Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Wenn auch in Anpassung an das neue Bundesnaturschutzgesetz die Rechtsbereinigung im Vordergrund steht und der bisherige Rechtsstatus im Wesentlichen bewahrt wird, so bedeutet dies andererseits nicht, dass das Naturschutzrecht nicht weiterentwickelt werden soll. Auch hierfür enthält das Gesetz gute Ansätze.

Auf die neue bisher landesrechtlich nicht vorhandene Regelung in § 7 zur Einführung des Kompensationsflächenmanagements ist Kollege Aeikens bereits im Rahmen der ersten Landtagsbefassung näher eingegangen.

Anzuführen sind auch die Regelungen zu den Naturschutzbeiräten, die näher ausgestaltet wurden. Neu aufgenommen wurde eine gesonderte Regelung zum Alleenschutz - ich wiederhole auch dieses gern -, zum besonderen Schutz der Allen. Ich denke, das sind wir den Alleen schuldig.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend ist festzustellen: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erfolgt erstens eine Rechtsbereinigung zur Anpassung an das neue Bundesrecht und damit eine Schaffung von Rechtssicherheit, zweitens eine Bewahrung der bisherigen Umweltstandards sowie drittens eine Weiterentwicklung des Naturschutzrechts insbesondere im Hinblick auf die Eingriffsregelung.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD Ihre Zustimmung zu geben. Dabei handelt es sich um Formulierungen, die der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgeschlagen hat. Darauf wurde schon hingewiesen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Lüderitz. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es handelt sich bei diesem Naturschutzgesetz als Landesgesetz durchaus um eine Gesetzgebung, die sich eigentlich durch alle Ministerien ziehen müsste. Ich denke, Herr Minister Dr. Daehre, auch in Ihrem Haus wird man in vielfältiger Art und Weise mit dem Landesnaturschutzgesetz in der Vergangenheit konfrontiert gewesen sein und auch zukünftig konfrontiert werden.

Aber es handelt sich hierbei auch um ein Gesetz, das in diesem Haus einer längst überfälligen Anpassung harrt. Am 29. Juli 2009 wurde das Bundesnaturschutzgesetz veröffentlicht, welches - das ist richtig - erst am 1. März 2010 in Kraft getreten ist. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt hätte man im Land damit beginnen müssen, das Landesnaturschutzgesetz an das Bundesnaturschutzgesetz anzupassen.

Ich bringe gleich zwei Kritikpunkte vor, die das Herangehen bei der Umsetzung des Bundesnaturschutzgesetzes betreffen. Es gibt im Bundesnaturschutzgesetz erhebliche Abweichungsmöglichkeiten. Diese wurden durch den vorliegenden Gesetzentwurf nur in sehr bescheidener Art und Weise genutzt. Der Gestaltungsspielraum wurde hinsichtlich der Alleen, des Horstschutzes und der Kompensationsmaßnahmen positiv angewendet. Aber ansonsten herrscht Fehlanzeige.

Kritisch anzumerken ist ebenfalls, dass die im Anhörungsverfahren vorgebrachten Hinweise nur unzureichende oder eigentlich fast gar keine Beachtung fanden. Dass die von der Opposition vorgebrachten Änderungsanträge keine Mehrheiten finden, ist schon fast üblich. Dass aber Hinweise der kommunalen Spitzenverbänden und der Fachverbände sowie des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes nur unzureichend eingearbeitet wurden, ist in der Stringenz, wie es hier passiert ist, für den Umweltbereich erstmalig.

Das beginnt unter anderem in § 1 Abs. 3. Hier wurde zwischen dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst

und den Koalitionsfraktionen kein Einvernehmen erzielt hinsichtlich der Frage, aus welchem Grund die Naturschutzbehörden nur berechtigt und nicht verpflichtet sein sollen, die zur Abwehr von Gefahren für Natur und Landschaft erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Diese Herangehensweise im Landesnaturschutzgesetz zieht sich wie ein Faden durch fast alle Gesetzespassagen. Die Wörter „sollen“ und „Einvernehmen herzustellen“ sind kaum zu finden. Vielmehr sind das Wort „können“ oder Passagen zu finden, dass das Benehmen herzustellen ist.

Damit entwickelt das Naturschutzgesetz keinerlei zwingende Leitplanken für das zukünftige Verwaltungshandeln. Diese Chance wurde vertan. Sie wird fatal unter anderem bei den Naturschutzbeiräten und Naturschutzhelfern, bei der Verbandsanhörung, bei der Verträglichkeitsprüfung und nicht zuletzt bei der eventuellen Feststellung der Unzulässigkeit von Projekten aus naturschutzfachlicher Sicht. Eine nachhaltige Abwägungsmöglichkeit sieht einfach anders aus.

Genauso wenig Beachtung fanden konkrete Zielsetzungen bei der Biotopverbundentwicklung oder bei der Unterschutzstellung von Flächen.

Ich habe es bereits heute Vormittag erwähnt: Die Zielvorgabe des Bundesamtes, 15 % der Landesflächen anzupeilen, wurde durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Die im Bundesgesetz ausdrücklich zugelassene Erweiterung der Klagerechte der Verbände wurde wie schon beim alten Gesetz erneut abgelehnt und fehlt.

Die Liste ließe sich noch weiter fortführen; ich nenne nur einige Stichworte: Flächenverbrauch, Vorrangregelung, Bewahrung der biologischen Vielfalt, Mittelbindung von Einnahmen aus Naturschutzleistungen.

Dieses Gesetz erfüllt die minimalen Vorgaben des Bundes und der förmlichen Anpassung, mehr aber auch nicht. Gestaltungswille im Interesse des Naturschutzes in Sachsen-Anhalt sieht anders aus. Daher bleibt meiner Fraktion nur die Ablehnung des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke, Herr Lüderitz. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Bergmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, das Thema, das den Naturschutz im Land betrifft, heute - davon gehe ich aus - beenden zu können.

Herr Kollege Lüderitz, es bleibt Ihnen überlassen - das sage ich klar und deutlich -, ob Sie für das Gesetz stimmen oder dagegen stimmen. Sie können sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen. Ich glaube, das, was hier vorliegt, ist ein gutes Gesetz.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Zu- ruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Ich werde das im Einzelfall begründen. Sie drehen sich die Dinge immer so, wie es Ihnen am besten passt oder dass es eben nicht passt. Sie haben von der überfälligen Anpassung geredet. Ich kann nur sagen, ich habe ges

tern noch einmal auf die Seite des BfN geschaut, um festzustellen, wie weit die anderen Länder sind. Wir befinden uns, glaube ich, ganz gut im Mittelfeld. Wir sind fertig, andere sind auch fertig, viele sind noch nicht fertig. Ich sehe darin kein Problem.

Im Hinblick auf die kommunalen Spitzenverbände, die Sie angesprochen haben, bleibt mir eines in Erinnerung: die Tatsache, dass man gefordert hat, Kompensationsmittel auch für Brachen innerhalb von Städten usw. einsetzen zu können. Ich habe mehrfach, auch in den Ausschüssen, darauf hingewiesen: Diese Möglichkeit haben die Kommunen bereits jetzt durch die Bauleitplanung. Sie haben ein Gesetzeswerk dazu; das ist das Baugesetzbuch. Hierbei geht es aber einzig darum, Mittel zu bekommen, die eigentlich für andere Zwecke im Außenbereich gedacht sind. Es ist auch nicht in meinem Sinne, dass das passiert.

Zum Thema Biotopverbundsystem. Ich möchte das Thema vielleicht einmal in einen anderen Blickwinkel rücken. Ich hatte mich noch einmal beim MLU erkundigt und habe erfahren, dass wir bei der Unterschutzstellung im Moment bei ca. 25 % der gesamten Landesfläche sind, wenn wir vom geschützten Landschaftsbestandteil über Landschaftsschutzgebiete bis hin zu Großschutzgebieten alles zusammenziehen. Dazu kommt noch ein Teil Biotopverbundsystem, aber das muss man nicht hinzurechnen. Man könnte es tun, dann ist der Anteil noch größer. Ich sagte schon heute Morgen: Es wird schon schwierig, dies im Moment überhaupt von der Verwaltungsseite her zu schaffen. Ich glaube, das Land ist auf einem guten Weg und wir sollten uns nicht selbst überfordern.

Wenn Sie schon solche Angaben machen, dann hätte ich von Ihnen in den letzten Jahren auch erwartet, dass Sie Vorschläge machen, und zwar konkrete, und dass Sie nicht nur Prozentzahlen in den Raum stellen.

Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, dass das Gesetz, das wir heute beschließen, praktisch eine Umsetzung der Bundesgesetzgebung ist. Wir passen das Landesrecht an, müssen es anpassen. Das Bundesnaturschutzgesetz ist noch ein Relikt aus dem ehemals geplanten Projekt Umweltgesetzgebung. Es tut mir nach wie vor leid, dass wir das in Berlin gemeinsam mit der CDU nicht hinbekommen haben. Aber so ist es nun einmal. Wir haben aber noch das Naturschutzgesetz hinbekommen. Ich möchte daran erinnern, dass dies eine der letzten Handlungen der schwarz-roten Koalition in Berlin war. Es trägt die schwarz-rote Handschrift und es ist, glaube ich, auch sehr gut gelungen.

Herr Lüderitz, Sie haben weiterhin gesagt, wir hätten nicht verschärft. Ich möchte nur sagen: Wir haben das erfüllt, was im Koalitionsvertrag steht. Wir wollten keine Absenkung der Umweltstandards und das ist uns bestens gelungen. Sie selbst haben bei Ihrer Aufzählung nicht vergessen, Dinge zu erwähnen, die eigentlich sogar ein Zusatz sind, wie zum Beispiel der Alleenschutz, den Sie selbst angeführt haben.

Ich möchte im Folgenden kurz auf Dinge eingehen, die auch im Gesetz zu finden sind, die Sie aber nicht erwähnt haben. Wir haben die Naturschutzbeiräte gestärkt, sowohl auf der Kreis- als auch auf der Landesebene. Ich möchte das nicht explizit ausführen, aber Sie als einer der Experten wissen das. Ich sehe das sehr positiv. Ich denke, das wird vor Ort in den Kreisen auch für mehr Qualität sorgen.

Wir haben weiterhin - auch das haben Sie angesprochen - das Thema der Kompensationsmaßnahmen mehrfach erörtert. Wir haben eine gute Lösung für das Land gefunden. Auch das haben Sie gerade gesagt.

Das ist übrigens auch eine ganz interessante Geschichte. Ich hatte heute Morgen in der Debatte mit Herrn Kley diesen kleinen Disput zum Naturschutzgesetz in Niedersachsen. Ich kann nur sagen, dort liegt ein Antinaturschutzgesetz vor - ich muss das so klar und deutlich sagen. Ich habe mir die Eingriffsregelung vor wenigen Minuten noch einmal angesehen. Ich bin froh, dass wir das, was wir hier haben, mit der CDU so hinbekommen haben. Ich könnte auch sagen - Sie stellen ja in Niedersachsen den Umweltminister -: Man kann mit der CDU wirklich eine Menge mehr hinbekommen. Das ist auch ein Lob an die Kollegen. Man muss es nur wollen.

(Herr Kley, FDP, lacht)

- Man muss es nur wollen, Herr Kley. Da fehlt in der FDP vielleicht an der einen oder anderen Stelle doch der Wille.

Den Alleen-Paragrafen möchte ich auch deswegen erwähnen, weil ich weiß, dass die SPD-Fraktion ihn zwar in die Beratungen eingebracht hat - ich möchte das gern noch loswerden; ich sehe, dass ich kurz vor dem Ende der Redezeit bin -, aber die ursprüngliche Intention - das wollen wir nicht verschweigen, auch wenn wir das eingebracht haben - ging von Jürgen Stadelmann aus. Deswegen nenne ich das gern den Stadelmann-Paragrafen. Ich hatte mich nach unseren Beratungen nur gewundert, dass das Thema noch nicht darin enthalten war; denn ich hatte gedacht, dass das auf jeden Fall kommt. Insofern sind wir als SPD da großzügig.

(Frau Weiß, CDU: Na, na, na!)

Wir haben es eingebracht, aber wir nennen das Ding selbst Stadelmann-Paragraf. Warum auch nicht?

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Herr Kosmehl, FDP: Oh! - Weitere Zurufe: Ah! - Zuruf: Altmärker!)

- Ja, Altmärker halten da zusammen, keine Frage. - Wir haben bei den besonders geschützten Lebensraumtypen noch die Kopfbaumreihen aufgenommen, ganz zum Schluss, auch zum Schutz unserer Steinkäuze, und viele andere Dinge, etwa den Horstschutz, den ich nur kurz erwähnen möchte.

Ich glaube, diese Regelung ist auch akzeptabel für den Waldbesitzerverband. Wir haben darum oft gestritten. Ich denke aber, dass wir das auch ganz gut hinbekommen haben. Wir wollen darüber in Zukunft noch einmal diskutieren. Ich selber möchte auch nicht, dass die Bäume rot lackiert werden, damit jeder weiß, wo sie stehen.

(Herr Lienau, CDU, lacht)

Das wird man im Vollzug schon ganz gut regeln können.

Aufgrund der abgelaufenen Redezeit erspare ich mir jetzt konkrete Ausführungen zum Änderungsantrag. Er liegt Ihnen vor, Sie können ihn selbst lesen. Darin geht es hauptsächlich um formale Dinge.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Änderungsantrag. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Herr Bergmann, es gibt eine Nachfrage von Herrn Lüderitz. - Herr Lüderitz, bitte.

Kollege Bergmann, Sie werden verstehen, dass ich insbesondere bei zwei Dingen nachhaken möchte.

Erstens. Der Ausschussvorsitzende hat nicht zu Unrecht darauf verwiesen, dass wir 16 Änderungsanträge gestellt haben. Darauf lege ich auch Wert. Diese waren Bestandteil der Anhörung und wurden von den anzuhörenden Umwelt- und Naturschutzverbänden alle positiv gesehen. Sie haben alle 16 abgelehnt - das nur als Anmerkung dazu.

Das Zweite, auf das ich hinweisen möchte: Sie haben jetzt offensichtlich einen Fehler gemacht. Sie haben die Naturschutzflächen und die Natura-2000-Flächen, die in Sachsen-Anhalt 11 % der Landesfläche umfassen - - Das hat der Minister heute früh deutlich gesagt. Dazu gibt es die ganz klare Aufgabenstellung in der Studie des Bundes - das wissen Sie auch -, dass 15 % angepeilt werden. Ich hatte nicht umsonst heute früh auch darauf hingewiesen. Nagoya geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert 17 %. - Das nur zur Richtigstellung, damit hier nicht falsche Zahlen im Raum stehen bleiben.