Viertens. Der Rettungsdienst - so wird es auch in der Gesetzesbegründung mehrmals erwähnt - ist eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises der Kreise und kreisfreien Städte. Wenn die Gesetzesnovelle im Grundsatz so beschlossen wird, ist der Träger - das bringt das Konzessionsmodell mit sich - weitgehend außen vor. Als schwierig sehen wir es an, dass er dann, wenn es keine Entgelteinigung gibt, mit einem Mal, sozusagen mit einer Satzung, wieder ins Geschäft kommt, bei dem er lange Zeit außen vor war. Das sehen wir tatsächlich als ein Problem an.
Eine Alternative, die im Gesetzentwurf auch an mehreren Stellen aufgezeigt wird, ist die Leistungserbringung durch die Kommunen selbst. Diese Variante wird durch die Hilfsorganisationen verständlicherweise strikt abgelehnt.
Wir halten diese Variante aber für eine Option, nicht für besser und nicht für schlechter. Ich habe es mir in Brandenburg intensiv angesehen; an einigen Stellen funktioniert das hervorragend.
Fünftens. Ich möchte noch eine Anmerkung zu den Leitstellen machen: Immer, wenn wir die Reduzierung begrüßt haben, hat der Innenminister genickt, wenn auch unauffällig - jetzt ist er doch eingeknickt. Vielleicht werden wir uns überlegen, ob wir es erneut einfordern.
Eine letzte Bemerkung zum Personal: Wir begrüßen, dass jetzt zwei Rettungsassistenten per Gesetz festgeschrieben werden sollen; denn meistens fahren schon zwei, sie werden nur nicht entsprechend bezahlt. Wir wollen auch, dass die Notärzte auf alle Fälle die nötige Qualifikation und entsprechende Fortbildungen vorweisen können. Wir werden unsere Position an dieser Stelle nicht aufweichen. - Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Ausgestaltung des Rettungsdienstes kann gute oder schlechte Politik über Leben und Tod entscheiden. Deshalb müssen wir als Landespolitik Fehlentwicklungen erkennen, die Probleme aufgreifen und sie dann einer Änderung zuführen. Das tun wir, weil wir als Koalition erkannt haben, dass die im Jahr 2006 vorgenommenen Änderungen sicherlich auch zu Fehlentwicklungen im Rettungsdienst in Sachsen-Anhalt geführt haben. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag, aber auch gemeinsam in diesem Haus - damals getragen von allen Fraktionen, nach meiner Erinnerung sogar einstimmig - die Handlungsbedarfe im Bereich des Rettungsdienstes niedergeschrieben und unsere Erwartung an einen Entwurf der Landesregierung schon damals kundgetan.
Diesen Handlungsnotwendigkeiten ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf aus der Sicht der SPDFraktion weitgehend Rechnung getragen worden. Ich möchte die einzelnen Punkte kurz aufgreifen.
Zur Notarztversorgung. Wir haben zurzeit die Situation, dass in einigen Landkreisen Hilfsfristen zumindest gefährdet sind und dass es in den letzten Jahren im Bereich der Notarztversorgung zu exorbitanten Kostensteigerungen gekommen ist. Wir als SPD-Fraktion sind der festen Überzeugung, dass die Krankenhäuser hierbei wieder stärker in die Pflicht genommen werden müssen; denn wer sich in diesem Land dafür entschieden hat, ein Krankenhaus zu betreiben, der muss sich letztlich
auch an die Bedingung gewöhnen, dass er Notärzte zur Verfügung zu stellen hat, um den Rettungsdienst abzusichern.
Das ist in den meisten anderen Bundesländern auch der Fall, auch in Bundesländern, wo es sicherlich vergleichbar schwierig ist, Personal zu rekrutieren.
Zum Thema Vergabe von Rettungsdienstleistungen oder Beauftragung mit Rettungsdienstleistungen. Rettungsdienst ist nun einmal keine Gebäudereinigung. Deswegen wollen wir nicht, dass Rettungsdienstleistungen einfach nur den Gesetzen des Marktes unterworfen werden.
Das will eigentlich die Europäische Kommission. Das wollen auch private Rettungsdienstleister aus dem In- und Ausland. Wir wollen das nicht. Es geht eben nicht nur um das Tagesgeschäft, sondern es geht auch darum, dass Rettungsdienstleistungen funktionieren, wenn es einen Massenanfall von Verletzten und einen Katastrophenfall gibt. Dann brauchen wir die Ehrenamtlichen, die eben kein Privater zur Verfügung hat.
Aus unserer Sicht ist die einzige Möglichkeit, das auf juristischem Wege erfolgversprechend zu tun, mit dem Konzessionsmodell im Gesetzentwurf vorgesehen. Deswegen unterstützen wir das auch.
Zum Thema Wasser- und Bergrettung hat der Minister schon vorweggenommen, dass es diesbezüglich vermutlich noch Wünsche der SPD geben wird. Das ist tatsächlich der Fall. Wir wollen eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtaufgabe der Landkreise und der kreisfreien Städte für die Wasser- und Bergrettung dort, wo eine solche erforderlich ist.
Deswegen werden wir an dieser Stelle in den weiteren Beratungen sicherlich noch die eine oder andere Frage zu klären haben.
Schließlich zur Frage der Subsidiarität. Wir wollen mit der Novelle zum Rettungsdienstgesetz die Hilfsorganisationen stärken.
Das tut der Gesetzentwurf zumindest im Verhältnis zu den privaten Anbietern. Wir wollen aber nicht, dass das durch eine Quasi-Gleichstellung der Eigenerbringung durch die Landkreise mit den Hilfsorganisationen erkauft wird.
Ein anderer Fall sind die Berufsfeuerwehren. Sie sollen das in den kreisfreien Städten ergänzend weiter tun dürfen. Aber wir wollen die Kritik der
Hilfsorganisationen an dieser Stelle aufgreifen, weil wir sie zumindest ansatzweise für berechtigt halten, und werden das im weiteren Verfahren thematisieren.
Ich wünsche mir in den nächsten Monaten eine zügige Beratung über die zugegebenermaßen juristisch komplizierte Materie; denn einige Regelungen in unserem Rettungsdienstgesetz haben ein Verfallsdatum zum 31. Dezember. Insofern haben wir auch gegenüber den Menschen, die potenziell Hilfe durch den Rettungsdienst benötigen, eine Verpflichtung. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Kollege Erben. - Jetzt dürfen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der MaximGorki-Sekundarschule aus Schönebeck begrüßen.
In der Debatte fahren wir mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort, für die Herr Striegel spricht. Sie haben das Wort, Herr Striegel.
Herr Minister, wir haben im Parlament heute offensichtlich einen Dauereinsatz, jedenfalls bei diesen drei Tagesordnungspunkten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss die Landesregierung schon wieder loben.
Meine Damen und Herren! Ein gutes Rettungsdienstgesetz schafft die Grundlage dafür, dass allen Menschen im Land in medizinischen Notfällen schnell und effektiv geholfen werden kann. Es stellt die unterschiedlichen Akteure klug auf und es sorgt für eine personell und technisch gute Ausstattung. Es hilft zudem, neben dem Alltagsbetrieb auch den sogenannten Massenanfall von Verletzten in Katastrophenfällen zu bewältigen, indem es die notwendigen Schnittstellen schafft. Das Rettungsdienstgesetz ist damit Kernbestandteil der öffentlichen Daseinvorsorge und unmittelbarerer Ausfluss des Sozialstaatsprinzips.
Ich erspare mir an dieser Stelle die Ausführungen, warum das bisherige Rettungsdienstgesetz Lücken hatte und wo die europarechtlichen Probleme herrühren. Dazu ist heute schon ansatzweise etwas
gesagt worden. Ich denke, das bringt die Diskussion an dieser Stelle nicht unbedingt sehr viel weiter; vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, jetzt ein rechtssicheres Rettungsdienstgesetz zu schaffen.
Das nunmehr gewählte Konzessionsmodell ist von Rechtsunsicherheiten noch nicht völlig frei. Diese betreffen eine Vielzahl im Gesetz genutzter unbestimmter Rechtsbegriffe, aber auch Fragen zu europarechtlichen Bestimmungen. Hierzu wird der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst im Rahmen der Ausschussbefassung intensiv zu hören sein. Ich denke, diesbezüglich werden wir im Einzelfall vielleicht noch nachsteuern müssen.
Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt die Kommunen stärker als bisher in die Verantwortung. Ob der Subsidiaritätsgrundsatz noch gewahrt ist und die Kommunen nicht überfordert werden, geben wir mit Blick auf den Landkreis Mansfeld-Südharz zu bedenken,
der seit Juli 2011 mit einem Eigenbetrieb den Rettungsdienst organisiert. Die dort aufgetretenen Probleme bei der Gewährleistung des Katastrophenschutzes sind hier bekannt.
Wer wie die Landesregierung auch unter Beachtung des Landtagsbeschlusses vom Oktober 2010 die mit vielen Ehrenamtlichen im Katastrophenschutz tätigen Hilfsorganisationen im Rahmen des europarechtlich Zulässigen bei der Vergabe von Aufträgen stärken will, der sollte sie aus unserer Sicht auch im Gesetz an der richtigen Stelle nennen. Uns irritiert daher etwas, dass die Hilfsorganisationen im Gesetzentwurf in § 12 nur unter „sonstige Leistungserbringer“ subsumiert sind. Das wird ihrer Bedeutung für das Land noch nicht vollständig gerecht.
Hinsichtlich der in den §§ 12 und 13 des Entwurfs vorgesehenen Kriterien für die Konzessionsvergabe begrüßen wir, dass neben den weiteren Kriterien, wie zum Beispiel die Leistungsfähigkeit bei Massenanfall von Verletzten, auch eine tarifgerechte Vergütung verlangt wird. Es wäre jedoch wünschenswert, dass eine eindeutige Verknüpfung hinsichtlich des von den Bewerbern vorzulegenden Konzepts und der tatsächlichen späteren Leistungserbringung vorgenommen wird. Ansonsten besteht aus unserer Sicht das Risiko, dass die im Auswahlverfahren offerierten Qualitätsstandards und Zusagen bei der Leistungserbringung selbst nicht eingehalten werden.
Ich will an dieser Stelle keine Diskussion über die Anzahl der Leitstellen vom Zaun brechen. Sie kennen die Vorstellungen meiner Fraktion. Wir haben hier im Hause einem Änderungsantrag zugestimmt, der vorsah, die Zahl der Leitstellen zu reduzieren. Viel wichtiger aber als deren Zahl ist bekanntlich die Qualität der dort stattfindenden Arbeit.
Wir hätten uns deshalb gewünscht, dass die Notfallrettung und der Krankentransport grundsätzlich durch eine einheitliche integrierte Leitstelle disponiert werden, um eine Rettung aus einer Hand zu gewährleisten, ebenso wie wir ohnehin eine Trennung von Notfallrettung und qualifizierter Patientenbeförderung kritisch sehen. Andere Bundesländer haben diese Bereiche inzwischen zusammengeführt.
Die undurchsichtigen und optionalen Regelungen des § 9 des Entwurfs sollen offenbar ausschließlich das Bestehende in all seinen Fassetten erhalten. Sie bergen gerade mit Blick mit Großschadenslagen und im Katastrophenfall erhebliche Risiken und tragen weder zur Kostenminimierung noch zur Hebung von Synergien maßgeblich bei. Insbesondere im sensiblen Bereich der Rettungsdienstkoordination besteht die Gefahr von Wildwuchs und divergierenden Strukturen und Kompetenzen.