Doch es gibt auch eine subtilere Form von Gewalt, nämlich Hetze, wie wir sie vor allem im Internet und in sozialen Netzwerken erleben. Es erfüllt mich mit Abscheu, was dort teilweise geäußert wird. Doch auch hier meine ausdrückliche Bitte: Werfen wir nicht die, die einfach nur Kritik an der Umsetzung der Asylpolitik üben, und zwar oftmals an den technischen Umsetzungsprozessen, mit denen in einen Topf, die auf übelste Weise generell gegen Flüchtlinge hetzen.
Bitte begeben wir uns nicht auf das Niveau derjenigen, die Gewalt verherrlichen und sich eine neue Diktatur wünschen. Vor diesem Hintergrund
hat es mich geradezu schockiert, was in einem Interview mit dem Südwestrundfunk ein Politikwissenschaftler einer deutschen Universität äußerte. Er wünscht rechtsaffinen Kleinbürgern, für drei Stunden in einem Polizeikessel zu stecken und abschließend mit Wasserwerfern traktieren zu werden, damit sie für eine geraume Weile genug vom Demonstrieren hätten. - Das funktioniert in einer Demokratie so nicht, meine Damen und Herren!
Ich löse Probleme nämlich nicht, indem ich mich in Gewaltphantasien ergehe und mir für den vermeintlich guten Zweck einen Polizeistaat oder vordemokratische Zustände zurückwünsche. Die sind bei uns - Gott sei Dank - Vergangenheit. Und so soll es auch bleiben.
Stattdessen bitte ich zu beherzigen, was Joachim Gauck im September in seiner Rede zur Eröffnung der Interkulturellen Woche forderte. Er sagte:
„In dieser Situation habe ich eine dringende Bitte: dass sich die Besorgten und die Begeisterten nicht gegenseitig denunzieren und bekämpfen, sondern dass sie sich in einem konstruktiven Dialog begegnen.“
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wünsche ich mir auch für das Land Sachsen-Anhalt, und das wünsche ich mir auch für diese Debatte. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Auf der Gästetribüne begrüßen wir Damen und Herren der Stiftung Bildung und Handwerk aus Magdeburg. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erst wenige Woche her, da waren wir alle stolz auf ein neues Gesicht, das Deutschland zeigte, ein sympathisches, ein empathisches, ein weltoffenes Gesicht, das Gesicht der Menschen vom Münchner Hauptbahnhof und anderswo, die Flüchtlinge mit offenen Armen empfingen. Es war ein Gesicht, das die Welt von Deutschland so nicht erwartet hatte.
Menschen, die auf der Straße ihre Fremdenfeindlichkeit herausschreien, das Gesicht der Panik bei Menschen, die von muslimischen Flüchtlingen das Abendland bedroht sehen, das Gesicht von Menschen, die Verschwörungstheorien nachlaufen und den Reden von Volksverhetzern lauschen.
Und die Welt sieht Taten von Menschen, die ihr Gesicht nicht zeigen, sondern die im Schutz der Dunkelheit oder der Anonymität von sozialen Netzwerken feige verbale oder tätliche Angriffe verüben auf Menschen, die vor Krieg und Terror zu uns geflüchtet sind, auf ihre Unterkünfte, auf Menschen, die sie unterstützen, und auch auf Politikerinnen und Politiker - tätlich und verbal. Ich weiß nicht, wie viele Arme hier bei der Frage hochgehen würden, wer von uns schon ähnliche E-Mails bekommen hat; wahrscheinlich sehr viel mehr als bei der Frage des Kultusministers.
Meine Damen und Herren! Dem müssen wir entschieden entgegentreten. Denn das ist ein Verfall der Sitten, ein Verfall der Sitten, der doch von eben denen vermeintlich zu beklagen ist. Versuchen wir also etwas Sachlichkeit in die Debatte zu bringen, obwohl das schwerfällt; das gebe ich zu.
Was ist in Deutschland in den letzten Wochen geschehen? - Ich denke, drei Dinge sind wichtig. Erstens. Die Flüchtlingszahlen haben sich gesteigert und das Tempo der Zuwanderung hat zugenommen. Unsere Aufnahmekapazitäten waren darauf nicht ausgerichtet. Bund, Länder und Kommunen haben lange gebraucht, um zusätzliche Reserven zu mobilisieren, die Verfahren anzupassen, die Finanzierung sicherzustellen. In diesem Prozess befinden wir uns. Das sind objektive Probleme, ohne deren Lösung die Aufnahme der Flüchtlinge tatsächlich nicht gelingt und die Integration noch blockiert ist.
Zweitens. Unter dieser Entwicklung ist die Solidarität unter den europäischen Staaten mehr oder weniger zusammengebrochen. Wir alle hatten uns daran gewöhnt, dass Grenzen verschwunden waren oder keine Bedeutung mehr hatten. Jetzt müssen wir erfahren, dass der Prozess der europäischen Einigung keineswegs so unumkehrbar ist, wie wir es immer glauben wollten.
An dieser Stelle hilft auch keine Interpretation der Verfassung. Unter welcher Auslegung gibt es keine Obergrenze? - Mit einer Interpretation der Verfassung werden wir die Situation nicht ändern.
Wir müssen allesamt, die europäischen Staaten, aber auch Deutschland, im Rahmen der internationalen Politik dafür sorgen, dass die Menschen nicht mehr flüchten müssen, dass die Zuströme geringer werden und dass die Menschen wieder
Ich glaube, dass die Interpretation der Verfassung in der Öffentlichkeit zwischen uns und unter uns nur weitere Auseinandersetzungen und einen verbalen Schlagaustausch schüren wird. Ich glaube, dass das in der gegenwärtigen Situation nicht gut ist.
Beide Prozesse, administrative Schwierigkeiten im Inneren und Verwerfungen auf der europäischen Ebene, sind nun wirklich Dinge, die die Menschen zutiefst verunsichern, weit in alle Bereiche der Gesellschaft hinein.
Das dritte Problem in dieser Situation markiert keine problematische Veränderung, sondern einen bedrohlichen Stillstand. Es hat sich nämlich nichts verändert an dem Rassismus in den Köpfen mancher Menschen. Seit Jahrzehnten zeigen uns alle einschlägigen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen, dass ein Teil der Bevölkerung ein geschlossenes nationalsozialistisches Weltbild hat und dass Fremdenfeindlichkeit ein weit darüber hinausreichendes Potenzial hat. Das ist seit der Wiedervereinigung nicht anders, als es vorher in der alten Bundesrepublik war und, so darf man unterstellen, im Verborgenen auch in der DDR.
Das Problem Fremdenhass war latent immer da - jetzt wird es virulent. Nazis gab es in der Gesellschaft immer. Diejenigen, die sich schon lange in Kameradschaften oder in der NPD dazu bekannt haben, wittern jetzt Morgenluft. Diejenigen, die sich bislang auf ihre bürgerliche Existenz zurückgezogen hatten, gründen AfD-Landesverbände, marschieren für das Abendland oder spielen besorgte Bürger.
Niemand soll sich vormachen, dass es möglich ist, isoliert nur die Gewaltexzesse zu bekämpfen. Es wird nicht reichen, nur Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte oder Angriffe auf Büros demokratischer Parteien zu verurteilen und juristisch zu bekämpfen. Diese Delikte sind von der Hetze nicht zu trennen, die dazu angestiftet hat.
Wer gegen Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihrer Religion hetzt, der nimmt in Kauf, dass sie bedroht und angegriffen werden. Wer dafür plädiert, an der Grenze auf Flüchtlinge zu schießen, der nimmt auch in Kauf, dass Unterkünfte brennen. Was können wir dem entgegensetzen? - Zwei Dinge: einen funktionierenden Staat und eine klare Haltung.
Ja, es ist unverzichtbar, dass alle Verantwortlichen ihre Aufgaben so erledigen, dass die praktischen administrativen Probleme der Flüchtlingsaufnahme geklärt werden und wir vom Krisenmodus zum Volllastmodus übergehen, damit so etwas wie unaufgeregte Normalität entsteht. Bei der Erstaufnahme werden die Voraussetzungen dafür Schritt für Schritt geschaffen, aber mit baulichen Maßnahmen allein ist es leider nicht getan. Es darf nicht so bleiben, dass die ankommenden Flüchtlinge derzeit erst Termine im Sommer nächsten Jahres für die Antragstellung zugeteilt bekommen.
Die Beschleunigung der Verfahren darf dabei auf keinen Fall zulasten der Qualität gehen. Das gehört zusammen. Darin unterstütze ich ausdrücklich die Personalräte des BAMF, die das angemerkt haben.
Meine Damen und Herren! Wir müssen alles daran setzen, dass niemand den Eindruck von Staatsversagen bekommen oder erwecken kann. Das ist elementar wichtig.
kommt es zugleich auf eine klare Haltung gegen die Feinde der Demokratie und gegen den Rassismus an. Diese Aktuelle Debatte ist ein wichtiger Schritt. Es wäre noch überzeugender gewesen, wenn wir es geschafft hätten, dass alle vier Fraktionen die Aktuelle Debatte gemeinsam beantragt hätten.
Ja, meine Damen und Herren, Parteien haben unterschiedliche Ideen dazu, wie die Aufgaben zu bewältigen sind. Menschen haben unterschiedliche Auffassungen dazu, ob und wie das gelingen kann. Dass man dies sagt und darüber diskutiert, zuweilen auch darüber streitet, ist übrigens noch keine Fremdenfeindlichkeit.
Schief und unnötig - das muss ich sagen - sind manche Vergleiche dennoch. Sprache produziert Bilder. Wir, die wir in der Öffentlichkeit stehen - unsere Aussagen, unsere Ausdrücke werden noch ganz anders angesehen und gewertet -, haben eine besondere Pflicht, darauf zu achten, welche Bilder diese Sprache produziert.
Heute ist es so, dass immer, egal zu welchem Thema in der Gesellschaft, auf die Flüchtlingsproblematik Bezug genommen wird. Wenn wir uns heute die „MZ“ anschauen und zwei Kommentare darin zu zwei unterschiedlichen Themen lesen, dann sehen wir das besonders deutlich. Man sieht auch, welchen Generationenkonflikt es in der Gesellschaft gibt.
Eine Studie von Prognos, nach der die Renten nach 2016 nicht mehr steigen werden, ist Auslöser für einen Kommentar mit dem Titel „Ein Fingerzeig“. Darin heißt es: Die Rente werde zukünftig nicht mehr steigen, zu ungewiss sei die Situation am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft, zumal Auswirkungen auf Sozialsysteme vor dem Hintergrund massenhafter Zuwanderung nicht abschätzbar seien. - Das ist latent negativ und bedrohlich. Die Zuwanderung sorgt dafür, dass unsere Sozialsysteme überlastet werden.
Meine Damen und Herren! Das negiert zu 100 % - und das finde ich falsch -, dass wir einen Generationsvertrag haben und Menschen brauchen. Zudem wird unterstellt, dass alle, die hierher kommen, nicht bereit sind, zu arbeiten und ihren Beitrag zu leisten. Deshalb halte ich das für gefährlich.
Ob diese Zuwanderung die Sozialsysteme in dieser Art belasten wird, wissen wir erst, wenn wir überhaupt Integration versucht haben