Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Danke sehr, Herr Abgeordneter Thomas. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird der Abgeordnete Herr Erdmenger sprechen. Ich möchte darauf hinweisen, dass in Abstimmung zwischen der Landesregierung und dem Parlament im Anschluss der Tagesordnungspunkt 7 vorgezogen wird. - Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als ich mich auf die Rede vorbereitet und einmal auf die letzten zwei Monate zurückgeschaut habe, da hat mich - das muss ich Ihnen so sagen - wirklich noch einmal die kalte Wut gepackt; denn es ist in den letzten zwei Monaten ja viel passiert. Es ist viel passiert, aber unsere Debatte über Lösungen ist nur um sehr weniges weitergekommen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Schauen wir uns erst einmal die Solarindustrie an. Es ist hier der richtige Hinweis gekommen. Wir sind wenigstens so weit miteinander gekommen, dass man zwischen der Installation von Anlagen und der Industrie unterscheiden muss. Aber schauen wir uns doch einmal die Lage der Solarindustrie an. Das einschneidende Erlebnis, das wir alle vor Augen haben, ist, dass Q-Cells Insolvenz angemeldet hat. Was könnte denn als Symbol schlimmer sein für das Land Sachsen-Anhalt, als dass unser einziges eigenes industrielles Unternehmen Insolvenz anmelden muss?

(Herr Borgwardt, CDU: Die Solarindustrie meinen Sie doch!)

Schauen wir doch einmal, was noch passiert ist. Wir haben erlebt, dass Wolfen seine größte Demo - das habe ich mir sagen lassen - in den letzten zehn Jahren erlebt hat, für die Solarindustrie.

Ich will Ihnen sagen, dass für mich etwas noch einschneidender war. Für mich war einschneidender, dass während der Demo Nedim Cen, der Chef des Unternehmens Q-Cells, gesagt hat, die Hälfte der 2 500 Mitarbeiter weltweit sitze in Bitterfeld. Hören Sie einmal genau hin: die Hälfte von 2 500 Mitarbeitern.

Das ist nur noch die Hälfte der Mitarbeiter, die sie ursprünglich einmal hatten. Wir reden nicht über ein abstraktes Ereignis, das irgendwann einmal eintritt, sondern wir reden über einen Prozess, der schon läuft und der Tausende von Leuten in unserem Bundesland gerade ihren Job kostet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da enttäuscht es mich schon, Frau Ministerin, dass Sie ohne jede Antwort geblieben sind; denn Ihre grundsätzlich kluge Politik zu sagen, schauen wir in der Wirtschaftspolitik einmal mehr auf die Forschung, ist hier doch vollkommnen fehl am Platz. Das ist doch das Gleiche, als wenn Sie einem Ertrinkenden zurufen, versuche es doch einmal mit einer neuen Technik. Wenn der dann zurückfragt: „Mit welcher Technik soll ich es denn noch probieren?“, zu sagen: „Ja, wenn ich das wüsste, dann wäre ich selbst Unternehmerin geworden und nicht Ministerin“, ist doch zynisch. Das kann doch keine Antwort sein für eine Branche, in der Forschung jetzt wirklich nicht hilft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern deswegen, dass wir feststellen, dass es aufgrund des Überangebots auf dem Weltmarkt eine schwere Marktstörung gibt. Wir müssen auf diese ungewöhnliche Situation mit ungewöhnlichen Maßnahmen reagieren. Deshalb stellen wir noch einmal das Nothilfeprogramm zur Abstimmung, das unsere Industrie für eine Übergangsperiode dringend braucht. Man muss sich dafür einsetzen, dass wir weiterhin in Europa einen Markt für diese Produkte haben und nicht das eintritt, was die Kollegin Hunger gesagt hat, dass wir dann die Forschung haben, aber niemanden mehr, der sie anwenden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber es ist noch mehr passiert. Schwarz-Gelb in Berlin. Es ist ja nicht genug, nur dem Niedergang der Industrie tatenlos zuzugucken; dann ist noch der Angriff auf die Installationsbetriebe erfolgt, den anderen erfolgreichen Teil dieser Branche. Die Vergütungssätze sollen abgesenkt werden. Nach allen Verhandlungen, die wir erlebt haben, sollen die Vergütungssätze weiterhin abgesenkt werden.

Ich will Ihnen das einmal sagen. Wir haben in der letzten Woche ein Fachgespräch mit Installationsbetrieben aus Sachsen-Anhalt durchgeführt. Der erste Satz, den die uns gesagt haben, war: Wir hätten uns gewünscht, dass dieses Gespräch früher und vonseiten der Regierung stattgefunden hätte. Aber schön, dass wir jetzt endlich einmal einen Ansprechpartner gefunden haben.

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Die ha- ben Schwarz-Gelb angegeben!)

Zweitens haben die gesagt,

(Minister Herr Bullerjahn: Da haben Sie es gekriegt!)

ab Jahresmitte haben wir kaum noch Aufträge in unseren Büchern. Da kann man eben nicht sagen, ja, da ist der zweite erfolgreiche Teil und da haben wir nichts zu befürchten. Diese Unternehmer, die da vor uns saßen, bekommen gerade graue Haare, wenn sie sich überlegen, wie es ab der zweiten Jahreshälfte weitergehen soll.

Jetzt können Sie erwidern, dass sich das Parlament gegen die Absenkung der Vergütungssätze ausgesprochen hat, auch die CDU-SPD-Regierung. Da muss man fragen: die ganze CDU? - Nein, nicht die ganze CDU. Es gibt ein kleines Dorf von fünf Abgeordneten im Deutschen Bundestag, das sich nicht dagegen ausgesprochen hat. Die haben im Bundestag für diese Änderungen gestimmt. Es ist doch wohl zynisch, hier herumzulaufen und zu sagen, wir setzen uns für die Industrie ein, aber dann im Bundestag für die Absenkung zu stimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen sagen wir: Wir brauchen keine Hauruck-Absenkung der Vergütungssätze. Wir brauchen Perspektiven auch für die Installationsbetriebe in unserem Land.

Zu unserem Änderungsantrag. Wir brauchen ein Nothilfeprogramm für die Solarindustrie. Um bei dem Bild zu bleiben: Wenn man schon zu dem Schluss kommt, dass man der Ertrinkenden nicht helfen kann, dann muss man losgehen und versuchen, Hilfe zu holen. Das ist ja wohl das Mindeste, was unsere Solarindustrie von unserer Landesregierung erwarten kann. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Kollege Erdmenger. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als wir den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Krise der Solarindustrie und die beiden Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE und der Koalitionsfraktionen am 23. Februar 2012 hier im Plenum behandelt und zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen haben, stellte sich die Situation rund um Q-Cells noch ganz anders dar. Auch in der Beratung im Ausschuss am 29. März 2012 war noch nicht in dieser Deutlichkeit abzusehen, dass der größte sachsen-anhaltische Player der Solarindustrie Insolvenz anmelden müsse.

Diese Entwicklung ist tragisch für Sachsen-Anhalt. Es bedeutet, dass wir ein wichtiges Unternehmen in unserem Bundesland verlieren könnten, ein Unternehmen, das im Zuge des Aufstieges einer ganzen Branche gerade die Strahlkraft mit sich brachte, die wir in Sachsen-Anhalt so dringend brauchen. Ich denke vor allem an die Verstetigung von Wertschöpfungsketten im Zusammenspiel mit einem bedeutungsvollen Headquarter, welche ansonsten wahrlich nicht reichlich in Sachsen-Anhalt zu finden sind.

Aber ich bin mir darin sicher, dass im Zuge des Insolvenzverfahrens ein Großteil von Q-Cells gerettet wird und dass viele der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden. Die Initiative liegt aber zunächst beim Unternehmen und beim Insolvenzverwalter. Ich denke, Sachsen-Anhalt ist gut beraten, sich gesprächsbereit zu zeigen und Q-Cells im Rahmen seiner Möglichkeiten und der bestehenden Förderinstrumente auf dem Weg der Restrukturierung zu begleiten und zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Die heute zur Beratung vorliegende Beschlussempfehlung beschäftigt sich namentlich nicht mit Q-Cells, sondern mit der Krise des gesamten Industriebereiches. Dass sich die Solarindustrie in schwierigem Fahrwasser befindet, lässt sich nicht wegdiskutieren.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Man kann immer von Überproduktion und von der Billigkonkurrenz aus Fernost, vornehmlich aus China, lesen. Ein nicht minder großer Klotz am Bein der Solarbranche ist das Duo Rösler und Röttgen, welches in einer ihresgleichen suchenden Nacht-undNebel-Aktion

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

die Planungen einer gesamten Branche zunichte gemacht hat.

(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)

Hiermit meine ich ausdrücklich nicht nur die Solarindustrie. Ich rede von Investoren, die auf der Grundlage der vorherigen Einspeisevergütung für Solarstrom nach dem EEG große und kleine Projekte geplant und kalkuliert haben. Ich rede vom Mittelstand und vom Handwerk, für die der Bau von Fotovoltaikanlagen zu einem wichtigen Betätigungsfeld geworden ist. Ich rede von den Privatleuten, die sich vor dem Hintergrund eines sicheren, planbaren finanziellen Rahmens für den Strom aus der Sonne auf dem eigenen Hausdach entschieden haben.

Wenn die Bundesregierung bei der Energiewende und beim Ausbau der erneuerbaren Energien mit genauso viel Tatendrang vorginge, wie die Minister Rösler und Röttgen im Fall der Kappung der Einspeisevergütung, dann würde ich mir keine Sorgen mehr um das Erreichen des Ziels der Bundesregierung machen, wonach der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kontinuierlich bis zum Jahr 2050 auf mindestens 80 % gesteigert werden soll. Aber in Anbetracht der zurückliegenden Entscheidungen fehlt mir der Glaube.

Ich möchte die Hoffnung auf signifikante Verbesserungen am seit Anfang April geltenden neuen EEG nicht aufgeben und an dieser Stelle die Bitte an die Landesregierung bekräftigen, sich im Bundesrat für Nachbesserungen einzusetzen. Herr Minister

präsident, ich hoffe, Sie können in den Gesprächen mit Ihren Amtskollegen noch einiges bewegen.

Aber zurück zur Beschlussempfehlung. - Meine Damen und Herren! Wir sprechen uns eindeutig dafür aus, der Solarindustrie in Sachsen-Anhalt zu helfen, nicht nur in einem Notfall, wie wir ihn jetzt bei Q-Cells erleben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Die deutsche Marktführerschaft im Bereich der Fotovoltaik beruht auf einem innovativen technologischen Vorsprung, den ich immer noch als gegeben ansehe. Genau an der Stelle wollen die Fraktionen der SPD und der CDU ansetzen. Finanzielle Förderung bei Forschung und Entwicklung und Unterstützung beim Ausbau bestehender Clusterstrukturen sind für uns wesentliche Möglichkeiten, der Solarindustrie unter die Arme zu greifen. Marktprotektionismus hingegen halten wir für wenig förderlich, gerade im Hinblick auf die Erschließung neuer Absatzmärkte in Asien und in Amerika, demnächst auch in Afrika.

(Zuruf von Frau Frederking, GRÜNE)

Es ist aber notwendig, dass die Bundesregierung kritisch anspricht, wie die chinesische Regierung die dortigen Solarunternehmen mit direkten Subventionen und zinslosen Krediten in Milliardenhöhe unterstützt. Leider hat Frau Merkel die optimale Gelegenheit beim Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao am letzten Wochenende auf der Hannover-Messe tatenlos verstreichen lassen.

Wenn Uli Thomas vorhin die Stärke unserer Windkrafthersteller erwähnt hat, dann muss man an dieser Stelle sicherlich auch einfügen: Wenn China an der gegenwärtigen Subventionspraxis festhält, dann gibt es jetzt schon Wissenschaftler, die sich darüber einig sind, dass die deutsche und die europäische Windkraftanlagenbranche in eine ähnliche Situation kommen könnte, in der jetzt schon die Solarbranche ist.

Meine Damen und Herren! Erneuerbare Energien sind die Zukunft, gerade für Sachsen-Anhalt. Diese Zukunft ist mit vielen Anstrengungen, seien es Investitionen oder Überzeugungsarbeit, verbunden. Auf dem Weg in diese Zukunft sind auch die fossilen Energieträger mittelfristig nicht wegzudenken.

Das gemeinsame gesellschaftliche Ziel, welches so oft mit dem Begriff der Energiewende beschrieben wird, ist nicht nur die reine Umstellung bei der Energiegewinnung. Es ist nachhaltiges Wirtschaften, es ist gesellschaftlicher Fortschritt und es ist eine saubere industrielle Entwicklung. Weil die Solarindustrie ein wichtiger Bestandteil dieser Entwicklung ist, müssen wir hier helfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal auf das heutige Datum eingehen. Frau Kollegin Hunger führte soeben dazu schon etwas aus. Heute vor 26 Jahren ereignete sich das verheerende Unglück von Tschernobyl. Als Folge dessen hat sich im Bewusstsein vieler Menschen bereits die Notwendigkeit einer erneuerbaren, sauberen und vor allem sicheren Energieversorgung etabliert.

Seit den tragischen Ereignissen in Fukushima im Jahr 2011 hat sich dieses Bewusstsein angeblich auch in den Köpfen der Bundesregierung durchgesetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint es mir besonders unverständlich und unerträglich, dass die Bundesregierung einerseits Tausende Arbeitsplätze einer Zukunftsindustrie besonders in den östlichen Bundesländern einfach so abschreibt, gleichzeitig aber Arbeitsplätze in der deutschen Atomindustrie mit einer Hermesbürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden € für ein fragwürdiges brasilianisches Atomkraftwerk, den Neubau des Atomkraftwerkes Angra III in der Nähe der Millionenmetropole Rio de Janeiro, und zwar in einem Erdbebengebiet, subventioniert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Frau Niestädt, SPD: Das ist unglaublich!)

Das kann und darf nicht der Weg Deutschlands sein. Deshalb braucht die Solarwirtschaft in Deutschland und in Sachsen-Anhalt unsere Unterstützung. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)