Von der ersten Machbarkeitsstudie an bis zu den jetzigen Ergebnissen der Evaluation von Ernst & Young ist bei der JVA Burg einfach der Wurm drin. Und dass dort der Wurm drin ist, ist nicht gottgegebenes Schicksal oder schlechtes Karma. Der Grund dafür sind Entscheidungen, die von Menschen getroffen wurden und für die jemand die Verantwortung tragen muss.
Leider, Frau Ministerin Kolb, habe ich nicht immer das Gefühl, dass diese Verantwortung auch wirklich ernsthaft angenommen wird, dass man dazu steht.
Die Geschichte der JVA zeigt auch: Es rächt sich gefährlich, wenn man glaubt, Privatisierung in einem Kernbereich hoheitlicher Aufgaben wie dem Strafvollzug sei ein tolles Modell, um zwei Fliegen, Sicherheit und Einsparungen, mit einer Klappe zu schlagen.
Mit dem PPP-Modell vom Bau bis zur Durchführung ist Sachsen-Anhalt einen risikoreichen Weg gegangen. Ich bekenne hier offen: Ich halte ihn für falsch und ich würde ihn ausdrücklich nicht zur Wiederholung empfehlen.
Meine Damen und Herren! Ich sage das ganz klar als jemand, für den dieses Thema überhaupt kein Dogma ist. Ich sage das aufgrund der vorliegen
den Fakten und Erfahrungen. Natürlich können bestimmte Dienstleistungen auch in einem Gefängnis erfolgreich und vielleicht sogar besser privat erledigt werden, klar.
Aber der eigentliche Skandal in Burg und auch das Beängstigende an der ganzen Situation ist doch, dass der Eindruck entstanden ist, dass das Justizministerium offenbar die Kontrolle darüber verloren hat oder gar niemals die Kontrolle darüber hatte, dass dem Auftraggeber die Kontrolle über das PPP-Modell im Großen und Ganzen entglitten ist.
Dieser Kontrollverlust, meine Damen und Herren, diese mangelnde Aufsicht, hat im Fall Burg dazu geführt, dass das Krisenmanagement zu einem Dauerzustand geworden ist. Dieser Dauerzustand Krisenmanagement ist für uns ein ganz wichtiger Grund zu sagen: Jetzt wollen wir eine Reißleine ziehen.
Die mangelnde Aufsicht machte sich schon bei der Planung der JVA Burg bemerkbar, weshalb wir wirklich von einem hausgemachten Problem sprechen müssen. Nach den Aussagen von Beteiligten war das Land bereits damals einfach nicht in der Lage, exakt zu beschreiben, was es wirklich will. Deswegen haben wir eine JVA, die eben nicht das Beste bietet, obwohl sich die Chance dafür geboten hätte. Seitdem müssen wir mit diesen Ergebnissen leben.
Bereits in der Machbarkeitsstudie wurden die Zahlen zum Beispiel für das notwendige Personal schöngerechnet, und zwar vorbei am gültigen Personalschlüssel. Unser Personalschlüssel galt auch für die JVA Burg: 51 Bedienstete auf 100 Gefangene. Vorgesehen waren für das Gefängnis 658 Gefangene. Dennoch ging die Machbarkeitsstudie damals von nur 259 staatlichen Vollzugsbedientesten aus. Warum denn? Jeder, der rechnen kann, kann sich anhand des Schlüssels ausrechnen, dass eigentlich 334 Bedienstete nötig gewesen wären, um die prognostizierte Gefangenenzahl abzudecken, also 75 mehr als veranschlagt.
Das war eine offensichtliche Fehlplanung, aber niemand korrigierte sie. Zu verheißungsvoll waren offensichtlich die Aussichten darauf, dass man später alles irgendwie mit privatem Personal kompensieren kann. Das war ein gefährlicher Trugschluss.
Auch die bauliche Planung der JVA wies von Beginn an Mängel auf, weswegen die Idee einer Kostenersparnis konterkariert wurde. Das betraf nicht nur Kleinigkeiten; das betraf auch richtig dicke Dinger, wie zum Beispiel eine eigene Sicherheitsstation. Eine solche Station war nicht vorgesehen. Dies ist ein Bereich für besonders widerspenstige Gefangene. Moderne Haftanstalten haben einen solchen Bereich; Burg hatte einen solchen nicht.
Es musste also nachgerüstet werden unter Aufwendung mehrerer Hunderttausend Euro. Das hätte man von vornherein berücksichtigen können; es war jedoch nicht eingeplant. Warum?
Als weiteres Beispiel ist die Sicherungsverwahrung anzuführen, die wir in Sachsen-Anhalt gerade per Gesetz neu geregelt haben. Für knapp 1 Million € haben wir einen neuen Trakt gebaut. Dieser Trakt ist auch richtig gut. Aber auch an dieser Stelle hätte man es besser wissen können. Im Jahr 2004 gab es eine grundsätzliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, mit der das Abstandsgebot geregelt wurde. Hierin wurden deutlich Kriterien benannt. Bereits damals, also fünf Jahre vor der Eröffnung der Haftanstalt Burg, war das klar.
Das heißt, wir hätten die Sicherungsverwahrten nicht erst in Zellen für normale Gefangene unterbringen müssen. Vielmehr hätte man bereits damals bessere und größere Zellen planen können. Dann hätten wir uns diese 1 Million €, die wir jetzt aufgewendet haben, möglicherweise ganz oder zum großen Teil sparen können.
Meine Damen und Herren! Bei dem Problem der JVA Burg haben wir es mit einer Mischung aus ungenügender Planung und unzureichend ausverhandelter Verträge zu tun, die in der Kombination das Vollzugsziel der Wiedereingliederung erheblich gefährden. Umso unverständlicher ist aus unserer Sicht der Umgang der Landesregierung mit den Dienstleistungsverträgen, über deren Weiterführung oder Kündigung der Landtag heute zum ersten und übrigens auch zum letzten Mal für lange Zeit entscheiden kann.
Diese Dienstleistungsverträge erblickten das Licht der Welt, oder besser gesagt: das Licht einer sehr eingeschränkten Welt, nämlich nur einer eingeschränkten Parlamentsöffentlichkeit, und dies erst vor wenigen Tagen. Dabei hatten Sie, Frau Ministerin, bzw. Ihr Staatssekretär den Mitgliedern des Rechtsausschusses zugesagt, zumindest diesen Ausschuss einzubeziehen und eine Meinungsbildung unter fachlichen Gesichtspunkten zu ermöglichen. Aber das haben Sie leider nicht getan.
Wir haben die Evaluationsergebnisse niemals im Rechtsausschuss vorgelegt bekommen, geschweige denn diskutieren können. An dieser Stelle, Frau Ministerin Kolb, sind Sie leider wortbrüchig geworden.
- Dann hätten Sie uns vorab informieren können. Wir wären auch mit ersten Ergebnissen zufrieden gewesen; die Endfassung hätte es nicht unbedingt sein müssen.
Meine Damen und Herren! Noch in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses am 5. April haben wir bemängelt, dass dies so ist, dass die Regierung an dieser Stelle schlichtweg untätig geblieben ist, und das, obwohl die Ergebnisse seit Februar vorliegen.
Dass wir heute überhaupt einen Schimmer von den Ergebnissen der Evaluation haben, haben wir den Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen im Rechnungsprüfungsausschuss zu verdanken - das wurde schon gesagt -, die einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt haben und sich in einer Woche durch 14 volle Leitzordner quälen durften. Dieser Umgang, Frau Ministerin Kolb, kommt einer Missachtung des Parlaments gleich, und das wollen wir als Fraktion missbilligen.
Meine Damen und Herren! Der gesamte Vorgang und auch sein Ergebnis zeigen, dass es absolut richtig und wichtig gewesen wäre, darüber zu diskutieren, welche Schlüsse wir aus den Ergebnissen der Evaluation ziehen. Wir hätten uns dafür Zeit nehmen sollen. Wir hätten diese Zeit auch gehabt.
Stattdessen überraschen Sie uns aber nun erneut auch mit den Schlussfolgerungen, die Sie aus den Ergebnissen der Evaluation ziehen. Es bleibt für uns ein Rätsel, weshalb den Empfehlungen der Evaluation nur teilweise oder in einigen Fällen gar nicht gefolgt wird.
So empfiehlt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beispielsweise die Weiterführung des Vertrages zur EDV-System-Betreuung. Auch Berichte aus der Praxis sprechen dafür, dass diese Betreuung immer gut und auf dem letzten Stand war, dass dieser Vertrag vorbildlich erfüllt wurde. Ganz anders sieht das in anderen Bereichen aus. Doch ausgerechnet dieser Vertrag zur EDV-SystemBetreuung soll als einziger komplett gekündigt werden. Das verstehen wir nicht.
Ausgerechnet die Verträge, die in diesem Paket als die sensibelsten gelten dürften, nämlich die Verträge, die Kernbereiche wie Gesundheitsfürsorge und Sozialfürsorge betreffen, sollen unverändert bleiben und ohne Nachverhandlungen weitergeführt werden. Das verstehen wir nicht.
Seitens des Wirtschaftprüfers werden vor allem in diesen Bereichen Nachverhandlungen empfohlen. Die Informationen, die wir von am Prozess Betei
Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, gut ausgebildetes und motiviertes Fachpersonal in diesen Bereichen einzustellen. Aber die Bewältigung dieser Herausforderung wird ungleich erschwert, wenn ein privater Dienstleister dazwischengeschaltet ist, dessen Qualitätsstandards bei Stellenbesetzungen sich von den tatsächlichen Anforderungen, unseren Anforderungen unterscheiden, sodass die staatliche Seite immer wieder Besetzungen mit minderqualifiziertem Personal durch ihr Veto verhindern muss. Es kann doch kein gangbarer Weg für die Zukunft sein, dass wir immer ein Veto einlegen müssen.
So, meine Damen und Herren, werden die ohnehin schwierigen Besetzungsprozesse zu einer Tortur für alle Beteiligten.
Auch über die gemischten Teams aus privatem und staatlichem Personal in den Bereichen der Therapie wird aus der Praxis nichts Gutes berichtet. Hierbei gibt es offenbar große Schwierigkeiten bei der Eingliederung des privaten Personals und Akzeptanzschwierigkeiten. Zudem gibt es Reibungsverluste durch häufig auftretenden Abstimmungsbedarf in schwierigen und komplizierten Abstimmungsrunden.
Unter diesen Bedingungen, Frau Ministerin Kolb, kann Therapie nicht erfolgreich gelingen. Deswegen ist es für uns nicht nachvollziehbar, weshalb Sie diese Zustände für die nächsten Jahre aufrechterhalten wollen.
Das Gesamtbild ergibt für uns eine Lage, meine Damen und Herren, in der nicht klar ist, ob justizfachliche Belange bei der Beurteilung überhaupt ausreichend berücksichtigt wurden.
Einmal mehr entsteht der Eindruck, dass Entscheidungen im Justizressort in Wahrheit vielleicht eher im Finanzministerium getroffen werden. Das, meine Damen und Herren, manifestiert eine Entwicklung unseres Justizvollzugs, in der sich unsere Standards weiter von der guten fachlichen Praxis entfernen, wie sie in anderen Bundesländern gegeben ist.
Meine Damen und Herren! Wir halten den Vorschlag der Regierung und der Koalitionsfraktionen für ungeeignet, um eine erfolgreiche Umjustierung im Betrieb der JVA Burg vorzunehmen. Wir halten diese Umjustierung allerdings für dringend notwendig.
Meine Damen und Herren! Wir stehen nicht dafür zur Verfügung, eine Politik des fortwährenden Krisenmanagements zu verlängern.
Deswegen, meine Damen und Herren, ist aus unserer Sicht ein klarer Schnitt notwendig. Wir haben heute die Möglichkeit, mit der fristgerechten Kündigung der Dienstleitungsverträge diesen Schnitt auch zu setzen und damit - das sage ich ganz klar - den Anfang vom Ende eines PPP-Projektes in unserem Land einzuläuten. Wenn wir diese Möglichkeit heute nicht wahrnehmen, ist dieses Projekt auf Dauer manifestiert.
Deswegen, meine Damen und Herren, beantragen wir heute die Kündigung der Dienstleistungsverträge, und wir beauftragen mit unserem Änderungsantrag gleichzeitig die Landesregierung, die möglichen Handlungsalternativen vorzustellen.
Erlauben Sie mir abschließend die folgende Bemerkung an die Fraktion DIE LINKE: Ehrlich gesagt kann ich Ihre Argumentation nicht bis zum Ende nachvollziehen, zumindest nicht in der Konsequenz. Das haben Sie eben noch einmal deutlich gemacht. Ursprünglich haben Sie ebenfalls beantragt, diese Verträge zu kündigen. Lediglich aufgrund eines kleinen Verhandlungserfolgs mit den Koalitionsfraktionen in deren Änderungsantrag schwenken Sie auf eine vollkommen andere Linie um,