Protokoll der Sitzung vom 03.02.2011

Nun bitte Herr Minister Hövelmann.

Vielen Dank Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Untersuchungsausschüsse gelten gemeinhin als das schärfste Schwert des Parlaments. Mit Fug und Recht kann dieser Untersuchungsausschuss für sich in Anspruch nehmen, vielleicht nicht mit dem Schwert, aber doch mit dem Skalpell einiges geleistet zu haben.

Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt für das große Arbeitspensum und das damit verbundene Engagement der Mitglieder des Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses deutlich machen.

Mit großer Genugtuung habe ich das wesentliche Ergebnis der Untersuchungen zur Kenntnis genommen, wonach sich die in dem Einsetzungsbeschluss zum Ausdruck kommenden Vorwürfe im Wesentlichen als unbegründet erwiesen haben. Der Untersuchungsausschuss konnte feststellen, dass insbesondere die Annahme, Vorgängen mit rechtsextremistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund sei im Verantwortungsbereich der Polizei nur unzureichend oder gar nicht entgegengetreten worden, falsch ist. Ich zitiere:

„Erst recht nicht wurden rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Aktivitäten begünstigt. Soweit es im Einzelfall zu Fehlern gekommen ist, sind die erforderlichen Konsequenzen gezogen worden.“

Kurz zusammengefasst: Die Polizei ist nicht auf dem rechten Auge blind. Eine institutionalisierte Fremdenfeindlichkeit ist bei unserer Polizei erst recht nicht festzustellen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wenn im Einzelfall Fehler gemacht wurden, wurde angemessen reagiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein persönliches Wort. Dass ich in meinem gesamten politischen Engagement und insbesondere als Innenminister einen besonderen Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus setze, ist in diesem Hause bekannt.

Weil ein Untersuchungsausschuss immer in erster Linie auf den Minister abzielt, habe ich mich - das will ich an dieser Stelle ganz freimütig einräumen - über den Einsetzungsbeschluss sehr geärgert, in dem unterstellt wurde, dass in meinem Verantwortungsbereich - ich darf zitieren - „rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Aktivitäten begünstigt worden sind“. Diese Unterstellung ist und bleibt infam im Verhältnis zur Polizei insgesamt und auch im Verhältnis zu mir ganz persönlich.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Deshalb bin ich von Herzen dankbar für die klare Zurückweisung dieses Vorwurfes, die der Ausschuss im Teil C des Berichts mit Mehrheit vorgenommen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sachverhalte und polizeilichen Einsatzlagen, die Gegenstand der Untersuchungen des Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses waren, sind auch in meinem Geschäftsbereich kritisch ausgewertet worden. Die Maßnahmen der Landesregierung, des Ministeriums des Innern sowie der Polizei, insbesondere bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sowie der Fort- und Ausbildung in der Polizei in diesem Phänomenbereich ins

gesamt, will ich an dieser Stelle nicht zum wiederholten Male aufzählen.

Ich durfte dies im Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in aller Ausführlichkeit darstellen. Sollte ich dabei die Geduld des Gremiums überstrapaziert haben, so möchte ich an dieser Stelle hierfür ob der Wichtigkeit dieser Aufgabe noch einmal um Verständnis werben.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Ich will aus Anlass dieser Beratung in der gebotenen Kürze darauf hinweisen, dass dort, wo den Untersuchungsgegenstand betreffend Fehler gemacht worden sind, auch reagiert worden ist. Exemplarisch erinnere ich an die ausgesprochene Missbilligung im Kontext der Konflikte innerhalb der ehemaligen Polizeidirektion Dessau. Ein weiteres Beispiel ist die polizeiinterne Untersuchung im Nachgang zum Überfall auf Schauspielerinnen und Schauspieler des Nordharzer Städtebundtheaters in Halberstadt und deren Konsequenzen.

Ja, die Liste ließe sich fortsetzen. Aber hieraus ein Bild zu zeichnen, die Polizei wäre fremdenfeindlich und rassistisch, verkehrt Ursache und Wirkung.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Die Polizei ist nicht die Ursache rechtsextremistischer oder fremdenfeindlicher Einstellungen und hieraus resultierender Straftaten oder Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Richtig ist vielmehr: Im Ernstfall ist die Polizei ein Bollwerk des Rechtsstaates gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Die Polizei verdient die Unterstützung aller gesellschaftlichen Kräfte, damit sie diese Aufgabe erfolgreich wahrnehmen kann.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als Innenminister habe ich unsere Polizistinnen und Polizisten in vielen Einsatzlagen und in ihrem täglichen Dienst bei der Bewältigung unterschiedlichster Herausforderungen erlebt. Sie verdienen Achtung für ihre Arbeit und sie verdienen Vertrauen und Respekt.

Wir Politikerinnen und Politiker dürfen nie vergessen, dass es häufig die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind, die für die gesellschaftlichen Konflikte, die wir nicht lösen können, ihren Rücken hinhalten und die Konflikte aushalten müssen. Offensichtlich haben auch wir noch nicht genug Überzeugungsarbeit geleistet, wenn es immer noch rechtsextremistisches und rassistisches Gedankengut in unserem Lande gibt. Auch deshalb ist die Polizei in vielen Einsatzlagen gefordert. Auch um den Nazis beizukommen, brauchen wir eine starke Polizei.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der LINKEN)

Deshalb mein Appell: Trotz aller im Einzelfall berechtigten Kritik gilt auch im Verhältnis zur Polizei das Übermaßverbot. Unterstützen wir die Kolleginnen und Kollegen der Polizei bei ihrer für unser funktionierendes Gemeinwesen so wichtigen Arbeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Wir hören nun die Beiträge der Fraktionen. Zuvor habe ich noch die Freude, Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule

Kastanienallee Halle auf der Nordtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie waren vorhin schon einmal hier. Da saßen sie auf der Südtribüne und haben gerade noch mitbekommen, dass der Landtag die Sitzung für eine Pause unterbricht. Nun sind sie wieder hier, auf der Nordtribüne. Herzlich willkommen!

Wir hören als nächstes den Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Ich erteile Frau Tiedge das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man haut seine Kollegen nicht in die Pfanne. - Das ist ein Satz, geäußert von einem Polizeibeamten im SchimanskiKrimi am vergangenen Sonntagabend.

In diesem Film ging es insbesondere um das unsägliche Problem des Korpsgeistes bei der Polizei. Es ging aber auch um die Frage, ob man seine Kolleginnen in ihrer täglichen Polizeiarbeit kritisieren und dies dann auch noch beim Vorgesetzten melden darf.

Alles nur Filmstoff? - Weit gefehlt. Denn genau solche oder ähnliche Vorwürfe haben die drei Staatsschützer zu hören bekommen, als sie es gewagt hatten, ihren Vorgesetzten zu kritisieren.

Einem der ehemaligen Staatschützer, Herrn Ennullat, wurde im letzten Jahr bescheinigt, dass er sich im Dienst so verhalten hat, dass man ihm von der Gesamtwürdigung her eine charakterliche Grundhaltung bescheinigen kann, die für einen Polizeibeamten sehr wünschenswert ist. Er war ungeachtet entsprechender Einwirkungsversuche durch einen ranghohen Vorgesetzten nicht bereit, sich einschüchtern zu lassen und seine Aufgaben mit weniger Elan wahrzunehmen. - Nein, diese Worte stammen nicht von unserem Innenminister, sondern vom Polizeipräsidenten Berlins, der jetzt als Dienstvorgesetzter für Herr Ennullat verantwortlich ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir hätten uns wahrlich gewünscht, dass zu dieser Einschätzung auch unser Innenminister gekommen wäre und mit einem Machtwort dieser unendlichen Geschichte ein Ende bereitet hätte. Aber Sie können dieser Geschichte noch ein gutes Ende bereiten, indem Sie dafür sorgen, dass das unter fadenscheinigen Gründen zusammengetragene Disziplinarverfahren gegen die beiden hier noch verbliebenen Zeugen endgültig eingestellt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Während einer Zeugenaussage richtete einer der drei Staatsschützer an die Mitglieder des Ausschusses die Frage, was sie denn eigentliche falsch gemacht hätten. Die Frage wurde ihm mit dem Hinweis, dass Zeugen keine Fragen stellen dürften, nicht beantwortet. Aber spätestens heute müssen wir ihnen diese immer noch offene Frage klar beantworten. Unsere Antwort lautet im Ergebnis der Beweisaufnahme mit aller Deutlichkeit: Sie haben nichts, absolut nichts falsch gemacht.

(Zustimmung bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Denn wenn es ein Fehler sein soll, sich akribisch in das zugewiesene Aufgabengebiet zu knien und mit hoher

Arbeitsintensität rechtsextremistische Straftaten zu bekämpfen, wenn es ein Fehler ist, seinen Vorgesetzten zu kritisieren, wenn dieser erklärt, dass nicht mehr so genau hinzuschauen sei oder Berichte langsamer zu tippen seien, wenn es ein Fehler sein soll, diese Anweisung dann nicht zu befolgen, sondern die bisherige gute Arbeit fortzusetzen - wenn all das Fehler sein sollen, dann wünschen wir uns viele solcher fehlerhaft arbeitenden Polizeibeamten im Land Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn der Ausschuss dann mehrheitlich zu dem Ergebnis kommt, dass die Ursachen für die Konflikte unter anderem im persönlichen Bereich bzw. in der ausgeprägten Persönlichkeitsstruktur der drei Beamten zu suchen seien, halten wir diese Wertung geradezu für unverschämt. Ich kann mich an keinen einzigen Untersuchungsausschuss, an dem ich beteiligt war - das waren mehrere -, erinnern, in dem Zeugen charakterlich bewertet wurden. Das ist nicht Aufgabe eines Untersuchungsausschusses und das sollte auch zukünftig so bleiben. Mir fiele dazu sicherlich auch so einiges ein.

Die Koalitionsfraktionen machen es sich mit dieser fadenscheinigen Begründung sehr einfach; denn damit klammern sie all das aus, was zu den Ereignissen geführt hat. Fest steht: Die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Aussagen sind in dem besagten Gespräch so gefallen - das hat die Beweisaufnahme eindeutig ergeben - und sie waren auch nicht objektiv missverständlich.

Anders als in dem vorliegenden Abschlussbericht der Mehrheit des Ausschusses ausgeführt, ist es nicht erwiesen, dass der Zeuge Gratzik dem Zeugen Findeisen erst im März 2007 das Gedächtnisprotokoll zur Kenntnis gegeben hat. Da eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen Kappert, die bereits am 16. März 2007 vorlag, in dem besagten Gespräch zwischen Gratzik und Findeisen eine Rolle spielte, muss dieses Gespräch vor dem 16. März 2007 stattgefunden haben. Somit ist auch die Feststellung, der Zeuge Gratzik habe das Gesprächsprotokoll unter Verschluss gehalten, um es dann zu rein persönlichen Zwecken einzusetzen, eine haltlose Unterstellung.

Völlig inakzeptabel ist auch die Feststellung, die drei Staatsschützer selbst hätten die Ausführungen ihres Vorgesetzten nicht so ernst genommen, da sie nicht so gehandelt hätten, wie es ihnen der Vorgesetzte nahegelegt habe; sie hätten schließlich in ihrem Diensteifer nicht nachgelassen. Ihnen ihren Diensteifer, ihr Engagement jetzt zum Vorwurf zu machen ist schon starker Tobak.

Nun kommt der Nitsche-Bericht zu dem Ergebnis, die drei Zeugen Gratzik, Ennullat und Kappert haben sich keiner Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht. Eigentlich könnte man nun davon ausgehen, dass damit die Sache erledigt sei und dass die drei Staatsschützer ihren Aufgaben wieder ordnungsgemäß nachkommen könnten. - Doch weit gefehlt. Nachdem das Protokoll in die Öffentlichkeit gelangt war, sahen sich die drei Beamten mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert. Hier nur exemplarisch einige Beispiele:

Zum einen hatten die Beamten mehrfach um einen Gesprächstermin beim Innenminister gebeten, nicht zuletzt auch wegen des großen öffentlichen Interesses und weil sie ferner bei ihren unmittelbaren Vorgesetzten keinerlei Hilfe und Unterstützung erhalten hatten. Dies wurde ih

nen nicht gewährt mit der Begründung: Dies entspreche nicht den normalen hierarchischen Gepflogenheiten.

Trotz der an dieser Stelle angenommenen Tatsache, dass ein Gespräch mit dem Innenminister nicht den normalen hierarchischen Gepflogenheiten entspricht, wäre es angesichts des öffentlichen Interesses und aufgrund der vielen Fragen und Probleme aus unserer Sicht zwingend notwendig gewesen, diesem Gesprächswunsch zu entsprechen.