Protokoll der Sitzung vom 15.11.2012

In § 1 Abs. 2 Nr. 3a des Schulgesetzes wird künftig die Beseitigung von Benachteiligungen der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in allen Lernprozessen als eine wichtig Aufgabe aller Schulen benannt, um auch diesen Schülerinnen und Schülern eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

In § 1 Abs. 3 wird entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention der Begriff „inklusive Bildungsangebote“ eingeführt und festgestellt, dass diese in allen Schulformen als Beitrag zur Verbesserung

der Chancengerechtigkeit zu entwickeln und zu fördern sind. Weiterhin ist in diesem Absatz festgelegt, dass inklusionspädagogische Inhalte verbindlich in die Lehrerbildung aufzunehmen und für Schülerinnen und Schüler, die besondere Hilfen benötigen, die über die Möglichkeit der sonderpädagogischen Förderung hinausgehen, weiterhin Förderschulen vorzuhalten sind.

In § 1 Abs. 3a wird klargestellt, dass der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf regelhaft zu erfolgen hat, wenn die Erziehungsberechtigten dies beantragen und die personellen, sächlichen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind.

Für die Entscheidungen über den weiteren Bildungsweg ihrer Kinder erhalten die Eltern eine umfassende Beratung.

Die Regelungen zur Gemeinschaftsschule sind in § 5b zusammengeführt worden, lediglich der spezielle Aspekt der Ausgestaltung des regionalen Schulangebotes durch den Schulträger, der allein den Schulträger und Träger der Schulentwicklungsplanung berührt, befindet sich weiterhin im § 64 - Schulträgerschaft.

In § 8 Abs. 6 wird für Förderschulen für geistig Behinderte festgeschrieben, dass sie Ganztagsangebote für ihre Schüler unterbreiten, während die anderen Förderschulen Ganztagsangebote einrichten und von der obersten Schulbehörde genehmigen lassen können. - Das war auch eine Intention des Sozialausschusses. Ich sehe das freundliche Lächeln.

In § 16a Abs. 2 Sätze 5 und 6 erfolgte eine Klarstellung in der Weise, dass an anerkannten Ersatzschulen Personen mit anderen wissenschaftlichen Ausbildungen zunächst wie Lehrkräfte eingesetzt werden dürfen, die Schulbehörde sich jedoch die Entscheidung über eine Unterrichtsgenehmigung nach Prüfung vorbehält. Die Entscheidung ergeht binnen drei Monaten.

Zur Klarstellung hat der Ausschuss zu § 16a außerdem eine Protokollnotiz beschlossen, die ich heute noch einmal kurz vorstellen möchte. Das Kultusministerium betont die Bereitschaft, Studierende in Sachsen-Anhalt nach erfolgreicher Ablegung der ersten Staatsprüfung für ein Lehramt einen Unterrichtseinsatz bis zur Dauer eines Schuljahres an einer anerkannten Schule in freier Trägerschaft zu gestatten, wenn die auf den Abschluss des Studiums erfolgte Bewerbung für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst des Landes nicht erfolgreich war. Eine Verlängerung unter gleichen Gesichtspunkten um ein weiteres Jahr ist ebenfalls möglich.

Gemäß § 64 Abs. 2a Satz 3 ist nach Umwandlung eines Gymnasiums in eine Gemeinschaftsschule

durch den Schulträger ein weiteres Gymnasium vorzuhalten, sofern nicht die Schulbehörde feststellt, dass die demografischen Bedingungen oder die Schulwege dies nicht erfordern. Hierzu hat der Ausschuss ebenfalls eine Protokollnotiz beschlossen, in der die Bedingungen benannt sind, unter denen die Schulbehörde den Schulträger von der Pflicht, ein weiteres Gymnasium vorzuhalten, befreit.

Die Regelungen in den §§ 84a bis 84e wurden getroffen, um die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten zu schaffen. Mit den Regelungen griff der Ausschuss insbesondere Hinweise des Landesbeauftragten für den Datenschutz auf, der zu der Änderung des § 84a im Regierungsentwurf datenschutzrechtliche Bedenken vorgetragen hat, die dann die den Datenschutzbereich betreffenden Gesetzesberatungen begleiteten.

In § 2 des Gesetzentwurfs wurde durch die Landesregierung eine Änderung des Landesbesoldungsgesetzes vorgeschlagen, um in dessen Anlage die Leitungsämter für die neue Schulform „Gemeinschaftsschule“ auszubringen und zu dotieren.

Im Zusammenhang mit dieser beabsichtigten Änderung des Landesbesoldungsgesetzes hat der Finanzausschuss dem federführenden Ausschuss empfohlen, in der Anlage 1 - Besoldungsordnung B - die Stelle der Präsidentin bzw. des Präsidenten der Landesstraßenbaubehörde SachsenAnhalt von Besoldungsgruppe B 3 nach Besoldungsgruppe B 4 zu heben, das zu beschließende Gesetz in ein Artikelgesetz umzuwidmen und es „Gesetz zur Änderung schul-, besoldungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften“ zu nennen.

Ich könnte das jetzt erklären. Aber als Ausschussvorsitzender verzichte ich an dieser Stelle darauf.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das kann man nicht erklären! - Weitere Zurufe von der LINKEN: Nein!)

Ich werde nur den Sachverhalt erwähnen.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das ist etwas fürs Kabarett!)

- Lassen Sie mich doch bitte ordentlich Bericht erstatten. Kommentare gebe ich ab, wenn ich als CDU-Mann rede. Jetzt rede ich als Ausschussvorsitzender, okay?

Dieser Änderungsempfehlung ist der Ausschuss mit Mehrheit gefolgt. Dabei hatten die Oppositionsfraktionen eine andere Auffassung, wie man gerade bemerkte.

(Zustimmung von Herrn Loos, DIE LINKE)

Der Ausschuss hat außerdem in einer Protokollnotiz zu Artikel 2 - Änderung des Landesbesoldungsgesetzes - erklärt, dass im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens für das Jahr 2014 die Funktion des pädagogischen Koordinators oder der pädagogischen Koordinatorin an einer Sekundarschule mit mehr als 360 Schülerinnen und Schülern entsprechend der mit der Schulgesetznovelle eingerichteten Funktion an Gemeinschaftsschulen eingebracht werden soll.

Der Ausschuss hat die Beschlussempfehlung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung letztendlich mit 8 : 5 : 0 Stimmen auf den Weg gebracht und empfiehlt mit 8 : 4 : 1 Stimmen, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. Im Namen des Ausschusses für Bildung und Kultur bitte ich Sie um Zustimmung zu dieser Beschlussvorlage. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Dr. Schellenberger, Frau von Angern möchte Ihnen eine Frage stellen.

Herr Berichterstatter, ist Ihnen bekannt, dass sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung in seiner Sitzung am 5. Oktober einstimmig, also mit den Stimmen aller Fraktionen, für eine Streichung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 des Schulgesetzes ausgesprochen hat?

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ist Ihnen des Weiteren bekannt, dass infolge dieser Empfehlung am 26. Oktober 2012 eine gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Bildung und Kultur stattgefunden hat, an der neben dem Staatssekretär im Kultusministerium die Jugendarrestvollstreckungsleiterin, eine Jugendrichterin und eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe teilgenommen haben und in der man sich noch einmal intensiv mit der Thematik des Beugearrests aufgrund des Schulgesetzes auseinandergesetzt hat? Wenn Ihnen diese Sachverhalte bekannt sind, Herr Berichterstatter, dann frage ich Sie, warum sich das nicht in Ihrem Bericht wiederfindet.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Also, an der Stelle kann ich sagen: Es ist mir nicht nur bekannt, ich habe sogar an der Sitzung teilgenommen.

Aber ich habe jetzt nur über die Beratungen der mitberatenden Ausschüsse berichtet und nicht dar

über, was noch drum herum stattgefunden hat. Sehen Sie es mir bitte nach, aber es ist die Aufgabe des Berichterstatters, über das zu berichten, was in den mitberatenden Ausschüssen diskutiert wurde. Selbstverständlich gab es noch viel mehr. Aber ich wollte Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Ich habe schon 20 Minuten gebraucht, um über das ganze Beratungsverfahren Bericht zu erstatten. - Danke.

Es steht ja jetzt im Protokoll, was wir gemacht haben.

Danke schön. - Weitere Nachfragen gibt es nicht. Damit ist die Beschlussempfehlung eingebracht worden. Ich bitte nun den Kultusminister Herrn Dorgerloh, für die Landesregierung das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Ausschusses, die heute zur Abstimmung steht, ist das Ergebnis vieler langjähriger bildungspolitischer Diskussionen. Der Bildungskonvent und Fachtagungen haben sich mit dieser Frage ebenso befasst wie der Landesschulbeirat, Fachpolitiker, Experten und Lehrerverbände. Es gab umfangreiche Arbeitspapiere und noch mehr Diskussionen. Alle diese Voten sind inzwischen gewichtet, bewertet und schließlich in die Form von Paragrafen gegossen worden. Das Ergebnis liegt Ihnen heute vor.

Zuallererst will ich all jenen danken, die sich in diesen Prozess mit eingebracht haben, insbesondere den beiden bildungspolitischen Sprechern der Koalitionsfraktionen, Frau Reinecke und Herrn Güssau.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, nach der Detailarbeit der letzten Wochen heute zunächst einen etwas größeren Bogen zu spannen. Bildungsgerechtigkeit und Inklusion, Demografie und Eigenständigkeit von Schule sind sowohl die großen Zukunftsthemen als auch die Herausforderungen der Gegenwart. Wie wir heute damit umgehen, wird mit darüber entscheiden, welche Perspektiven unser Land in der Zukunft haben wird.

An erster Stelle steht für mich die Bildungsgerechtigkeit aus einem einfachen wie gewichtigen Grund: Das Gerechtigkeitsversprechen ist konstitutiv für unseren Grundkonsens von Demokratie. Übersetzt in die Lebenswelt eines jeden Einzelnen heißt das, es muss gerecht zugehen und jeder Einzelne muss seine Chance haben.

Die Zusage, dass es gerecht zugehen soll, ist grundlegend für die Akzeptanz von Demokratie.

Die Erosion demokratischer Prozesse kann exemplarisch dort beobachtet werden, wo die Gerechtigkeitsfrage nicht mehr glaubhaft beantwortet wird, zum Beispiel dann, wenn sich Menschen aus politischen Prozessen verabschieden, weil sie in diesem System keine Chance mehr für sich sehen. Wir werden morgen eine Aktuelle Debatte führen, in der dieses Thema wieder auftaucht.

Bildung ist deshalb eine der fundamentalen Aufgaben entwickelter demokratischer Gesellschaften. Bei Bildung geht es eben nicht nur um Fachkräfte, es geht auch um die Entwicklung einer eigenen Persönlichkeit. In dieser Kombination von Fachlichkeit und Persönlichkeit leuchtet ein weiteres für die Demokratie wichtiges Thema auf, die gesellschaftliche Teilhabe.

Um es hier verkürzt zu sagen: Bildung und damit untrennbar verbunden das Einlösen des Versprechens von Bildungsgerechtigkeit sind substanzielle Voraussetzungen für die Akzeptanz von Demokratie, für eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen, sprich: am demokratisch organisierten Leben in unserem Land.

Gerade vor diesem Hintergrund bleiben die Aufgaben, die Bildungschancen für Schülerinnen und Schüler insbesondere aus nichtakademischen Elternhäusern zu verbessern, aber auch Begabungen zu erkennen und zu fördern, weiter aktuell. Unter diesem weit gespannten Bogen steht ganz konkret unser Gesetzentwurf, mit dem wir nun die Gemeinschaftsschule einführen.

Dabei ist Bildungsgerechtigkeit das wesentliche Merkmal. Äußeres Kennzeichen ist der Verzicht auf eine frühzeitige Differenzierung nach Bildungsgängen. Die Schülerinnen und Schüler lernen länger im Klassenverband zusammen. So entfällt die Entscheidung für die Sekundarschule oder für das Gymnasium nach der Klassenstufe 4 für diese Schule.

Für die Schülerinnen und Schüler bleiben alle Bildungschancen und -wege offen, einschließlich des Abiturs. Spätentwickler zum Beispiel haben so leichter die Möglichkeit, ihr Potenzial zu entwickeln. In der Praxis heißt das differenzierte Angebote zur individuellen Förderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Bildungsgerechtigkeit gehört auch das weite Feld der Inklusion. Die inklusive Schule wird vor allem dann gelingen, wenn Inklusion gesamtgesellschaftlich erfolgreich, sichtbar und erlebbar ist,

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

im privaten wie im öffentlichen Leben, in der Wirtschaft und in der Freizeit. Inklusion muss in den Köpfen beginnen und mit dem Herzen gelebt werden. Die Schule als ein wichtiger Teil der Gesellschaft kann hier bis zu einem bestimmten Maße auch Vorreiter sein.

Aber das Hineinnehmen von Kindern mit Förderbedarf in unsere Mitte ist auch eine Aufgabe, die uns Neues abverlangt. Doch letztlich erscheint sie als eine Probe aufs Exempel für die großen Schlagwörter wie Gerechtigkeit, Solidarität, Verantwortung und Humanität.

Jedes Kind, so wie es kommt, hat einen Anspruch darauf, dass wir es annehmen und ernst nehmen, dass wir es unterstützen und fördern bis hin zum individuell höchstmöglichen Bildungsabschluss.

(Zustimmung bei der SPD)