Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

Das ist zweifelsohne sehr praktisch. Es berührt aber auch maßgeblich Belange des privaten Datenschutzes, wenn Freunde und Bekannte in sozialen Netzwerken neben mit mir markierten Fotos aus dem Parlament oder aus dem politischen Alltag auch andere, zum Beispiel private Fotos von mir einstellen können und diese dann mittels Gesichtserkennungssoftware automatisch mit meinem Namen verbunden werden. Denn selbst wenn ich nutzerseitig die ohne Vorankündigung und standardmäßig eingestellte Funktion nach längerem Suchen endlich abstellen kann, ist der Anbieter selbst weiterhin in der Lage, alle meine Bilder mittels Gesichtserkennung auch gegen meinen Willen zusammenzuführen.

Ebenso prekär ist es - Frau Tiedge hat es schon angesprochen -, wenn ein bekannter Hersteller von Telefonen in seinen Geräten eine Ortungsfunktion versteckt, die nicht nur den momentanen Aufenthaltsort des Nutzers verrät, sondern diesen gleich noch auf unbestimmte Zeit speichert und so Be

wegungsprofile möglich macht. Beide Beispiele zeigen: Es braucht mehr Engagement beim Datenschutz auch und gerade im nicht-öffentlichen Bereich.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Es braucht mehr und es braucht bessere Kontrolle und es braucht auch - ich denke, das zeigen diese Dinge immer wieder - mehr Prävention, mehr Information für diejenigen, die Datenschutz tagtäglich brauchen. Deshalb und weil der EuGH die regierungsnahe Datenschutzaufsicht für nicht EU-rechtskonform hält, ist eine zügige Novelle des Datenschutzgesetzes vonnöten und geboten.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen das Gesetzesvorhaben der Sache nach. Wir kritisieren aber, dass der Landtag die Novelle in der letzten Legislaturperiode auf Betreiben von CDU und SPD so lange verschleppt hat, bis ein zumindest brauchbarer Gesetzentwurf der FDP der Diskontinuität anheim gefallen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Der Herr Minister hat es schon gesagt; ich würde es noch ein bisschen deutlicher und stärker ausdrücken: Die Landesregierung hat sich in Sachsen und in Thüringen einen Korb geholt. Dazu kann ich nur eines sagen: So macht man keine gute Mitteldeutschlandpolitik.

(Herr Leimbach, CDU: Wem sagen Sie das?)

Wir fragen uns, warum die Koalitionsfraktionen wieder einmal den Mut zu einer letztlich konsequenten und bürgerrechtsfreundlichen Politik vermissen lassen. Mit ihrem Vorschlag zur Konzentration der datenschutzrechtlichen Befugnisse beim unabhängigen Landesbeauftragten starten sie langsam und sie starten spät, um dann schnell, aber auf der Hälfte des Weges zu stoppen. Ihr Vorschlag sorgt für die Unabhängigkeit nun endlich auch im Bereich des nicht-öffentlichen Datenschutzes. Wirklich effizient und damit offensiv bürgerrechtlich orientierter Datenschutz bräuchte aber mehr.

Sie, Herr Brachmann, nennen das „schlank“. Wir nennen es - jedenfalls noch - unzureichend. Es fehlt im Entwurf der Koalitionsfraktionen an einem realistischen Blick auf notwendige Personalkapazitäten. Wer mehr und besseren Datenschutz will, der wird auch um - zugegebenermaßen maßvolle - Personalaufstockungen in diesem Bereich nicht herumkommen. Zum Beispiel brauchen wir, wenn wir im nicht-öffentlichen Bereich tätig sind, auch deutlich mehr Informatikerinnen und Informatiker, die in der Lage sind, dort Verstöße tatsächlich inhaltlich zu überprüfen.

(Herr Borgwardt, CDU: Wie viele sollen das sein?)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen Sie auch für mehr Präventionsarbeit und die effektive Verfolgung von Verstößen. Das war auch eine Quintessenz der Anhörung im vergangenen Jahr.

Wer mehr und besseren Datenschutz will, der muss im Gesetz auch jedermann die Anrufung des Datenschutzbeauftragten ermöglichen. Das hilft Whistleblowern und Tippgebern in Unternehmen. Wer mehr und besseren Datenschutz will, der muss nach langer Verzögerung nun zügig, aber doch bitte auch genau arbeiten und er muss den betroffenen Stellen auch ein wenig Zeit zur Anpassung an die neue Gesetzeslage lassen.

Meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist bereit, hieran mitzuwirken. Wir werden nun in den Ausschussberatungen prüfen, ob CDU und SPD wirklich mehr und effizienten Datenschutz wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Die CDU-Fraktion hätte nun die Möglichkeit, den letzten Debattenbeitrag vorzutragen. Sie hat den Gesetzentwurf eingebracht und verzichtet.

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Es ist eine Überweisung beantragt worden. Wir müssten jetzt zusammenfassen, in welche Ausschüsse überwiesen werden soll. Zur federführenden Beratung auf jeden Fall in den Innenausschuss. In welche weiteren Ausschüsse?

(Herr Schröder, CDU: Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung!)

- Zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Ausschuss für Fi- nanzen!)

und in den Ausschuss für Finanzen. Weitere Vorschläge sehe ich nicht. Dann lasse ich darüber abstimmen.

Wer dafür ist, dass wir in den vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und in den Ausschuss für Finanzen überweisen - -

(Herr Borgwardt, CDU, meldet sich zu Wort)

- Ich lasse über die mitberatenden Ausschüsse einzeln abstimmen.

Die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Innenausschuss ist, so denke ich, unstrittig. Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen

stimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf in den Innenausschuss überwiesen worden.

Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zur Mitberatung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden.

Zudem wurde die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Finanzen beantragt. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Stimmenthaltungen? - Somit ist dieses Ansinnen bei einer Stimmenthaltung abgelehnt worden. Damit können wir den Tagesordnungspunkt 4 abschließen.

Wir kommen nun, wie angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6, die wir vorziehen wollten.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung

Stellungnahme zu den Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht betreffend das Gesetz über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt und das Zweite Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform - LVG 3/11 (ADrs. 6/REV/1) , LVG 4/11 (ADrs. 6/REV/5), LVG 5/11 (ADrs. 6/REV/6), LVG 6/11 (ADrs. 6/REV/7), LVG 8/11 (ADrs. 6/REV/8), LVG 9/11 (ADrs. 6/REV/10), LVG 10/11 (ADrs. 6/REV/11), LVG 11/11 (ADrs. 6/REV/12) , LVG 31/10 (ADrs. 6/REV/9) und LVG 66/10 (ADrs. 6/REV/13)

Beschlussempfehlung Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Drs. 6/72

Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Uwe Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesverfassungsgerichtsverfahren LVG 3/11, LVG 4/11, LVG 5/11, LVG 6/11, LVG 8/11, LVG 9/11, LVG 10/11, LVG 11/11, LVG 31/10 und LVG 66/10 wurden uns vom Landtagspräsidenten zur Beratung und Erarbeitung einer Beschlussempfehlung überwiesen.

In drei dieser Fälle wenden sich Bürger im Rahmen der Gemeindegebietsreform mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die entsprechenden Gesetze, im Wesentlichen deshalb, weil in ihren Ge

meinden die Vorschriften mit Blick auf die Anhörungen verletzt worden sind.

In den übrigen sieben Fällen wenden sich Gemeinden gegen die Gebietsreform, weil sie in der Auflösung bzw. Eingemeindung in andere Gemeinden einen Verstoß gegen das Gemeinwohl sehen.

Für alle diese Verfahren wurde mit 9 : 0 : 1 Stimmen empfohlen, hierzu keine Stellungnahme abzugeben und in den Verfahren das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu erklären. - Ich bitte um Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung.

Herzlichen Dank, Kollege Harms.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drs. 6/72. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Eine. Somit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses bei einer Stimmenthaltung zugestimmt worden.

Bevor wir, wie angekündigt, zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, möchte ich Damen und Herren der Selbsthilfegruppe Diabetiker-Senioren-IV aus Magdeburg unter der Leitung von Herrn Jerkowski begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung

Stellungnahme zu den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen aufgrund des Schulgesetzes für das Land NordrheinWestfalen vom 15. Februar 2005 - 1 BvR 471/10 (ADrs. 6/REV/2) und 1 BvR 1181/10 (ADrs. 6/REV/3) sowie zum Abstrakten Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend auf den ZDF-Staatsvertrag bezogene Zustimmungsgesetze der Länder - 1 BvF 1/11 (ADrs. 6/REV/4)

Beschlussempfehlung Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung - Drs. 6/73

Berichterstatter ist Herr Harms. Ich bitte um die Berichterstattung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hierbei um drei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mit den entsprechenden Aktenzeichen 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10 und 1 BvF 1/11.

Die zwei zuerst genannten Verfahren beschäftigen sich mit dem so genannten Kopftuchverbot. Es geht dabei um arbeitsrechtliche Prozesse, gegen die wegen einer vermuteten Verletzung der Religionsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geklagt wird.