Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Striegel, bis zu Ihrem Redebeitrag war ich tatsächlich in Unkenntnis der Perspektiven bündnisgrüner Innenpolitik; denn ich hatte zunächst vor, Ihren Gesetzentwurf zumindest teilweise zu loben und Ihr Bemühen anzuerkennen, sich bei der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes einzubringen.
Nach Ihrem Redebeitrag unterlasse ich das selbstverständlich und schließe mich der Argumentation des Innenministers an. Sie hätten konsequenterweise einen solchen Gesetzentwurf nicht vorlegen sollen; denn dieser Gesetzentwurf hat mit dem, was Sie in Ihrer Rede gesagt haben, überhaupt nichts zu tun.
Seien Sie doch so konsequent und stellen Sie Ihr Anliegen zur Abstimmung, dass die Verfassungsschutzbehörde aufgelöst werden soll. Das wäre etwas völlig anderes gewesen und es hätte auch Ihrem Redebeitrag entsprochen.
Der Innenminister hat in der letzten Sitzungsperiode des Landtags bereits in einigen Punkten skizziert, wie er sich die Neuausrichtung der Verfassungsschutzbehörde in Sachsen-Anhalt und den Verfassungsschutzverbund vorstellt. Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, um auch unsere Vorstellungen zu skizzieren. Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass es neun Punkte sind.
Erstens. Ich hatte das eine oder andere Mal die Überschrift gebraucht: Der Verfassungsschutz muss weg vom Schlapphut-Image. Das ist eine Sache, die man nicht durch Gesetz entscheidet; vielmehr kommt es darauf an, dass der Mann oder die Frau, der oder die an der Spitze der Behörde steht, das lebt, dass Verfassungsschützer nämlich in erster Linie nicht Geheimdienstler sind, sondern Mitarbeiter, die das richtige Gespür für die Gefah
ren, die der Demokratie drohen, haben müssen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dafür den richtigen Mann an der Spitze unserer Verfassungsschutzbehörde gefunden haben.
Zweitens. Wir wollen den V-Mann-Einsatz gesetzlich rechtsstaatlich regeln. Wir wollen nicht nur behördeninterne Regelungen, wie sie heute üblich sind, sondern wir wollen das Ganze auf einem Gesetz basierend aufbauen.
Dazu gehören unter anderem die folgenden Fragen: Wer darf überhaupt V-Mann sein? Inwiefern spielen Vorstrafen etc. dabei eine Rolle? Wie sieht die Vergütung des V-Manns aus? Bei dieser Frage schließe ich mich wiederum Herrn Striegel an. Es darf nicht sein, dass mithilfe der Vergütung letztlich extremistische Strukturen aufgepäppelt werden können.
Wir wollen außerdem über die Frage von besonderen Fällen der Genehmigung von V-Mann-Einsätzen reden. Dazu sind Gremien wie die PKK, die G10-Kommission etc. geeignet.
Wir wollen keine Zusammenführung von Beschaffung und Auswertung, weil diese Organisationsform in Sachsen-Anhalt Konsequenz einer anderen Verfassungsschutzpanne, nämlich im Freistaat Sachsen, gewesen ist. Dort hatte sich in einer kleinen Behörde eine einzelne Mitarbeiterin letztlich das Hirngespinst des Sachsensumpfes zusammengesponnen. Das ist ein Problem in diesem Zusammenhang. Deswegen sehen wir eine solche Zusammenführung von Beschaffung und Auswertung als skeptisch an.
Wir brauchen eine Zentralstelle, die weiß, wo V-Leute im Einsatz sind. Das kann nur beim Bundesamt für Verfassungsschutz realisiert werden. Deswegen unterstützen wir auch die Forderung des neuen BfV-Präsidenten Herrn Maaßen.
Ich habe es auch an dieser Stelle mehrfach betont, dass wir nichts von einer Zusammenführung von Landesbehörden halten; denn das Konzept, das diesbezüglich vorgesehen ist, überzeugt uns nicht. Wir halten auch nichts davon, die Behörden in eine zentralistisch geführte Bundesbehörde zu überführen.
Außerdem wollen wir eine gesetzliche Pflicht zum Informationsaustausch und nicht nur ein Recht darauf.
Denn derzeit haben wir die Situation, dass derjenige, der die Information abgibt, entscheidet, ob er das will oder nicht. Wir wollen eine entsprechende Pflicht.
muss sie aber auch leben. Denn wir haben im Vergleich zu anderen Bundesländern seit vielen Jahren ein sehr umfangreiches, auch Befugnisse der PKK regelndes Verfassungsschutzgesetz.
Das ist ein kleiner Punkt: Ich glaube, es erscheint sinnvoll zu prüfen, in Sachsen-Anhalt die Möglichkeit zu eröffnen, dass auch Mitarbeiter der Fraktionen, die nach Ü 3 sicherheitsüberprüft sind, bei bestimmten Maßnahmen der PKK mitwirken dürfen. Das würde die Mitglieder der PKK schlagkräftiger machen.
Schließlich müssen wir weg von der Jeder-machtseins-Mentalität zwischen Verfassungsschutz einerseits, Polizei und Staatsanwaltschaft andererseits; denn das ist, so glaube ich, das Grundproblem, das dazu geführt hat, dass der NSU überhaupt entstehen konnte. Das muss verbessert werden.
Meine Damen, meine Herren! Das war keine abschließende Aufzählung. Weitere Schritte werden nach der Aufarbeitung des NSU-Komplexes in den Untersuchungsausschüssen und diversen anderen Gremien ganz sicher folgen müssen. - Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Kollege Erben. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau von Angern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Gesetzentwurf folgt dem Grunde nach der Logik, dass bei einer verbesserten parlamentarischen Kontrolle der Verfassungsschutzbehörde die Qualität, die Effektivität, aber vor allem die Transparenz der Arbeit dieser Behörde steigen.
Noch vor einem Jahr hätte meine Fraktion ein solches Vorhaben sicher unterstützt, wenn nicht gar selbst parlamentarisch initiiert. Außerdem - Sie erinnern sich sicherlich - haben wir mit Beschluss des Landtages vom 12. Juli 2012 gemeinsam die Geschäftsordnung des Landtages auch dahin gehend geändert, dass durch die Aufnahme eines neuen § 17a - Parlamentarische Kontrollkommission - die Landesregierung auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes der Kontrolle durch den Landtag mittels der PKK als Ausschuss des Landtages unterliegt. Ich denke, dies war eine gute Entscheidung.
Noch im letzten Jahr hätten auch wir uns, wie im vorliegenden Gesetzentwurf ausgeführt, gewünscht, dass Minderheitenvoten von einzelnen PKK-Mitgliedern abgegeben werden können. Wir
hätten es ebenfalls begrüßt, dass eine Herabstufung des Geheimhaltungsgrades der PKK-Sitzungen möglich sein soll. Ebenso hätten wir den Einsatz eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der PKK befürwortet.
Doch, meine Damen und Herren, seitdem ist schon wieder einige Zeit verstrichen. Wir sind seitdem vor allem um einiges Wissen reicher.
Wenn die letzten Monate eines klar zutage gebracht haben, dann dies: Geheimdienste sind so konstruiert, dass sie sich gerade nicht kontrollieren lassen,
auch nicht durch ein im Geheimen tagendes Gremium von Parlamentariern wie der PKK, mögen deren Kompetenzen vermeintlich noch so weitreichend sein.
Entsprechend wird meine Fraktion auch nicht der Logik dieses Gesetzentwurfes folgen. Herr Kollege Striegel, dies hat nichts mit Unkenntnis bzw. mit Arbeitsverweigerung zu tun. Ich bedauere, dass Sie hier eine solche Brachialrhetorik verwenden. Ich denke, es hat vielmehr damit zu tun, dass wir aufgrund der Kenntnisse, die wir jetzt haben, zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Ich bitte Sie, dies auch zu respektieren.
Meine Fraktion verfolgt daher nicht das Ziel, den Verfassungsschutz und seine parlamentarische Kontrolle im bestehenden Kontext zu reformieren. Aus unserer Sicht zwingt vor allem, aber auch nicht nur das skandalöse Versagen der Sicherheitsbehörden und insbesondere aller Inlandsgeheimdienste in Bezug auf den braunen Terror des NSU zu einem grundlegenden Neuanfang. Und wann, wenn nicht gerade jetzt?
Bundesamt wie auch Landesämter haben sich in eine schwere Legitimationskrise gebracht. Wir sind somit fest davon überzeugt, dass unsere gewachsene, an demokratischer Reife gewonnene Gesellschaft einen entschiedenen Bruch mit diesen - das sagte Herr Striegel bereits und darin gebe ich ihm Recht - im Kalten Krieg und im Antikommunismus wurzelnden Strukturen ermöglicht und auch zwingend erfordert.
Unsere grundlegende Zielrichtung besteht deshalb bekanntermaßen in der Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes Verfassungsschutz.
Auf dem Weg dorthin wird zu entscheiden sein, welche staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen mit welchen demokratischen Institutionen und rechtsstaatlichen Verfahren an die Stelle des bisherigen Inlandsgeheimdienstes treten sollen. Auf dem Weg dorthin wird man auch im Sinne von Veränderungen im bestehenden Kontext über Reformschritte beraten können und müssen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, aus den bisher genannten Gründen möchte ich insbesondere einen Punkt Ihres Gesetzes herausgreifen, der aus der Sicht meiner Fraktion selbst mit der Begründung eines Reformschrittes höchst problematisch ist:
Mit Ihrem Änderungsvorschlag zu § 7 Abs. 3 des Verfassungsschutzgesetzes beabsichtigen Sie, dass die PKK zukünftig im Einzelnen das Recht erhält, eine nachrichtendienstliche Maßnahme abbrechen zu lassen. Sie führten in Ihrer Einbringungsrede aus, es soll die absolute Ausnahme sein. Doch dazu sage ich Ihnen ganz klar, meine Fraktion befürwortet eine solche Befugnis ausdrücklich nicht.
Die nachrichtendienstliche Tätigkeit ist aufgrund der aktuellen Rechtslage die Domäne der Exekutive. Die Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Landesregierung ist wiederum unsere Domäne, also die des Landtages. Diese Rechtsfolge folgt dem Prinzip der Gewaltenteilung. Wir tun gut daran, dies auch genau so zu beachten.
Bevor die altbekannten Zwischenrufe aus den Reihen der CDU und der Verweis auf unsere nicht alleinige, aber besondere Verantwortung für das Scheitern der DDR kommt: Ja, auch und insbesondere aus diesem Zusammenhang leiten meine Partei und meine Fraktion ihre Sicht und besondere Verantwortung für die Bewahrung derartiger Grundfesten des demokratischen Staates ab. Für uns ist eben das Verfassungsschutz im wahrsten Sinne des Wortes.
Die dem Landtag zugewiesene demokratische Kontrolle des sachsen-anhaltischen Inlandsgeheimdienstes dient letztlich auch der Machtbegrenzung des Verfassungsschutzes. Aber einem parlamentarischen Kontrollgremium die letztlich exekutive Entscheidung zukommen zu lassen, den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im konkreten Einzelfall abzubrechen, geht nach meiner Auffassung von parlamentarischer Kontrolle weit über das Gebotene hinaus. Nach welchen Maßstäben, Auswahlmodalitäten und auf welcher Grundlage soll die PKK tatsächlich im Einzelnen über konkrete Einsätze nachrichtendienstlicher Mittel bzw. deren Abbruch entscheiden und dafür vor allem die Verantwortung tragen?
Ich bin nun seit der letzten Wahlperiode in der PKK tätig. Aus dieser Erfahrung heraus frage ich mich, wie ich künftig verantwortungsbewusst und vor allem tatsächlich korrekt bewerten soll, welche Einsätze nachrichtendienstlicher Mittel ich abbrechen lassen will und welche nicht. Dazu fehlen mir als Parlamentarierin rein objektiv die Fachkompetenz und das entsprechende Wissen. Auch hierbei bin ich wieder darauf angewiesen, was mir die Abteilung 4 vorlegt.
tel getroffen haben, also dem Leiter der Verfassungsschutzbehörde, der deshalb aus gutem Grunde jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann.
Letztlich ist es die politische Verantwortung des zuständigen Staatssekretärs, des Innenministers und schließlich auch des Ministerpräsidenten.