Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 83. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der fünften Wahlperiode. Ich möchte alle Anwesenden auf das Herzlichste begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit. - Ich komme zu den Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung.

Für die 44. Sitzungsperiode des Landtages liegen mir zwei Entschuldigungen vor: Minister Herr Dr. Aeikens nimmt an der Umweltministerkonferenz in Dresden teil; er wird die Landtagssitzung heute um 17 Uhr verlassen und morgen ganztägig nicht anwesend sein. Minister Herr Hövelmann entschuldigt sich für die Landtagssitzung am morgigen Freitag. Er nimmt als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der Nato an der Jahrestagung in Warschau teil.

(Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

- Ja, das muss ja auch sein. - Meine Damen und Herren! So viel zu den Entschuldigungen der Mitglieder der Landesregierung.

Wir kommen zur Tagesordnung. Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 44. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktion der FDP hat in der Drs. 5/2944 eine Aktuelle Debatte zum Thema „Vorteile qualifizierter Zuwanderung nach Sachsen-Anhalt nutzen - aktive Integration sicherstellen“ beantragt. Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, diese Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 23 am morgigen Freitag als zweiten Beratungsgegenstand zu behandeln.

Des Weiteren hat der Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt, zwei weitere Beschlussempfehlungen zu Verfassungsgerichtsverfahren auf die Tagesordnung zu setzen und den Tagesordnungspunkt 19 um die Drs. 5/2947 und 5/2948 zu erweitern. Diese Drucksachen liegen Ihnen vor.

Ferner hat die Fraktion der FDP ihren Antrag zur Lage des Jugendstrafvollzugs in Sachsen-Anhalt in der Drs. 5/2934 zurückgezogen. Damit ist der in der Einladung vorgesehene Tagesordnungspunkt 21 von der Tagesordnung abgesetzt.

Meine Damen und Herren! Weitere Änderungen liegen mir nicht vor. Gibt es Anmerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Zustimmung zu der so geänderten Tagesordnung. - Ich sehe Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist die Tagesordnung bestätigt worden.

Zum zeitlichen Ablauf der 44. Sitzungsperiode. Wir werden heute gegen 19.30 Uhr die Sitzung beenden; denn um 20 Uhr beginnt die parlamentarische Begegnung mit dem Beamtenbund und der Tarifunion Sachsen-Anhalt im Hotel Ratswaage. - So viel zur Tagesordnung und zum Ablauf.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 a auf:

Regierungserklärung des Ministers Herrn Dr. Hermann Onko Aeikens zum Thema: „Die Umwelt unserer Heimat schützen“

Daran schließt sich die Aussprache zur Regierungserklärung an. Ich darf nun den Herrn Minister bitten, die Regierungserklärung abzugeben. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Zitat unseres früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker lautet:

„Unsere Nachfahren werden nicht fragen, welche Zukunftsvisionen wir für sie bereithalten; sie werden wissen wollen, nach welchen Maßstäben wir unsere eigene Welt eingerichtet haben, die wir ihnen hinterlassen haben.“

Unsere Welt ist durch die Konferenz von Nagoya in Japan erfreulicherweise ein Stück vorangekommen. 193 Staaten haben beschlossen, das Thema Erhalt der Biodiversität, das heißt Erhalt unserer Lebensgrundlagen, engagiert anzugehen. Dabei geht es um die Bewahrung der Schöpfung für künftige Generationen und, meine Damen und Herren, um die Sicherung der Lebensgrundlagen für unsere Kinder und Enkel. Auch deshalb ist Umweltpolitik ein Kernanliegen dieser Landesregierung.

Ich möchte an dieser Stelle einen Punkt ansprechen, der mir besonders am Herzen liegt. In vielen grünen Sonntagsreden höre ich, wie schwer es sei, Umweltpolitik gegen wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Solch eine Denkweise löst nicht Konflikte, sondern produziert sie erst.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP, von Frau Grimm-Benne, SPD, und von Herrn Dr. Fikent- scher, SPD)

Wir in Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass eine engagierte Umweltpolitik und eine erfolgreiche, Arbeitsplätze schaffende Wirtschaftspolitik Hand in Hand gehen.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU)

So binden die erneuerbaren Energien beide Bereiche fest zusammen. Klimaschutz funktioniert nicht ohne Einbeziehung der Wirtschaft. Und die Wirtschaft wiederum beweist vielfältig, zum Beispiel auch in der Umweltallianz, dass sie die Zeichen der Zeit verstanden hat. Ich danke deshalb meinem Kollegen Dr. Haseloff für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Das hat jetzt aber gedauert!)

Wir haben in den vergangenen 20 Jahren in besonderer Weise erlebt, was es heißt, mit den Folgen eines Systems zu leben, in dem der Umweltschutz einen absolut nachrangigen Stellenwert hatte.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU, und von Herrn Schulz, CDU)

Am 22. Oktober 2010 konnte ich mit dem früheren Bundesumweltminister Professor Töpfer und dem Kollegen Dr. Röttgen auf der Veranstaltung „20 Jahre Umweltunion“ in Bitterfeld eine positive Bilanz ziehen. Die Region

Bitterfeld-Wolfen ist beispielhaft für den erfolgreichen Wandel weg von einer geschundenen, hochbelasteten Region - Bitterfeld galt als die dreckigste Stadt Europas - hin zu einem modernen, lebenswerten Industriestandort mit einem attraktiven Freizeitangebot.

Unser Land hatte im Jahr 1990 das schwerste Umwelterbe unter den neuen Bundesländern anzutreten. Rund 80 % der Chemieindustrie der ehemaligen DDR befanden sich auf dem Gebiet des heutigen Landes SachsenAnhalt. Diese Industrie hinterließ unter dem Diktat der Planwirtschaft immense Belastungen von Boden und Grundwasser. Mit enormem Aufwand werden seit der Wende landesweit in vielen Projekten im Zuge der Altlastensanierung Maßnahmen umgesetzt, um eine Ausbreitung von Schadstoffen zu verhindern.

Die mit der Abarbeitung der Altlastenfreistellung beauftragte Landesanstalt reicht für Sanierungsmaßnahmen jährlich Mittel in Höhe von etwa 70 Millionen € aus. Dieses Geld stammt aus einem Fonds, den der Bund und unser Land angelegt haben, um langfristig die Altlasten nicht zu Problemen werden zu lassen.

Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich meinem Vorvorgänger Konrad Keller, der dieses für uns wichtige Abkommen mit der Bundesregierung ausgehandelt hat. Es hat sich in Kombination mit der Gründung der Landesanstalt für Altlastenfreistellung bewährt. Der Altlastenfonds bildet die finanzielle Grundlage des Recyclings ehemaliger Wirtschaftsstandorte und ist damit ein wirksames Instrument gegen die übermäßige Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen.

Der Umgang mit Altlastenstandorten wird auch in den kommenden Jahren eine wichtige Aufgabe sein und wird uns bei den Grundwassersanierungen in ökologischen Großprojekten, zum Beispiel in Bitterfeld, mit Sicherheit noch über Jahrzehnte beschäftigen. Deshalb sage ich an dieser Stelle auch sehr deutlich, meine Damen und Herren: Der Altlastenfonds kann für finanzpolitische Begehrlichkeiten nicht zur Verfügung stehen.

Es ist für jeden spürbar, dass sich die Luftqualität in unserem Land in den letzten 20 Jahren ganz erheblich verbessert hat. Infolge der Luftverbesserung hat sich auch der Zustand unserer Wälder verbessert. Der Anteil stark geschädigter Bäume ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen.

Vergleicht man die Bundesländer, so waren Anfang der 90er-Jahre die Schäden in den neuen Ländern am stärksten. Inzwischen gehört Sachsen-Anhalt zu den weniger geschädigten Regionen. Der Waldzustandsbericht 2010, den ich in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen werde, bezeugt eine weitere Stabilisierung des Zustands unserer Wälder. Ich danke an dieser Stelle unserer Forstverwaltung.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch Engagement im Artenschutz zeichnet unsere Forstverwaltung aus. „49 Förster - 49 Patenschaften für geschützte Arten“ - dieses kürzlich im Haus des Waldes in Hundisburg vorgestellte Programm ist in seiner Konzeption einzigartig in Deutschland und ein Beleg nachhaltiger und ökologischer Waldbewirtschaftung in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Auch bei der Abwasserbeseitigung hat sich viel getan. Moderne Kläranlagen reinigen inzwischen das Abwasser

von mehr als 90 % der Einwohner nach dem heutigen Stand der Technik. Im Jahr 1990 hatten nur rund 55 % der Bevölkerung überhaupt einen Anschluss an eine Kläranlage.

Die Belastungen aus Industrie und Gewerbe haben sich ebenfalls deutlich reduziert. Die Erfolge bei der Abwasserbeseitigung zeigen sich in einer erheblich verbesserten Qualität unserer Flüsse und Seen.

Ich möchte daran erinnern, dass 1990 eine zusätzliche Gewässergüteklasse eingeführt werden musste, um die Wasserqualität einzelner Gewässer im Einzugsgebiet der Elbe zu beschreiben: Stufe 8 - ökologisch zerstört. Heute geben Elbe und Saale wieder Fischarten einen Lebensraum, die jahrzehntelang hier nicht mehr gesehen wurden.

In den kommenden Jahren wird es eine unserer vorrangigen Aufgaben sein, die ökologischen Eigenschaften, zum Beispiel die Durchgängigkeit, unserer Flüsse und Bäche zu verbessern. Mit dem im vergangenen Herbst offiziell gestarteten Wanderfischprogramm verfolgen wir das Ziel, Wanderfischarten wie Lachs und Meerforellen in geeigneten Gewässern unseres Landes wieder anzusiedeln.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Fischarten stellen hohe Anforderungen an die Wasserqualität und die Gewässerstrukturgüte. Ihr Vorkommen ist ein Indikator für intakte Gewässer und ein Beleg für eine erfolgreiche Umweltpolitik in SachsenAnhalt, meine Damen und Herren.

Wir haben in Sachen Umweltschutz schon einiges erreicht. Wir stehen aber vor globalen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme ist eine Überlebensfrage für die Menschheit. Wir müssen deshalb langfristige Strategien und Ziele entwickeln. Wir haben aber nicht alle Zeit der Welt. Wir müssen jetzt reagieren und handeln, um die Zukunft für nachfolgende Generationen zu sichern.

Als größte umweltpolitische Herausforderungen zur Zukunftssicherung sehe ich drei Schwerpunktbereiche: erstens den Klimaschutz, zweitens die Energiefrage und drittens die biologische Vielfalt.

Meine Damen und Herren! Unterlassener Klimaschutz ist volkswirtschaftlich teurer als aktiver Klimaschutz. Wir wissen aber auch, dass Wachstum und Entwicklung insbesondere in den Ländern der Dritten Welt für den globalen Klimaschutz eine große Herausforderung sind. Um bei den Bestrebungen zur Minderung der enormen Treibhausgasemissionen die Schwellen- und Entwicklungsländer mit ins Boot zu bekommen, müssen die Industriestaaten beispielgebend vorangehen.

Deutschland als eine der führenden Industrienationen und damit auch jedes Bundesland trägt eine Mitverantwortung in diesem Prozess. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, dass es sinnvoll ist, dabei auf die große Weltpolitik zu warten. Wir sollten das tun, was wir können.

Die Bilanz der bisherigen Anstrengungen zeigt, dass Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2005 seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 bereits um fast 36 %, bis zum Jahr 2010 sogar um 40 % vermindern konnte. Das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, die Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % zu senken, hat SachsenAnhalt also schon jetzt erreicht.

Das Ergebnis zeigt, dass in Sachsen-Anhalt aktiver Klimaschutz und wirtschaftlicher Aufschwung parallel verlaufen. Das ist ein Ergebnis, das wir dem Engagement vieler Akteure zu verdanken haben. Wir ruhen uns auf diesen Ergebnissen aber nicht aus. Die Landesregierung wird weitere Anstrengungen zum Klimaschutz unternehmen.

Sachsen-Anhalt hat das Klimaschutzprogramm des Landes aus dem Jahr 1997 mit neuem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben. Das von der Landesregierung in diesem Jahr beschlossene Klimaschutzprogramm 2020 beinhaltet mehr als 100 Maßnahmen in vielen Bereichen, in denen weitere Treibhausgasminderungen erzielt werden sollen. Dabei handelt es sich unter anderem um Forschungs- und Pilotprojekte, um Maßnahmen, die zur Energieeffizienz beitragen, sowie um Informations- und Beratungsangebote.