Protokoll der Sitzung vom 27.04.2012

Ich bin deshalb froh - das sage ich sehr deutlich -, dass der IMSI-Catcher in Sachsen-Anhalt in der Vergangenheit sehr zurückhaltend, in den letzten zwei Jahren sogar nur einmal eingesetzt wurde.

Dass die gesetzliche Grundlage für den Einsatz der Überwachungstechnik bislang eine Befristung vorsah, hält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für notwendig und auch weiterhin für erforderlich.

Eingriffe in Grundrechte insbesondere durch technische Überwachungsmaßnahmen müssen regelmäßig auf deren Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit hin überprüft werden. Nur so wird einem Automatismus dahin gehend, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr grundrechtssensible Kompetenzen bei Sicherheitsbehörden ansammeln, der Riegel vorgeschoben.

Im konkreten Fall des Einsatzes eines IMSI-Catchers in Sachsen-Anhalt wurde das Erfordernis einer Evaluierung gesehen, die eine intensive Diskussion darüber ermöglicht, ob der Einsatz eines solchen Gerätes überhaupt notwendig ist. Die von der Landesregierung im Zuge lediglich einer Selbstevaluation der Verfassungsschutzbehörde schriftlich vorgelegten Fakten belegen das bislang nicht. Darin kann ich der Abgeordneten Frau von Angern nur zustimmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird daher vorrangig im zuständigen Innenausschuss, aber auch in der parlamentarischen Kontrollkommission auf Aufklärung und weitere Informationen drängen. Uns ist es wichtig, dass auch unabhängige Dritte zur Erforderlichkeit des Einsatzes von IMSI-Catchern Stellung nehmen können. Deshalb unterstützen wir das Anliegen, dazu eine Anhörung durchzuführen, absolut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der kurzfristige Gesetzesvorstoß der Koalitionsfraktionen zur unbefristeten Verlängerung einer gesetzlichen Grundlage zum Einsatz von Überwachungstechnik ist offenbar der Tatsache geschuldet, dass im Ministerium erst kurz vor knapp aufgefallen ist, dass hier eine gesetzliche Regelung ausläuft. Entsprechend dürftig liest sich leider der Evaluationsbericht.

(Zuruf: Das stimmt nicht!)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnt eine unbefristete Verlängerung der technischen Über

wachung durch IMSI-Catcher ab. Wir erwarten von der Landesregierung mehr und endlich auch unabhängige Informationen dazu, warum der Einsatz eines solchen Gerätes notwendig ist.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Die Schnellnovelle des Verfassungsschutzgesetzes zum IMSI-Catcher kann nicht die Diskussion über eine Neubewertung der Arbeit des Verfassungsschutzes insgesamt ersetzen. Nach der späten Aufdeckung der Mordtaten der neonazistischen Terrorgruppe NSU ist bereits heute klar, dass deutsche Sicherheitsbehörden und vordringlich der Verfassungsschutz bei der Bekämpfung von Neonazis und beim Schutz der Demokratie versagt haben.

Meine Damen und Herren! Daraus sind Konsequenzen zu ziehen. Die Arbeit einer aus der Logik des Kalten Krieges heraus agierenden Spitzelbehörde muss neu bewertet werden. Ihre Notwendigkeit und ihre konkrete Ausgestaltung sowie die Befugnisse stehen auf dem Spiel.

Meine Fraktion und meine Partei diskutieren gerade intensiv über die Zukunft des Verfassungsschutzes und über Möglichkeiten, wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch ohne den Einsatz von Spitzeln und massive technische Überwachungen geschützt werden können. Die Ergebnisse dieser Diskussion werden wir in das Parlament tragen.

Eine unbefristete Verlängerung der Eingriffsbefugnisse des Verfassungsschutzes ist für uns auch vor dem Hintergrund dieser Diskussion nicht vorstellbar. Für eine befristete Verlängerung erwarten wir zunächst weitere Informationen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Wünscht Herr Kolze noch einmal das Wort? - Das tut er nicht.

Wir treten jetzt in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/1023 ein. Ich habe nichts anderes als den Wunsch gehört, dass der Gesetzentwurf in den Fachausschuss überwiesen werden soll. Der Gesetzentwurf soll ausschließlich in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. - Ich sehe nur Kopfnicken und kein Kopfschütteln.

Dann stelle ich jetzt die Frage: Wer dafür ist, dass dieser Gesetzentwurf in den Innenausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Gesetzentwurf ist somit einstimmig entsprechend überwiesen worden.

Meine Damen und Herren! Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, eine kurze Anmerkung. Wenn

das heute Früh unter dem Eindruck der Gratulationsfreude bei mir richtig angekommen ist, haben die Geschäftsführer vereinbart, dass wir heute Mittag gesund leben und über die Mittagspause hinweggehen. Ist das richtig?

(Zurufe: Ja!)

- Das ist richtig. Dann stellen Sie sich bitte darauf ein, dass wir jetzt noch drei Tagesordnungspunkte vor uns haben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Zweite Beratung

Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote für Förderschülerinnen und Förderschüler auch in den Ferienzeiten sichern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/436

Beschlussempfehlung Ausschuss für Arbeit und Soziales - Drs. 6/1013

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1058

Die erste Beratung fand in der 10. Sitzung des Landtages am 6. Oktober 2011 statt. Ich bitte den Berichterstatter Herrn Rotter, das Wort zu nehmen. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/436 wurde vom Plenum in der 10. Sitzung am 6. Oktober 2011 in erster Lesung behandelt und zur Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitberatung in den Ausschuss für Bildung und Kultur überwiesen.

Mit dem Antrag zielte die Fraktion DIE LINKE darauf ab, dass seitens der Landesregierung Maßnahmen ergriffen werden, die die Entwicklung und Sicherung von lerntherapeutischen Angeboten für Kinder und Jugendliche bis zum Ende der Schulzeit auch außerhalb des Unterrichts, also in den Ferienzeiten, voranbringen, und zwar auch für die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und bezüglich deren das KiFöG nicht mehr greift.

Der Hintergrund ist der folgende: Mit dem Erlass vom April 2011, der drei bisherige Erlasse zusammenfasst, nämlich den Erlass zur Arbeit an den Förderschulen für geistig Behinderte von 1993, den nicht veröffentlichten Betreuungserlass vom 3. Juli 2001 und den Organisationserlass für Förderschulen, soweit er die Schulen für geistig Behinderte betraf, sind für die Betroffenen neue Probleme entstanden.

Der Unterrichtsorganisationserlass hat für Unruhe und Unsicherheit in den betroffenen Schulen und bei den betroffenen Eltern gesorgt. Die Versorgung mit therapeutischen Angeboten in den Ferienzeiten aufgrund der im Erlass geforderten verlässlichen Öffnungszeiten konnte und kann nicht überall aufrechterhalten werden.

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich zunächst im Rahmen eines Fachgespräches in seiner 8. Sitzung am 19. Dezember 2011 mit dieser Problematik beschäftigt. Der mitberatende Ausschuss für Bildung und Kultur wurde daran beteiligt.

Zu dem Fachgespräch wurden die kommunalen Spitzenverbände, die Selbsthilfegruppe „Kinderseelen“, die Lebenshilfe Harzkreis-Quedlinburg gGmbH und die Lebenshilfe Bördeland gGmbH sowie der Verein „Lebenstraum“ eingeladen. Durch das Fachgespräch wurde nochmals die Dringlichkeit der Lösung des in Rede stehenden Problems deutlich.

Im Ergebnis der anschließenden Beratung verabschiedete der Ausschuss für Arbeit und Soziales einstimmig eine vorläufige Beschlussempfehlung, die zum Inhalt hatte, die Landesregierung zu beauftragen, zunächst für die Winterferien 2011 eine Lösung zur Sicherstellung der nach- und außerschulischen Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangebote zu finden, das Problem ganzheitlich zu lösen mit der Maßgabe, die Angebote am Ort der jeweiligen Förderschule vorzuhalten, die Finanzierung dieser Angebote zu klären und auch für die über 14-jährigen Förderschülerinnen und Förderschüler eine entsprechende Problemlösung zu finden.

Gleichzeitig hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales in einem Schreiben an die Landesregierung die für Bildung und für Soziales zuständigen Ressorts gebeten, aufgrund der Dringlichkeit dieser Problematik noch vor einer Beschlussfassung im Landtag auf eine schnelle Lösung des Problems hinzuwirken.

Der mitberatende Ausschuss für Bildung und Kultur hat sich in der 9. Sitzung am 7. Dezember 2011 mit der Drs. 6/436 und der vorläufigen Beschlussempfehlung beschäftigt. Im Ergebnis seiner Beratung kam er überein, zunächst nur zu einem Punkt der vorläufigen Beschlussempfehlung Stellung zu nehmen und folgenden Wortlaut als Beschlussempfehlung zu verabschieden:

„Die Landesregierung wird gebeten, bis zum 1. Februar 2012 für die bekannten Härtefälle Lösungsangebote zu schaffen.“

Diese Beschlussempfehlung wurde einstimmig beschlossen.

Der Ausschuss für Bildung und Kultur stellte in Aussicht, über die Drucksache in seiner nächsten

Sitzung weiter zu beraten. In dieser, der 10. Sitzung am 2. Februar 2012, wurde der Ausschuss für Bildung und Kultur von der Landesregierung über den Arbeitsstand bei der Sicherstellung von Freizeit-, Bildungs- und Betreuungsangeboten für Förderschülerinnen und Förderschüler informiert.

Eine weitere Beschlussempfehlung wurde von dem mitberatenden Ausschuss jedoch noch nicht verabschiedet. Auch in der 11. Sitzung, einer auswärtigen Sitzung am 7. März 2012, war diese Problematik Teil der Tagesordnung im Ausschuss für Bildung und Kultur. Darin berichtete das Kultusministerium über die erfolgte Absicherung der Betreuung von Förderschülerinnen und Förderschülern während der Winterferien und über Lösungsmöglichkeiten hinsichtlich der bevorstehenden Oster- und Pfingstferien.

Aufgrund des noch bestehenden Erörterungs- und Informationsbedarfs wurde noch keine weitere Beschlussempfehlung an den federführenden Ausschuss erarbeitet und die Fortsetzung der Beratung für die nächste Sitzung vorgesehen.

Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich in der 12. Sitzung am 14. März 2012 wieder mit diesem Thema befasst. Als Beratungsgrundlage lag ihm dazu ein Vorschlag für eine Beschlussempfehlung an den Landtag von der Fraktion DIE LINKE vor, welcher inhaltsgleich bereits auch in der 11. Sitzung des Bildungsausschusses am 7. März 2012 in Form eines Vorschlages für eine Beschlussempfehlung vorlag.

In dieser 12. Sitzung des federführenden Ausschusses hat die Landesregierung über den aktuellen Sachstand informiert. Unter anderem war zu erfahren, dass für die Lösung von Einzelfällen mittlerweile vom Sozial- und vom Kultusministerium eine gemeinsame Clearingstelle eingerichtet wurde. Außerdem stellte die Landesregierung in Aussicht, dass in absehbarer Zeit eine längerfristige belastbare Lösung gefunden wird.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales kam überein, die Beratung in seiner nächsten Sitzung fortzusetzen und gegebenenfalls eine Beschlussempfehlung an den Landtag zu verabschieden. In einem Schreiben an das Kultusministerium hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales - auch angesichts der zum gleichen Sachverhalt vorliegenden Sammelpetition sowie einer Mehrfachpetition - nochmals seine Forderung unterstrichen, sich aktiv am endgültigen Klärungsprozess bezüglich einer dauerhaften Lösung für die betroffenen Förderschülerinnen und Förderschüler zu beteiligen.

Am 11. April 2012 fanden die 13. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales und die 12. Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultur statt. In beiden Ausschüssen stand die in Rede stehende Problematik auf der Tagesordnung: im Ausschuss für Bildung und Kultur zur Erarbeitung einer

weiteren Beschlussempfehlung an den federführenden Ausschuss, im Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Verabschiedung einer Beschlussempfehlung an den Landtag.

Beide Ausschüsse verständigten sich kurzfristig dahin gehend, dass die Mitglieder des Ausschusses für Bildung und Kultur zunächst an einer Beratung über dieses Thema im Ausschuss für Arbeit und Soziales teilnehmen. Es kam somit zu einer gemeinsamen Beratung.