Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Erlauben Sie mir abschließend die folgende Bemerkung an die Fraktion DIE LINKE: Ehrlich gesagt kann ich Ihre Argumentation nicht bis zum Ende nachvollziehen, zumindest nicht in der Konsequenz. Das haben Sie eben noch einmal deutlich gemacht. Ursprünglich haben Sie ebenfalls beantragt, diese Verträge zu kündigen. Lediglich aufgrund eines kleinen Verhandlungserfolgs mit den Koalitionsfraktionen in deren Änderungsantrag schwenken Sie auf eine vollkommen andere Linie um,

(Frau von Angern, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht!)

nämlich mehr oder weniger auf die Weiterführung der Verträge. Das ist für mich nicht schlüssig und leider nicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem Sinne bewegen Sie die Worte auch der nachfolgenden Rednerinnen noch einmal weise in sich. Wir haben heute die Möglichkeit, einen wichtigen Schnitt zu setzen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr für die Einbringung, Kollege Herbst. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Professor Dr. Kolb.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Herbst, Sie machen es sich einfach. Sie sagen, wir können kündigen. Aber wie es weitergehen soll, sagen Sie nicht. Denn auch dafür haben Sie keine Konzepte.

Wir sehen aktuell in anderen Bundesländern, in denen PPP-Modelle abgewickelt werden, dass das auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Deshalb haben wir uns mit der derzeitigen Situation im

Hinblick auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sehr intensiv auseinandergesetzt.

Das Evaluationsgutachten liegt mir in der endgültigen Fassung erst seit der letzten Woche vor. Insofern konnte ich nicht einschätzen, was ausgehend von der Entwurfsfassung seitens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch verändert wird. Daher konnte ich im Ausschuss das endgültige Ergebnis nicht darstellen. Frau Klein hat völlig Recht: Aus dem Gutachten ergibt sich lediglich, dass das PPP-Modell nach wie vor wirtschaftlicher ist als ein staatlicher Eigenbetrieb.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kommt zu dem Ergebnis, dass die ursprüngliche Effizienzrendite, die im Rahmen der Machbarkeitsstudie mit 12 % angesetzt wurde, inzwischen auf 8 % abgeschmolzen ist. Aber es wird nach wie vor eine Effizienzrendite festgestellt.

Im Hinblick auf die einzelnen Dienstleistungsverträge wird an keiner Stelle empfohlen, dass wir diese kündigen sollen. An dieser Stelle hat sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft schön zurückgezogen.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Sie haben bestimmte Punkte aufgeführt, bei denen sie Anpassungsbedarf im Hinblick auf die Verträge sehen. Das bezieht sich insbesondere auch auf Dinge, die sich aus vollzugspraktischen Dingen ergeben und bei denen sie Optimierungsbedarf sehen, insbesondere im Hinblick auf qualitative Aspekte.

Das haben wir sehr ernst genommen. Das haben wir uns in den letzten Wochen sehr intensiv angeschaut. Daraus haben wir Schlussfolgerungen gezogen, wie wir in konkreten Verhandlungen mit unserem privaten Partner genau diese Dinge verändern und abstellen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich bin über das Gutachten insofern nicht ganz glücklich gewesen, als die entscheidenden Fragen überhaupt nicht beantwortet werden. Die Frage ist in der Tat - diese Frage stellen Sie mir immer wieder in den Ausschüssen -: Was kostet es denn, wenn wir es selber machen?

Ja, wir haben bei uns im Haus erste Berechnungen angestellt. Wir haben einfach die Kosten angesetzt, die in den staatlichen Anstalten in den einzelnen Bereichen anfallen. Diese Kosten haben wir mit den Kosten verglichen, die in Burg für die entsprechenden Bereiche entstehen. Das ist nicht im Verhältnis 1 : 1 vergleichbar, da es eine andere Kostenstruktur ist und die Dienstleistungsverträge existieren, in denen bestimmte Personalkosten eingerechnet sind. Das können wir im Hinblick auf den staatlichen Betrieb nicht in dieser Form darstellen.

Deshalb sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir insbesondere die Dinge, die aus vollzugsfachlicher Sicht nicht so funktionieren, wie wir uns das vorstellen, im Wege einer Kündigung verändert werden wollen. Wir wollen die Dinge kündigen mit dem Ziel, in eigener Regie die jeweiligen Bereiche zu übernehmen. Das können wir nur im Rahmen der Ressourcen, die uns dafür zur Verfügung stehen.

Man muss bei der PPP-Konstruktion immer berücksichtigen, dass wir nicht aussteigen können. Wir haben einen Grundvertrag über 25 Jahre abgeschlossen. Wir haben Dienstleistungsverträge, die jeweils nach fünf Jahren kündbar sind. Aber wir kommen aus diesem Gesamtkonstrukt, dass wir uns mit einem privaten Partner zusammengetan haben, um diese Justizvollzugsanstalt zu betreiben, grundsätzlich nicht heraus.

Bei den ganzen Möglichkeiten der Kündigung müssen wir auch immer berücksichtigen, dass die Kündigungsmöglichkeiten natürlich auch auf der anderen Seite bestehen. Unser privater Partner hat die gleichen Kündigungsmöglichkeiten. Insofern müssen die Dinge in Verhandlungen vorbereitet werden, um nicht Gefahr zu laufen, dass wir auf einmal vor der Alternative stehen, alles selbst umsetzen zu müssen, was aus unserer Sicht im Hinblick auf den kurzen Zeitraum von einem Jahr der Umgestaltung und im Hinblick auf die uns zur Verfügung stehenden Personalressourcen nicht möglich wäre.

Herr Herbst, ich kann es wirklich nicht nachvollziehen. Wir haben in Burg eine funktionierende Anstalt. Das, was wir dort täglich machen, ist kein Krisenmanagement. Wir haben einen Vertrag und dieser Vertrag lebt. Er wird tagtäglich an die aktuellen Bedingungen angepasst, sodass ausgehend von den konkreten Bedürfnissen, die sich im Strafvollzug auch anhand aktueller Entwicklungen verändern, die Dinge so umgestaltet werden, dass es auch funktioniert.

Das hat bisher mit dem privaten Partner auch gut funktioniert. Er ist in den Bereichen, in denen wir entsprechende Kritik geäußert haben, auch auf diese Kritik eingegangen und hat die Dinge abgestellt bzw. hat sich auf Änderungswünsche von unserer Seite eingestellt und die Dinge dann umgesetzt.

Im Hinblick auf die Frage, was wir jetzt tun, kann ich Ihnen ausgehend von den aktuellen Verhandlungen, die wir noch führen - die laufen noch -, sagen, dass wir in jedem Fall den Vertrag über die Verpflegungsdienstleistungen kündigen wollen. Das hängt für uns insbesondere damit zusammen, dass es nicht gelungen ist, die Qualität des Essens so zu gestalten, dass wir eine Zufriedenheit innerhalb der Anstalt erreicht haben. Hier gab es immer wieder Mängelrügen und Mängelanzeigen. Trotz

dem sind wir hier noch nicht in einem Zustand, mit dem wir zufrieden sind.

Wir haben hier auch festgestellt, dass der Verpflegungskostensatz - wie gesagt, immer unter der Prämisse, dass die Dinge nicht 1 : 1 vergleichbar sind - in Burg höher ist als in den anderen staatlichen Anstalten und dass im Ergebnis zu wenig beim Gefangenen ankommt. Genau das wollen wir ändern, weil uns das am Herzen liegen und wichtig ist.

Was den Vertrag über die EDV-System-Betreuung betrifft, hat das einfach ganz praktische Gründe. Wir haben eine bestimmte Serverstruktur, bestimmte Anwendungen, die für alle Anstalten gelten - das ist ein Verbund -, sodass wir ohnehin jetzt schon viel über diese zentrale EDV-Stelle für den Strafvollzug machen, sodass es hier aus fachlicher Sicht keinen Sinn macht, die Dinge dem privaten Partner zu überlassen, weil das eben in unserer Hoheit im Rahmen des Gesamtverbundes Strafvollzug liegt. Deshalb werden wir die Leistungen aufgrund dieses Vertrages bis auf den Telekommunikationsbereich in die eigene Hand nehmen. Das ist im Prinzip das, was wir im praktischen Vollzug ohnehin schon tun.

Wir sind darüber hinaus dabei, durch entsprechende Vertragsanpassungen auch die finanziellen, die wirtschaftlichen Interessen, die hier von den beiden Einbringern vorgetragen worden sind, so zu gestalten, dass wir die Interessen des Landes auch im Hinblick auf eine wirtschaftliche Gestaltung des PPP-Modells in Zukunft weiter erfüllen.

Aber ich betone an dieser Stelle noch einmal: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kommt nach wie vor zu dem Ergebnis, dass das PPP-Modell wirtschaftlicher ist. Wie gesagt, das sind Dinge, die wir nicht selbst gemacht haben. Die sind - beauftragt durch das Finanzministerium - von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gestaltet worden.

Lassen Sie mich das abschließend noch sagen: Wir sind dabei, ein leistungsfähiges Vertragsmanagement und -controlling mit einem aussagefähigen Berichtswesen und steuerungsrelevanten Kennzahlen einzurichten, die jeweils entwickelt und fortgeschrieben werden, um die einzelnen Leistungsbereiche dann auch fachlich bewerten zu können. Da sind wir jetzt dabei, haben bei uns im Haus die entsprechenden personellen Voraussetzungen geschaffen, sodass wir jetzt eine Kollegin haben, die sich um nichts anderes kümmern wird als um dieses Vertragscontrolling.

Ich werde natürlich - so wie es vereinbart ist - auch weiter über die Umsetzung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und auch im Finanzausschuss berichten, wenn wir die entsprechenden Informationen haben. Ansonsten können Sie mir glauben, dass die Landesregierung verant

wortungsbewusst sowohl die wirtschaftlichen Dinge, aber - erlauben Sie mir, das zum Schluss noch einmal zu betonen - eben auch die Sicherheitsaspekte und die vollzugsfachlichen Aspekte so berücksichtigt, dass wir auch im Rahmen eines PPP-Modells, was nun mal ein völlig neuer Weg war, wozu es auch kein fertiges Handbuch gab, wie das praktisch funktioniert, die Dinge umsetzen können, dass wir glücklich sein können - das sind wir auch -, dass wir die Justizvollzugsanstalt in Burg haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Ministerin, es gibt zwei Nachfragen. - Zunächst von Herrn Wunschinski. Ich hatte Sie bei Frau Dr. Klein vergessen, Entschuldigung.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie und Ihr Staatssekretär betonen immer, dass diese Dienstleistungsverträge leben. Ich habe damit ganz besondere Bauchschmerzen, weil für mich eigentlich ein Vertragspartner überhaupt keinen Anlass hat, einen Vertrag zu verändern, wenn es nicht zu seinem Vorteil ist. Von daher muss ich sagen: Ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass ein Vertrag gekündigt werden soll, nämlich der für Verpflegung, und die anderen nur nachgebessert werden sollen.

Darum jetzt meine ganz spezielle Nachfrage: Wie viele Verträge werden Sie bis Dienstag, 23.59 Uhr kündigen?

Ich habe einen Auftrag vom Kabinett, dass bis zu vier Dienstleistungsverträge gekündigt werden können. Wir werden uns diesbezüglich auch mit dem Finanzministerium abstimmen, was im Rahmen des PPP-Modells ebenfalls verantwortlich ist, insbesondere für die Vertragsgestaltung.

Wir werden in jedem Fall den Verpflegungsvertrag kündigen. Wir werden in jedem Fall den Vertrag über die IT-Dienstleistungen kündigen. Bei den anderen Dingen sind wir noch in den Verhandlungen mit dem Vertragspartner, um zu erreichen, dass die Dinge in unserem Sinne weitergeführt werden. Wie gesagt, die Verhandlungen sind insoweit nicht einfach, als auf der anderen Seite vonseiten des Partners gesagt wird, dass Kündigungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden, beispielsweise was den therapeutischen Bereich für die Sicherungsverwahrung betrifft.

Es gibt noch eine Nachfrage. Bitte sehr, Herr Kollege Wunschinski.

Sollte der Vertragspartner sich nicht so bewegen, wie Sie sich das wünschen, werden Sie dann die anderen Verträge vorsorglich kündigen?

Eine vorsorgliche Kündigungsmöglichkeit gibt es nicht. Es gibt nur eine Kündigungsmöglichkeit, mit der Konsequenz, dass wir das dann entweder innerhalb eines Jahres in Eigenregie übernehmen müssen, dafür dann auch die notwendigen Ressourcen brauchen, oder dass man sich im Wege einer europaweiten Ausschreibung einen neuen Partner sucht. Da zeigen die Erfahrungen beispielsweise aus Hessen, dass es sehr schwierig ist, das innerhalb von zwölf Monaten umzusetzen.

Frau von Angern.

Frau Ministerin, Sie haben jetzt in Ihrer Rede noch einmal die vielen Vorzüge des PPP-Modells hervorgehoben. Sie bzw. Ihr Haus haben bereits seit 21. Februar 2012 mit dem Kabinettsbeschluss zu der Zukunft der Strukturreformen der Justizvollzugsanstalten, nämlich die Beschränkung auf drei Standorte, den Auftrag erhalten, einen Neubau in der JVA „Frohe Zukunft“ in Halle zu prüfen. Dieser Auftrag ist jetzt mit dem Kabinettsbeschluss vom 26. März noch einmal erneuert worden, ausdrücklich nur als Prüfauftrag, denn Sie brauchen dabei ja auch uns als Parlament.

Ich frage Sie: Welche Finanzierungsmodelle werden auch vor der aktuellen Debatte geprüft? Gibt es dabei auch die Prüfung, ob ein PPP-Modell auch in Halle beim Neubau der JVA Halle III zum Zuge kommt? Und bleiben Sie persönlich als Ministerin bei Ihrer Aussage, dass es mit Ihnen aufgrund der bestehenden Erfahrungen kein weiteres PPP-Modell in Sachsen-Anhalt im Justizvollzug geben wird?

Was die Frage der Konzentration der Justizvollzugsanstalten auf drei Standorte betrifft, sind wir derzeit noch im Stadium der Machbarkeitsstudie. Wir prüfen also erst einmal nur rein von den standortlichen Gegebenheiten her, ob auf dem Standort, der in Halle ausgewählt worden ist, ein solches Vorhaben umsetzbar wäre.

Wir haben uns bisher mit dem Finanzministerium noch nicht unterhalten, was die Frage der Finanzierung betrifft, sprich: wie dann auch die finanziellen Mittel aufgebracht werden, die notwendig sind,

um ein solches Projekt umzusetzen. Es gibt sicherlich unterschiedliche Möglichkeiten. Wir sind ja auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung immer gehalten, das wirtschaftlichste Modell auszusuchen.

Da wir hier aber von einem Erweiterungsbau im Rahmen einer bestehenden Anstalt sprechen, gehe ich nicht davon aus, dass man das im Rahmen eines PPP-Konstrukts darstellen kann.

Frau Ministerin, es gibt noch eine dritte Frage von Frau Dr. Klein. - Bitte sehr.

Danke, Frau Vorsitzende. - Frau Ministerin, ich möchte noch einmal an das anschließen, was Herr Wunschinski gefragt hat: Sie sagen, eine vorsorgliche Kündigung gibt es nicht. In dem Briefwechsel bzw. Mailwechsel in den Akten wird unter anderem erläutert, dass es eine Änderungskündigung geben könnte. Das ist im Prinzip das, was Herr Wunschinski eigentlich meint: Sie kündigen mit der Option: wenn man sich einigt, wird fortgeführt.

Insofern gibt es das durchaus, nur dass der Begriff „vorsorgliche Kündigung“ in den Geschäften scheinbar nicht üblich ist, sondern es Änderungskündigung heißt. Daher könnte man durchaus mit Änderungskündigungen arbeiten und sich die Option offenlassen - wird jedenfalls in den Akten so ausgeführt.