Uns liegt zur heutigen Sitzung auch ein Entschließungsantrag aller Fraktionen zur zukünftigen Größe des Landtags vor. Über diese zu sprechen ist notwendig, weil der Landtag als Folge des Wahlrechts auch in den kommenden Jahren regelmäßig größer zu werden droht als die im Wahlgesetz vorgesehenen 91 Abgeordneten.
Lassen Sie uns die Debatte über die Größe des Parlaments breit und ohne Scheuklappen führen. Die anstehende Überprüfung der Wahlkreiseinteilung bietet dafür einen guten Anlass.
Bei der Debatte über die Zahl der Wahlkreise sollten wir es aber nicht bewenden lassen, sondern innerhalb und außerhalb des Parlaments in einen Dialog darüber eintreten, wie wir das System repräsentativer Demokratie unter Beachtung sowohl der demografischen Entwicklung als auch der gegenwärtigen Krise demokratischer Institutionen neu ausgestalten können.
Die Demokratiekosten wachsen auch bei einer schrumpfenden Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt nicht in den Himmel. 1,20 € an Steuermitteln kostet jede Sachen-Anhalterin und jeden SachsenAnhalter pro Monat der Landtag in seiner Gesamt
Doch nicht nur die Zahl der Abgeordneten - und damit die Demokratiekosten - steht in der Kritik. Viele Menschen hegen große Zweifel, ob sie durch Wahlen überhaupt etwas bewegen können. Wir werden uns deshalb auch Gedanken machen müssen, wie wir das Wahlrecht selbst demokratischer gestalten können, zum Beispiel, indem wir den Wählerinnen und Wählern mehr Spielraum eröffnen zu entscheiden, wer über die jeweiligen Landeslisten in den Landtag einzieht.
Schrumpft das Parlament, bleibt unser Land doch genauso groß. Es ist unsere Aufgabe, Lösungen zu finden, damit auch in Zukunft die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl ihrer Abgeordneten auf sie zugehen können und dafür nicht endlose Strecken überwinden müssen.
Wir müssen darüber diskutieren, welche Ressourcen Abgeordnete brauchen, um trotzdem ansprechbar zu sein.
Wer das System repräsentativer Demokratie zukunftsfest machen will, der muss es um Elemente einer wirklichen Mitmachdemokratie ergänzen. Bürgerinnen und Bürger wollen sich informieren und sie wollen mitbestimmen. Deshalb gehören in die Diskussion über die sich wandelnde Rolle der Abgeordneten in einer repräsentativen Demokratie auch diese Bedürfnisse. Wir müssen Modelle für mehr direkte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger entwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Wahlrecht und Parlament sprechen, sprechen wir über die DNA und die Herzkammer der Demokratie. An beiden bastelt man besser nicht im Vorbeigehen. Schnellschüsse und unsinniges Arbeiten führen in solchen Bereichen nicht weiter oder - wie CDU und FDP im Bund gerade erleben dürfen - direkt vor das Bundesverfassungsgericht. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam darum ringen, die parlamentarische Demokratie in Sachsen-Anhalt zukunftsfest zu machen. Ich freue mich auf die Debatte.
Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Frau Grimm-Benne. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben im April intensiv über die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung beraten. Ich will deshalb auf die einzelnen Argumente nicht noch einmal eingehen. Zum Ende meiner Rede im April habe ich angekündigt, dass
wir zur heutigen Beratung einen Entschließungsantrag vorlegen werden, der sich mit der demografischen Entwicklung unseres Landes und den Folgen für den Landtag auseinandersetzt. Wir haben Wort gehalten. Der Antrag, der Ihnen heute vorliegt, ist ein - darüber freue ich mich sehr - Antrag aller Fraktionen geworden und nicht nur einer der Regierungsfraktionen.
Worum geht es? - Die 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose geht davon aus, dass Sachsen-Anhalt im Vergleich zu 2008 in den nächsten 13 Jahren weitere 442 000 Einwohner verliert. Bereits im Jahr 2023 werden wir weniger als zwei Millionen Einwohner haben. Dabei ist die regionale Betroffenheit durchaus unterschiedlich. In den großen Städten wird die Entwicklung weniger dramatisch verlaufen als in anderen, zumeist ländlich geprägten Regionen unseres Landes. Wir spüren dies auch unmittelbar vor Ort in unseren Wahlkreisen.
Heute geht es nicht darum zu diskutieren, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreifen muss, um den Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu begegnen. Heute wollen wir, durchaus bewusst im Rahmen der Debatte über das Abgeordnetengesetz, darüber zu beraten beginnen, welche Auswirkungen die demografische Entwicklung für uns als Parlament hat. Ich sage deshalb „beginnen“, weil es hier heute nur ein Anfang sein kann und wir die Debatte auf der Grundlage von Daten weiter führen müssen.
Wir als Fraktion bekennen uns jedenfalls zu unserer Verantwortung als Parlamentarier, auch das eigene Haus, den Landtag, zu gestalten. Wir werden dies tun, auch in dem Wissen um unsere Verantwortung, die wir in dieser parlamentarischen Demokratie tragen. Ich sage das durchaus selbstbewusst.
Uns als Parlament obliegt die legislative Gewalt, und unsere Aufgabe ist es, die Regierung zu kontrollieren. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, brauchen wir ein Parlament, das arbeitsfähig und effizient ist und das aufgrund seiner strukturellen Zusammensetzung in der Lage ist, die, wie es in unserem Antrag heißt, durch die Verfassung zugewiesenen Kompetenzen und Zuständigkeiten zu erfüllen.
Dazu gehört meines Erachtens auch, dass die persönliche Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Abgeordneten auch in Zukunft gewährleistet sein muss. Nicht alles ist über Telefon und Mail zu erledigen; so funktioniert Demokratie nicht.
Sich der Verantwortung zu stellen, was wir heute tun, heißt aber auch, dass wir uns den Bericht über die Veränderung der Einwohnerzahl in den Wahlkreisen genau anschauen werden. Es ist heute noch zu früh, um über konkrete Zahlen oder gar Namen von Wahlkreisen zu sprechen. Es ist je
doch absehbar, dass infolge des Bevölkerungsrückgangs auch über die Größe des zukünftigen Landtages zu debattieren sein wird.
Wir wollen diese Debatte offensiv führen. Ich denke, es wird Veränderungen geben. Wir werden spannende Diskussionen erleben. Wir werden um bestimmte Punkte ringen. Aber unser Ziel ist es - darauf haben sich alle parlamentarischen Geschäftsführer verständigt; das hat Herr Striegel vorhin ausgeführt -, dass wir vor den nächsten Wahlen Klarheit haben.
So etwas, wie wir es jetzt im Bund erleben, nämlich dass das Bundesverfassungsgericht Ende der Woche oder Anfang nächster Woche festlegen wird, ob und wann Bundestagswahlen stattfinden und nach welchen Kriterien gewählt wird, sollten wir uns für Sachsen-Anhalt ersparen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Grimm-Benne. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Dr. Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE wird der vorgeschlagenen Änderung des Abgeordnetengesetzes zustimmen, wenn unser Änderungsantrag angenommen wird.
Diese Position haben wir bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes deutlich gemacht. Wir haben sie bei den Diskussionen im Ältestenrat wiederholt. Es wurde auch im Finanzausschuss über dieses Thema gesprochen.
Wir sind der Auffassung, dass die tatsächlich von uns vorgeschlagene maßvolle Erhöhung der Abgeordnetendiäten entsprechend der Einkommensentwicklung der Beschäftigten in Sachsen-Anhalt eine richtige Entscheidung wäre.
Damit befinden wir uns immer noch in der Kategorie, die die Diätenkommission vorgeschlagen hat, nämlich das Richtergehalt als Anspruch für die Abgeordnetenentschädigung zu nehmen, allerdings nicht in der Erfahrungsstufe 8, sondern eben erst in der Erfahrungsstufe 6.
Die anderen Vorschläge, die unterbreitet worden sind und die wir auch im Plenum und in den zuständigen beiden Ausschüssen diskutiert haben, finden unsere Zustimmung.
Herr Präsident, wir plädieren dafür, dass wir über die Punkte I und II der Beschlussempfehlung des Ältestenrates getrennt abstimmen; denn das, was
die Kollegen der Bündnisgrünen in ihrem eigenständigen Gesetzentwurf vorgelegt haben, lehnen wir aus prinzipiellen Erwägung heraus ab, weil sich erstens an der Höhe der Entschädigung nichts ändert und wir zweitens nach wie vor - auch das haben wir bereits deutlich gemacht - für die Einzahlung in die staatlichen sozialen Sicherungssysteme plädieren. Das ist der richtige Weg, und nicht hier und dort ein wenig an den Schrauben zu drehen.
Ich bin sehr froh darüber und den Initiatoren sehr dankbar dafür, dass wir als Fraktionen den vorgelegten Entschließungsantrag heute gemeinsam in großer Einmütigkeit, so denke ich, verabschieden werden.
Warum sage ich das? - Kollege Striegel sprach davon, dass Diskussionen zum Abgeordnetengesetz immer Sternstunden der Demokratie wären.
- Sein könnten. - Aus meinen Erfahrungen als parlamentarischer Geschäftsführer heraus weiß ich, dass es nicht immer so einfach war.
Meine Damen und Herren! Um noch einmal auf den Ernst der Sache zurückzukommen: Mit diesem Entschließungsantrag haben wir die Möglichkeit, den Prozess der Diskussion, den wir begonnen haben, fortzusetzen.
Wir haben zu Beginn unter dem Stichwort Parlamentsreform eben nicht nur die Höhe der Diäten, eben nicht nur die Amtsausstattung oder die Höhe der Fahrtkosten und sonst etwas gesehen; vielmehr haben wir gesagt: Wenn wir dieses Thema in der laufenden Legislaturperiode anpacken wollen, dann wollen wir es breiter fassen.
Ich gebe Kollegen Striegel vollkommen Recht darin, dass im Rahmen unserer Demokratie tatsächlich nach neuen Möglichkeiten gesucht werden muss, um Bürgerinnen und Bürger aktiver einzubeziehen. Damit meine ich eben nicht nur das Wahlrecht. Mitmachdemokratie ist ein wenig mehr, als an einem Wahltag in eine Kabine zu gehen und ein Kreuz oder zwei, drei oder fünf Kreuze zu machen.
Mitmachdemokratie heißt sich einzumischen, mit zu diskutieren, mit zu entscheiden. An dieser Stelle haben wir eine Menge Reserven zu erschließen. Dieser Entschließungsantrag eröffnet uns diesen Weg.
Es ist natürlich wichtig, über die Zahl der Abgeordneten oder die Größe des Parlamentes zu diskutieren. Selbst in unserer Fraktion haben wir dies
bezüglich eine sehr breit angelegte Debatte angestoßen. Es wird Ihnen in Ihren Fraktionen ähnlich gehen. Wir müssen uns nicht nur selbst mitnehmen, das heißt die Diskussion nach innen führen, sondern wir müssen sie auch nach außen führen.
Auch unsere Landesvorstände haben ein Interesse an den Vorstellungen der Fraktionsvertreter bei der Frage, in welche Richtung das gehen soll. Wir werden dafür plädieren, dass wir in unseren Gremien sehr sachkundig zum Beispiel mit unserem Landesvorstand und den betroffenen Kreisorganisationen und Kreisverbänden sprechen.
Es geht tatsächlich darum, zu entscheiden, welches ist der gangbare Weg. Wie muss zum Beispiel das Wahlrecht geändert werden, welche Möglichkeiten sollten diesbezüglich ins Auge gefasst werden? Es gibt an dieser Stelle eine breite Palette.