Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist doch ansonsten zumeist für die Freiheit der Wissenschaft. So haben Sie eben auch argumentiert. In Ihrem Antrag fordern Sie aber nun, die Politik solle sich in das Forschungsdesign der nationalen Studie einmischen mit dem Ziel, einen stärkeren Fokus auf bestimmte Aspekte von Krankheit zu legen.
Betrachtet man Ihren Antrag im Kontext der Anfrage der Bundestagsabgeordneten Bender, könnte man Ihre Forderung auf den Nenner bringen: weniger MRT, mehr sozialer Kontext. Aber gerade unsere Forscher in Halle interessieren sich zufälligerweise für MRT. Es ist bewährte Praxis der Wis
senschaft, nicht in jedem Projekt alles zu untersuchen, sondern jeweils klare Untersuchungsgegenstände zu benennen.
Die Erarbeitung des Konzepts für die nationale Kohorte unterlag und unterliegt dem verfassungsrechtlich abgesicherten Diskurs innerhalb der Wissenschaft. Die Förderer, also der Bund und die Länder, vertrauen im Rahmen ihrer Förderentscheidung international anerkannten wissenschaftlichen Gutachterinnen und Gutachtern. Ich bin ziemlich sicher, dass sich in Deutschland diese Art der Arbeitsteilung zwischen Politik und Wissenschaft bewährt hat und dass wir auch in diesem Fall nicht davon abweichen sollten.
Drittens. Schon das jetzige Untersuchungsdesign ist nicht annähernd so einseitig, wie Sie es zu interpretieren scheinen. Dem Konzept und der Antwort der Bundesregierung auf die Frage der Abgeordneten Bender ist zu entnehmen, dass soziale Aspekte wie Migrationshintergründe, Gender-Aspekte und die ökonomischen Lebensverhältnisse sehr wohl berücksichtigt werden und auch entsprechende internationale Experten einbezogen sind.
Dies wiederum könnte erklären, weshalb grün regierte oder mitregierte Länder wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfahlen der Untersuchung offenbar ganz unbefangen gegenüberstehen. Zumindest haben sie in der GWK entsprechend mit gestimmt.
In unserem Land sind die Hallenser Professoren Stang und Haerting maßgeblich an der Konzeptionierung und Ausgestaltung der nationalen Kohorte beteiligt. Herr Professor Stang ist auch Sprecher des Konsortiums Halle-Leipzig und bringt als Mitglied des Epidemiologischen Planungskomitees seine Expertise ein. Ich bin sicher, dass der Ausschuss für Soziales oder der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft ihn jederzeit einladen können, und er wird dann auch gern berichten.
Vielen Dank, Frau Professor Wolff. - Wir treten jetzt in die Fünfminutendebatte ein. - Jetzt habe ich die Fragen übersehen. Frau Dr. Pähle setzt sich noch einmal. Zuerst stellt Frau Wicke-Scheil ihre Frage und dann Herr Lange. Sie würden sie beantworten?
Frau Ministerin, diese Kohortenstudie ist ja eine prospektive Studie. Dabei geht es darum, dass mögliche Wirkungen bei angenommenen Ursachen erforscht werden sollen. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass es in dieser Kohortenstudie eher um die Wissenschaft geht - Sie haben gesagt, die Universität Halle legt großen Wert auf MRT - und weniger um die Fragestellung der Gesundheit der Bevölkerung? Ist es richtig, dass die Wissenschaft die Fragestellung nach der Bevölkerungsgesundheit dominiert?
Man muss unterscheiden zwischen dem Sinn und Zweck der nationalen Kohorte insgesamt - das ist eine sehr langfristig angelegte Studie mit insgesamt 200 000 Teilnehmern - und den Teilprojekten der Wissenschaftler an den einzelnen Standorten. Es gibt innerhalb dieses Gesamtsamples zehn Teilcluster mit jeweils 20 000 Probanden. HalleLeipzig ist das sogenannte mitteldeutsche oder zentraldeutsche Cluster mit 10 000 Probanden in Halle und 10 000 in Leipzig.
All diese teilnehmenden Zentren arbeiten an Einzelfragestellungen, die zusammen das ganze Konzept ergeben. Halle hat sich für den MRT-lastigen Teil beworben. Da liegt ein Hallenser Schwerpunkt, aber nicht der Schwerpunkt der gesamten Studie. - Beantwortet das Ihre Frage?
Frau Ministerin, mich würde interessieren, wann der Landesregierung klar war, dass der Landtag mit einer Stellungnahme zu beteiligen ist.
Die Spielregeln nach der LIV sind doch allgemein klar, uns auch. Den Prozess haben wir auch unmittelbar nach der Kabinettsbefassung vollzogen.
Frau Ministerin, wenn es der Landesregierung vorher klar war, müsste Ihnen eigentlich geläufig sein, wie die Abläufe im Parlament sind, wie es sich mit parlamentsfreien Zeiten verhält und wie es sich vor allem mit den Vorlaufzeiten verhält, wenn man tatsächlich eine Stellungnahme des Landtags erwar
tet. Das scheint ja in Ihren Überlegungen zumindest vom Datum her nicht wirklich eine Rolle gespielt zu haben.
Vier Wochen ist die übliche Frist. Außerdem wusste ich ja, dass wir das Thema vorher schon im Ausschuss behandelt haben. Also, mir war jetzt nicht klar, dass es akute, über das im Ausschuss Diskutierte hinausgehende Informationsbedürfnisse gab. Auch der Sozialausschuss hat nie nachgefragt. Sie wissen, dass ich mich immer darüber freue, wenn wir inhaltliche Diskussionen im Ausschuss führen. Sie hätten einfach fragen können. Sie können sogar auf dem „kurzen Weg“ fragen.
Ich möchte nur festhalten, dass wir das nicht im Ausschuss behandelt haben. Das ist ja der Anlass der Anfrage. Wir haben keine inhaltliche Debatte im Ausschuss gehabt. Staatssekretär Herr Tullner hat diese zwar für den Ausschuss für Arbeit und Soziales zugesagt, aber auch dort wurde sie nicht geführt.
Das halten wir jetzt so im Protokoll fest. - Frau Dr. Pähle hat das Wort für die SPD-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag lässt mich ein wenig ratlos hier vorn stehen, weil ich ein bisschen hin und her gerissen bin zwischen Kritik, die ich nachvollziehen kann - - Ja, ich gebe zu, auch ich hätte mir mehr Information durch das Ministerium gewünscht.
An dieser Stelle bin ich voll beim Antragsteller. Darüber hinaus bin ich allerdings auch über das, was von Ihnen, Frau Dalbert, und von Ihrer Fraktion im Antrag geschrieben und festgestellt wird, ein Stück weit entsetzt bzw. es lässt mich mit großen Fragezeichen stehen.
Sie haben bereits selbst darauf hingewiesen, dass in der Ausschusssitzung am 24. November 2011 - damals ging es um den Doppelhaushalt - DIE LINKE einen Änderungsantrag zum eingebrachten Haushalt gestellt hat, nämlich die Mittel für die nationale Kohorte zu streichen. In diesem Zusammenhang hat sich der Ausschuss, zugegebenermaßen kurz, mit dem Thema beschäftigt.
So ist im Protokoll nachzulesen, dass Staatssekretär Herr Tullner - ich möchte meine Redezeit nicht allzu sehr strapazieren - erklärt, dass das Vorhaben eine Langzeitstudie mit einer Dauer von 20 bis 30 Jahren ist, in der Volkskrankheiten, Lebensgewohnheiten, genetische Veranlagungen und umweltbedingte Faktoren in den Blick genommen werden sollen und für eine biomedizinische Forschungsperspektive eine entsprechende Datenressource abgebildet wird. Das ist bereits am 24. November 2011 im Ausschuss berichtet und debattiert worden. Für den Landtag sei es sicherlich geboten, sich im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit dem Thema zu befassen, wozu Herr Tullner berichten werde. - Das hat er nicht getan. Das ist die Kritik, die ich teile.
Aber jetzt zu sagen und im Antrag zu formulieren, es habe keine ausreichende Information über das Forschungsprojekt gegeben, was die Laufzeit und die Finanzierung betrifft, ist nicht korrekt. Auch das ist am 24. November 2011 im Ausschuss besprochen worden, nämlich dass es momentan um eine Dauer von zehn Jahren geht mit einem jährlichen Finanzierungsanteil von 206 000 €. Das ist im Ausschussprotokoll nachzulesen. Da bitte ich auch darum, das Protokoll in Gänze heranzuziehen, wenn man die Diskussion hier beschreiben möchte.
Wenn es Ihnen darum ging, über dieses Projekt noch einmal genauer zu debattieren, dann hätte wahrscheinlich auch im Nachgang zu den Haushaltsberatungen - wir reden jetzt von fast einem Jahr - ein Selbstbefassungsantrag zum Stand der Verhandlungen zwischen dem Bund, den Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft ausgereicht. Es hätte nicht erst der Vorlage des Beschlusses der GWK oder der Bund-Länder-Koordinierung bedurft, um das Thema hier im Landtag wieder aufzurufen.
Andere Punkte Ihres Antrages, nämlich die Überprüfung und gegebenenfalls die Überarbeitung des Forschungsdesigns bzw. auch die Festlegung, dass dieses Projekt zu sehr naturwissenschaftlichbiomedizinisch ausgerichtet ist, halte ich für falsch. Sie zeugen an manchen Stellen - es sei mir erlaubt, es so zu formulieren - von Unkenntnis der hier diskutierten Forschungsaspekte.
Ganz einfach: Wer sich ein wenig über die nationale Kohorte schlau macht, der erfährt, dass dieses Projekt insgesamt seit 2007 in der Vorbereitung ist. Das heißt, dieses Projekt geht weit über eine Legislaturperiode dieses Landtags hinaus und bedarf
In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage von Abgeordneten der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dann auch zu lesen:
„Zentrales Planungsgremium ist das Epidemiologische Planungskomitee, dem die projektverantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den beteiligten Einrichtungen angehören und das bei seiner Arbeit von weiteren fachspezifischen ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstützt wird, die in mehreren thematischen Arbeitsgruppen organisiert sind.“
Das hatte Frau Ministerin gerade auch ausgeführt. Damit obliegt die Erarbeitung des Konzeptes für die nationale Kohorte dem verfassungsrechtlich abgesicherten Diskurs innerhalb der Wissenschaft.
Die von Ihnen aufgestellte Forderung zur Überprüfung und Überarbeitung des Forschungsdesigns stellt einerseits infrage, dass die einschlägigen Forschungseinrichtungen den richtigen Fokus gewählt haben. Andererseits geht es auch um die Aufforderung, dass politisch Einfluss auf die Forschungsausrichtung zu nehmen ist.
An dieser Stelle sprachen Sie vorhin vom politischen Mehrwert dieses Projektes. Ich frage Sie am Schluss meiner Redezeit nur, was ist der politische Mehrwert der Projekte, die wir über die Exzellenzinitiative des Landes fördern.
Ich bin sehr stolz darauf, dass wir im Rahmen der Haushaltsverhandlungen den Ansatz dafür wieder erhöht haben. Dort fragen wir zum Glück nicht nach politischem Mehrwert, sondern wir geben der Wissenschaft Geld, Raum und Zeit, um für die Wissenschaft wichtige Fragen zu erforschen, ihnen nachzugehen, weil das einen generellen Mehrwert für die Gesellschaft bedeutet.
Ich denke, wir sollten an der Stelle nicht anfangen, Projekte nach dem politischen Mehrwert zu beurteilen, sondern wir sollten das der Wissenschaft überlassen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Würden Sie eine Frage von Herrn Dr. Köck beantworten wollen? - Herr Dr. Köck, stellen Sie Ihre Frage.
Sie scheinen sich inhaltlich intensiv damit befasst zu haben. Ich habe nur eine Frage. Wie erfolgt denn die Probandenauswahl? Nach dem Zufallsprinzip? - Denn 10 000 Probanden im Raum Halle - -
Ich habe mich damit beschäftigt, nicht mit allen Einzelheiten. Von der Warte her kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, wie die Auswahl erfolgt. Ich vermute allerdings, dass es eine Zufallsstichprobe ist. Ich weiß auch, dass die MLU mit der Auswahl der Probanden schon begonnen hat, damit die Untersuchungen im nächsten Jahr beginnen können.
Vielen Dank Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die nationale Kohorte ist, wie sie angelegt ist, dazu sind jetzt schon sehr viele Ausführungen gemacht worden. Prinzipiell ist diese Langzeitstudie aus der Sicht meiner Fraktion ein interessantes und sinnvolles Projekt, auch wenn wir im Ausschuss in der Haushaltsberatung gefordert haben, dass diese Mittel vollständig vom Bund übernommen werden. Das war der Hintergrund.
Ich habe jetzt gelernt, dass das möglich ist, dass zumindest eine Neuverteilung möglich ist. Einige Bundesländer scheinen sich ja nicht daran zu beteiligen. Das finde ich auch wieder interessant; denn diese Option wurde uns in der Haushaltsberatung nicht mitgeteilt.