Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Vielen Dank, Herr Barthel. - Jetzt hat sich der Fraktionsvorsitzende der CDU gemeldet. Bitte schön.

Nur kurz ergänzend zu den Ausführungen des Kollegen Barthel. Weil Herr Erdmenger mich zitiert hat, möchte ich mich noch einmal in aller Deutlichkeit zu der Frage äußern: Gibt es denn überhaupt eine VE? Denn das war die erste Unterstellung der Fraktion DIE GRÜNEN, dass das durch Verpflichtungsermächtigungen überhaupt nicht abgedeckt sei.

Da es bundesweit ein sehr unterschiedliches Verfahren in Bezug darauf gibt, hierbei mit Verpflichtungsermächtigungen zu arbeiten, habe ich mir den Hinweis erlaubt, dass das Volumen des Elek

tronetzes Nord bereits durch bestehende Verpflichtungsermächtigungen abgedeckt wäre, dass es aber dem Transparenzgebot entspricht, hierbei, wie es die Landesregierung getan hat, auch eine entsprechende VE, bezogen auf die konkrete SPNV-Leistung, auszubringen.

Würde der Landtag mit dem Nachtragshaushalt nicht diese VE beschließen, wäre der Vertragsunterzeichnung Elektronetz Nord kein Abbruch getan. Wir hätten aber für weitere wettbewerbsrechtliche und von uns allen gewollte Vergabeverfahren, zum Beispiel zum Straßenbahnnetz Mitteldeutschland als zweitem Ausschreibungspaket, keine VE.

(Zuruf von der SPD: S-Bahn-Netz!)

- S-Bahn-Netz. Was habe ich gesagt? - Entschuldigung.

Wir hätten dann beim S-Bahn-Netz Mitteldeutschland, zweite Stufe, und beim Saale-ThüringenSüdharz-Netz - alles Vergabeverfahren, die jetzt weiter in der Vorbereitung sind - natürlich nicht die Abdeckung durch Verpflichtungsermächtigungen. Es ist also eine komplexe Materie, über die man gut informiert sein sollte, bevor man die große Keule auspackt.

Vielen Dank, Herr Schröder. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion der SPD spricht jetzt die Kollegin Niestädt. - Nein, Entschuldigung, ich habe einen übersprungen. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt der Kollege Herr Erdmenger. Bitte schön, Herr Erdmenger. Das gibt eine Minute zusätzlich.

Toll! - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute über den Nachtragshaushalt in seiner Gänze, nicht nur über die Nahverkehrsverträge, auch wenn das - das wird Sie nicht wundern - den Schwerpunkt meiner Rede bilden wird.

Zunächst zum Nachtragshaushalt: Es gibt hier einige notwendige Anpassungen, die von der Regierung vorgestellt und auch vorgenommen wurden. Bei dem Nachtragshaushalt waren einige Kröten zu schlucken, da Ausgaben von den kommenden Jahren in die Verschuldung dieses Jahres verschoben wurden; auch das haben wir ausführlich erörtert.

Dass sich die Koalition über die Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu der Anlage des Grundwasserfonds hinweggesetzt hat, bedauere ich persönlich, bedauert meine Fraktion sehr. Darüber, dass es sich nicht um einen Sparhaushalt handelt, sind wir uns, glaube ich, auch einig.

DIE LINKE hat, wie ich finde, in den Ausschussberatungen eindrucksvoll gezeigt - die Anträge liegen heute vor -, dass eine stärkere Absenkung der Neuverschuldung möglich gewesen wäre. In diesem Sinne kann man sagen: Gut, die Koalition ist dafür, die Opposition hat kritische Stimmen. Man könnte diesen Nachtragshaushalt heute mit den Stimmen der Koalition und bei Gegenstimmen der Opposition beschließen.

Aber ein ganz unscheinbares Häppchen im Nachtragshaushalt stellt sich nun als ein Happen heraus, der für die Gesundheit unseres Landes schlecht sein könnte. Dieses unscheinbare Häppchen ist die eine Zeile, in der es darum geht, die Verpflichtungsermächtigungen zu erhöhen.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, dass diese Zeile im Nachtragshaushalt nicht erläutert wird und dass es auch an keiner anderen Stelle eine schriftliche Erläuterung dazu gegeben hat. Vielmehr wurde dem Finanzausschuss erstmals am letzten Freitag eine schriftliche Erläuterung dazu vorgelegt, wozu die Erhöhung dieser Verpflichtungsermächtigung dienen soll.

Herr Barthel, ich möchte ausdrücklich zurückweisen, dass es mir mit meinen Ausführungen nur um eine öffentliche Effekthascherei ginge. Sie wissen so gut wie ich, dass ich lange vorher angesprochen habe, dass ich hierin Probleme sehe - das habe ich auch im Ausschuss angesprochen, sogar am letzten Montag noch einmal - und dass dies im Ausschuss nicht den entsprechenden Widerhall gefunden hat.

Jetzt sehen wir uns einmal an, worum es bei dieser Verpflichtungsermächtigung geht. Dabei geht es doch nicht um irgendeinen Vertrag, sondern es geht darum, dass das Land einen Nahverkehrsvertrag aus dem Jahr 2002 verlängern möchte. Alle, die sich an die Zeit damals und an die Verträge erinnern, wissen, dass das keine normalen wettbewerblichen Verträge waren, die damals zustande gekommen sind. Dieser Vertrag soll verlängert werden, ohne in einen Wettbewerb zu treten, wie es damals vehement gefordert wurde.

Ökonomisch wird uns jetzt vorgeführt, dass gegenüber diesem damals unvorteilhaften Vertrag gerade einmal 10 Millionen € für einen Zeitraum von vier Jahren, also insgesamt 40 Millionen €, eingespart werden. Das soll die Begründung dafür sein, dass wir sagen: Ökonomisch wäre auf gar keinen Fall mehr drin gewesen; weil es - angeblich - eine vorteilhafte Gelegenheit ist, wäre es uns in jedem Fall teurer gekommen, wenn wir diese Chance nicht ergriffen hätten. Das zu glauben, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, fällt mir wirklich schwer. Ich glaube, das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen, wir haben eine bundesweite Diskussion rund um die Frage: Müssen wir alle Verträge

im Wettbewerb vergeben oder nicht? - Der Bundesgerichtshof hat dazu eine aus meiner Sicht eindeutige Entscheidung gefällt. Er hat den Spielraum dafür sehr eng gefasst, dass man zum Beispiel Verträge, die bald ablaufen, verlängern kann, ohne eine Ausschreibung zu machen.

Wir wissen auch: Es gibt Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Bayern, die den Weg konsequent weitergehen, diese Verträge im Wettbewerb zu vergeben. Diese Bundesländer sind nach wie vor in der Lage, sogar auf der Basis ihrer schon im Wettbewerb vergebenen Verträge jetzt noch bessere Konditionen einzuholen. Vor diesem Hintergrund zu sagen, wir schreiben lieber nicht aus, sondern wir nehmen - ich übersetze das einmal so - lieber den Spatz in der Hand als diese Taube auf dem Dach, die vielleicht mit dem Wettbewerb kommt, ist kein ökonomisch sauberes Vorgehen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich möchte es uns hier im Hause ersparen, den juristischen Sachverhalt zu erörtern. Damit könnten wir bestimmt viel Zeit verbringen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass meine juristische Einschätzung nach Rücksprache mit dem GBD und nach Rücksprache mit dem Landesrechnungshof zustande gekommen ist. Meine juristische Einschätzung sagt eben nur: Ich bezweifle die Begründung, die die Regierung hat. Das heißt nicht, dass ich - ich glaube, das kann auch niemand anders hier im Hause - mich zum Richter aufschwingen und sagen würde: Das wäre das Gerichtsurteil. Aber die juristische Begründung, dass es daran Zweifel geben kann, wenn so gewichtige Institutionen dagegen sprechen, ist, glaube ich, nachvollziehbar.

Viel gewichtiger ist doch die politische Seite. Wir mussten feststellen, dass die Landesregierung parallel zu dem von uns vorgenommenen Verfahren bereits am 30. November 2011 den Vertrag unterschrieben hat und uns am 8. Dezember 2011 ein Schreiben vorlegt hat, in dem steht, dass die Verpflichtungsermächtigung, die Grundlage dieses Vertrages ist, Teil dessen sei, was wir heute mit dem Nachtragshaushalt beschließen würden.

Damit wird das Parlament in die Lage versetzt, nur das nachvollziehen zu können, was die Regierung schon an Fakten geschaffen hat. Ich glaube, dass das politisch nicht hinzunehmen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Ich möchte mit Zitaten aus der „Volksstimme“ schließen - es ist gut, dass ich von Herrn Miesterfeldt eine Minute dazubekommen habe -:

„Landesrechnungshofpräsident … kritisiert: ‚Der Vorgang ist ungewöhnlich und außergewöhnlich.‘ Das Budgetrecht des Landtags sei verletzt worden, weil es ohne Ermächtigung Festlegungen für Jahre gebe.“

„Die CDU-Opposition im Landtag von Sachsen-Anhalt hat gestern den Rücktritt des Verkehrsministers … gefordert.“

(Zuruf von der CDU: Und?)

Sie merken schon: Dieses Zitat ist aus der „Volksstimme“ vom 28. März 2002. Die Opposition im Landtag war damals die CDU. Der Landesrechnungshofpräsident war Herr Schröder.

Dagegen nimmt sich unser Vorschlag doch sehr bescheiden aus. Wir wollen nur: Stimmen Sie jetzt der Verpflichtungsermächtigung nicht zu, sondern tun Sie das, was ein gutes Parlament tut: zunächst den Vorgang prüfen und dann darüber entscheiden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, es gibt jetzt drei Anfragen, von Herrn Barthel, von Herrn Felke und von Herrn Schröder. - Herr Barthel hat als Erster das Wort.

Kollege Erdmenger, Sie haben natürlich Recht mit Ihrem Hinweis darauf, dass dieses Thema in der Finanzausschusssitzung angesprochen wurde. Wir können uns auch zukünftig gern über die Medien anstatt über Selbstbefassungsanträge erklären, was richtig und falsch ist. Ich persönlich halte das nicht für den richtigen Weg, gerade bei solch sensiblen Themen nicht, die auch durchaus unterschiedlich zu beurteilen sind.

Ich will aber für das Protokoll noch eines sagen: Wir reden hierbei nicht über 40 Millionen €, die die Basis für die vorteilhafte Gelegenheit bieten; wir reden vielmehr über 40 Millionen € - ich habe es in meiner Rede ausdrücklich gesagt -, die für die Zeit bis zum Jahr 2017 gegenüber dem alten Verkehrsvertrag sofort quantifizierbar sind, sowie über eine Fülle von Vorteilen durch die Neuverträge, die sich fiskalisch mit Sicherheit in einem deutlich höheren Bereich bewegen würden, der allein nicht greifbar ist. Ich meine, selbst dazu kann man wahrscheinlich eine Hochrechnung machen. Aber die 40 Millionen € sind quasi die Spitze des Eisberges des Gesamtvorteils.

Vielen Dank.

Ich möchte das kurz kommentieren. Herr Barthel, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, dass Sie offenbar Informationen haben, die mir nicht vorliegen. Wir müssen von dem ausgehen, was uns schriftlich vorgelegt wurde. Uns wurde am 8. Dezember 2011 im Ausschuss schriftlich vorgelegt und deutlich gemacht, dass sich die Vorteilhaf

tigkeit am alten Vertrag bemisst und darin liegt, dass über vier Jahre Mittel in Höhe von 10 Millionen € eingespart werden.

Jetzt hat der Kollege Felke das Wort.

Herr Kollege Erdmenger, ich habe drei Fragen.

Ist Ihnen erstens bekannt, dass sich der Fachausschuss für Landesentwicklung und Verkehr am 25. November 2011 mit diesem Sachverhalt befasst hat?

Ist Ihnen zweitens bekannt, dass es in Anwesenheit des Herrn Ministers Webel und auch des Nasa-Chefs zu diesem Titel keine Nachfragen von Ihrer Fraktion gegeben hat?

Ist Ihnen drittens bekannt, dass es bei der Abstimmung über diesen Titel keine Gegenstimmen gegeben hat?

Herr Kollege Felke, all das ist mir bekannt. Mir ist aber leider auch aus Ihrem Fachausschuss keine schriftliche Vorlage zugegangen, in der der Vertrag näher erläutert worden wäre.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Es ist so - das wissen Sie so gut wie ich -, dass Abgeordnete arbeitsteilig arbeiten müssen. Wir haben die Fragen gestellt. Wir haben sie im Übrigen auch bereits in der Debatte über den Nachtragshaushalt im Landtag gestellt. Das können Sie im Protokoll nachlesen.

Wir haben nach wie vor die Situation, dass uns erst am 8. Dezember 2011 überhaupt schriftliches Material zur Verfügung gestellt wurde.

Jetzt hat der Fraktionsvorsitzende Herr Schröder das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Erdmenger, Sie haben in Ihrer Rede versucht, den Hauptvorwurf deutlich zu machen, dass die Landesregierung quasi Fakten schafft, von denen Sie bis zum 8. Dezember 2011 nichts wissen konnten.