Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Deshalb müssen wir uns die Frage stellen, warum das so ist.

(Herr Kolze, CDU: Fein!)

Dazu habe ich aus einer Pressemitteilung der dpa nach einem Gespräch mit Herrn Petermann von der GdP sehr viel mehr Sinnvolles erfahren als bisher von Ihnen, liebe Kollegen von der CDU.

Die Situation ist eindeutig. Die Polizisten sind Vertreter des Staates. Gewalt gegen Polizisten ist immer auch ein Indiz für die sinkende Akzeptanz dieses Staates bei seinen Bürgern.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Wer daran noch den geringsten Zweifel hat,

(Herr Borgwardt, CDU: Nee!)

der möge sich bitte einmal die Situation der Polizei in Griechenland, Spanien und Italien anschauen.

(Herr Borgwardt, CDU: Ach was! Das ist doch gar nicht vergleichbar!)

Das ist auf der ganzen Welt so. Der Polizist ist Vertreter unseres Staates. Die Akzeptanz unseres Staates ist also auch die Akzeptanz des Polizisten.

(Unruhe bei und Zurufe von der CDU: Was soll denn das? - Ach! - Quatsch!)

Wenn wir als Politiker mit dem Phänomen wachsender Gewalt gegen Polizisten konfrontiert sind,

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU - Weitere Zurufe von der CDU)

bedeutet das, dass der Kitt in unserer Gesellschaft, der gesellschaftliche Konsens, der in Gesetze gegossen ist, offensichtlich sinkende Akzeptanz erhält.

(Zuruf von der LINKEN: Richtig! - Zuruf von der CDU)

Das ist ein alarmierendes Signal, und die Polizisten sind diejenigen, auf deren Rücken das ausgetragen wird. Das ist das Problem.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der LIN- KEN: So ist es! - Zuruf von der CDU: Sehr schön! - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU - Herr Borgwardt, CDU: Die sind doch selbst schuld!)

- Herr Borgwardt, der Kollege Freiberg, der ehemalige Vorsitzende der GdP, hat im Jahr 2009, als CDU und FDP den gesellschaftlichen Atomkonsens aufgekündigt hatten - inzwischen tun sie dies ja nicht mehr -, eindeutig gesagt: Schöne politische Entscheidung. Die wird auf dem Rücken der Polizisten ausgetragen.

Das ist tatsächlich so. Wenn wir in einer Gesellschaft leben, die sich infolgedessen, dass der gesellschaftliche Konsens aufgekündigt wird, sozial, kulturell und politisch polarisiert, gibt es eben nicht mehr einen vernünftigen gesellschaftlichen Konsens, den die Polizei in der Gesellschaft durchsetzen kann.

(Herr Kolze, CDU: Was ist denn das für ein Quatsch? - Weitere Zurufe von der CDU)

Wenn dieser Konsens aufgekündigt wird,

(Unruhe bei der CDU)

gerät die Polizei in eine Situation, in der sie massenhafter Gewalt gegenübersteht.

(Zurufe von Herrn Leimbach, CDU, und von Herrn Bommersbach, CDU)

Deswegen müssen wir an die gesellschaftlichen Ursachen herangehen.

(Zurufe von der CDU: Nee! - Ach!)

Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Das ist das Problem, das wir zu lösen haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Quatsch! - Frau Feußner, CDU: Oh!)

Es gibt aus meiner Sicht zwei zentrale Therapievarianten. Erstens. Wir brauchen einen höheren gesellschaftlichen Konsens. Diesen höheren gesellschaftlichen Konsens, diese höhere Identifikation mit der Gesellschaft, mit dem Staat und mit seinen Gesetzen werden wir nicht erreichen

(Zuruf von Frau Feußner, CDU - Frau Bra- kebusch, CDU: So ein Quatsch!)

- das ist auch international überall eindeutig zu erkennen -, weil wir soziale Polarisationsprozesse haben, aufgrund deren sich immer mehr Parallelgesellschaften entwickeln, die immer mehr soziale, kulturelle und politische Spannungen bei uns hervorbringen.

(Herr Leimbach, CDU: Ach! Hören Sie doch auf!)

Solange solche Prozesse weiterlaufen, wird die Gewalt in unserer Gesellschaft zunehmen.

(Herr Leimbach, CDU, schüttelt den Kopf)

Wenn wir diese Gewalt stoppen wollen, müssen wir den Prozess der sozialen Polarisation stoppen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU - Herr Leimbach, CDU: Ach! - Herr Kolze, CDU: So ein Quatsch!)

Der Bürger muss sich wieder als politischer Gestalter wahrnehmen. Der Bürger darf sich nicht als Objekt politischer Entscheidungen fühlen - das ist nach allen Umfragen in Sachsen-Anhalt leider der Fall -, sondern als Subjekt der politischen Entscheidung. Auch das ist unsere Aufgabe in der Politik.

(Zuruf von Herrn Kolze, CDU - Weitere Zuru- fe von der CDU)

Es gibt eine zweite Strategie. Dabei geht es um die Polizei im engeren Sinne. Wir brauchen zum einen eine größere Akzeptanz der Polizei in der Gesellschaft. Die erste Frage in dem Zusammenhang betrifft die Aufklärungsrate, nämlich wie erfolgreich die Menschen in unserem Land die Polizei eigentlich erleben. Das ist ganz, ganz häufig einfach eine Frage der personellen Präsenz der Polizei, der Personalentwicklung und der Personalstärke. Wie gut ist die Polizei in der Lage, Straftaten gegen jeden Einzelnen - also auch gegen Sie - wirklich aufzuklären? Das bekommt man nicht hin, wenn man in diesem Land permanent sinkende Personalstellenbesetzungen bei der Polizei hat. Auch das spielt eine Rolle bei der Beantwortung der Frage, wie man mit diesem Problem umgeht. Eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz verträgt sich nämlich

nicht mit der sinkenden Polizeidichte in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Zum anderen brauchen wir eine maximale Transparenz und eine kritische Analyse hinsichtlich der Fehler der Polizei. In dem Zusammenhang hat Herr Stahlknecht wieder hervorragend ein Klischee bedient:

(Minister Herr Stahlknecht: Nein!)

Wer über Fehler der Polizei redet, ist letztlich für Polizeigewalt verantwortlich. - Nein, liebe Kollegen, das ist genau umgekehrt.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU: Was? - So ein Quatsch! - Zuruf von der LINKEN: Klar!)

Wir haben genau die umgekehrte Situation: Die maximale Transparenz, die maximale Offenheit schafft Akzeptanz; sie schafft ein Klima der gesellschaftlichen Verurteilung der Gewalt gegen Polizisten. Deswegen ist es genau falsch, die Kennzeichnungspflicht nicht einzuführen.

(Herr Kurze, CDU: Ach!)

Sie ist ein Element des Rechtsstaates. Sie erhöht die Akzeptanz der Polizei, und verringert sie nicht. Deswegen werden wir bei dieser Position bleiben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wir sollten uns in Zukunft sehr viel und intensiv mit dem Thema „Gewalt gegen Polizisten“ auseinandersetzen. Das schulden wir dieser Personengruppe. Das schulden wir denjenigen, die in ihrem Beruf ihre Haut für uns zu Markte tragen, um uns zu schützen. Gehen wir an die richtigen Themen heran und unterlassen den politisch-ideologischen Missbrauch des Themas, liebe Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU: Oh! - So was! - Zurufe von Frau Bra- kebusch, CDU, und von Frau Weiß, CDU - Herr Borgwardt, CDU, meldet sich zu Wort)