Lassen Sie mich an dieser Stelle eines sehr deutlich sagen: Das Land Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Jahren in seinem Schulsystem große Probleme gehabt, mit den drastisch sinkenden Schülerzahlen umzugehen. Jetzt haben wir allerdings eine Situation vor uns, in der die Schülerzahlen auf absehbare Zeit, bis zum Jahr 2020, weitgehend stabil bleiben werden. Das Problem, das wir in diesem Zeitraum miteinander zu bereden haben, sind nicht wegbrechende Schülerzahlen, sondern sinkende Lehrerzahlen.
Meine Fraktion und auch ich persönlich hier am Rednerpult haben in den vergangenen Jahren mehrmals auf den drohenden Lehrermangel hingewiesen.
Diese und die vorherige Landesregierung haben dieses Problem über Jahre hinweg ausgesessen. Und sie haben noch viel mehr getan: Sie haben nicht nur in ihrem Koalitionsvertrag, sondern auch über die Beschlüsse des Kabinetts den Kurs des konsequenten Personalabbaus auch in diesem Bereich fortgesetzt; sie haben zu keinem Zeitpunkt kritisch hinterfragt, ob er mit einem beständigen Schulnetz vereinbar ist.
Und sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, im Land möglichst keine Schulschließungen zuzulassen.
Wenn man von den genannten drei Prämissen ausgeht, nämlich dass wir in den nächsten Jahren konstante Schülerzahlen haben werden, dass - daran halten die Landesregierung und die Koalition fest - in demselben Zeitraum ein Drittel des Lehrerpersonals abgebaut werden soll und dass - wenn die Ansage bestehen bleibt - möglichst keine Schule geschlossen werden soll, dann sind Sie als Koalition und Landesregierung nach wie vor in der Pflicht darzulegen, wie das gehen soll. Diese Gleichung wird nicht aufgehen, meine Damen und Herren.
Ich möchte hier auch Folgendes sehr deutlich aussprechen: Natürlich ist es möglich, in SachsenAnhalt mit 10 000 Lehrerinnen und Lehrern Schule zu machen. Das geht. Dann müssen Sie aber auch sehr deutlich sagen, dass Sie einen tiefen Einschnitt in das Schulnetz vornehmen und großflächig Schulen schließen wollen.
Denn Sie können ein solches Maß an Effektivierung oder Reduzierung des Lehrereinsatzes nur erreichen, wenn Sie die Zahl der Klassen deutlich reduzieren und die Klassen noch einmal ein Stück vergrößern. - Herr Schellenberger, weil Sie mich so anschauen: Sie brauchen für jede Klasse mindestens einen Lehrer; deswegen ist die Zahl der Klassen durchaus erheblich.
Wenn Sie sich das Schulnetz anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir nicht nur im Grundschulbereich ein Problem haben. Wir haben auch bei den weiterführenden Schulen ein Problem. Jede kleine, zweizügige Sekundarschule ist infolge eines solchen Personalabbaus in ihrer Existenz bedroht. Wie wollen Sie in einer zweizügigen Sekundarschule, die pro Jahrgang zwei Klassen mit jeweils - sagen wir einmal - 23 Schülerinnen und Schülern hat, Lehrer einsparen? Sie können doch nicht zwei Klassen mit jeweils 23 Schülerinnen und Schülern zu einer Klasse zusammenlegen. Nur dann könnten Sie einen Lehrer einsparen. Das heißt, Sie müssten viel größere Schuleinheiten schaffen, um die Klassenzahl reduzieren zu können. Anders geht die Gleichung nicht auf.
Die Sozialdemokraten haben im Landtagswahlkampf versprochen: Wir streichen keine Schule. Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wird es nicht funktionieren. Wenn Sie diesen Kurs in der Personalpolitik weiterfahren, dann werden Sie eine ganze Menge Schulen streichen müssen.
Gestatten Sie mir, etwas zu Ihrem Änderungsantrag zu sagen, den Sie als Koalitionsfraktionen eingereicht haben. Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht so, dass wir heute zum
ersten Mal über das Thema Personal reden. Ich kann verstehen, dass man bestimmte Sachen vor sich her schiebt. Ich kann auch verstehen, dass man vor der Landtagswahl nicht so viel Lust hat, über diese Frage zu reden. Wenn Sie aber glauben, wir könnten über das Thema Schulentwicklungsplanung für die Jahre 2014 und folgende reden, ohne über das Personalproblem zu reden, dann haben Sie jeden Bezug zur Realität verloren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte sehr deutlich sagen: Ich habe auch in der Sache - jenseits der politischen Differenzen - kein Verständnis mehr dafür, dass Sie sich schlicht weigern, das Problem anzugehen, oder dass Sie es bewusst in Kauf nehmen. Beides ist fahrlässig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Lassen Sie mich beim Thema Schulentwicklungsplanung noch einige Punkte kurz ansprechen. Ich muss etwas zu dem Thema Stark III sagen.
Im Zusammenhang mit Stark III gibt es den so genannten Demografiecheck. Es werden Zahlen für Schulstandorte vorgegeben, die in den Genuss einer Förderung kommen wollen. Ich bin sehr dafür, dass wir bei der Frage der Förderpolitik gemeinsam dafür sorgen, dass die Mittel langfristig gebunden werden. Aus meiner Sicht ist es aber nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Finanzministerium über die Förderkriterien Schulentwicklungsplanung durch die Hintertür macht. Danach sieht es mir derzeit aber aus.
(Beifall bei der LINKEN - Frau Niestädt, SPD: Das ist ja gar nicht wahr! Sie wissen genau, dass das nicht stimmt!)
Es wird von uns - ich bin damit bei der Gemeinsamkeit, die ich vorhin angesprochen habe - natürlich keine Zustimmung geben, sollten Sie der Illusion nachlaufen, man könne die Eckdaten des Demografiechecks zum Maßstab der Schulentwicklungsplanung machen.
Zu einer weiteren offenen Frage. Sie alle haben vorhin sehr tapfer über die Frage der Demokratisierung und der Eigenständigkeit geredet. Wir sollten beim Thema Schulentwicklungsplanung auch noch einmal darüber reden, ob wir den Planungsträgern nicht zuletzt angesichts schwieriger werdender Ressourcenlagen mehr Flexibilität bei der Schulentwicklungsplanung einräumen sollten.
reden, nicht über die Frage der Kosten für die einzelnen Schülerinnen und Schüler, zu der sich Frau Bull vorhin geäußert hat, sondern über die Wegebeziehungen. Wenn es so kommt, dass wir in Sachsen-Anhalt noch einmal erheblich in das Schulnetz eingreifen müssen, wie Sie es beabsichtigen, dann sind Sie gezwungen, über die Schülerbeförderung zu reden und damit über die großen Schleifen, die schon jetzt gefahren werden. Wir sind dafür, dass die Schülerbeförderung - im wahrsten Sinne des Wortes - zielgerichteter erfolgt, damit wir Wege und Zeiten verkürzen können, meine Damen und Herren.
(Herr Bergmann, SPD: Theoretisch ist das gut! Machen Sie einmal einen Plan, Herr Kollege! - Herr Borgwardt, CDU: Muss er ja nicht!)
Letztlich hat auch das - das hat schon vorhin eine Rolle gespielt -, worüber wir bildungspolitisch im Zusammenhang mit Inklusion und Gemeinschaftsschule diskutieren, Einfluss auf die Frage, wie unser Schulnetz aussieht. Insofern ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu begrüßen.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir im Fachausschuss sehr zügig zu einer Diskussion mit der Landesregierung zu diesen Fragen kommen werden, um Planungssicherheit für die Verantwortlichen vor Ort zu schaffen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Höhn. - Bevor der Minister für die Landesregierung sprechen wird, haben wir einen Begrüßungsmarathon abzuarbeiten. Auf der Pressetribüne haben die Landessieger des Wettbewerbs „Jugend forscht!“ gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und ihren Patinnen und Paten Platz genommen. Herzlich willkommen!
Auf der Südtribüne begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Landschulheims Grovesmühle. Herzlich willkommen!
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe großes Verständnis für den Tenor des Antrags. Darin ist in gewisser Weise aber auch eine Selbstverständlichkeit formuliert. Warum? - Angesichts der Bedeutung der Thematik ist es für mich selbstverständlich und notwendig, die zuständigen Ausschüsse des Landtags über die Planungsgrundlagen für die Schulentwicklungsplanung ab dem Schuljahr 2014/2015 zu unterrichten, aber auch Details zu erörtern und
Ich habe mich seinerzeit im Bildungskonvent - es war damals der Beginn der Beratungen - sehr dafür eingesetzt, dass wir die Fragen der Schulentwicklungsplanung im Dialog angehen und bedenken. Das wird bei der Überarbeitung der Verordnung auch so sein, das sage ich Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich zu. Wie gesagt, es ist für mich auch ein Stück Selbstverständnis.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn ich mit den folgenden Sätzen Eulen nach Athen trage, so sei daran erinnert, dass Schulentwicklungsplanung ein sehr sensibles Thema ist. Es geht um die Demografie, um die Schulwege unserer Jüngsten, um die Infrastruktur, um Haltefaktoren und zu guter Letzt natürlich auch um den Einsatz von Ressourcen.
Immer, wenn es um die mögliche Schließung einer Schule geht, schlagen die Emotionen hoch. Auch dafür habe ich natürlich Verständnis. Vor diesem Hintergrund ist die Schulentwicklungsplanung immer auch ein Garant für Schlagzeilen. Alle in der politischen Öffentlichkeit wissen das und nützen die Klaviatur. Manchmal wird dabei etwas über Gebühr in die Tasten gegriffen. Insofern möchte ich in dieser Debatte zum angemessenen Piano raten, in dem auch die von Natur aus etwas leiseren Stimmen wahrgenommen und nicht vom Fortissimo übertönt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nach einem unruhigen Jahrzehnt, geprägt von dramatisch sinkenden Schülerzahlen, Standortdebatten, Gebietsreformen und Schulschließungen, ist es mit der geltenden Verordnung zur Schulentwicklungsplanung gelungen, die Schulen und ihre Standorte in ruhiges Fahrwasser zu manövrieren. Das nützt den Schulen, aber auch den Schülerinnen und Schülern.
Wir haben inzwischen Regelungen, die die Besiedlungsdichte vor Ort berücksichtigen, die zwischen Einzelstandorten und Mehrfachstandorten differenzieren und die in besonders gelagerten Einzelfällen konstruktive Lösungen zulassen.
Vor diesem Hintergrund werden in Sachsen-Anhalt im Vergleich der Bundesländer - jetzt ist es einmal ganz wichtig, sich die Zahlen anzuhören - mit deutlichem Abstand die meisten Schülerinnen und Schüler in den kleinsten Schulen beschult, insbesondere in den Grundschulen.
Dies resultiert aus einem überparteilichen Konsens der letzten Legislaturperiode - darauf hat Herr Höhn gerade hingewiesen -, den ich natürlich respektiere und schätze. Insofern wird an den bis zum Schuljahr 2013/2014 gültigen Schulentwicklungsplänen nicht gerüttelt.
Ich sage das so klar, weil ich diesbezüglich vor Ort stellenweise Verunsicherung feststelle. Ich sehe keinen Grund, mit der anstehenden Novelle zur Verordnung zur Schulentwicklungsplanung für die Schuljahre 2014/2015 bis 2018/2019 in alte Verhaltensmuster zurückzufallen und Schulschließungen in größerem Umfang auszulösen. Dazu haben wir auch keinen unmittelbaren Anlass, da die Schülerzahlen in den nächsten Jahren noch relativ stabil bleiben.
Dennoch: Die Ruhe ist trügerisch. Es gibt keinen Anlass dafür, im Nichtstun zu verharren. Leider muss ich hier ein deutliches Aber einflechten. Unmittelbar im Anschluss an den genannten kommenden Planungszeitraum wird ein zunächst langsamer und sich dann stetig beschleunigender Rückgang der Schülerzahlen einsetzen, der - das liegt in der Natur der Sache - zuerst die Grundschulen erreichen wird.
Die Ursache ist landläufig bekannt: Die Fünfte Regionalisierte Bevölkerungsprognose erwartet eine Abnahme der Geburtzahl in Sachsen-Anhalt. Diese wird von derzeit 17 500 bis 2015 auf 15 200 zurückgehen. Danach fällt sie stärker ab auf ca. 12 000 im Jahr 2020 und auf 9 300 im Jahr 2025 - so die offiziellen Zahlen. Damit sind wir fast bei einer Halbierung der Zahl der Einschulungen.
Infolge dieser Entwicklung bleibt die Zahl der Schülerinnen und Schüler zunächst, bis zum Jahr 2020, relativ konstant; das haben Sie eben zu Recht hervorgehoben. Danach sinkt sie jedoch, beginnend in den Grundschulen, und dies ab dem Jahr 2025 dramatisch.
All das gilt es in den Blick zu nehmen, wenn wir öffentliche Mittel für die Modernisierung oder Sanierung von Schulen verantworten. Wir sind gut beraten, dieses Wissen um die kommenden Zahlen und Entwicklungen vor Ort in unsere Erörterungen über die Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung sensibel und mit Augenmaß einzubeziehen.
Jetzt haben wir gemeinsam mit den Schulträgern noch die Chance, diese Entwicklung verhältnismäßig sanft und vernünftig zu gestalten. Reagierte man erst nach dem Jahr 2020, bestünde die berechtigte Sorge, dass alle politisch Handelnden wiederum zu Getriebenen werden. Notwendiges Augenmaß hätte es dann deutlich schwerer, sich in einer aufgeheizten Debatte durchzusetzen. Inwieweit mit den künftigen Planungsparametern den Erfordernissen des Personalentwicklungskonzeptes der Landesregierung entsprochen werden kann, hängt von unserem Verständnis ab.