Ich konnte gestern - ich sage das nicht als Entschuldigung - dem Tourismustag in Köthen nicht beiwohnen, weil ich an dem dritten Workshop in Tangermünde zu den EU-OPs teilgenommen habe. Ich habe dort sehr viel lernen können, was zum Beispiel auch die Barrierefreiheit angeht. Der Sozialminister war so freundlich und hat dort das eine oder andere Beispiel aus dem menschlichen Leben erklärt.
Wie ist es denn mit der Spontaneität für einen behinderten Menschen bestellt - der Mensch an sich ist nicht behindert, er wird behindert -,
wenn er bei der Bahn 72 Stunden vorher anmelden muss, dass er verreisen möchte, und dann das Glück hat, in einem Ort zu wohnen, dessen Bahnhof über eine Bahnhofsmission verfügt, die ihm hilft?
Auf der Strecke Tangermünde - Stendal mit der „dicken Berta“ wird es verdammt schwierig, wenn der Zugang nicht barrierefrei ist. Wir haben damit unsere Bauchschmerzen.
Im Antrag - das möchte ich sagen - ist es uns zu unverbindlich und auch zu freiwillig. Die Landesregierung wird natürlich von der Koalition gebeten. Aber man muss einer Bitte nicht immer unbedingt entsprechen.
Im Text steht zweimal, nämlich in Punkt 2 und in Punkt 4, das Wort „sensibilisieren“. Das ist vollkommen richtig. Aber das ist uns definitiv zu wenig. Das reicht nicht. Ich bitte auch darum, dass die den Antrag stellenden Fraktionen die Dehoga in Punkt 2 definitiv mit aufnehmen. Natürlich können die sich als ein Teil der Wirtschaft verstehen. Aber wenn sie nicht dezidiert genannt wird, ist das immer ein wenig schwierig.
Ich habe ein Problem damit, dass die Architekten in ihrer Ausbildung zum Thema Barrierefreiheit viel zu wenig erfahren. Architekten erhalten für ihren Bau Honorare. Wenn der allgemeine Behindertenverband auch mit Stellungnahmen aufwartet und seine Sicht auf die Dinge schildert, das alles zum Nulltarif, ist das vielleicht nicht das, was ich mir als einen Interessenausgleich vorstellen kann.
Frau Hampel, zu einem Punkt möchte ich Ihnen widersprechen. Wir sind zwar nicht d a s Reiseland Sachsen-Anhalt. Aber wir sind ein Reiseland, absolut. Es liegt zwar im Dornröschenschlaf, das gebe ich gern zu. Wir haben im Land Angebote wie zum Beispiel die höchste Unesco-Welterbestätten-Dichte, Luther, Bauhaus und Winckelmann. Da fällt mir noch eine ganze Menge mehr ein. Alles das würde einen Besuch lohnen. Wir müssen es den Kundinnen und Kunden nur nahe bringen. Da hapert es tatsächlich.
Für alles das, was wir hier tun, ist die Praxis der Indikator, auch die Landesbauordnung. Ich schaue einmal den Bauminister an. Sein Amtsvorgänger war immer der Meinung, dass der Haltepunkt der Bahn AG Magdeburg-Herrenkrug behindertengerecht sei. Ich habe ihn einmal gefragt, ob er es sich ohne Einschränkung in der Mobilität zutrauen würde, diese Einrichtung mit dem Rollstuhl zu nutzen. Er hat es nie getan. Vielleicht kriege ich einmal Herrn Webel dazu. Ich lobe auch einen Kaffee aus. Das würde funktionieren.
Ich komme noch einmal zu der Problematik, die ich eingangs ansprach. Der Anteil schwerbehinderter Menschen an der Gesamtbevölkerung SachsenAnhalts lag im Jahr 1993 bei 5,3 % und ist bis zum Jahr 2003 bereits auf 6,7 % gestiegen. Der Anteil älterer Menschen über 65 Jahre lag im Jahr 2000 bei 14,8 %, im Jahr 2003 bei 19,7 % und im Jahr 2012 schon bei 23,78 %.
Ich habe gestern durch den Sozialminister gelernt, dass wir alle älter werden. Das ist auch gut. 80 % bis 90 % der Menschen werden nie pflegebedürftig. Sie bleiben fit bis zum letzten Tag. Das ist allen zu wünschen. Aber die „Restmenge“ an Menschen muss tatsächlich unsere Unterstützung erhalten. Vielleicht ist es auch möglich, die Verfasser des Tourismusbarometers darauf noch einmal hinzuweisen. Das ist auch in der Ausgabe in diesem Jahr wieder recht wenig gewesen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Wie gesagt, wir freuen uns auf eine hoffentlich fruchtbringende Diskussion in den Ausschüssen und überweisen die Anträge natürlich mit. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Czeke. - Für die SPDFraktion hat jetzt erneut Frau Hampel das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schade, dass der Ministerpräsident gerade nicht im Raum ist. Ich wollte ihn nämlich ganz nett an sein Grußwort beim 7. Behindertenpolitischen Forum in Halberstadt erinnern. Ich möchte es Ihnen sagen, weil Sie ja nicht dabei waren. Ich war leider aufgrund von Krankheit auch nicht da; aber ich habe es mir hinterher angeschaut. Da hat er die Teilnehmer aufgerufen, selbstbewusst auf bestimmte Defizite aufmerksam zu machen, damit die Verantwortlichen jeweils an den richtigen Stellen Einsatz zeigen können. Deshalb haben die verantwortlichen Organisatoren dieser Veranstaltung ihre Erwartungen formuliert und aufgeschrieben; es gibt ein kleines Protokoll. Sie erwarten zu Recht, dass dem jetzt Taten folgen.
Ich meine, auch der gestrige Vortrag zur Gästebefragung, auf den ich schon eingegangen bin, hat gezeigt, dass wir uns bei der Umsetzung der Barrierefreiheit nicht auf dem bislang Erreichten ausruhen können, sondern dass wir das Thema jetzt anpacken müssen, was wir gemeinsam mit der Masterplanfortschreibung tun können, damit wir in Zukunft keine wichtigen Zielgruppen für unser Land verlieren.
Ich will kurz ein paar Punkte herausarbeiten, die bei dem Behindertenpolitischen Forum angesprochen worden sind. Es gab gute Vorschläge, die es aufzugreifen lohnt. Dort wurde zum Beispiel die Einrichtung einer barrierefreien Internetplattform durch Sachsen-Anhalt angeführt. Es ist zu Recht gelobt worden, dass in Wernigerode dieses Leuchtturmprojekt, wie ich immer sage, weil es wirklich großartig ist, bereits umgesetzt worden ist. Es muss unser Ziel sein, dass das irgendwann einmal für ganz Sachsen-Anhalt verwirklicht ist.
Die Beteiligten wünschen sich auch mehr Kommunikation untereinander. Es ist richtig: Barrierefreiheit aufzubauen, fängt in den Köpfen an - die Ministerin ist darauf eingegangen -, und zwar auch in den Köpfen von Entscheidungsträgern.
Was die Novellierung der Landesbauordnung angeht, so gebe ich Ihnen recht, auch das gehört dazu. Es findet sich in unserem Antrag nicht wieder. Wir sollten uns aber im Ausschuss damit befassen.
Dann wurde die Bahn angesprochen. Ein Beispiel hat der Kollege Czeke genannt. Zur Bahn gibt es eine ganze Reihe von Wünschen, angefangen bei behindertengerechten Toiletten - ich will das jetzt gar nicht weiter ausführen - bis hin zu dem Bau von barrierefreien Bahnhöfen. Ich glaube, auch da ist sehr viel angeschoben worden. Der Bahnhof in Sangerhausen wird demnächst ausgebaut. Ich erwarte eigentlich, dass noch mehr Gäste mit der Bahn bzw. mit dem öffentlichen Nahverkehr in unser Land kommen.
Schließlich ist die Forderung nach Errichtung eines Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit zu nennen, das aber insgesamt und nicht ausschließlich für den Bereich Tourismus zuständig sein soll.
Sie sehen also, allein auf dieser einen Veranstaltung sind sehr viele positive und gute Beispiele dafür zusammengekommen, wie ganz konkret Schritt für Schritt der barrierefreie Tourismus in SachsenAnhalt gestärkt werden kann.
Übrigens würde ich es gut finden, wenn wir zu dem Thema ein Fachgespräch im Ausschuss organisieren könnten. Aber darüber werden wir uns unterhalten, wenn es so weit ist.
Zum anderen will ich sagen - Sie wissen das -, dass in diesem Jahr auf der ITB - das ist die große Reisemesse in Berlin - zum ersten Mal ein Tag zum barrierefreien Tourismus durchgeführt worden ist. Auch im nächsten Jahr wird es diesen Tag wieder geben.
An dieser Stelle möchte ich auch einmal einen Dank loswerden, nämlich an meine SPD-Kollegen im Bund, die es möglich gemacht haben, dass sich der Bund mit 40 000 € an der Organisation dieses Tages beteiligt. Mehr will ich nicht sagen. Sie mussten mich hier vorn schon lang genug ertragen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die gemeinsamen Beratungen.
Liebe Kollegin, wir ertragen uns alle und immer wieder. - Jetzt rufe ich als nächsten Redner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Erdmenger auf. Bitte schön, Herr Erdmenger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich kann mich der guten Übung anschließen, zunächst einmal den Antragstellern für die Initiative zu danken. Ich kann mich auch insoweit anschließen, als der Inhalt auch unsere Unterstützung findet. Es ist richtig und gut, dass Sie diesen Antrag gestellt haben.
Es ist mir allerdings auch so gegangen, wie der Kollege Czeke es geschildert hat. Ich kann nicht behaupten, dass ich im Jahr 2002 oder 2000 dabei war. Aber Engagierte aus dem Bereich sagen mir, dass wir da im Jahr 2002 schon einmal waren. Da haben wir schon einmal ein Handbuch bekommen. Da haben wir schon einmal entsprechende Aktivitäten voranbringen wollen. Frau Hampel, Sie haben es ja auch gesagt. Die Zeitabstände zwischen den Initiativen, die wir zu verzeichnen haben, sind relativ lang.
es denn, dass wir uns das zwar immer wieder vornehmen, uns gegenseitig versichern oder viele sich auch schon früher gegenseitig versichert haben, dass das ein wichtiges Thema ist, aber dass wir - abgesehen von einzelnen lokalen Leuchttürmen - nicht entscheidend vorangekommen sind?
Erstens. Das klare politische Bekenntnis, das wir heute noch einmal abgeben, hilft natürlich. Ich denke, das sollte man auch nicht gering bewerten.
Aber - zweitens - wenn wir ein klares politisches Bekenntnis haben, dann stellt sich die Frage: Wer soll das umsetzen? - Da sind in dem Antrag neben der Landesregierung als Akteure in erster Linie viele wichtige Verbände angesprochen, die barrierefreien Tourismus als Querschnittsthema behandeln, bei denen aber die Gefahr droht - so ist es mir auch geschildert worden -, dass es dann im Alltag untergeht und nicht entsprechend vorankommt.
Deswegen, glaube ich, müssen wir uns darüber unterhalten, wer die Kümmerer sein sollen, diejenigen, die wirklich dranbleiben, die es wirklich weitertreiben. Wenn ich das richtig beurteile, dann können wir da von unseren Nachbarländern Brandenburg und Sachsen einiges lernen, wo doch viel mehr vorangetrieben wurde und man ein ganzes Stück weitergekommen ist. Ich glaube, das sind die Ansatzpunkte, die wir brauchen.
Drittens - auch das ist heute schon gesagt worden - müssen wir der Sensibilisierung der Akteure im Tourismusbereich mehr Aufmerksamkeit schenken. Sensibilisierung wird vermutlich nicht heißen, mehr Broschüren zu drucken, sondern Sensibilisierung - das sagen mir jedenfalls Engagierte - heißt letztlich, man muss in Seminaren mit den Menschen arbeiten, ihnen zeigen, was es für Möglichkeiten gibt, was man machen kann. Es hat hier im Land ja auch schon Seminare unter der Überschrift „Gastfreundschaft für alle“ gegeben. Das scheint mir ein guter Ansatzpunkt zu sein, um an der Stelle weiterzumachen.
Viertens. Das ist, glaube ich, ein entscheidender Punkt, der heute noch nicht genannt worden ist. Eine wichtige Herausforderung ist ja: Wie können wir die einzelnen Akteure entlang der Reisekette besser vernetzen? Das ist bestimmt eine Aufgabe der Kümmerer. Aber die große Aufgabe besteht auch darin zu schauen, wie wir das hinkriegen; denn es nützt uns ja nichts, wenn wir punktuell mehr barrierefreie Angebote haben, es aber in der Reisekette letztlich nicht weitergeht. Vielmehr muss es letztlich darum gehen, ob es ein gemeinsames Angebot gibt, das es möglich macht, den Urlaub, die touristischen Erlebnisse komplett barrierefrei wahrzunehmen.
Das sind Ansatzpunkte, denke ich, auch für die weitere Diskussion. Ich verstehe es so, dass wir den Antrag heute so beschließen können. In dem
letzten Punkt heißt es ja, dass in den Ausschüssen berichtet werden soll. Ich glaube, das ist ein vernünftiges Vorgehen.
Bevor ich zum Schluss komme, will ich doch noch ein Wort zu der Frage sagen, ob Sachsen-Anhalt ein Reiseland ist. Frau Hampel, Sie haben gesagt, wir sind kein klassisches Reiseland. Herr Czeke, Sie haben dem widersprochen und gesagt: Doch, wir sind ein Reiseland. - Das ist natürlich letztlich alles richtig.
Ich würde aber dazusetzen: Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sachsen-Anhalt ist kein Reiseland; denn Sachsen-Anhalt ist unter dem Namen „Sachsen-Anhalt“ kein Ziel, das sich Leute touristisch vornehmen; vielmehr gehören zu den Reiseregionen, die wir haben, der Harz, das Gartenreich und die Saale-Unstrut-Region. Das sind unsere Reisedestinationen.
Wir sollten aufhören, uns zu erhoffen, dass Sachsen-Anhalt unter dem Stichwort „Sachsen-Anhalt“ einmal ein Reiseland wird. Es gibt meines Wissens zwei Bundesländer, die es geschafft haben, quasi mit dem Namen ihres Bundeslandes eine Identifikation als Reiseziel zu verbinden. Das sind Mecklenburg-Vorpommern und Bayern.
Ich glaube, wir sollten uns an den vielen anderen, die vor uns in der Liste sind, orientieren. Die vermarkten ihre Destinationen, und das tun sie gut. Ich glaube, da sollten wir wesentlich stärker ansetzen und nicht unseren Anspruch als Reiseland in den Vordergrund stellen und überall „SachsenAnhalt“ vorne draufschreiben. Vielleicht können wir uns da ja einigen.
Zum Schluss: Anliegen und Antrag unterstützen wir gerne. Wer will, dass sich hier etwas tut bzw. dass sich hier mehr tut als in den letzten zehn Jahren, der darf es nicht dabei belassen, heute den Beschluss zu fassen, sondern wir müssen uns weiter darum kümmern. Das tun wir nach dem Antrag ja auch. Das sollten wir alle unterstützen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Erdmenger. - Wir können uns sicher darauf einigen, dass wir ein reizendes Land sind.