Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute gemeinsam, zumindest mit unserer Mehrheit, beschließen, dass wir ab 2013 den Rettungsdienst in unserem Land auf ein neues Fundament stellen. Damit, so denke ich, können wir optimistisch in die Zukunft schauen. Dieses Gesetz ist der Rahmen und das Fundament, der es den vielen Aktiven im Rettungsdienst ermöglicht, rechtssicher - das ist bei Vergabeverfahren sehr wichtig - und im Vertrauen auf die Anerkennung ihrer Tätigkeit den in Not geratenen Menschen die bestmögliche medizinische Hilfe zukommen zu lassen.

Das Gesetz betraut bestimmte öffentlich-rechtlich organisierte Stellen unmittelbar mit Aufgaben wie der Notarztversorgung, etwa die Kassenärztliche Vereinigung. Die Eigenerbringung der rettungsdienstlichen Leistungen durch die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Zweckverbände als Leistungserbringer wird durch das Gesetz weiterhin - darüber haben wir sehr ausführlich diskutiert - nicht ausgeschlossen. Hierbei seien beispielsweise die Berufsfeuerwehren als Teil der kreisfreien Städte mit ihrem breiten Spektrum von Brandschutz- und sonstigen Hilfeleistungen bis hin zum Rettungsdienst besonders genannt.

Gleichzeitig setzt das Gesetz weiterhin konsequent auf die Kompetenz der Hilfsorganisationen und der privaten Anbieter, die sich mit ihren vielfältigen Angeboten um eine Genehmigung in Form der Konzession bewerben können. Die Hilfsorganisationen und die privaten Anbieter sollen das Rückgrat des Rettungsdienstes in unserem Land sein. Ihre Kompetenz und ihr Potenzial sind unerlässlich, um auch Ereignisse mit einer großen Anzahl von Verletzten und Erkrankten in Katastrophenfällen bewältigen zu können. Sie, die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, sind im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz unersetzlich.

Meine Damen und Herren! Mit dem Konzessionsmodell geben wir den Kommunen ein Mittel mit dem notwendigen Gestaltungs- und Handlungsspielraum in die Hand, um den Rettungsdienst in ihrem Bereich zu gestalten. Das Konzessionsmodell ist dabei jedoch kein Willkürinstrument. Es bindet die Auswahl der Leistungserbringer weiterhin an die Grundsätze von Transparenz, Objektivität und auch Diskriminierungsfreiheit.

Wir stellen die Notarztversorgung durch eine stärkere Einbeziehung der Krankenhäuser sicher, eine Normierung für den Wasser- und Bergrettungsdienst, der uns besonders am Herzen lag, und im Rahmen der rechtlichen Grundordnung die Sicherung einer angemessenen Entlohnung für das rettungsdienstliche Personal.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ordnet sich in ein Regelungsfeld ein, das nicht unwesentlich durch vorrangiges Europarecht und das Recht der Europäischen Union sowie Bundesrecht geprägt wird. Aus diesem Recht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung bestimmen sich die Rahmenbedingungen, die der inhaltlichen Freiheit die eine oder andere Grenze ziehen.

Darüber hinaus waren im Hinblick auf die kommunale Selbstverwaltung einige Regelungen auf das rechtlich gebotene Maß zu beschränken. In diesem Lichte werden die Regelungen auch in Zukunft anzuwenden sein.

Ich bin davon überzeugt, dass mit dem vorliegenden Gesetz eine gute Novellierung des Rettungswesens möglich ist. Wir werden eine qualitativ

hochwertige, rechtssichere Versorgung in unserem Land haben. Dieses Gesetz ist - bereits in der letzten Legislaturperiode gab es eine kleine Überarbeitung - ein wesentlicher Baustein dieser Koalition. Mit dem heutigen Tag dürfte ein wesentlicher Meilenstein für die Zukunft des Rettungswesens in unserem Land geschaffen werden. - Ich danke für die Mitarbeit im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Frau Dr. Paschke würde Ihnen gerne eine Frage stellen. - Bitte schön, Frau Dr. Paschke.

Herr Minister, in der Diskussion in den Ausschüssen stand immer wieder das Inkrafttreten zur Debatte. Dies scheint erst einmal etwas Unwesentliches zu sein, aber eigentlich ist es etwas sehr Wesentliches. In der Diskussion ging es darum, dass die Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes zum 1. Januar 2013 sehr kompliziert sei. Dazu haben Sie im Ausschuss gesagt, man könne das Inkrafttreten nicht länger hinausschieben - in unserem Änderungsantrag wird der 1. Februar 2013 genannt -, weil es dann sehr viel Geld kosten würde. Könnten Sie mir bitte erklären, warum das Gesetz mehr Geld kostet, wenn es einen Monat oder ein Vierteljahr später in Kraft tritt?

Ich glaube, ich habe nicht gesagt, dass das mehr Geld kostet; das müssten wir einmal nachlesen. Das Entscheidende ist vielmehr, dass mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 1. Januar 2013, was gewollt ist, die Rechtsgrundlage für Vergaben im Wege des Konzessionsmodells und andere Dinge gelegt wird und damit ab dem 1. Januar auch die Finanzplanungen rechtssicher sind.

Da dieses Gesetz auch darauf Auswirkungen hat, war die Bitte, es nicht zum 1. Februar in Kraft treten zu lassen. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass Sie dieses Datum in Ihrem Antrag fordern, weil dies dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst sowie den Verkündungsbereichen die Sache etwas leichter machen würde.

Und Ihrer Arbeitsebene.

Und auch meiner Arbeitsebene; dafür danke ich Ihnen außerordentlich. - Aber wir sind der Auffassung, dass es besser ist, das Gesetz aufgrund der

Rechtsfolgen, die es auslöst, mit dem Jahresbeginn in Kraft zu setzen. Ähnliches haben wir im Übrigen auch im Sportfördergesetz getan, wenn ich das richtig sehe, weil wir durch die Verordnung, die in Kraft tritt, die Verteilung der Gelder vornehmen können. Das war der Hintergrund.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU, und von Herrn Schröder, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Bevor wir in die Debatte eintreten, dürfen wir auf der Besuchertribüne trotz Eis und Schnee ganz herzlich Gäste aus dem hohen Norden des Landes Sachsen-Anhalt begrüßen, nämlich Damen und Herren des Mehrgenerationenhauses in Salzwedel. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Die Debatte wird durch den Kollegen Striegel von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Die bündnisgrüne Fraktion wird sich bei der Abstimmung über das Rettungsdienstgesetz der Stimme enthalten. Ich möchte dies auch begründen.

Das in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport vorliegende Gesetz halten wir zwar grundsätzlich für geeignet, um allen Menschen im Land in medizinischen Notfällen schnell und effektiv zu helfen. Es ist zudem geeignet, neben dem Alltagsbetrieb auch den sogenannten Massenanfall von Verletzten und Katastrophenfälle zu bewältigen, indem es die notwendigen Schnittstellen schafft.

Wir begrüßen auch, dass es gelungen ist, im Rettungsdienstgesetz einen Rahmen für die Wasser- und Bergrettung zu schaffen. Leider lässt das Gesetz offen, was unter Wasser- und Bergrettung im Einzelnen zu verstehen ist. Hierbei hielten wir es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für angezeigt, im Gesetz den Inhalt und den Umfang der Wasser- und Bergrettung zu definieren.

§ 33 birgt für alle Beteiligten, sowohl für die Träger des Rettungsdienstes und die Hilfsorganisationen als auch für die Kostenträger, ein erhebliches Konfliktpotenzial. Es wird wohl den Gerichten vorbehalten bleiben, diesbezüglich Klarheit zu schaffen.

Ob auch das Konzessionsmodell in der gewählten Form trägt, wird gleichfalls abzuwarten sein. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass auch diese Frage letztlich durch Gerichte, möglicherweise bis nach Straßburg, geklärt werden wird.

Problematisch sind insbesondere die Regelungen in § 39 Abs. 5 und 6 zur Nutzungsentgelthöhe nach Vereinbarung. Diese Regelungen sehen unter anderem die Möglichkeit einer Nachberechnung zugunsten des Rettungsdienstes bei ursprünglich nicht einkalkulierten und unvorhergesehenen Investitionen vor. Gerade dieses Abfedern eines wirtschaftlichen Risikos könnte nach der Rechtsprechung des EuGH gegen das Konzessionsmodell sprechen.

Dabei hilft es auch nicht, dass im Gesetz statt des Wortes „Konzession“ die Bezeichnung „Genehmigung“ gewählt wurde oder dass durch Formulierungen wie „wesentlich“ oder „können“ vermeintliche Ermessensspielräume geschaffen wurden. Bei einem Überschreiten der Wesentlichkeitsgrenze dürfte sich das Ermessen nämlich auf null reduzieren - abgesehen von der Frage, was in diesem Zusammenhang als wesentlich gilt. Sind es 10 % oder greift die Wesentlichkeit erst bei 20 % oder mehr? - Das Gesetz selbst jedenfalls gibt hierauf keine Antwort.

Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat eine klare Empfehlung hinsichtlich der Streichung der Absätze 5 und 6 ausgesprochen, die jedoch bei den Regierungsfraktionen keinen Widerhall gefunden hat. Aus meiner Sicht geht man hier sehenden Auges das Risiko ein, dass das Kernstück des Gesetzes wieder kassiert wird. Dann wären wir wieder da, wo wir uns schon im Jahr 2010 befunden haben, und müssten eine weitere Novelle des Rettungsdienstgesetzes anstrengen. Damit wäre keinem der Beteiligten geholfen.

Ich wünsche mir im Interesse aller in diesem sensiblen und für die Daseinsvorsorge so wichtigen Bereich der Notfallrettung, dass meine Fraktion nicht Recht behält und dass das Gesetz vor Gericht trägt. Ich habe allerdings meine Zweifel.

Angesichts der aufgezeigten Bedenken findet das Gesetz in der zur Abstimmung stehenden Fassung nur eingeschränkt unsere Zustimmung, sodass ich meiner Fraktion empfohlen habe, sich der Stimme zu enthalten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Striegel. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Herr Erben. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte Ihnen zum Abschluss eines sehr langen und auch anstrengenden Gesetzgebungsverfahrens die Ziele in Erinnerung bringen, die wir in der Koalition gemeinsam verfolgt haben, und zwar im Koalitionsvertrag, aber auch bereits vor nunmehr fast anderthalb Jahren

mit dem Landtagsbeschluss hinsichtlich unserer Erwartungen an die Neuordnung des Rettungsdienstrechtes in Sachsen-Anhalt.

Erstens wollten wir die Hilfsorganisationen stärken, die vor allem auch mit ihrem Ehrenamt ein Rückgrat für den Katastrophenschutz bilden.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Zweitens wollten wir die Notarztversorgung sicherstellen.

Drittens wollten wir, dass die Wasser- und die Bergrettung wieder einen gesetzlichen Auftrag bekommen.

Ich sage heute: All diese Ziele haben wir mit dem vorliegenden und zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf erreicht. Wir haben das Koordinatensystem in Sachen Rettungsdienst wieder in Richtung Gefahrenabwehr und nicht immer weiter in Richtung Marktleistung verschoben. Das haben wir durch die Einführung eines Konzessionsmodells getan.

Auch bei der Leistungserbringung in diesem Bereich ist den Koalitionsfraktionen die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips ein wichtiges Anliegen. Wir wollen nämlich, dass in der Regel Leistungserbringer beauftragt werden. Das können Hilfsorganisationen, aber auch sehr wohl private Rettungsdienstträger sein, die diese Leistung bisher erbringen. Dass eine Leistungserbringung durch die Rettungsdienstträger unmittelbar selbst erfolgt, soll die Ausnahme sein. Eine weitere Ausnahme ist, dass wir durch eine entsprechende Änderung abgesichert haben, dass die Berufsfeuerwehren, die dies in den kreisfreien Städten tun, dies auch zukünftig tun können.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Zur Notarztversorgung. Wir führen wieder eine pflichtige Beteiligung der Krankenhäuser bei der Gestellung von Notärzten ein. Nun höre ich natürlich ein Stöhnen aus den Krankenhäusern: Wie sollen wir das schaffen? An dieser Stelle muss ich sagen: Ich sehe keinen Grund, warum die Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt nicht die gleiche schwierige Aufgabe erfüllen können, die die Krankenhäuser in Brandenburg, in Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern erfüllen.

Mir sind die Schwierigkeiten sehr wohl bewusst. Aber ich glaube, wir haben in der Schlussphase des Gesetzgebungsverfahrens eine Finanzierungsregelung getroffen, die es den Krankenhäusern auch wirtschaftlich erlaubt, nicht der Versuchung zu erliegen, sich dort herauszulösen.

Deswegen werden wir auch sehr genau beobachten, was sich in den nächsten Monaten ergibt. Wir wollen sehen, ob es eine starke Versuchung oder einen Versuch der Krankenhäuser gibt, sich aus der Notarztversorgung durch eine entsprechende

Befreiung herauszubegeben oder eben nicht. Das wird sicherlich einer der Punkte sein, auf den wir als Koalitionsfraktionen besonders Obacht geben werden, weil uns die Notarztversorgung in diesem Zusammenhang ein besonderes Anliegen gewesen ist.

Schließlich und endlich haben wir durch einen pflichtigen gesetzlichen Auftrag im Rettungsdienstgesetz die Wasser- und Bergrettung wieder zu einem Bestandteil des bodengebundenen Rettungsdienstes erklärt. Das Ganze muss jetzt auch eine finanzielle Grundabsicherung bekommen. Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie dazu auch eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Kostenträgern und denjenigen, die diese Leistungen der Wasser- und Bergrettung in Sachsen-Anhalt erbringen, also vor allem dem Deutschen Roten Kreuz und der DLRG, initiieren wird.

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem neuen Rettungsdienstgesetz eine tragfähige Grundlage für die Absicherung des Rettungsdienstes in SachsenAnhalt geschaffen haben, die eine Absicherung der Notfallversorgung an jedem Ort in SachsenAnhalt auch in Zukunft gewährleistet. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Kollege Erben. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Dr. Paschke. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Herr Kolze, Ihre Berichterstattung fand ich in einem Punkt doch etwas eigenartig, befremdlich. Sie haben sozusagen sämtliche Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen aufgeführt und sie zum großen Teil auch begründet, während Sie unsere Änderungsanträge damit abgetan haben, dass sie in den Ausschüssen gestellt wurden.