Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Jahresbericht 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2009 - Teil 1

Unterrichtung Landesrechnungshof - Drs. 5/2924

Jahresbericht 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2009 - Teil 2

Unterrichtung Landesrechnungshof - Drs. 6/138

Beschlussempfehlung Ausschuss für Finanzen - Drs. 6/803

Die Berichterstatterin des Ausschusses ist ebenfalls Frau Feußner. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Ihnen liegt in der Drs. 6/803 die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen zur Entlastung der Landesregierung, des Landesrechnungshofes sowie des Landtagspräsidenten für das Haushaltsjahr 2009 vor.

Die Grundlage für diese Entlastung sind der Antrag des Ministers der Finanzen in der Drs. 5/3028 - überwiesen an den Ausschuss für Finanzen am 21. Dezember 2010 -,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

der Jahresbericht 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2009 - Teil 1 - in der Drs. 5/2924 - überwiesen an den Ausschuss

für Finanzen am 27. Oktober 2010 - und der Jahresbericht 2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2009 - Teil 2 - in der Drs. 6/138 - überwiesen an den Ausschuss für Finanzen am 22. Juni 2011.

Der Ausschuss für Finanzen hat den Unterausschuss Rechnungsprüfung mit der Erarbeitung einer Beschlussempfehlung beauftragt, wie das hier im Hause üblich ist. Der Unterausschuss hat in fünf Sitzungen zwischen dem 17. Februar 2011 und dem 25. Januar 2012 über die genannten Unterlagen beraten und die vorliegende Beschlussempfehlung erarbeitet, welche durch den übergeordneten Ausschuss für Finanzen einstimmig übernommen worden ist und Ihnen, sehr verehrte Kollegen, nunmehr zur Entscheidung vorliegt.

Als Schwerpunkte der Beratung über den Teil 1 kristallisierten sich die Themen „Kostenerstattungen an die Investitionsbank aus dem Landeshaushalt“ und „Geschäftsbesorgungsverträge zwischen dem Land und der Investitionsbank“ sowie aus Teil 2 - Landesbetriebe - die Entlastung des Landesinformationszentrums - abgekürzt LIZ - für die Haushaltsjahre 2007, 2008 und 2009 heraus. Nach doch sehr intensiven und mehrmaligen Diskussionen und der Vorlage von ausführlichen Berichten und Unterlagen durch die Landesregierung konnten am Ende dieses Prozesses diese Punkte in den Beratungen für erledigt erklärt werden.

Die unter Punkt 5 der Beschlussempfehlung genannten Themen konnten trotz mehrmaliger Berichterstattungen der Landesregierung noch nicht für erledigt erklärt werden. Für diese Themen legten die Abgeordneten neue Berichtstermine fest. Sie werden im Laufe dieses Jahres nach der Vorlage weiterer Berichte durch die Landesregierung erneut darüber beraten.

Ein Schwerpunkt der noch nicht erledigten Themen war aus dem Teil 1 des Jahresberichts in Abschnitt B Nummer 7 - Unzureichende Wirtschaftlichkeit der staatlichen Lehrkräftefortbildung. Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass sich der Ausschuss für Bildung und Kultur - das ist der zuständige Fachausschuss - mit der neuen Fortbildungskonzeption und mit dem Jahresbericht des Lisa inhaltlich noch nicht auseinander gesetzt hat. Aus diesem Grund ist der Rechnungsprüfungsausschuss übereingekommen, zunächst das Votum des Fachausschusses abzuwarten und dieses Thema dann erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

Ein weiteres Thema, das noch nicht erledigt werden konnte, ist Nummer 8 - Unzureichende Regelungen zu den Arbeitsbedingungen bei den öffentlich-rechtlichen Stiftungen des Landes. Hierzu soll am 15. Juni dieses Jahres ein Bericht vonseiten der Landesregierung vorgelegt werden. Unter anderem soll geprüft werden, ob geltende Regelungen wie der TV LSA auf die Tarifbeschäftigten der Stiftungen zu übertragen wären. Dabei spielen

auch haushaltstechnische Fragen der Globalüberweisungen eine Rolle. Des Weiteren geht es um die Frage, ob die personaltechnischen Anforderungen allen gerecht werden, aber auch darum, ob einzelne Beschäftigte zu großzügig vergütet werden.

Schwerpunkte aus dem Teil 2 des Jahresberichtes, welche noch nicht erledigt sind, betrafen in Abschnitt IV die Nummer 2 - ausgewählte Schwerpunkte der Kinder- und Jugendhilfe, Abschluss von Leistungsentgelt und Qualitätsvereinbarung - und die Nummer 4 - Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Aufgabenträger der Abwasserbeseitigung der Stadt Zeitz und des Zeitzer Umlandes -, zu dem die Landesregierung aufgefordert wurde, bis Juni 2012 über das bereits Veranlasste und Umgesetzte zu berichten.

Der Ausschuss für Finanzen bittet um Zustimmung zu der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Feußner. - Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich auf der Gästetribüne ganz herzlich Damen und Herren des Bundessprachenamtes Naumburg begrüßen. An den Uniformen ist unschwer zu erkennen, dass auch einige ausländische Gäste dabei sind. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich lasse nun über die Punkte 1 bis 7 der Beschlussempfehlung, vorliegend in Drs. 6/803, abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, denn bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Entlastung erteilt worden und der Tagesordnungspunkt 13 ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Erste Beratung

Rehabilitation und Entschädigung der nach 1945 aufgrund des § 175 in Deutschland Verurteilten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/807

Den Antrag wird für die Antragstellerin die Abgeordnete Frau von Angern einbringen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Ihnen heute vorliegen

de Antrag zur Rehabilitation und Entschädigung aller gemäß § 175 StGB alt auf deutschem Boden nach 1945 Verurteilten ist ein Anliegen, das meine Partei nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Berlin und in Bayern, thematisiert.

(Herr Borgwardt, CDU: Und im Bund!)

Ziel ist eine Bundesratsinitiative, die von einer Mehrheit der Länder getragen wird und deren Intention ganz klar ein Stück weit Wiedergutmachung beinhaltet. Denn, meine Damen und Herren, in Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg an vielen Menschen schweres Unrecht begangen worden. Das ist zwischenzeitlich erkannt worden, aber erst sehr spät. Es handelt sich hierbei um massive Menschenrechtsverletzungen im Namen des Staates, die gesellschaftlich unter anderem unter Bezugnahme auf christliche Werte über einen langen Zeitraum genau so toleriert wurden.

Menschen wurden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sowohl in der Bundesrepublik alt als auch in der DDR verfolgt, unterdrückt und sogar eingesperrt. Bereits unserer Antragsbegründung konnten Sie erschreckende Zahlen aufgrund des existierenden § 175 StGB entnehmen. Es gab 100 000 Ermittlungsverfahren und ca. 50 000 verurteilte homosexuelle Männer. Menschen wurden massiv ausgegrenzt und Lebensläufe für immer gebrochen.

Meine Damen und Herren! Das ist ein Vorgehen, welches für viele, insbesondere junge Menschen im Jahr 2012 unvorstellbar ist, da es zur Normalität geworden ist, dass mithilfe entsprechender medialer Öffentlichkeit nicht nur ein Bauer eine Frau, sondern ein Bauer auch einen Mann suchen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Kein Wort von Abnormität, von krankhaftem oder gar kriminellem Verhalten. Homosexualität ist ein ganz normaler Bestandteil unserer Gesellschaft - und das ist auch gut so.

Doch diese gesellschaftliche Normalität - darin eingeschlossen die endgültige Streichung der Normen aus dem Strafgesetzbuch - ist noch nicht Jahrzehnte alt. Die Legalität von homosexuellen Handlungen, bezogen auf bestimmte Schutzaltersgrenzen, wurde in der damaligen DDR erst im Jahr 1980 eingeführt. In der Bundesrepublik alt hat es noch weitere sechs Jahre gedauert.

Noch im Jahr 1957 schrieb das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil, dass - ich zitiere -:

„… der deutschen Auffassung die gleichgeschlechtliche Beziehung von Mann zu Mann als Verirrung erscheint, die geeignet ist, den Charakter zu zerrütten und das sittliche Gefühl zu zerstören. Greift diese Verirrung weiter um sich, so führt sie zur Entartung des Volkes und zum Verfall seiner Kraft.“

Ich denke, hierzu bedarf es keines weiteren Kommentars.

Noch einige Sätze zur geschichtlichen Chronologie des § 175. Der § 175 existierte vom 1. Januar 1872 bis zum 11. Juni 1994, also 122 Jahre lang. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Insgesamt wurden ca. 140 000 Männer nach den verschiedenen Fassungen des § 175 verurteilt.

Im Jahr 1935 verschärften die Nationalsozialisten den § 175 unter anderem durch die Anhebung der Höchststrafe von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis. Darüber hinaus wurde der Tatbestand von beischlafähnlichen auf sämtliche unzüchtigen Handlungen ausgeweitet. Der neu eingeführte § 175a bestimmte für erschwerte Fälle zwischen einem Jahr und zehn Jahren Zuchthaus. Das heißt, wir sprechen hierbei von einem Verbrechen.

Es ist bekannt, dass die Nazis Homosexuelle exzessiv verfolgten und der Tod im KZ nicht selten die Folge war.

Die DDR kehrte im Jahr 1950 zur alten Fassung des § 175 aus der Weimarer Republik zurück, beharrte aber gleichzeitig auf einer weiteren Anwendung des § 175a. Ab dem Jahr 1957 wurde Homosexualität unter Erwachsenen in der DDR nicht mehr geahndet. Im Jahr 1968 erhielt die DDR ein neues Strafgesetzbuch, das in § 151 homosexuelle Handlungen mit Jugendlichen sowohl für Frauen - das war auch ein Unterschied zur Bundesrepublik alt - als auch für Männer unter Strafe stellte. Im Jahr 1988 wurde dieser Paragraf infolge der liberaler gewordenen Rechtsprechung ersatzlos gestrichen.

Die Bundesrepublik hielt bemerkenswerterweise noch zwei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg an den Fassungen der §§ 175 und 175a aus der Zeit des Nationalsozialismus fest.

Im Jahr 1969 kam es zu einer ersten, im Jahr 1973 dann zu einer zweiten Reform. Seitdem waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar, wogegen das Schutzalter bei lesbischen und heterosexuellen Handlungen bei 14 Jahren lag.

Erst nach der Herstellung der deutschen Einheit wurde im Jahr 1994 der § 175 auch für das Gebiet der alten Bundesrepublik ersatzlos aufgehoben.

Meine Damen und Herren! Wie sah nun Schwulsein in der DDR aus bzw. wie ging man in der DDR mit Homosexualität um? Einen rein objektiven Blick gibt es schon wegen der im Wandel befindlichen Auffassungen seit den 50er-Jahren nicht. Es gibt ganz persönliche Schicksale, die auf jeden Fall einen Einblick in den Alltag von Homosexuellen zulassen.

Erlauben Sie mir daher zunächst ein Zitat aus einem sogenannten Erlebnisbericht - sicherlich eine

subjektive Darstellung, ohne den Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu erheben. Ich zitiere:

„In diese Wohnung bin ich Anfang der 50erJahre gezogen. Vor meinem Einzug ging der ABVer von Haushalt zu Haushalt, da, wo junge Männer lebten, und informierte: Erster Hinterhof, Mitte, zwei Treppen, rechts, da zieht ab nächsten Ersten so einer ein. Vorsicht! Eine bessere Reklame konnte der gar nicht für mich machen. Es dauerte knapp zwei Wochen, da hörte ich das erste schüchterne Klopfen an meiner Tür.“