Der nächsthöhere Vorgesetzte des Abteilungsleiters Polizei war die Polizeipräsidentin und niemand sonst. An sie hat man sich jedoch nicht gewandt.
Ich denke, die Auswertung der Dessauer Vorgänge unterstreicht die Zweckmäßigkeit einer Zentralen Beschwerdestelle Polizei.
- Ja, Herr Kolze, an diesem Punkt differieren wir. Richtig ist doch, dass hier offenkundig das Vertrauen in den Dienstweg verloren gegangen ist. Ich halte es für vernünftig, wenn es in einer solchen Lage ein Angebot gibt, die Möglichkeit, einen dritten Weg zu beschreiten zwischen dem Dienstweg und der Flucht in die Öffentlichkeit - letztere haben wir in dem vorliegenden Fall nicht festgestellt. Deshalb sage ich das Folgende ganz abstrakt: Ich wage zu behaupten, dass ein solcher Gesprächsvermerk einen anderen Weg als den in die Presse finden kann, wenn es eine Zentrale Beschwerdestelle Polizei gibt.
Dass der Herr Minister sie eingerichtet hat, und zwar direkt angebunden bei seinem Staatssekretär, ist die Voraussetzung dafür, dass man solche internen Beschwerden, also Beschwerden von Beamtinnen und Beamten, in einer solchen Beschwerdestelle behandeln kann. Deshalb sage ich: Für mich persönlich ist diese Zentrale Beschwerdestelle Polizei eine der richtigen Schlussfolgerungen aus den Vorgängen, die wir in dem Untersuchungsausschuss behandelt haben.
Ich erlaube mir noch eine Erweiterung des Themas: Für mich ist dieser Untersuchungsausschuss auch nur verständlich vor dem Hintergrund des schlimmen Todesfalls Oury Jalloh.
Das ist der größte Skandal in der Geschichte der Landespolizei. Ich bin froh, dass derzeit der Fall Oury Jalloh erneut vor einem Gericht des Landes Sachsen-Anhalt gründlich aufgeklärt wird.
Dabei geht es um das Thema Fremdenfeindlichkeit und auch Fremdenfeindlichkeit in der Polizei. Nachdem wir die Hintergründe ein Jahr vor der letzten Landtagswahl im parlamentarischen Raum nicht richtig haben aufklären können, ist es verständlich, dass man sehr sensibel auch auf minderschwere Vorgänge in der Polizei reagiert und dass man Vorgänge, die normalerweise nicht zu einem Untersuchungsausschuss geführt hätten, dann zum Gegenstand eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses macht.
Vor dem Hintergrund des Falles Oury Jalloh war dieser Untersuchungsausschuss angebracht und sinnvoll. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Nun hören wir Herrn Kosmehl, der für die FDP-Fraktion spricht. Bitte, Herr Kosmehl.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zehnte Parlamentarische Untersuchungsausschuss wurde vom Landtag am 13. September 2007 als Minderheitsausschuss eingesetzt, nachdem sich der Innenausschuss des Landtages bereits mit einigen der im Einsetzungsbeschluss genannten Sachverhaltskomplexe ausführlich beschäftigt hatte.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich nach dreieinhalb Jahren und 38 Sitzungen des Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auch heute noch skeptisch bin, ob wir uns mit dem Untersuchungsausschuss wirklich einen Gefallen getan haben.
Die Befürchtung, dass durch den Untersuchungsausschuss die gesamte Polizei des Landes Sachsen-Anhalt in ein falsches Licht gerückt wird oder jedenfalls nicht aus diesem Licht herausgerückt wird, hat sich meines Erachtens bestätigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen, werte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, in der Einsetzungsdebatte Folgendes gesagt - ich zitiere -:
„Meine sehr geehrten Damen und Herren Antragsteller, Sie haben den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des einzusetzenden Untersuchungsausschusses mit dem Antrag eine schwere Bürde auferlegt.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben sowohl während der Beweisaufnahmen als auch im Nachgang festgestellt, wie schwer diese Bürde ist und dass das Leben eben nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht, sondern dass es nötig ist, jede einzelne Schattierung einzeln zu bewerten und richtig einzuordnen. Es gibt eben nicht die eine Sicht, wie sie die den Fraktionen der CDU und der SPD angehörenden Ausschussmitglieder vertreten, und es gibt eben nicht die andere Sicht, wie sie die der Fraktion DIE LINKE angehörenden Mitglieder vertreten.
Keiner der Beteiligten hat fehlerfrei gehandelt, aber es hat auch keiner der Beteiligten alles falsch gemacht.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich mich entschlossen, als Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ein Sondervotum abzugeben.
Ich gebe hier und heute ganz offen zu, dass es auch mir nicht gelungen ist, alle Beweisaufnahmeergebnisse so sorgfältig und detailliert aufzulisten und abzuwägen, dass man am Ende daraus ein objektives Gesamtvotum ziehen könnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz auf einige wenige Punkte eingehen. Es erscheint mir wichtig, dass zumindest im Text auftaucht, dass die Ausschussmitglieder über alle Fraktionen hinweg festgestellt haben, dass die Polizei in SachsenAnhalt keineswegs auf dem rechten Auge blind ist.
Ich bitte darum, dass diese übereinstimmende Feststellung heute auch durch die Medien nach außen getragen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tendenz in der Berichterstattung über den Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss war von der Aussage geprägt, die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt sei auf dem rechten Auge blind. Dazu hat zum einen beigetragen, dass sich nach drei Jahren viele Zeugen nicht mehr im Detail erinnern konnten. Dazu hat zum anderen aber auch beigetragen, dass einige Zeugen vom Hörensagen erzählt haben und Mutmaßungen in ihre Aussagen haben einfließen lassen, die sich objektiv nicht haben beweisen lassen, die aber gern aufgegriffen worden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Hövelmann, ich kann Ihre Einschätzung, dass in der Behördenstruktur der Polizei und insbesondere im Verantwortungsbereich des Innenministeriums keine Fehler gemacht worden sind, nicht ganz teilen.
O ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gab eine ganze Reihe von Kommunikationsdefiziten innerhalb der PD Dessau. Diese haben Sie, Herr Minister, natürlich nicht unmittelbar zu verantworten. Aber bei den Defiziten darüber hinaus, im Zusammenspiel zwischen der PD Dessau und dem Innenministerium, insbesondere dem Abteilungsleiter Polizei, dem Sie Anfang des letzten Jahres in einer Bewertung auch noch ein gutes Zeugnis ausgestellt haben, bevor Sie ihn dann umgesetzt haben, haben Sie durchaus eine Rolle gespielt. Das führt für mich noch nicht zu der Konsequenz, dass man tatsächlich von einer rechtlichen Fürsorgepflichtverletzung sprechen kann, aber das war im Umgang eben nicht richtig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt schauen wir uns das doch einmal genauer an. Wir haben drei Staatsschutzbeamte, die waren engagiert. Das wird diesen drei Beamten niemand in diesem Raum absprechen. Sie hätten diesen Job gern noch weiter gemacht, durften das aber nicht mehr, wie das die Zeugen teilweise auch ausgesagt haben. Die der Fraktion DIE LINKE angehörenden Ausschussmitglieder insistieren zumindest darauf, dass man diesen Beamten Unrecht getan hat.
Liebe Frau Kollegin Tiedge, dann schauen wir doch einmal in die Beweisaufnahme und in die Ergebnisse hinein. Sie haben in Ihrem Sondervotum geschrieben, aus Ihrer Sicht gebe es keine Anhaltspunkte dafür, an dem
Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen Gratzik, Ennullat und Kappert zu zweifeln. Dann gehört aber eben auch dazu - denn die Beamten haben das ausgesagt -, dass zum Beispiel der Kollege Gratzik sich bereits Anfang Januar mit der Polizeipräsidentin über seine berufliche Weiterverwendung, eine Verbreiterung seiner Verwendung, unterhalten hat. Da war also schon abzusehen, dass es eine Veränderung heraus aus dem FK 4, aus dem Staatsschutz, geben wird.
Der Kollege Ennullat wollte eine Aufstiegsausbildung machen; er wollte zum Studium. Das kann er nicht gleichzeitig im FK 4 machen. Auch für ihn wäre die Zeit im FK 4 befristet gewesen. Das gehört eben auch dazu. Man kann hier nicht sagen, dass die drei Beamten einfach weg- oder strafversetzt worden seien und dass man ihnen Unrecht getan habe, weil sie nie mehr dorthin kommen. Es liegt in der Natur der Sache eines Polizeibeamten, dass er Verwendungsbreite erlangen muss und deshalb auch Aufgaben nur befristet wahrnehmen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dann sage ich Ihnen mit der gleichen Deutlichkeit auch - ich würde dabei nicht so weit gehen wie die den Fraktionen der CDU und der SPD angehörenden Ausschussmitglieder, die den drei Beamten eine starke Persönlichkeit unterstellt haben -, ich gehe durchaus darin mit Ihnen konform, dass der Umgang der Führung der PD Dessau - damit meine ich insbesondere den Abteilungsleiter Polizei und auch Frau Heusmann als direkte Vorgesetzte des FK 4 - nicht konfliktfrei war und dass diese Beamten der Führungsebene der PD Dessau offensichtlich nicht in der Lage waren, eine ordnungsgemäße Personalführung zu betreiben. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind für mich auch Feststellungen.
Herr Minister, nun können Sie sagen, dass aus diesen ganzen Zusammenhängen auch Konsequenzen gezogen worden sind. Konsequenzen können aus meiner Sicht nicht darin bestehen, dass die Beamten - zumindest teilweise - aufgrund beruflicher Veränderungen nicht mehr auf diesen Posten zu finden sind. Man muss dem natürlich nachgehen und schauen, ob das Zusammenspiel zwischen der Führung und dem FK 4, dessen Leiter ein direktes Vortragsrecht beim Abteilungsleiter Polizei und bei der Polizeipräsidentin hatte und der damit am Dienstweg vorbei agieren konnte, sinnvoll ist oder ob man darauf noch stärker achten muss. Diesbezüglich sind mir bisher noch keine Erkenntnisse zu Ohren gekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle auch sagen - ich habe es gerade schon angedeutet -: Die Aufgabenerledigung durch das FK 4 der PD Dessau war aus meiner Sicht hervorragend. Aber es gehört eben auch dazu, dass man nicht aus einem einzigen Gespräch - den Wahrheitsgehalt des Gedächtnisprotokolls ziehe ich nicht in Zweifel - ableiten kann, dass das von der Behörde nicht mehr gewollt ist. Das ergaben weder nachfolgende Gespräche mit der Polizeipräsidentin, noch hat sich die Erlasslage geändert. Diese drei Beamten - ich sage es hier ganz deutlich - konnten nicht davon ausgehen, dass sich an der Zielsetzung der PD Dessau im Kampf gegen Rechtsextremismus etwas geändert hat.
Lassen mich am Ende vielleicht noch auf zwei kleine Punkte eingehen. Wie man mit den Beamten im Nachgang bei der weiteren Verwendung umgegangen ist - da komme ich wieder auf die Fürsorgepflichtverletzung, Herr Minister -, ist teilweise - ich sage jetzt einmal so - skandalös. Wenn man als Innenministerium - zumindest einige haben es im Innenministerium immer gegeißelt, dass es da ein Gedächtnisprotokoll Glombitza gab - selbst dafür sorgt, dass ein Gedächtnisprotokoll über eine Unterhaltung angefertigt wird, die Wochen her ist, dann, finde ich, ist das ein Skandal.
Ich finde, es ist ein weiterer Skandal, dass man einem Beamten, der die Aufstiegsausbildung machen will, mit fadenscheinigen Begründungen eine Sicherheitsüberprüfung verweigert, sodass er sich durchklagen muss, um eine Zulassung zu bekommen, obwohl er die tatsächlichen Voraussetzungen für das Studium hatte.
Das sind Vorgänge innerhalb Ihres Ministeriums, Herr Minister, die genauso dazu gehören. Da sind Fehler gemacht worden. Das ist rechtlich vielleicht keine Fürsorgepflichtverletzung, die schadenersatzpflichtig ist; ich sage es jetzt einmal ein bisschen grob. Aber das sind Vorgänge, die man auch nicht tolerieren darf. Auch da muss etwas passieren. Das muss ausgeweitet werden.
Ein Letztes gehört für mich noch dazu. - Herr Präsident, hoffentlich sehen Sie es mir nach; ich sage es in einer Minute.
In Bezug auf das Thema Halberstadt kann ich Ihnen, Frau Kollegin Tiedge, einen Vorwurf nicht ersparen. Sie haben ein Sondervotum abgegeben, das auch dadurch geprägt ist, dass Sie ein, zwei wichtige Feststellungen weggelassen haben, nämlich die Feststellung, dass wir nachweisen konnten, dass die Beamten unverzüglich am Tatort waren, dass es eben nicht eine Ewigkeit gedauert hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle haben Verständnis dafür, dass sich die Opfer in dem Moment so fühlen. Bei uns gehen in einer solchen Situation auch Sekunden für Minuten, für eine halbe Stunde durch. Aber wenn wir es objektiv feststellen, dann gehört auch dazu, dass man klar sagt, dass es so war, und es nicht weglässt und damit in seinem Sondervotum den Eindruck vermittelt, dass das tatsächlich noch im Raum steht. Das steht nicht mehr im Raum.
Eine allerletzte Bemerkung, die zeigt, weshalb ich mich dem Oberländer-Bericht, Herr Minister, nicht anschließen kann. Wenn der Dienstgruppenleiter der vorletzte Beamte ist, dann könnte ich es als verantwortlicher Innenpolitiker nicht verantworten, dass er in jedem Fall raus an den Tatort muss und damit nur noch einen Beamten im ganzen Revier zurücklässt.
Dann müssen wir mehr Personal für die Nachtschicht zur Verfügung stellen. Wir können es doch niemandem zumuten, dass der, der zurückbleibt, gar nichts mehr machen kann, weil er allein in dem Revier ist. Ich habe gesagt, polizeifachlich ist das nicht für jeden Fall zu verantworten. Deshalb habe ich dazu eine andere Meinung. Sorgen Sie für mehr Personal! Dann kann auch der Dienstgruppenleiter beruhigt von außen führen; denn dann ist sein Revier noch besetzt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Zum Schluss bitte der Beitrag der CDU-Fraktion. Ich erteile Herrn Borgwardt das Wort.