Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Sie sehen, dass alles ineinandergreift. Viel Detailarbeit ist in den nächsten Wochen noch zu leisten. Nur gemeinsam werden wir unsere Ziele erreichen. „Gemeinsam“ - Sie kennen mich und wissen, dass ich das auch so meine - beschränkt sich nicht auf die Regierungsmannschaft, die Exekutive. „Gemeinsam“ schließt für mich die Fraktionen unserer Koalition in diesem Hohen Hause, in der Legislative, mit ein. Deshalb bedanke ich mich bei Ihnen, liebe Frau Kollegin Budde und lieber Herr Kollege Schröder, als Vorsitzende Ihrer Fraktionen für die bisherige gute Zusammenarbeit.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Damit verbinde ich den Wunsch, dass unsere gemeinsamen Anstrengungen in den nächsten fünf Jahren Früchte tragen.

In diesem Zusammenhang lade ich ausdrücklich die beiden anderen Fraktionen zur Mitwirkung ein; denn gemeinsam arbeiten wir für die Zukunft unseres Landes. - Liebe Frau Dalbert und lieber Herr Gallert, fühlen Sie sich mit Ihren Fraktionen herzlich eingeladen, wenn es darum geht, die gemeinsamen Strategien umzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Herr Czeke, DIE LINKE: Ja!)

Mein Kabinett setzt die solide Arbeit der bisherigen Regierung fort. Wir verbinden Kontinuität und Weiterentwicklung: das Bewährte bewahren, aber auch Neues wagen. Das gilt sowohl für das Land als auch für jede einzelne Bürgerin und jeden einzelnen Bürger. Realistisch und visionär zugleich, das ist Leitstern unserer Politikauffassung, die sich an den Erfordernissen unserer Zeit und denen der

nächsten fünf Jahre der Legislaturperiode orientiert.

Auf kurze überwölbende Thesen gebracht: Die Regierungsarbeit und unsere Anstrengungen richten sich an folgenden Zielen aus:

Nur eine starke Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, Wohlstand und soziale Sicherheit. Wir wollen, dass Sachsen-Anhalt ein modernes, von innovativer Wirtschaft geprägtes Land wird. Daran wird sich auch die künftige Förderpolitik ausrichten.

Nur gute Bildung und Ausbildung versetzen uns in die Lage, uns in der Zukunft zu behaupten. Wir wollen fachliche Qualifikation ebenso wie Werteorientierung vermitteln. Wir wollen die entsprechenden Angebote für jedes Alter und jede Herkunft, damit wir tüchtige Menschen haben, die sich mit ihrem Land identifizieren und mit ihren Familien gern hier leben.

Nur mit Verantwortung und Vernunft lassen sich die finanzpolitischen Herausforderungen meistern. Ein „Weiter wie bisher“ wird es nicht geben. Von der Kommunalpolitik bis zur Europapolitik werden wir uns um eine solide Ausgabenpolitik bemühen, die den nachfolgenden Generationen ihre Gestaltungsmöglichkeiten bewahrt.

Ein ganz persönliches Wort zum Schluss. Der zurückliegende Wahlkampf war fair. Ich wünsche mir, dass der weitere Umgang so bleibt. Vieles, auch die Außenwirkung von Politik ist eine Frage des Stils. Unterschiede in der Sache werden bei verschiedenen Punkten bleiben, sei es beim Thema A 14 oder beim Thema Saalekanal.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Der Wettstreit der Parteien gehört zur Demokratie. Lassen Sie uns klar in der Sache und klar in der Sprache sein. Lassen Sie uns nie vergessen, dass es bei aller Härte im politischen Tageskampf immer um die Frage gehen muss, was das Beste für Sachsen-Anhalt ist, damit unser Land stärker und noch lebens- und liebenswürdiger wird. Das sollte uns jede Anstrengung wert sein. Gehen wir also gemeinsam an die Arbeit.

Um es als Wittenberger mit einem kleinen Schuss Humor und mit einem abgewandelten Wort Luthers abzuschließen: Hier stehe ich und ich will auch gar nicht anders. - Herzlichen Dank und alles Gute!

(Starker, langanhaltender Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustimmung von der Re- gierungsbank)

Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident.

Wir steigen nunmehr in Tagesordnungspunkt 1 b ein:

Aussprache zur Regierungserklärung

Allen aufmerksamen Zuhörern wird aufgefallen sein, dass wir das vereinbarte Redezeitkontingent deutlich, um annähernd 15 Minuten, überschritten haben. Selbstverständlich wird den Rednern aller Fraktionen eine längere Redezeit gewährt, sodass das Haus entsprechend erwidern kann.

Für die Aussprache ist die folgende Reihenfolge vereinbart worden: Fraktion DIE LINKE, Fraktion der SPD, Fraktion der GRÜNEN und Fraktion der CDU. Auf die vereinbarten Redezeiten werden 15 Minuten aufgeschlagen. Sie können damit bei Ihrer Erwiderung disponieren. Wir beginnen mit dem ersten Redner, dem Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE Herrn Gallert.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich für zwei Dinge ausdrücklich beim Ministerpräsidenten bedanken; ich betone das deshalb, weil das heute nicht allzu häufig vorkommen wird, Herr Haseloff.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Punkt 1: Ich bedanke mich ausdrücklich für das Überziehen der Redezeit. Ich habe von vornherein damit gerechnet und mich schon darauf eingestellt.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei der SPD)

Punkt 2: Natürlich nehmen wir Ihr Angebot in Bezug auf eine konstruktive Mitarbeit an. Sie wissen, in einer Demokratie gehört es dazu, dass die konstruktive Mitarbeit der Opposition darin besteht, die Schwächen einer Koalition aufzuzeigen, sie an der Stelle, wo sie nach Meinung der Opposition in die falsche Richtung geht, deutlich zu kritisieren und gesellschaftlichen Druck aufzubauen, um Politik zu korrigieren. Dazu sage ich Ihnen: Ich verspreche Ihnen, dass wir das tun werden, Herr Haseloff.

(Beifall bei der LINKEN)

Trotz der ausgedehnten Redezeit können wir uns in dieser Debatte am Beginn der Legislaturperiode natürlich nur um die Grundzüge der Politik in den nächsten fünf Jahren kümmern. Grundlage meiner Erwiderung ist nicht ausschließlich die Rede des Ministerpräsidenten, sondern natürlich auch der Koalitionsvertrag als solcher und die wesentlichen Positionen, die von den im Landtag vertretenen Parteien im Wahlkampf vertreten worden sind. Für eine Partei, die nicht mehr im Landtag vertreten ist, können wir uns das heute sparen. Gleichwohl ist ein Blick auf die Zeit vor dem 20. März 2011 nicht ganz unwichtig, weil er doch einige Entwicklungen erklärt.

Ich komme nun zum Koalitionsvertrag. Dieser Koalitionsvertrag, wie er uns heute vorliegt, ist relativ schwer zu bewerten. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Masse der Formulierungen und Positionen, die in diesem Koalitionsvertrag enthalten sind, im Wesentlichen politische Allgemeinplät

ze sind oder dass sie sich in jeder Beziehung und von jedem in die Richtung interpretieren lassen, in die er sie gerade haben will. Das trifft auf 80 bis 90 % zu. Ich könnte also viele Beispiele nennen, möchte aber nur ein Beispiel nennen. Ich habe mir ein kürzeres Zitat aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik herausgesucht:

„Die bisherige Innovationspolitik des Landes ist in Verbindung mit der weiteren Gestaltung der Clusterstrategie fortzuentwickeln, um einen integrierten und umfassenden Ansatz der Forschungs- und Innovationspolitik zu gestalten.“

(Herr Erdmenger, GRÜNE: Ui!)

- Der Fachmann ist platt.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Das sind wirklich Erkenntnisse, die neu sind, die eine grundlegende Problematisierung der bisherigen Situation beinhalten. Jetzt wissen wir, wo es langgeht.

Ich sage ausdrücklich: Gerade auf diesem Feld wäre es wirklich einmal interessant zu wissen, wie die Landesregierung die jetzige Situation analysiert. Was soll sich ändern? - Sie, Herr Haseloff, haben es in Ihrem eigenen Beitrag eben zum Teil angesprochen: Wir wissen, dass es einer der größten Schwachpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt ist, dass wir so gut wie kaum Forschungs- und Entwicklungskapazitäten innerhalb der privaten Wirtschaft haben. Wir liegen dabei übrigens auch im Vergleich der ostdeutschen Flächenländer deutlich zurück.

Man hätte noch einmal sagen müssen: Offensichtlich ist in den letzten fünf Jahren an dieser Stelle etwas falsch gelaufen. Offensichtlich haben die Dinge nicht gegriffen, die im Jahr 2006 in ähnlicher Art und Weise vereinbart worden sind. Offensichtlich müssen wir etwas anders machen. - Aber nein, eine solche Positionierung finden wir nicht. Es soll im Wesentlichen so weitergehen.

Deswegen ist es wichtig, dass man, wenn man sich mit diesem Koalitionsvertrag auseinandersetzen will, nicht so sehr das beachtet, was formuliert oder umschrieben worden ist; vielmehr sollte man einfach von der These ausgehen: Im Wesentlichen soll es also so weitergehen. Dazu kann man sagen: Nun gut, wenn man mit der bisherigen Situation zufrieden gewesen ist, dann kann man so weitermachen wie bisher. Dazu sage ich ausdrücklich: Das ist auch Ihre Einschätzung. Aber wir haben dazu eindeutig eine andere.

Das möchte ich an einem Beispiel festmachen. Eine der zentralen politischen Positionierungen der alten Landesregierung war: Wir waren im Land Sachsen-Anhalt extrem erfolgreich, weil wir in dieser Legislaturperiode 80 000 neue Arbeitsplätze

geschaffen haben. Das ist eine der zentralen Kernthesen.

Man kann darüber streiten, warum gerade eine marktnahe Partei wie die CDU davon ausgeht, dass die Landesregierung die Arbeitsplätze im privaten Sektor geschaffen habe. Eigentlich höre ich von dort immer das Gegenteil davon, nämlich dass die Politik das nicht tun könne - aber das sei einmal dahingestellt.

(Beifall bei der LINKEN - Minister Herr Bul- lerjahn: Ui, das ist aber - -)

Das Wirtschaftsministerium selbst hat gesagt: Wir haben 20 000 neue Arbeitsplätze gefördert. - Nun gut, das sind nicht ganz 80 000.

Ich habe mir einmal erklären lassen, wie man zu der Zahl 80 000 gekommen ist, und zwar von demjenigen aus dem Wirtschaftsministerium, der sie aufgeschrieben hat. Er hat gesagt: Na ja, Herr Gallert, wir haben die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im März 2006 und im Oktober 2010 verglichen. - Jeder, der sich einmal mit der Materie beschäftigt hat, weiß, dass das nicht geht, weil es im Oktober eines jeden Jahres sehr viel mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt als im März eines jeden Jahres. Das hat nichts mit der Regierung zu tun, sondern mit dem Wetter.

(Herr Striegel, GRÜNE, lacht)

Das ist schon seit Ewigkeiten so, seit es diese statistische Erfassung gibt. Nimmt man einmal einen realen Vergleich vor und stellt etwa die Zahlen vom September 2006 denen vom September 2010 gegenüber, dann halbiert sich die Zahl der hinzugekommenen Arbeitsplätze schlagartig von 80 000 auf 40 000.

Wenn man einmal - das ist in der Landesregierung ja beliebt - eine Benchmark mit den anderen Bundesländern macht, dann sieht man auf einmal, dass die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Sachsen-Anhalt im Verhältnis zu anderen ostdeutschen Bundesländern unterdurchschnittlich war.

Man hat sich nur dadurch einigermaßen gerettet, dass man den gesamten öffentlichen Bereich und den gesamten Bereich der Bildung, in denen es einen radikalen Abbau von Arbeitsplätzen gegeben hat, herausgenommen hat. Man hat sich gesagt: Der interessiert uns nicht; dort ist das sogar gut, weil wir in diesen Bereichen weniger Arbeitsplätze haben wollen.

Ich frage mich zwar, was gut daran ist, im privaten Bildungssektor Arbeitsplätze abzubauen, aber nehmen wir die Argumentation jetzt einmal so hin. Dann sehen wir, dass sich die Situation des Arbeitsmarktes in Sachsen-Anhalt in der letzten Legislaturperiode viel schwächer entwickelt hat als

dies in Brandenburg, in Sachsen, in MecklenburgVorpommern zum Teil und in Thüringen ganz besonders gelungen ist.

Die Bilanz ist nicht gut und deswegen sagen wir: Ein Weiter-so ist falsch. In diesem Bereich brauchen wir politische Änderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.