Deswegen ist es richtig, dass sich viele in diesem Land und auch der Kultusminister kritisch und eindeutig von diesen Äußerungen distanziert haben. Aber die Logik rassistischer Gewalt führt eben dazu, dass er, weil er das getan hat, jetzt selbst zur Zielscheibe von Morddrohungen wird.
Das ist die Logik von rassistischer Gewalt: Angst und Schrecken zu verbreiten, damit wir uns mit Rassismus und Nationalismus nicht mehr auseinandersetzen. Es ist eine Frage des Charakters jedes Einzelnen, der hier sitzt: Wollen wir uns dem beugen oder wollen wir uns dem nicht beugen? - Wir sind der Demokratie und dem Grundgesetz verpflichtet, uns dem nicht zu beugen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen wünsche ich mir in einer solchen Debatte - das sage ich mit aller Deutlichkeit -, dass Politiker ihre Verantwortung wahrnehmen, und zwar nicht in der Art und Weise, wie es der Bundesfinanzminister gerade getan hat. Sein LawinenVergleich impliziert das Bild von Naturkatastrophen, die Menschen bedrohen und gegen die man sich natürlich wehren muss. Dazu sind irgendwann dann auch alle Mittel recht.
- Ja, das hat er nicht gesagt, aber in der Stimmung, in der Situation, in der wir uns befinden, ist es verantwortungslos, so zu reden. Deswegen müssen wir uns auch davon distanzieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
eben keine Stereotypen bedienen. Wir müssen gesicherte Wahrheiten gegen Gerüchte stellen, und wir müssen uns den sozialen Problemen nähern, um die es in unserer Bevölkerung und bei den Flüchtlingen geht.
Das ist die Antwort, mit der wir klarkommen und mit der wir Mehrheiten für Gerechtigkeit, für das Grundgesetz, für Solidarität und für Weltoffenheit gewinnen. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne Zweifel wird es in den nächsten Monaten weiter sehr hohe Flüchtlingszahlen in Deutschland und in Europa geben. Das müssen und werden wir schultern.
Sachsen-Anhalt darf kein Ort werden, in dem Fremdenfeindlichkeit die Oberhand gewinnt. Es gibt viele Beispiele für gelungene Integration und ein beispielhaftes Miteinander von Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung in unserem Land.
Doch wir stellen fest, dass es mit der Zunahme der Zahl der Asylsuchenden auch eine Zunahme fremdenfeindlicher Äußerungen und fremdenfeindlicher Taten gibt. Das dürfen wir nicht zulassen. Dem müssen wir uns entgegenstellen.
Dies habe ich am 23. April dieses Jahres vor diesem Hohen Haus in meiner Regierungserklärung gesagt, die ganz im Zeichen der Herausforderungen angesichts der steigenden Zahl von Asylsuchenden und Flüchtlingen stand.
Ich habe damals deutlich gemacht, dass wir uns erstens dieser Herausforderung stellen und sie bewältigen werden, zweitens, dass SachsenAnhalt ein weltoffenes Land ist, in dem Fremdenfeindlichkeit und Rassismus keine Chance haben, und drittens, dass wir die Integration der Menschen, die zu uns kommen, nur schaffen, wenn wir sie Parteigrenzen übergreifend als gemeinsame Aufgabe aller Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter begreifen. Das hat bisher gut geklappt.
Wir haben bereits im Januar eine erste Konferenz zu asylpolitischen Themen in der Staatskanzlei veranstaltet, in der alle Akteure, auch aus den Kommunen, zu Wort kamen. Vor Kurzem hat es die dritte derartige Konferenz gegeben.
Wir haben eine gemeinsam mit den kommunalen Verbänden bzw. den Kommunen vereinbarte Finanzierung bei der Flüchtlingsbetreuung ermöglicht. 8 600 € stellen wir pro Flüchtling und Jahr den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Verfügung. Zudem prüfen wir mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium im Rahmen einer Arbeitsgruppe die aktuelle Auskömmlichkeit.
Erst in dieser Woche hat das Sozialministerium ein Programm vorgestellt, das der besseren sozialen und Arbeitsintegration von Flüchtlingen und Asylsuchenden dient. 2,4 Millionen € stehen dafür zur Verfügung.
Wir haben eine interministerielle Arbeitsgruppe und Integrationslotsen als Ansprechpartner zur Entlastung der Kommunen eingesetzt. Wir haben eine Landesnetzwerkstelle „Engagierte Nachbarschaft - Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt“ eingerichtet. Um Entscheidungen zu Asyl- und Flüchtlingsfragen schneller umsetzen zu können, tagt im Anschluss an die wöchentlichen Kabinettssitzungen ein Kabinettsausschuss, dem die zuständigen Minister angehören.
Ferner haben wir nach Tröglitz mit einem Erlass des Innenministeriums zum Vollzug des Versammlungsrechts dafür Vorsorge getroffen, dass Versammlungen nicht dazu missbraucht werden, Druck auf einzelne Personen auszuüben und sie in ihren Persönlichkeitsrechten zu beschränken.
Wir haben jedoch auch feststellen müssen, dass die Herausforderungen größer werden und dass sie größer geworden sind als vermutet. Hatten wir im Jahr 2007 rund 600 Asylanträge in SachsenAnhalt zu verzeichnen, so waren es im letzten Jahr bereits 6 600 Asylanträge. Als ich im April zu Ihnen sprach, sind wir von einer Verdopplung dieser Zahl für das Jahr 2015 ausgegangen. Heute wissen wir, dass es am Jahresende mindestens 40 000 Asylsuchende und Flüchtlinge sein werden.
Nicht ohne Grund hat der Bundesgesetzgeber im Laufe des Jahres mehrere Gesetzgebungspakete auf den Weg gebracht, die sich jetzt bei Bund und Ländern in der Umsetzung befinden. Zweifelsohne erreichen wir langsam die Grenze der Leistungsfähigkeit. Das gilt besonders für die vielen ehrenamtlichen Helfer vor Ort. Ohne sie wäre diese Mammutaufgabe nicht zu meistern. Ihnen gilt meine besondere Hochachtung.
Erst am Dienstag haben wir mit der nun bereits sechsten Verleihung des Landesintegrationspreises beispielhaftes Engagement bei der Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen gewürdigt. Erfolgreiche Integration ist mehr als die Registrierung von Asylsuchenden und ihre Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen oder Notquartieren. Integration heißt Bereitstellung von Wohnungen, heißt
Spracherwerb und umfasst auch die Bereitstellung von Plätzen in Kindergärten und Schulen, und es sind perspektivisch auch Arbeitsplätze.
Angesichts dessen müssen wir auch akzeptieren, dass Bürgerinnen und Bürger in unserem Land skeptisch sind, dass sie sich fragen, ob wirkliche Integration für alle, die kommen, möglich ist, und dass sie sich Sorgen um die Zukunft machen. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Das ist, denke ich, eine selbstverständliche politische Herausforderung für uns.
Wir müssen auch damit leben, dass sie diese Zweifel und Sorgen artikulieren, in Leserbriefen, im Internet oder indem sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen. Das macht das Wesen der Demokratie aus, das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Wie hat es die englische Schriftstellerin Evelyn Beatrice Hall vor rund 100 Jahren so schön formuliert: „Ich verachte Ihre Meinung“ - ich zum Beispiel die aller Extremisten - „aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“
Natürlich mag manches, was an Ängsten geäußert wird, absurd sein; doch wir sollten der Versuchung widerstehen, bei jeder Kritik sofort eine rechtsextreme Einstellung zu vermuten.
Wenn wir dies nämlich undifferenziert tun, dann betreiben wir damit die effektivste Wahlwerbung für Parteien, die bislang in diesem Haus nicht vertreten sind.
Ich sage ausdrücklich - Herr Gallert, darin besteht durchaus Konsens -: Trotzdem gibt es eine ganz klare politische Grenze, deren Überschreitung wir nie zulassen dürfen. Es gibt eine Tabuzone und man muss den Bürgerinnen und Bürgern das auch sagen, dass wir für einige Dinge kein Verständnis haben, weil wir ausreichend Erfahrung aus der deutschen Geschichte haben, um zu beurteilen, was in einer Demokratie geht und was nicht geht.
Trotzdem müssen wir differenziert mit bestimmten Phänomenen umgehen, damit wir sie politisch bewältigen und uns als Demokraten an dieser Stelle Gehör verschaffen.
Natürlich gibt es einen harten Kern von Extremisten und Rechtsextremisten, die versuchen, insbesondere aus der gegenwärtigen Situation Kapital zu schlagen. So hat es Übergriffe und Beleidigungen gegenüber Flüchtlingen, ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Engagierten und uns Politikern ge
geben, zum Beispiel gegen Mitglieder der Landesregierung und des Landtages. Das ist in keiner Weise hinzunehmen, muss aufgeklärt und mit aller Härte verfolgt werden. Ja, rechte Gewalt darf nicht toleriert werden.
Allerdings ist rechte Gewalt kein Freibrief für linke Gewalt. Ich sage das klipp und klar. So hätte ich mir von der Fraktion DIE LINKE gewünscht, dass sie in dieser Frage klar Position bezogen und das in dem heute zur Diskussion stehenden Antrag zum Ausdruck gebracht hätte.
Ich hätte es gut gefunden, wenn wir uns unter dem Stichwort „Keine Toleranz gegenüber Rassismus und Gewalt“ gemeinsam hätten auf einen Antrag verständigen können, unabhängig davon, dass es legitim ist, wenn eine einzelne Fraktion das thematisiert und wir diesen durchaus in großen Teilen im Konsens laufenden Diskussionsprozess in Gänze hätten führen können.
Eines ist klar: Das Gewaltmonopol in unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung hat allein der Staat und sonst niemand.
Machen wir uns nichts vor! Es hat in dieser zugespitzten Lage auch Gewalt gegen Personen und deren Eigentum gegeben, die im politischen Spektrum rechts verortet sind, ohne dass sie rechtsextrem oder gar Nazis wären. Auch solche linke Gewalt ist inakzeptabel.
So ist der offensichtlich linksextreme Brandanschlag gegen eine Familie in Sachsen-Anhalt und ihr Unternehmen nicht hinnehmbar. Wir tun uns wahrlich keinen Gefallen, solche Gewalt zu verschweigen oder zu verharmlosen, weder in der Politik noch in den Medien.
Doch es gibt auch eine subtilere Form von Gewalt, nämlich Hetze, wie wir sie vor allem im Internet und in sozialen Netzwerken erleben. Es erfüllt mich mit Abscheu, was dort teilweise geäußert wird. Doch auch hier meine ausdrückliche Bitte: Werfen wir nicht die, die einfach nur Kritik an der Umsetzung der Asylpolitik üben, und zwar oftmals an den technischen Umsetzungsprozessen, mit denen in einen Topf, die auf übelste Weise generell gegen Flüchtlinge hetzen.