Protokoll der Sitzung vom 08.10.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die 43. Sitzungsperiode fort. Ich darf Sie recht herzlich zur 82. Sitzung des Landtags begrüßen.

Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung liegen mir nicht vor. Alle sind da. Das ist eine große Freude heute in diesem Hause, meine Damen und Herren.

(Minister Herr Dr. Daehre: Aber nicht alle Abge- ordneten, Herr Präsident!)

- Ja, das ist manchmal so im Leben, Herr Minister Daehre.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE - Minister Herr Dr. Daehre: Können wir überhaupt anfan- gen, wenn noch nicht alle da sind?)

- Sie sind vielleicht noch beim Frühgebet; das ist möglich.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Aktuelle Debatte

Für die Aktuelle Debatte liegen zwei Beratungsgegenstände vor, ein Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 5/2887 mit der Überschrift „Zum Einsatz der EUMittel für den vorbeugenden Hochwasserschutz durch die Landesregierung“ sowie ein Antrag der FDP-Fraktion in der Drs. 5/2888 zum Thema „20 Jahre sachsenanhaltisches Bildungssystem“.

Ich rufe das erste Thema auf:

Zum Einsatz der EU-Mittel für den vorbeugenden Hochwasserschutz durch die Landesregierung

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2887

Ich erinnere daran, dass die Redezeit in der Aktuellen Debatte jeweils zehn Minuten für jede Fraktion sowie für die Landesregierung beträgt. Die Reihenfolge der Redebeiträge der Fraktionen ist wie folgt: DIE LINKE, SPD, FDP, CDU. Zunächst hat für die Antragstellerin der Abgeordnete Herr Lüderitz das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beantragte Debatte zum Einsatz oder besser gesagt zur Umschichtung von EU-Mitteln aus dem Hochwasserschutz in andere Fördertöpfe befasst sich nicht unmittelbar mit der Hochwassersituation an der Schwarzen Elster, an der Ehle oder an der Kabelske, aber natürlich gab es durch die Presseberichte eine gewisse Affinität.

Im Namen meiner Fraktion möchte ich zunächst ein großes Dankeschön an die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer in den drei Regionen richten, seien es die Feuer- und Wasserwehren, das THW, die Bundeswehr, die sozialen Verbände oder die vielen Freiwilligen vor Ort.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der CDU)

Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass es nicht zu größeren Schäden gekommen ist. Um es gleich vorwegzunehmen: DIE LINKE wird sich einer Mittelumschichtung zur Soforthilfe und Wiederherstellung bzw. zur Verbesserung der Hochwasserschutzmaßnahmen nicht verschließen und wird ein entsprechendes Vorhaben im Finanzausschuss mittragen.

Eines haben die Ereignisse der letzten Wochen, ob bei uns oder in Sachsen, in Brandenburg, in Polen, in Tschechien oder in Pakistan, gezeigt: Der Klimawandel ist nicht mehr wegzudiskutieren. Der Klimawandel ist keine Fata Morgana einiger Wissenschaftler, Ökologen oder Umweltpolitiker. Er bestimmt unser Leben mehr, als uns allen lieb sein dürfte.

Das Land Sachsen-Anhalt hat versucht, sich mit unterschiedlichen Konzepten und Analysen darauf vorzubereiten. Eingedenk der Hochwasserereignisse im Jahr 2002 war es immer Konsens in diesem Hause, alles Machbare zu tun, um Ähnliches möglichst auszuschließen oder zumindest zu minimieren.

Mit der Aufstellung des Doppelhaushalts 2010/2011 hat sich der Landtag dafür ausgesprochen, insbesondere im ELER-Topf angesiedelte EU-Fördermittel für den Hochwasserschutz einzusetzen.

Ich zitiere sinngemäß aus zwei Ausschussprotokollen: Am 18. November 2009 beantragten die Koalitionsfraktionen im Umweltausschuss, für den nicht förderfähigen Mehrwertsteueranteil im ELER-Fonds bei Hochwasserschutzmitteln zusätzliche Mittel in Höhe von 2 559 700 € für das Jahr 2010 und in Höhe von 3 353 000 € für das Jahr 2011 in den Haushalt einzustellen. Zudem sollte für das Jahr 2010 eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1 Million € ausgebracht werden.

Minister Aeikens führte dazu aus, damit sei es möglich, dass im Jahr 2010 statt eines Volumens von 22,3 Millionen € Mittel in Höhe von insgesamt ca. 35 Millionen € und im Jahr 2011 statt eines Volumens von 26 Millionen € Mittel in Höhe von insgesamt 41 Millionen € für Maßnahmen des Hochwasserschutzes aufgewendet werden könnten. Herr Dr. Milch ergänzte dazu in der betreffenden Sitzung des Umweltausschusses: Da nach den bisherigen Planungen keine ELER-Mittel hätten zur Verfügung gestellt werden können, hätten die Planungen des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft entsprechend angepasst werden müssen.

Das Ganze wurde dann in der Sitzung des Finanzausschusses am 27. November 2009 nochmals bestätigt, und zwar entgegen der Auffassung des Finanzministeriums. Die Vertreterin des Finanzministeriums Frau von Sayn-Wittgenstein stellte fest, für die Jahre 2010 und 2011 seien keine Mittel für den Hochwasserschutz aus dem ELER-Topf ausgewiesen worden, weil das Land, wenn es selbst Zuwendungsempfänger sei, wie es bei Hochwasserschutzmaßnahmen der Fall sei, den Mehrwertsteueranteil selbst aufbringen müsse. Somit gehörten diese zu den teuersten Fördermaßnahmen.

Des Weiteren merkte man an, dass die ELER-Mittel nicht verloren gingen, sondern lediglich in das Jahr 2011 verschoben würden. - Dies empfinde ich als zynisch. Dies hat übrigens auch der Kollege Tullner kritisiert.

Die Koalitionsfraktionen haben dem wie im Umweltausschuss zugestimmt und haben die Erhöhung der Mittel für Hochwasserschutzmaßnahmen aus dem ELER durchgewunken. Der Landtag hat dies bei der Beschlussfas

sung über den Doppelhaushalt bestätigt. Damit hat der Landtag das deutliche Votum abgegeben, dass er beabsichtigt, diese Mittel in Höhe von insgesamt 35 Millionen € im Jahr 2010 und in Höhe von 41 Millionen € im Jahr 2011 für Hochwasserschutzmaßnahmen einzusetzen.

Der Beschluss der Landesregierung vom 8. Juni dieses Jahres setzt sich darüber hinweg. Nach meiner Auffassung wurde der Haushaltsgesetzgeber damit hintergangen.

Meine Fraktion wie auch die Öffentlichkeit erwarten in der heutigen Debatte eine klare Aussage der Landesregierung dazu, für welche Projekte eine Verschiebung in das Jahr 2011 erfolgen sollte bzw. welche Einzelmaßnahmen nicht ausfinanziert sind, für welche Projekte die Mittel genutzt wurden und ob die betroffenen Kommunen in der Lage waren, die erforderlichen Eigenmittel aufzubringen, oder ob Kommunen die ELER-Mittel wegen fehlender eigener Mittel nicht nutzen konnten. Eine Bewertung dieser Aussagen kann erst nach einer detaillierten Berichterstattung im Finanzausschuss und im Umweltausschuss erfolgen.

Eines aber bereits an dieser Stelle: Den Vorgaben des Hohen Hauses hat diese Mittelumschichtung nicht entsprochen. Der Landtag wurde erst durch den Presseartikel davon in Kenntnis gesetzt. Das ist alles andere als ein guter Stil. Die Landesregierung nimmt den Landtag offensichtlich nicht ernst.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aus der Sicht meiner Fraktion ist Folgendes erforderlich:

erstens die Offenlegung aller Details des Kabinettsbeschlusses vom 8. Juni 2010,

zweitens die Heilung zumindest für das Jahr 2011 durch die Wiederherstellung der Haushaltsbeschlusslage vom November 2009,

drittens die Fortschreibung des Hochwasserschutzkonzeptes einschließlich der Erstellung eines Maßnahmenkatalogs für den Zeitraum bis zum Jahr 2015 bis zum 31. Dezember 2010 und nicht erst, wie im gestern eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Wassergesetzes vorgesehen, bis zum 31. Dezember 2011 - denn das alte Hochwasserschutzkonzept endet Ende dieses Jahres - und

viertens die Untersetzung der im Raum stehenden Mittel in Höhe von 18,2 Millionen € für das Gebiet der Schwarzen Elster und Jessen in den Ausschussberatungen am 13. Oktober 2010.

Ich erwarte, dass Minister Herr Dr. Aeikens - anders als in den bisherigen Pressemitteilungen - Licht in das Dunkel bringt und den Landtag sowie die Öffentlichkeit heute umfassend und vollständig informiert. Bisher wurde fast alles unter dem Deckmantel des Regierungshandelns abgetan.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Der Landtag tappte im Dunkeln. Ich wiederhole mich: Das ist alles andere als ein guter Stil.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ich danke für die Aufmerksamkeit und bin gespannt auf die Ausführungen der Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für die Einbringung, Abgeordneter Herr Lüderitz. - Die Landesregierung hat jetzt um das Wort gebeten. Minister Herr Dr. Aeikens, bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich bei der Fraktion DIE LINKE dafür,

(Frau Weiß, CDU: Was?)

dass ich die Gelegenheit bekomme, an dieser Stelle über das Engagement der Landesregierung im Bereich des Hochwasserschutzes zu berichten.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben in dieser Region Deutschlands, meine Damen und Herren, eine sehr lange und stolze Tradition, was den Hochwasserschutz angeht. Seit dem 12. Jahrhundert wird daran gearbeitet, Menschen sowie Hab und Gut durch Deichbau vor Hochwasser zu schützen.

(Zustimmung bei der CDU)

Daran haben bedeutende Persönlichkeiten mitgewirkt, meine Damen und Herren. Wenn wir über das Thema Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt sprechen, dann sollten wir uns daran erinnern, dass Otto von Bismarck im Jahr 1846 sein erstes öffentliches Amt als Deichhauptmann in Jerichow angetreten hat.

(Beifall bei der CDU - Heiterkeit bei der FDP)

Der Schutz unserer Landeshauptstadt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird durch das Pretziener Wehr sichergestellt, eine hervorragende ingenieurtechnische Leistung, die in den Jahren 1871 bis 1875 vollbracht wurde. Das Pretziener Wehr wird gerade mit hohem Aufwand saniert und ertüchtigt, um unsere Landeshauptstadt weiterhin vor Fluten zu schützen.