanz aufweist als andere Glücksspiele, sind also gesetzgeberische Maßnahmen unumgänglich, sei es seitens des Bundes mit einer Anpassung der Spielverordnung und/ oder seitens der Länder durch die Ausnutzung ihrer Gesetzgebungskompetenzen im Recht der Spielhallen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Länder befassen sich bereits - auch das hat Kollege Kosmehl

ausgeführt - seit einiger Zeit mit den Zukunftsperspektiven des Glücksspielwesens. Die CdS-Konferenz hat auf ihrer Tagung am 16. und 17. September 2010 die bereits angesprochene Arbeitsgruppe auf den Weg gebracht und sie gebeten, bis zur Ministerpräsidentenkonferenz, die vom 20. bis 22. Oktober 2010 stattfinden wird, ein Modell zur Weiterentwicklung des Monopols bei Sportwetten und Lotterien und alternativ eine Variante zur konzessionierten Öffnung des Sportwettenangebots unter Beibehaltung des Lotteriemonopols zu prüfen und dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes zu berücksichtigen.

Ich möchte Ihnen daher gern versichern, dass beide Modelle ernsthaft geprüft werden. Ich kann Ihnen auch versichern, dass die Länder durchaus am staatlichen Lotteriemonopol festhalten wollen - Herr Kosmehl hat hier erklärt, dass auch die FDP-Fraktion das will - und hinsichtlich der Zukunft des Glücksspielwesens - ich finde, das ist für Deutschland durchaus eine wichtige Aussage - ein einheitliches Vorgehen anstreben. Wir wollen schon, dass wir als 16 Länder gemeinschaftlich einheitlich vorgehen.

Allerdings möchte ich Ihnen an dieser Stelle nicht verhehlen, dass eine Öffnung des Sportwettenmarktes unter Beibehaltung des Lotteriemonopols im Hinblick auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes auch mit verfassungsrechtlichen Risiken verbunden ist. Ob für ein Lotteriemonopol noch eine Rechtfertigung vorliegt, wenn ein Normengesetzgeber die zuvor für das Sportwettenmonopol ausschlaggebenden suchtpräventiven Gründe als nicht mehr erforderlich ansieht, sie jedoch für das Lotteriemonopol beibehält, das darf durchaus als mehr als fraglich bezeichnet werden.

(Herr Kosmehl, FDP: Es gibt keine Lottosucht! - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Schließlich ist auch die steuer- und abgabenrechtliche Seite eines Liberalisierungsmodells noch nicht abschließend geklärt.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ob und in welchem Umfang eine steuer- bzw. abgabenrechtliche Veranlagung insbesondere von ausländischen Anbietern zulässig ist, sollte rechtssicher feststehen, bevor eine grundsätzliche Entscheidung getroffen wird.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer Teilliberalisierung die bisherige Grundlage für die hohen Abgaben, das Alleinstellungsmerkmal „Monopol der staatlichen Anbieter“, entfiele. Die Auswirkungen auf die gesamte Finanzierung öffentlicher oder gemeinnütziger, kirchlicher oder mildtätiger Zwecke und die zweckgebundene Finanzierung für Sport, Kultur sowie Soziales müssen genau betrachtet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP zielt darauf ab, bereits jetzt eine Bindung des Landtages auf das Modell einer Teilliberalisierung zu erreichen. Ich werbe ausdrücklich dafür, sich zunächst alle rechtlichen und tatsächlichen Vor- und Nachteile der beiden Modelle sowie die damit verbundenen Risiken zu vergegenwärtigen und darüber zu diskutieren.

Für eine sachgerechte Entscheidung ist es auch zwingend geboten, sich über alle Folgen, die die jeweiligen Modelle nach sich ziehen, im Klaren zu sein. Diesem Prozess sollte nicht durch die von der FDP gewünschte

Beschlussfassung in der heutigen Sitzung vorgegriffen werden. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der FDP-Fraktion nicht zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Herr Minister, möchten Sie eine Frage von Herrn Tullner beantworten?

Aber gern.

Bitte, Herr Tullner.

Herr Minister, das, was Sie hier vorgetragen haben, war ja sehr überzeugend.

Danke.

Ich habe nur eine Frage zum Zeitpunkt; die hätten wir vielleicht eher der Staatskanzlei stellen müssen. Wir haben heute den 7. Oktober. Halten Sie es wirklich für realistisch, dass wir am 20. Oktober 2010, also in 13 Tagen, eine abschließende Bewertung genau dieser Themen, die Sie gerade angesprochen haben, sowohl steuerrechtlich als auch ordnungsrechtlich, hinbekommen? Ich bin da eher skeptisch. Teilen Sie meine Skepsis? Oder erwarten Sie wirklich zum 20. Oktober 2010 eine klare Position?

Der Auftrag, den die von den CdS eingesetzte Arbeitsgruppe hat - und den hat sie ja nicht erst seit heute, sondern seit einigen Tagen, um nicht zu sagen seit einigen Wochen; es ist ja schon 14 Tage her -, ist, bis zur Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz, die vom 20. bis zum 22. Oktober 2010 stattfindet, die beiden Alternativen so zu untersuchen, dass sie entscheidungsreif sind, dass man also wirklich alle Dinge beleuchtet hat, die Vor- und Nachteile, die fiskalischen Folgen, die rechtlichen Folgen, all das, was dabei zu berücksichtigen und zu untersuchen ist.

Ich gehe davon aus, dass den Ministerpräsidenten eine entsprechende fundierte Entscheidungsvorlage vorgelegt werden wird. Insofern habe ich da mehr Vertrauen in die von den CdS eingesetzte Arbeitsgruppe, als das in der Frage zum Ausdruck kam.

(Zuruf von Ministerpräsident Herrn Prof. Dr. Böh- mer)

- Da wird das diskutiert.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Aha!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Ich habe die Freude, Schülerinnen und Schüler des

Hegel-Gymnasiums in Magdeburg auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die CDUFraktion erteile ich Herrn Stahlknecht das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich, Herr Kosmehl, ist es richtig, dass wir aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 8. September 2010 neue gesetzliche Regelungen national und auch in den 16 Bundesländern zu treffen haben. Von Ihnen, Herr Innenminister, wurde auch vorgetragen - das wurde eben auch nachgefragt -, dass die erste Beratungsrunde dazu in 13 Tagen, nämlich am 20. Oktober 2010 erfolgen wird. Dort werden zwei Modelle vorgelegt, die eben vom Herrn Innenminister vorgetragen worden sind; das möchte ich nicht wiederholen.

Aber, Herr Kosmehl, nach Ihrem Redebeitrag hatte ich das Gefühl, dass es Ihnen nur um die Frage gehen könnte, wie viele Milliarden oder Millionen möglicherweise mit Glücksspiel zu verdienen sind, durch Bandenwerbung, durch Sportwetten usw. usf.

Sicherlich war es aus der Sicht des Marktes, aus der Sicht der Liberalisierung eines Marktes, wo es darum geht, Gewinne zu maximieren, eine gute Rede, wenn man sagt, uns kommt es allein darauf an, dass man ohne Monopol, ohne Beschränkung eine völlige Liberalisierung des Marktes zulässt und damit möglichst viel Geld verdient und dieses Geld auch in die gewissen Bereiche steuern kann.

(Herr Wolpert, FDP: Nichts davon war Tenor! Das erfinden Sie gerade! - Zuruf von Herrn Dr. Schra- der, FDP)

Meine Fraktion ist allerdings der Auffassung, dass wir ein Spannungsverhältnis haben: Auf der einen Seite ist eine rechtskonforme Regelung im Sinne des EuGH zu finden, aber auf der anderen Seite dürfen wir über all dem nicht die Suchtprävention vergessen. Und in unserer Fraktion gibt es Diskussionen dazu, wie man das am besten machen kann. Die Modelle sind vorgestellt worden. Ich gebe offen zu, dass der Entscheidungsprozess in meiner Fraktion dazu noch nicht abgeschlossen ist. Es wäre unzutreffend, das zu sagen.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Wichtig ist jedoch auch, dass wir einheitliche Regelungen schaffen zwischen dem Gewerberecht auf der einen Seite, wozu zum Beispiel die Glücksspielautomaten zu zählen sind, die ein wesentlich höheres Suchtpotenzial haben als andere Modelle des Glücksspiels, die wir haben, und diesen anderen Modellen auf der anderen Seite. Wir müssen diese auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes gleich behandeln. All das ist richtig, all das muss überlegt werden.

Aber aus meiner Sicht stehen wir ordnungspolitisch an erster Stelle in der Verantwortung, eine Suchtprävention vorzunehmen, und gleichzeitig mit Augenmaß eine Öffnung des Marktes zuzulassen. Das ist der Bereich, in dem wir uns bewegen.

Ich sage das bewusst ganz vorsichtig, weil wir die beiden Modelle in diesem Entscheidungsprozess diskutieren wollen. Wir wollen aber zunächst einmal das abwar

ten, was besprochen werden wird. Wir wollen dem nicht vorgreifen, und wir wollen nicht, dass durch eine vorzeitige Diskussion hier möglicherweise eine Antizipation des Ergebnisses erzeugt wird, was dann auch nicht im Verhältnis zu der Meinung anderer Bundesländer steht.

Denn eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss klar sein: Föderalismus hin oder her - wir sollten auch zusehen, dass in Gesamtdeutschland bundeseinheitliche Regelungen gelten. Und diese Aufgabe hat in der Tat nicht die Legislative, so wichtig sie ist, sondern es ist eine Aufgabe der Exekutive, diese Einheit herzustellen. Wir wollen darüber diskutieren. Wir wollen darüber gemeinsam mit Ihnen diskutieren, Herr Ministerpräsident, Herr Staatsminister Robra, Herr Innenminister. Das werden wir auch tun. Aber der Antrag kommt in dem Fall, obwohl er interessant ist und Beiträge zur Diskussion bringt, etwas zu früh.

(Herr Wolpert, FDP: Wir wollten ihn ja auch mor- gen diskutieren!)

Haben Sie Nachsicht dafür, dass wir diesem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt nicht zustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)