Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Was wir jetzt brauchen, ist, mit cleveren nach vorn gewandten Vorschlägen in die Debatte zu gehen. Ich möchte dafür werben, dass wir das mit der in unserem Antrag formulierten Alternative tun.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Darauf, wie die in der Begründung zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen formulierte Politik die Arbeitsplätze stützen soll, bin ich gespannt. Das kann ich mir nicht so richtig vorstellen. Besonders gespannt bin ich auf die Begründung, wie die Markteroberung in China ablaufen soll. Dazu kann ich nur sagen: Gut gebrüllt, Löwe! Und jetzt? - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Barthel. - Bitte sehr.

Herr Kollege Erdmenger, Sie sprachen davon, dass die Tatsache, dass die Strompreise nach einem halben Jahr, nachdem wir überhaupt erst über die Energiewende geredet haben, noch stabil seien, ein Indikator dafür sei, dass wir auch zukünftig mit billigem und bezahlbarem Strom rechnen könnten. Sie haben gleichzeitig von einem Jahrhundertprojekt gesprochen.

Sind Sie ernsthaft der Meinung, dass wir, bevor überhaupt Milliardenbeträge in den Netzausbau geflossen sind, die noch gar nicht auf den Strompreis umgelegt wurden, tatsächlich schon jetzt davon ausgehen können, dass die Strompreise davon völlig unbeeinflusst bleiben werden?

Ich will eines ganz deutlich sagen: Die Strompreissteigerungen werden - aus Wettbewerbsgründen - nicht die energieintensiven Unternehmen in Deutschland bezahlen. Das wissen wir heute schon. Das wird beim Bürger ankommen.

Ich bin sehr wohl davon überzeugt, dass die erheblichen Kraftanstrengungen finanzieller Art, die wir in den Netzausbau stecken müssen, was wir alle wollen, für den Strompreis für den Bürger erhebliche Folgen haben werden. Das gehört zur Wahrheit dazu. Damit sollten wir auch so ehrlich umgehen. Denn alles andere, dass das irgendwo bei den Energieunternehmen verbleiben würde, wäre an der Stelle kaufmännisch ein völlig einmaliger Vorgang.

Herr Barthel, ich nehme das eher als Statement von Ihrer Seite. Ihre Frage war, ob ich tatsächlich glaube, dass die Strompreise auf 50 Jahre stabil bleiben werden. Nein, das glaube ich nicht.

Wir haben uns dem zu stellen, dass die Zeit billiger Energie, auf die wir unsere Wirtschaftsweise in den letzten 50 Jahren ausgerichtet haben, vorbei sein wird. Aber die Ankündigung, dass es sprunghafte Strompreissteigerung geben wird, wenn wir auf die zurzeit billigen abgeschriebenen Atomkraftwerke verzichten, die hat sich einfach nicht bewahrheitet. Vielmehr ist eingetreten, was Sie für gerade unmöglich erklärt haben, nämlich dass dieser Schritt tatsächlich von den betroffenen Energieunternehmen, nicht von den Verbrauchern, geschultert werden musste. Das halte ich für eine faire Lastenverteilung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kollege Erdmenger. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Professor Dr. Wolff. Bitte sehr.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Energie, egal ob als Licht, Wärme oder Antrieb, ist für unsere Gesellschaft existenziell. Wir sind abhängig von Energie, und wir sind abhängig von einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung. Dabei bewegen wir uns immer in einer Art magischem Dreieck zwischen ökologischen Aspekten - die stehen am oberen Winkel -, der Versorgungssicherheit - die steht unten links - und der Finanzierbarkeit - die steht unten rechts.

Das können Sie sich tatsächlich als gleichseitiges Dreieck vorstellen. Jeder Winkel hat 60 Grad. Wenn man einen Winkel über 60 Grad dehnt - das kann man machen -, ist das Dreieck zunächst nicht mehr gleichseitig. Dehnt man jedoch auf über 180 Grad, ist das Dreieck kaputt. Genauso stehen die öffentliche Hand und die Energiebranche nun mit dem Ausstieg aus der Atomenergie vor enormen Herausforderungen, aber auch vor Riesenchancen.

In diesem Kontext kann es uns als Landesregierung natürlich nicht gleichgültig sein, wie sich die Fotovoltaik bei uns im Land entwickelt. Gerade jetzt sitzt in Berlin unser MP mit Herrn Röttgen zum Gespräch zusammen und setzt sich für unsere Solarindustrie ein.

Diese Solarindustrie weist derzeit jedoch globale Überkapazitäten aus; das hat Herr Erdmenger sehr anschaulich geschildert. Es gibt einen drastischen Preisverfall. Verschiedene technische Verfahren wie die Dünnschichttechnologie und kristalline Verfahren stehen im Wettbewerb. Dieser Wettbewerb wird sich auch weiterhin verschärfen.

Der Wettbewerb zehrt in der Branche an den Umsatzerlösen. Betriebsstätten bzw. Unternehmen mit ungünstigen Kostenstrukturen und geringen Kapitalreserven werden da nicht bestehen können. Die ersten Anbieter - nicht in Sachsen-Anhalt - haben bereits aufgegeben. So etwas nennt man „Marktbereinigung“.

Die unbefriedigende Entwicklung betroffener Unternehmen in Sachsen-Anhalt gibt Anlass zur Sorge. Probleme bereiten der Preisverfall, aber auch die aus finanziellen Gründen eingeschränkte Fähigkeit, zügig mit Investitionen in neue Geschäftsmodelle und neue Produktionsverfahren zu reagieren. Hinzu kommen Absatzprobleme, weil Projektfinanzierer bei gefährdeter Unternehmensprognose nicht bereit sind, Risiken bei Gewährleistungsansprüchen zu tragen. Banken halten sich mit der Bereitstellung von Krediten selbst bei Absicherung durch öffentliche Bürgschaften deutlich zurück.

Wir stehen also vor der Frage: Was können wir beitragen, um die Fotovoltaikunternehmen zu unterstützen? - Dabei muss es vor allem um flankie

rende Maßnahmen gehen. Eine dauerhafte Subventionierung der Unternehmen ist bekanntermaßen weder sinnvoll noch vermittelbar.

Unsere Unternehmen müssen vor allem darauf setzen, im Wettbewerb zu bestehen. Dabei ist es bei gegebener Produktleistung vor allem eine Frage des Preises, wie weit sich unsere Unternehmen gegenüber ausländischen Anbietern, aber auch gegenüber anderen Energieträgern durchsetzen können.

Obwohl Sonnenstrom in einigen Ländern bereits weniger als Haushaltsstrom kostet, ist Fotovoltaik nach wie vor auf staatliche Förderung angewiesen. Die Solarindustrie muss daher die Kosten weiter senken. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass da einiges zu holen war. Vergleicht man etwa den Systempreis der Fotovoltaik von 1990 mit dem heutigen, stellt man fest, dass sich der Preis pro Kilowatt um sage und schreibe 11 000 € reduziert hat. Das ist technologischer Fortschritt.

Wichtige Treiber der Kostenreduktion waren die Materialersparnis und die Entwicklung größerer Produktionslinien. Das sind Innovationen, die Skaleneffekte über Automatisierung und Mengenausweitung möglich machten und so zu der rasanten Preissenkung und verbesserter Wettbewerbsfähigkeit beigetragen haben.

Gleiches gilt für die Steigerung des Wirkungsgrades und die höhere Beständigkeit der Module. Das sind Qualitäten im Produkt selbst. Auch hierbei sind Verbesserungen erzielt worden.

Meine Damen und Herren! Wir werden sicher keinen Preiswettbewerb bei Massengütern gewinnen können. Wir müssen also wie in der Vergangenheit auf die Innovationskraft unserer Unternehmen setzen. Technologien und Innovationen im gesamten Geschäftsmodell sind die entscheidenden Elemente zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Solarwirtschaft.

Hierbei können wir auch als Land flankierend tätig werden. Wir werden als Land Sachsen-Anhalt Forschung und Entwicklung weiter stärken, um den technologischen Vorsprung heimischer Solarprodukte und deren subventionsfreie Marktfähigkeit im weltweiten Wettbewerb zu fördern. Deshalb wollen wir die Forschungskapazitäten im Land weiter stärken und ausbauen - das alles natürlich, lieber Jens, im Rahmen des Haushalts. Das FraunhoferCenter für Silizium-Photovoltaik ist bereits auf dem Weg, eine wesentliche Stütze der Industrie und ein wesentlicher Leuchtturm zu werden.

Wir werden die Arbeitsplätze in der Fotovoltaikbranche nur halten, wenn wir bessere Produkte als die Wettbewerber anbieten können. Das können technische Vorteile, aber auch Vorteile im Service oder Marketing sein - entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wir wollen als Land die Unternehmen - soweit sinnvoll und möglich - unterstützen. Protektionistische Maßnahmen wie eine differenzierte Einspeisevergütung nach dem Vorbild des Conto Energia IV gehören nicht dazu, obwohl aus pragmatischen Gründen auf den ersten Blick manches dafür spräche. Protektionistische Maßnahmen gegenüber anderen Nationen sind immer verführerisch, insbesondere dann, wenn sie einen gewissen ökologischen Charme haben. Denn in der Tat wird das eigentliche Ziel der Solarenergie - eine ökologische Stromproduktion - nicht erreicht, wenn die entsprechenden Module unter obskuren Umständen hergestellt und dann noch um die halbe Welt transportiert werden.

Eine Nation wie Deutschland, die so sehr auf ihren Export und damit auf einen freien Handel angewiesen ist, sollte sehr vorsichtig mit diesem Instrument sein. Italien mag damit durchkommen - manche Länder kommen mit einigem, zumindest eine Zeitlang, durch -, aber wenn Deutschland mit so etwas ankommt, wird es handelsrechtlich richtig Ärger geben.

Die Tatsache, dass auch chinesische Module subventioniert sind, berechtigt nicht zu Gegensubventionen, sondern höchstens zu Ausgleichszöllen. Diese wären aber Sache der EU.

Gegen kanadische Local-Content-Regelungen hat Deutschland übrigens interveniert. Wir stünden nicht sehr glaubwürdig da, wenn wir ähnliche Instrumente für Deutschland fördern würden.

Meine Damen und Herren! Wir helfen unseren Solarunternehmen auch beim Eintritt in neue Märkte. Gerade jetzt ist in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Jordanischen Universität, an der Sachsen-Anhalt maßgeblich beteiligt ist, die Planung für ein German-Jordanian-Center for Renewable Energy in Arbeit. Das soll ein Einfallstor in den mittelöstlichen Markt werden, über die Schiene der Wissenschaft zu neuen Märkten für unsere Solarexperten zu kommen.

Kurz und gut: Wir dürfen uns die Möglichkeit für unsere Unternehmen, international zu expandieren, nicht durch eigene protektionistische Tendenzen kaputtmachen. Deswegen unterstütze ich den Vorschlag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich, der der protektionistischen Überlegungen eine Absage erteilt. Protektionismus kann für Deutschland keine nachhaltige Wirtschaftspolitik sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Um die Rahmenbedingungen für die Fotovoltaik in Deutschland zu verbessern, steht zudem die Schaffung von Speichersystemen ganz oben auf der Agenda, um die fluktuierenden regenerativen Energien besser bei der Grundlastversorgung einsetzen zu können. Derzeit findet dazu ein Workshop mit einem großen potenziellen Investor aus

Asien statt, der im Bereich Speichertechnologie führend ist und sich für Sachsen-Anhalt interessiert.

Natürlich ist auch der beschleunigte Netzausbau ein weiteres wichtiges Thema, denn Netzausbau ist in sich auch ein Speicherthema. Der zügige Ausbau intelligenter Stromnetze ist nötig, weil diese das Nadelöhr in der Energieversorgung darstellen. Dabei darf es keine überhöhten Belastungen einzelner Länder geben. Bei der letzten Wirtschaftsministerkonferenz wurde von uns gemeinsam mit Brandenburg erreicht, dass sich eine länderübergreifende Arbeitsgruppe mit der bundesweiten Aufteilung der EEG-bedingten Kosten befasst.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung Sachsen-Anhalts wird weiterhin alle sinnvollen flankierenden Maßnahmen ergreifen, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre Chancen im Wettbewerb zu nutzen. Nutzen müssen sie jedoch die Unternehmen letztlich selbst.

Ich freue mich auf eine weitere Diskussion dieser Themen im Ausschuss und auf viele gute Ideen; wir brauchen sie. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Frau Ministerin, es gibt zwei Nachfragen, und zwar von Frau Professor Dalbert und Frau Frederking.

Frau Ministerin, Sie wollen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die heimische Solarindustrie zu retten - es geht um zusätzliche Maßnahmen, Sie sollen um Himmels willen nicht die Aktivitäten, die Sie in Ihrem Alltag ohnehin ergreifen, einstellen -, und zwar wollen Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, die Forschungskapazitäten in der Solarindustrie verstärkt ausbauen. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Deswegen frage ich zum einen, um wie viele Millionen Euro es sich bei diesem Programm handelt und wo ich das im Haushalt - unter welcher Titelnummer - finde.

Zum Zweiten habe ich eine grundsätzliche Frage dazu: Wann, schätzen Sie, führen Forschungsmaßnahmen, Forschungsaktivitäten zur Marktreife? Wann werden sie marktrelevant sein? - Ich schätze, dass es sich - Minimum - um Zeiträume von fünf bis zehn Jahren handelt, wenn man sehr produktnahe Forschungen betreibt, aber vielleicht haben Sie da andere Erkenntnisse.

Vor diesem Hintergrund interessiert mich Ihre Einschätzung bezüglich des Überlebens der heimischen Solarindustrie für diesen Zeitraum. Wie viele Solarindustrieunternehmen werden wir dann noch haben, die von diesen Forschungsergebnissen profitieren können? - Herzlichen Dank.

Danke für die Fragen. - Allein in das CSP sind über 40 Millionen € geflossen - nicht nur Landesmittel. Das ist dezidierte Forschungsförderung im Bereich Siliziumfotovoltaik, und das läuft auch sehr gut an. Es sind zwei Standorte, die von der Industrie sehr gut angenommen werden. Sie sind sehr gut vernetzt, auch in der Wissenschaft, auch mit dem Fraunhofer-Institut in Freiburg, das in Deutschland dabei führend ist. Das ist alles auf einem sehr guten Weg. Wie gesagt, da sind zweistellige Millionenbeträge hineingeflossen bzw. fließen noch.

Die zweite Frage war Hardcore-BWL: Was sind die Vorlaufzeiten für neue Produkte? - Da gibt es Unterschiede. Wenn Sie grundlagenorientiert anfangen, also auch bei Alternativen zur Fotovoltaik - denken wir an Wasserstoff -, dann dauert das vielleicht noch zehn, fünfzehn Jahre, also länger, als Sie gesagt haben.

Es gibt aber auch Ideen, bei denen möglicherweise keine neuen Grundlagentechnologien, also breakthrough innovations, sondern nur neue Kombinationen erforderlich sind. Eine Idee ist beispielsweise, Fotovoltaikprodukte mit Speicherprodukten zu verbinden. Da muss nicht einmal dasselbe Unternehmen beides produzieren; da können sich die Unternehmen zu strategischen Allianzen zusammentun. An solchen Überlegungen arbeiten wir auch.

Da sind die Vorlaufzeiten sehr viel kürzer, weil da nur Technik adjustiert und nicht neu geschaffen werden muss. Da wurde aber in der Vergangenheit nicht intensiv hingeguckt, weil es eine Förderung für so etwas nicht gab. Förderung gab es für die stumpfe Produktion von Solarmodulen, und da müssen wir umsteuern.

Die dritte Frage war die prophetische Frage, wie viele Solarhersteller es noch geben wird. Wenn ich in die Zukunft schauen könnte, stünde ich wahrscheinlich nicht hier, sondern wäre über die Börse oder sonst wie schon steinreich geworden. Insofern bin ich mit Prognosen diesbezüglich lieber zurückhaltend. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)