Protokoll der Sitzung vom 26.01.2016

Meine Damen und Herren! Ich beabsichtigte die Sitzung zu eröffnen und bitte Sie, die Plätze einzunehmen, damit wir ordnungsgemäß anfangen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 105. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie alle im Hause ganz herzlich begrüßen.

Ich darf - das ist wichtig für das Protokoll - die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen. - Ich bitte Sie, den Schallpegel etwas zu senken.

Mir liegt eine Entschuldigung von Mitgliedern der Landesregierung vor. Minister Herr Dorgerloh entschuldigt sich heute ganztägig wegen der Teilnahme an einer Delegationsreise zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau anlässlich dessen 71. Jahrestages der Befreiung.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir schon zur Tagesordnung. Auf Verlangen von 31 Abgeordneten habe ich gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Verfassung des Landes SachsenAnhalt in Verbindung mit § 55 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung den Landtag außerhalb des durch den Ältestenrat beschlossenen Sitzungsplanes zu einer Sitzung einberufen.

Wie in der Sitzung des Ältestenrates am 21. Januar 2016 vereinbart, wird in der heutigen Sitzung des Landtages die erste Beratung des Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes durchgeführt. Das ist der einzige Tagesordnungspunkt, den wir heute zu behandeln haben. Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht, meine Damen und Herren. Dann werte ich das als Zustimmung zur Tagesordnung.

Nach dem festgelegten Zeitplan würden wir nach einer Stunde fertig sein. Aber wir haben ja nach hinten noch etwas Luft.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den einzigen Tagesordnungspunkt auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes

Gesetzentwurf Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4728

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE. Herr Gallert, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es musste fast das Ende der Legislaturperiode erreicht sein, um eine Sondersitzung dieses Hohen Hauses zu beantragen, eine Sondersitzung, die nur einen einzigen Tagesordnungspunkt zum Gegenstand hat, die aber natürlich auch etwas mit dem Ende der Legislaturperiode zu tun hat.

Worum geht es? - Es geht um ein inhaltliches Thema. Dieses inhaltliche Thema heißt: Kosten der Kinderbetreuung und die Belastung der Eltern in diesem Zusammenhang. Dann gibt es heute ein ganz großes zweites Thema. Dieses zweite Thema lautet: Glaubwürdigkeit von Politik.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Kommen wir zum ersten Thema, der Belastung der Eltern im Kontext der Kinderbetreuung. Fakt ist, dass wir seit einigen Monaten Zeuge einer Entwicklung sind. Diese Entwicklung wird dadurch gekennzeichnet, dass wir es in großen Teilen des Landes mit deutlichen Steigerungen der Elternbeiträge für die Kinderbetreuung zu tun haben. Dadurch werden Diskussionen und Proteste ausgelöst und es finden intensive Debatten in den zuständigen kommunalen Gremien dazu statt.

Wir sehen, dass die Ursachen dafür, dass Eltern durch kommunale Entscheidungen deutlich höher belastet werden, offensichtlich nicht nur und ausschließlich in einer einzelnen Kommune liegen, sondern dass es landesweit Strukturen und Probleme geben muss, die dazu führen, dass immer mehr Gemeinden nach und nach dazu gezwungen werden, die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung anzuheben. So weit dürfte in diesem Hohen Haus noch Einigkeit herrschen. Wir können viel und lange über die Ursachen für diese Entwicklung reden. Auch diesbezüglich dürfte bei vielen Einigkeit herrschen, bei einigen möglicherweise nicht.

Die erste Frage, die uns immer wieder gestellt wird, lautet: Waren die zusätzlichen Landesmittel mit der Novelle zum Kinderförderungsgesetz noch ausreichend für die entsprechende Erhöhung der Qualitätsstandards? - Das ist eine interessante Frage, über die wir zweieinhalb Jahre gestritten haben und möglicherweise auch noch weitere drei Jahre streiten werden, ohne dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode zu einem wirklich befriedigenden konsensualen Ergebnis kommen werden.

(Minister Herr Bullerjahn schüttelt den Kopf)

- Der Finanzminister schüttelt entsprechend seiner Funktion natürlich den Kopf; klar. Das ist aber auch keine Antwort auf diese Frage.

Wir haben andere Dinge, die möglicherweise dazu führen, dass die Kosten in diesem Bereich immer deutlicher steigen und zu einem immer größeren

Teil auf die Eltern umgelegt werden. Wir haben eine intensive Debatte darüber, ob die Pauschalen bzw. die entsprechenden Entgelte in der Kinderbetreuung durch die letzte Gesetzesnovelle nach oben getrieben worden sind. Dafür gibt es eine Reihe von Indizien. Aber auch darüber kann man streiten.

Wir haben einen dritten Grund. Dieser dritte Grund ist in deutlicher Klarheit von uns als Fraktion immer benannt worden. Dankenswerterweise hat dies in der Dezember-Sitzung auch die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion getan. In dem Augenblick, in dem die Landeszuschüsse an die kommunale Ebene - die nämlich Träger der Kinderbetreuung ist - ständig weiter abgesenkt werden, wird diese dazu gezwungen, ihre eigenen Finanzierungsanteile immer stärker zu reduzieren und die Kosten auf die Eltern umzulegen.

All diese Dinge sind Kostentreiber im Bereich der Elternbeiträge. Wir müssen in aller Deutlichkeit einschätzen, dass diese Kostensteigerung ein Ausmaß erreicht hat, das nicht mehr sozialverträglich ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Jetzt gibt es die verschiedensten Vorschläge dazu, wie man dieser Situation Herr werden kann. Beispielsweise soll das letzte Kindergartenjahr kostenfrei sein. Oder wir begrenzen die Elternbeiträge auf die Höhe des Kindergelds.

Wir haben bei diesen ganzen Debatten nur ein Problem zu berücksichtigen: Wir als Landespolitiker können überhaupt nicht versprechen, welche Begrenzung es in diesem Bereich gibt, weil wir nicht diejenigen sind, die die Höhe der Elternbeiträge festlegen. Es sind die Kommunen, die diese Elternbeiträge festlegen.

(Frau Weiß, CDU: So ist es!)

Wenn wir als Landespolitiker glaubwürdig sein wollen, dann können wir den Menschen nicht versprechen, dass das letzte Kindergartenjahr demnächst kostenfrei sein wird, und wir können ihnen auch nicht versprechen, dass der Elternbeitrag nicht höher als 190 € sein wird. Glaubwürdigkeit erlangen wir dadurch, dass wir die Kommunen in die Lage versetzen, diesen Anstieg zu begrenzen bzw. zu stoppen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wenn wir das anders machen wollen, dann brauchen wir die grundsätzliche Umstellung des gesamten Systems. Wer das immer noch nicht verstanden hat, der schaue sich bitte den Spruch den Landesverfassungsgerichts zu den Auswirkungen

der 50:50-Regelung im Bereich der Konnexität, die im Zuge der letzten Novelle in das Gesetz aufgenommen wurde, an. Dann wird endgültig klar, dass wir keinen direkten Durchgriff in das System machen können.

Es sei denn, wir stellen dieses System völlig auf den Kopf oder kreieren ein völlig anderes System. Das Einfachste wäre, sämtliche Kindertagesstätten in die Landesträgerschaft zu übernehmen. Das ist für uns kein Weg. Dann könnte man das natürlich machen. Aber vorher wird alles extrem schwierig.

Jetzt haben wir die unbefriedigende Situation, dass wir landespolitisch die Verantwortung haben, aber kaum die Möglichkeit, direkt und unmittelbar per Gesetz festzulegen, wie hoch die Elternbeiträge sind. Die einzige Möglichkeit ist, den kommunalen Strukturen Luft zum Atmen zu geben, um die Beiträge, die sie den Eltern jetzt abverlangen, durch Eigenmittel zu substituieren und damit zumindest den Anstieg der Elternbeiträge zu stoppen. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir im bisherigen System haben.

Unser Vorschlag war und ist, den Kommunen wenigstens die Mittel aus dem Betreuungsgeld, die wir vom Bund bekommen, zur Verfügung zu stellen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, in einem ersten Schritt eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge zu vermeiden. Das ist der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt.

Jetzt sagen natürlich viele, das sei nicht genug Geld. - Nein, genug ist es nie. Aber in einem ersten Schritt können wir zumindest den Betrag von 9 Millionen €, der jetzt dafür zur Verfügung steht, den Kommunen für diesen Zweck überweisen. Wenn die Kommunen dieses Geld auf die Kindergarten- und Krippenkinder konzentrieren, dann könnten die Eltern immerhin jährlich um 100 € entlastet werden. Das ist nicht viel, aber es ist mehr als gar nichts. Und es wäre ein wichtiges Zeichen an die Eltern, dass wir sie nicht allein lassen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Eigentlich ist es völlig unnötig, dass ich das hier alles noch sage. Denn eigentlich hat dieser Landtag zweimal einen Beschluss gefasst, der genau das beinhaltet.

(Herr Schröder, CDU: Richtig!)

Im Oktober hat der Landtag folgenden Beschluss gefasst:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die aus dem Bundeshaushalt für das Betreuungsgeld eingeplanten und in das Land Sachsen-Anhalt fließenden Mittel für

die Verbesserung im Bereich der Kindertagesstätten einzusetzen.“

Im Dezember:

„Die Landesregierung ist aufgefordert, die auf Sachsen-Anhalt entfallenden Mittel des Betreuungsgeldes des Bundes zur Entlastung der Eltern bei den Kostenbeiträgen einzusetzen.“

Es herrscht also Konsens in diesem Haus, dass es passieren soll? - Nein, den gibt es nicht. Wenn in diesem Punkt Konsens herrschen würde, dann wäre heute klar, dass unser Gesetzentwurf eine Mehrheit bekommt, und zwar sofort, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Da werden in der Öffentlichkeit Nebelkerzen gezündet. Es heißt, es sei überhaupt kein Gesetz mehr nötig; dieses Geld fließe ohnehin. Ich frage mich, Herr Schröder, haben Sie die Landeshaushaltsordnung überhaupt einmal in Ihrem Leben gelesen. Sie können dieses Geld nur an die Kommunen weitergeben, wenn Sie dazu ein Gesetz verabschieden. Hierbei hilft kein Beschluss des Finanzausschusses und auch keine Rücklage des Finanzministers. Nur mit diesem Gesetz fließt das Geld. Erst wenn dieses Gesetz verabschiedet sein wird, fließt dieses Geld. Und es muss jetzt fließen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Schröder, CDU: So, wie wir das zur Mitte des Jahres verabredet haben!)

Wir haben im Interesse der CDU-Fraktion bei diesem Gesetzentwurf auf alle unsere Forderungen verzichtet. Die Kollegen der CDU-Fraktion haben gesagt, für das Jahr 2017 machen sie das nicht mit, für das Jahr 2018 auch nicht; dann wollen sie andere Vorstellungen realisieren.

(Herr Schröder, CDU: So ein Klamauk!)

Deshalb haben sich die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darauf verständigt, die Jahre 2017 und 2018 herauszustreichen und sich auf das Jahr 2016 zu konzentrieren. Das ist das, was hier Konsens gewesen ist. Was höre ich heute? - Nein, man will es nicht.