Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

tienten auf multiresistente Erreger. Holländische Kliniken sind noch viel besser. Sie haben eine MRSA-Rate von nur 1 %. In Deutschland liegt sie bei über 20 %.

Nun will ich zu einem anderen Aspekt kommen. Auch wenn ich die Probleme der Hygiene nicht kleinreden oder unterbewerten möchte, so sind die Verhaltensregeln in Anbetracht der sich abzeichnenden Risiken mit der Ermahnung an meine Kinder, sie sollten sich nach dem Toilettenbesuch die Hände waschen, vergleichbar.

Hiermit meine ich den Einsatz von Antibiotika. Gegenwärtig existieren mehr als 100 verschiedene Präparate, die Antibiotika enthalten. Alle wirkten zielsicher gegen gefährliche und tödliche Bakterienzellen, ohne die menschlichen und tierischen Zellen anzugreifen.

Nachdem Mitte der 40er-Jahre das Penicillin aus einem Schimmelpilz großtechnisch gewonnen werden konnte, begann der Siegeszug gegen bakterielle Infektionskrankheiten.

Inzwischen hat sich die Zahl der medizinischen Wunderwaffen enorm erhöht. Man fand andere Schimmelpilze mit neuen antibiotischen Wirkstoffen und konnte sie in ausreichenden Mengen bereitstellen. Viele natürlich hergestellte Antibiotika wurden chemisch verändert, um ihre Wirksamkeit weiter zu erhöhen.

Noch Mitte des vorigen Jahrhunderts dachte man, auf diese Weise alle bakteriellen Infektionskrankheiten für immer besiegen zu können. Doch bereits bei einem vermehrten Einsatz von Penicillin machte man die Beobachtung, dass der Wirkstoff die Erkrankung nicht bei allen Patienten zum Abklingen brachte.

Nach und nach stellte man fest, dass manche Infektionen nicht mehr mit Antibiotika in den Griff zu bekommen sind. Insbesondere in den Krankenhäusern haben sich unter dem Einfluss von Desinfektionsmitteln Bakterienstämme herausgebildet, die mit Antibiotika nicht mehr zu vernichten waren. Manche Infektionen führten sogar zum Tode.

Wie kommt es zur Resistenz der Bakterien? - Bakterien an sich sind etwas Natürliches. Sie kommen überall vor. Die meisten sind harmlose Mitbewohner. Einige schützen sogar vor Erkrankungen, indem sie andere Bakterien niederkonkurrieren.

Wenn man Antibiotika anwendet, dann stellt die Anwendung jedes Mal einen empfindlichen Einschnitt in das Gleichgewicht dar. Leider werden in der Humanmedizin viel zu viele Antibiotika angewendet. Oft geschieht das nach Gutdünken oder auf Drängen der Patienten.

Viele Präparate werden falsch verwendet, weil man nach einer Besserung des Gesundheitszustands die Medikamentierung abbricht. Das sind beste Bedingungen für die Bildung resistenter Bakterien.

Ein weiterer Zusammenhang muss an dieser Stelle angesprochen werden, auch wenn dieser vielleicht dem einen oder anderen nicht sofort einleuchtet und manchen sicherlich auch zum Widerspruch reizt.

Jede zweite Hähnchenfleischprobe aus deutschen Supermärkten ist mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Diese erschreckende Folge des forstgesetzten Antibiotikamissbrauchs in der Tierhaltung ist das Ergebnis einer Studie des BUND.

Seit 2006 sind Antibiotika als Futtermittelzusatzstoff zur Wachstumsförderung und Leistungssteigerung in der EU verboten. Nach dem Arzneimittelgesetz dürfen in Deutschland nur kranke Tiere mit Antibiotika behandelt werden.

Aber auch die legale Verwendung von Antibiotika ist nicht unproblematisch, da aufgrund der Massentierhaltung nach der Erkrankung einzelner Tiere dem gesamten Bestand Antibiotika verabreicht werden. Diese Praxis erhöht die Wahrscheinlichkeit von Resistenzen.

Antibiotikaresistente Erreger bei Tieren haben eine unmittelbare Bedeutung für den Menschen und die menschliche Gesundheit. Eine Übertragung auf das Personal in der Tierhaltung sowie über tierische Lebensmittel ist zu befürchten.

Es gibt also zwingende Gründe, sich auch mit dem Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung auseinanderzusetzen. Dabei ist hierfür nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Humanmedizin und Veterinärmedizin, sondern ein breites Bündnis erforderlich, das Landwirte, Tierbesitzer, Lebensmittelketten, Wirtschaftsverbände und Behörden einschließt.

Auf Näheres wird Frau Dr. Späthe als verbraucherschutzpolitische Sprecherin während ihres Redebeitrages eingehen.

Es geht also darum, durch einen verantwortungsbewussten Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu sichern.

Wie im Antrag der Regierungsfraktionen vorgeschlagen, sollten sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit der Sicherung der Hygiene und der Umsetzung der einzusetzenden Verordnung beschäftigen sowie der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Thematik der Verbesserung des Tierwohls und der Tiergesundheit annehmen und die Unterstützung der Antibiotikaresistenzstrategie parlamentarisch begleiten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Bischoff. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt Eindruck schinden, weil ich diesen Begriff natürlich auswendig gelernt habe.

(Heiterkeit bei der SPD - Herr Gürth, CDU: Das wollen wir hören! - Weitere Zurufe: Oh, schön! - Wir wollen den hören!)

Staphylococcus aureus heißt der antibiotikaresistente Keim. Er betrifft tatsächlich den Bereich der Antibiotika, wie Penicillin, und die Abwandlungen. Frau Grimm-Benne hat eben darauf hingewiesen, wie viel wir davon heute haben.

Ich möchte nur kurz ausführen, weil wir in den Ausschüssen berichten werden und Frau GrimmBenne ausführlich vorgetragen hat.

Wir werden in der nächsten Woche - das ist die Frist - diese Verordnung erlassen. Sie wird sich zuerst an die Krankenhäuser richten und wird all die Bedingungen, also die Zusammensetzung der Hygienekommission und auch die Anzahl von Hygienefachleuten in den Krankenhäusern, regeln.

Wir müssen die Frage auch auf die Pflegeheime ausweiten; denn das ist in Deutschland in den letzten Jahren ein großes Problem geworden.

Seit 2008 gibt es die Gemeinsame Strategiekommission bei der Bundesregierung. Darauf fußte das Gesetz, das im letzten Jahr mit den Verordnungen erlassen worden ist.

Der Bundesausschuss will gemeinsam mit den Krankenkassen, den Krankenhausgesellschaften und den Kassenärztlichen Vereinigungen, die in diesem Ausschuss vertreten sind, bis zum Ende dieses Jahres eine gesonderte Empfehlung abgeben. Darüber sollen und werden wir im Ausschuss berichten.

Die Frage, warum das in den letzten Jahren so stark angestiegen ist, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchungen. Alle führen tatsächlich darauf zurück, dass wir in den letzten Jahren in der Tierhaltung zu viel Antibiotika eingesetzt haben, um gesunde Tiere zu haben. Damit müssen wir verantwortlicher umgehen.

Ich sage jetzt nicht: Alles sofort stoppen! Denn tatsächlich spielt dabei eine Vielzahl von Dingen zusammen, sodass man sozusagen nicht nur eine Ursache sucht.

Man hat in Bremen das gesamte Krankenhauszimmer auf den Kopf gestellt und am Ende festgestellt, dass die Ursache nicht dort war. Wahrscheinlich hat man es doch eingeschleppt.

Also, es ist eine Vielzahl von Dingen, bei denen man genauer hinsehen muss. Weiterhin muss man den Einsatz von Antibiotika sowohl beim Menschen als auch bei Tieren gründlicher untersuchen und vor allen Dingen reduzieren.

Wie viele von uns - in diesem Zusammenhang kann ich sicherlich fast alle in diesem Raum ansehen - gehen zum Arzt und möchten, wenn sie eine Erkältung haben, Antibiotika haben, weil sie wieder fit werden wollen und wissen, dass man dann nach fünf oder zehn Tagen wieder auf den Beinen ist? Das machen wir vor allen Dingen bei Kindern, auch bei unseren eigenen. Dann wundert man sich und sagt nicht: Ich lege mich lieber eine Woche ins Bett und kuriere es einmal richtig aus.

Eine Ursache ist, dass wir hygienisch sauber leben. Die Kehrseite der Medaille, dass wir Medikamente haben, die wirksam helfen ist, dass die Wirkstoffe im eigenen Körper nicht mehr funktionieren. Wir kommen jetzt sogar in die Situation, dass wir Menschen - das ist das holländische Beispiel - eigentlich aussortieren müssten, wenn sie ins Krankenhaus gehen - im Grunde genommen schon bei Besuchern, wenn man feststellt, dass sie diese Keime haben. Damit sie erst gar nicht hineinkommen.

Den Menschen, die sie haben, macht das meist gar nichts aus. Teilweise kommen die auch aus der Landwirtschaft. Aber die anderen, die sozusagen immunisiert sind, bei denen Antibiotika nicht mehr helfen, wurden schwer geschädigt. Das betrifft insbesondere alte Menschen und Kinder.

Aber die Welt entwickelt sich weiter. Man kann nicht wieder zurück. Deshalb müssen wir uns jetzt dieses Problems annehmen. Es kann unter Umständen auch soweit gehen, dass wir wieder Regelungen brauchen, die die Besuchsdienste in den Krankenhäusern regeln; denn ich wundere mich selbst.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann fast Tag und Nacht dort hineingehen. Ich fasse Klinken an. Ich kann auf die Toilette gehen. Niemand kontrolliert den Besucher, ob er sich jemals die Hände wäscht oder nicht. Er geht auch in das Krankenzimmer.

Nun weiß ich nicht, ob bestimmte Regelungen so vernünftig waren. Aber vielleicht sollte man doch sagen, es gibt nur bestimmte Besuchszeiten oder man muss bestimmte Vorkehrungen treffen. Aber zumindest haben wir ein System, das sehr offen und sehr liberal ist. Mit den Folgen müssen wir dann leben.

In Holland und Skandinavien - auf diese Länder wird oft verwiesen - gelten strengere Regelungen. Diese kosten auch mehr. Wenn man das holländische System hier haben wollte, müsste man die Kassen dazu bringen, einen Teil ihrer Überschüsse in Milliardenhöhe oder die Praxisgebühr in Höhe von 10 € dafür zu verwenden.

Zumindest ist dies ein Konglomerat von vielen Aspekten. Es ist ein sehr wichtiges Thema. Jedes Jahr sterben 10 000 Menschen daran, eine hal

be Million Menschen erkranken daran. Die Problematik verstärkt sich. Daher ist es wichtig, dass wir uns damit beschäftigen.

Daher danke ich dafür, dass dieses Thema im Parlament besprochen wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Herr Minister, Kollege Grünert würde Ihnen gern eine Frage stellen.

Herr Minister, Sie sprachen gerade die Hygiene in Krankenhäusern an. Wir hatten im Petitionsausschuss einen Fall, bei dem der Betroffene, der eine Infektion hatte, nachweisen musste, dass er, als er in die Notaufnahme kam, klinisch frei von irgendwelchen Schädlingen und Ansteckungsgefahren war.

Können Sie uns sagen, ob darüber nachgedacht wird, dass gegebenenfalls eine Beweislastumkehr erfolgt, dass also nicht der Patient nachweisen muss, dass er sich im Krankenhaus angesteckt hat, sondern dass das Krankenhaus nachweisen muss, dass es nicht dort passierte. Können Sie sich das vorstellen?

Wir haben bei den Petitionsverfahren immer wieder das Problem, dass die Betroffenen jahrelang hinterher rennen. Ein solcher Fall war auch Gegenstand in der Beratung im Zusammenhang mit dem Halbjahresbericht. Das macht die Angelegenheit nicht leichter.

Gibt es aus Ihrer Sicht ein Nachdenken darüber, eine Beweislastumkehr zu erreichen, dass also das Krankenhaus, wenn das Management dies vorgibt und die entsprechenden Voraussetzungen vorhanden sind, nachweisen muss, dass es im Krankenhaus nicht zu einer Ansteckung kam?

Herr Grünert, dieses Thema ist mit der Krankenhausgesellschaft und mit den Krankenkassen bereits erörtert worden und wird in der Öffentlichkeit immer wieder erwähnt.