Ich betrachte auch mit Sorge, dass die demografischen Besonderheiten unseres Landes in den Verordnungsentwürfen gegenwärtig noch nicht ausreichend berücksichtigt sind. Dies müssen wir bei der Programmierung aufgreifen. An dieser Stelle muss nachgebessert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wesentlicher Hemmschuh für die Akzeptanz der europäischen Union und der europäischen Entwicklung - Kollegin Budde hatte darauf hingewiesen - ist die Wahrnehmung Europas als ein bürokratisches, unflexibles eigenständiges System. Ich habe auch schon einmal den Begriff „Raumschiff Brüssel“ gehört.
Wenn in einem Gutachten konstatiert wird, dass der Anteil der abgeflossenen Mittel selbst zur Halbzeit einer Förderperiode nicht mehr als 15 % beträgt, dann trägt das nicht dazu bei, mehr Vertrauen in die Handlungen der Europäischen Kommission und in die Verwaltung der Strukturfonds zu gewährleisten. Es muss daher gerade im Zuge eines glaubwürdigen Miteinanders in Europa und in den Verhandlungen mit der EU unser aller Interesse sein, dass der Mittelabfluss vor Ort im Rahmen der jeweiligen Prioritätenachsen schnell und unbürokratisch erfolgt.
Vor dem Hintergrund auslaufender Finanztransfers bis zum Jahr 2020 ist es ein wesentliches Ziel, die Effektivität und Effizienz der vorhandenen Fonds weiterhin zu stärken. Ich bin mir sicher, dass es gelingen wird, auch in der neuen Förderperiode eine ausgewogene Entwicklung der Regionen in Sachsen-Anhalt zu gewährleisten.
Staatsminister Robra hat in den Verhandlungen mit den Vertretern der Kommission bereits erreicht, dass es ein sogenanntes Sicherheitsnetz für die Regionen geben soll, die aus statistischen Gründen aus der nächsthöheren Förderstufe herausfallen. Wir müssen alles daransetzen, in der kommenden Förderperiode die überwiesenen Mittel mit einem langfristigen Effekt und mit dem größtmöglichen Nutzen einzusetzen.
Wir wissen, dass es ab dem Jahr 2020 weder Mittel aus dem Solidarpakt noch Hilfen der Europäischen Union für Sachsen-Anhalt geben wird. Deswegen muss es die zentrale Herausforderung für unsere Landespolitik sein, spätestens im Jahr 2020 auf eigenen Füßen zu stehen und damit auch gehen zu können. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Landesregierung dieser zentralen Herausforderung bewusst ist und dass sie diese Herausforderung beherzt annehmen wird.
Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, können sich auf die Unterstützung unserer Fraktion und, so denke ich, auch die der Koalition verlassen. Sachsen-Anhalt als zentrales Land in Europa muss sich nicht kleiner machen, als es ist. Die Ergebnisse der ländervergleichenden Innovationsrankings zeigen, dass wir über große Entwicklungspotenziale verfügen. Besinnen wir uns auf diese Potenziale, stärken wir sie gezielt.
Es wird einen härteren Wettbewerb um hochqualifiziertes Fachpersonal geben. Der Bundesrat hat mit seinen Entscheidungen am vergangenen Frei
tag den Weg zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen frei gemacht. Ich möchte die Aussprache zur Regierungserklärung nutzen, zumindest darauf hinzuweisen.
Die Stichworte Lohnuntergrenze und Binnenmarkt sind bereits genannt worden. Ich denke, es gehört dazu, die Frage des Fachkräftepotenzials anzusprechen. Wir müssen offen darüber reden, die Bedingungen für ausländische Fachkräfte in unserem Bundesland zu verbessern und rigide Vorgaben im Arbeitsmarkt zu überdenken. Eine Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften ist nötig, um tendenziell rückläufige Bevölkerungszahlen auszugleichen, zumindest aber um Wirtschaft und Wohlstand zu sichern.
Ich denke in diesem Zusammenhang an Vorgaben wie die, dass ein ausländischer Akademiker als Berufseinsteiger ein Bruttogehalt in Höhe von 66 000 € nachweisen muss, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu erhalten. Dass das an der Realität in Sachsen-Anhalt weit vorbeigeht, brauche ich nicht zu erläutern.
Es war auch ein gutes Zeichen, dass die Koalition auf der Bundesebene am vergangenen Sonntag zu weiteren Schritten bei diesem Thema gefunden hat und dass die Verdinestgrenze für ausländische Fachkräfte auf 48 000 € gesenkt wird. Das wird sich auch für Sachsen-Anhalt als positiv erweisen, wenn es uns gelingt, die Chancen zu nutzen.
Der Anteil der Studierenden aus den alten Bundesländern und aus dem Ausland an hiesigen Hochschulen wächst kontinuierlich. Darin liegt ein riesiges Potenzial, ein Jungbrunneneffekt für unser Land.
Ausländische Mitbürger sollten auch bei der Unternehmensgründung nicht unnötig beeinträchtigt werden. In diesem Bereich gibt es zum Beispiel den Hemmschuh, wonach mindestens 250 000 € aufgebracht und mindestens fünf Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Wie Sie wissen, verfügen 77 % der Unternehmen in Deutschland, also die große Mehrheit, über weniger als neun Mitarbeiter. Vor allem im strukturschwachen SachsenAnhalt wäre es sicherlich günstiger, wenn man zarte Wachstumspflänzchen besser gedeihen lässt und zu anderen Regelungen kommt.
Die Frage Europa - lassen Sie mich das zum Abschluss sagen - ist in der medialen Auseinandersetzung nicht nur Krise. Die Mediendemokratie nähert eher den Verdacht, dass Politik im Hamsterrad des Tagesgeschäftes verharrt. Europa ist für mich als Landespolitiker immer eine politische Vision gewesen, an der viele Politikergenerationen seit Jahrzehnten arbeiten.
Insofern ist das gemeinsame Haus Europa auch ein Symbol dafür, dass Politik mehr als nur Tagesgeschäft ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sachsen-Anhalts gute Zukunft in Europa nur durch
Vielen Dank, Herr Kollege Schröder. - Wir schließen die Beratung zu Tagesordnungspunkt 1. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst.
Bevor wir die Debatte zum nächsten Tagesordnungspunkt eröffnen, möchte ich Schülerinnen und Schüler der Altenpflegeschule Sangerhausen herzlich in diesem Haus begrüßen. Willkommen!
Ich war der Zeit voraus. Entschuldigung. Wir begrüßen ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Haldensleben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie heute diese Regierungserklärung zur Reform der Strukturfonds auf die Tagesordnung haben setzen lassen. Denn wir haben im Landtag selten Gelegenheit, an einer so prominenten Stelle über das Thema Europa zu diskutieren, obwohl es auch für die Menschen im Land Sachsen-Anhalt immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Auch will ich ergänzen, dass ohne Ihre Regierungserklärung der Tagesordnungspunkt, den wir jetzt behandeln, und der Antrag der Koalitionsfraktionen nicht an dieser relativ prominenten Stelle auf der Tagesordnung gestanden hätten. Insofern herzlichen Dank, dass Sie dazu beigetragen haben, dass wir das Thema Europa an so prominenter Stelle diskutieren.
Ich will einen kleinen Hinweis zu dem geben, was Herr Schröder sagte. Er hat von Jugendsünden des Landes Sachsen-Anhalt vom vierten bis zum zwölften Lebensjahr geredet. Mir fallen aus den
ersten vier Lebensjahren und aus den Lebensjahren von zwölf bis 16 Jahren ebenfalls Jugendsünden ein. Aber heute ist der falsche Zeitpunkt, über die Jugendsünden der letzten 20 Jahre zu diskutieren.
Viele grundsätzliche Dinge sind bereits in der vorangegangenen Debatte angesprochen worden. Deswegen brauche ich auf viele Grundsatzfragen der EU-Strukturpolitik nicht einzugehen, sondern ich kann mich relativ eng an die Vorgaben des gemeinsamen Antrages der Koalitionsfraktionen halten.
Wer das Thema Strukturpolitik verfolgt, hat sicher auch den Artikel in der „Volksstimme“ vom 8. November 2011 gelesen. Danach gab es von zwei Kommissaren, nämlich von Herrn Andor und von Herrn Hahn, positive Signale, die darauf zielen, dass die Kategorie der Übergangsregionen in Sachsen-Anhalt bereits in Brüssel akzeptiert ist. Dies haben der Ministerpräsident und andere Redner bereits gesagt.
Wer sich ein wenig mit dem Thema Strukturfonds beschäftigt hat, wird gemerkt haben, wie komplex dieses Thema ist und wie viele Partner daran beteiligt sind. Das ist die Europäische Kommission, das ist der Bund, das ist die Landesregierung, das sind die Wirtschafts- und Sozialpartner, aber das ist auch der Landtag.
Mit unserem Antrag wollen wir die Rolle des Landtages unterstreichen, und wir möchten rechtzeitig bzw. sehr zeitig darauf hinweisen, welche Wünsche wir an die Landesregierung haben. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, dass Sie schon vorab im Namen der Landesregierung die Zusage gegeben haben, uns in diesem Verfahren zu informieren. Aber ich gehe davon aus, dass Sie uns auch daran beteiligen werden.
Obwohl wir uns noch mitten in der Förderperiode befinden, die bis zum Ende des Jahres 2013 andauert, ist die Vorbereitung auf die neue Strukturfondsperiode bereits in vollem Gange. Im Februar gab es den Kohäsionsbericht der Europäischen Kommission und das 5. Kohäsionsforum in Brüssel, das sich vor allem mit der Auswertung der laufenden Strukturfondsperiode befasst hat.
Wir haben danach, im Juni 2011, die finanzielle Vorausschau der Europäischen Kommission bekommen. Diese finanzielle Vorausschau ist die Grundlage für das, was wir im Land Sachsen-Anhalt und in anderen Fördergebieten tatsächlich an Geld bekommen werden.
Da gibt es noch viele Unklarheiten. Die Frage ist: Wie hoch sind die Eigenmittel? Welche Möglichkeiten sind für Eigenmittel da? Gibt es eine eigene EU-Steuer? Und: Wie hoch ist die Grenze der EUMittel anhand des Bruttoinlandsprodukts anzusetzen? - Da wird es noch erhebliche Diskussionen
Wir haben im Oktober die Vorschläge der Kommission für die Fondsverordnungen bekommen; auch dies wurde erwähnt. Hier gibt es schon einige Hinweise, in welche Richtung es gehen könnte. Aber ob diese Fondsverordnungen so durchgehen, wie sie jetzt vorgeschlagen sind, wird sich zeigen. Die Erfahrung lehrt, dass es noch erhebliche Änderungen geben wird.
Wir haben bis zur Mitte des Jahres 2012 die Verhandlungen über diese Themen im Europäischen Rat und mit dem Europäischen Parlament, sodass erst ab Mitte 2012, wenn der Zeitplan so gehalten wird, weitere Klarheit herrschen wird, wie es mit der Förderpolitik danach weitergehen wird.
Die Programmplanungsdokumente sollen im Jahr 2013 verabschiedet werden. Aber diese Zeitschiene ist auch in der Vorbereitung der letzten Strukturfondsperiode nicht eingehalten worden. Da ist es nicht gelungen, in Abstimmung zwischen den Nationalstaaten, der Kommission und dem Parlament rechtzeitig alle Dokumente und alle entsprechenden Grundlagen zu schaffen.
Daher kann es auch diesmal sehr gut möglich sein - was ich nicht hoffe -, dass erst mit Beginn der Programmperiode die Fondsverordnungen als rechtsgültiger Akt vorliegen. Aber wie gesagt, das ist ein Szenario, das eher aus der Praxis erklärt werden kann, das aber, wie ich hoffe, so nicht eintreten wird.
Zu unserem Antrag im Konkreten. Wir haben unter Punkt 2 einige Dinge aufgeführt, die für uns in der Berichterstattung und in der Mitwirkung besonders wichtig sind. Diese Aufzählung ist nicht abschließend; das sagt auch das Wort „insbesondere“. Wir wollen auf einige Punkte hinweisen, aber es ist natürlich den mitberatenen Ausschüssen unbenommen, sich ihre Schwerpunkte herauszusuchen und die Dinge in die Diskussion einzubringen, die aus ihrer Sicht wichtig sind.
Wir haben einige Dinge, die uns wichtig sind, aufgeschrieben. Der eine Punkt ist der der abgesenkten Förderung für den Bereich Halle. Hierzu gab es beim Besuch des Europaausschusses in Brüssel einige Unklarheiten, weil es unterschiedliche Aussagen aus Kommissionsdienststellen gab. In der letzten Europaausschusssitzung ist das angesprochen worden.
Ich habe bei Herrn Minister Robra nachgefragt, und er hat - natürlich - das bestätigt, was der Ministerpräsident gesagt hat, nämlich dass der Vertreter GD Regio seine Aussage korrigiert hat, dass es auch zukünftig unterschiedliche Förderungen geben wird. Das ist, wenn das schon zum heutigen Zeitpunkt klar ist, eine sehr wichtige Aussage auch für unsere weitere Arbeit: dass das Land Sachsen
Anhalt zukünftig, ab 2014 als einheitliches Fördergebiet betrachtet wird. Diese Irritation ist zum Glück ausgeräumt worden.
Wir haben einige besonders wichtige Ziele formuliert: Das ist die Europa-2020-Strategie, die demografische Entwicklung, das Thema Subsidiarität, Kofinanzierungsmittel, die das Land bereitstellen muss, und auch die Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt.