Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie in diesem Hohen Hause. Ich eröffne die 46. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die 24. Sitzungsperiode fort und beginnen heute mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 17, 18 und 19.

Ich darf daran erinnern, dass sich für heute Staatsminister Robra und Minister Dorgerloh ganztägig, Herr Minister Webel ab 13 Uhr und Herr Minister Stahlknecht ab 17 Uhr entschuldigt haben. Herr Minister Möllring

(Zuruf von der Regierungsbank)

- das ist erledigt - hat sich für den Landtag und nicht für die Konferenz der Wissenschaftsminister entschieden. Willkommen im Hause!

(Herr Borgwardt, CDU: Da war die Wahl re- lativ einfach! - Zurufe von Frau Prof. Dr. Dal- bert, GRÜNE, und von Herrn Dr. Brachmann, SPD)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 a auf:

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: „Investieren, konsolidieren, Innovationen fördern - mit solider Haushaltspolitik heute Zukunft gestalten“

(Es ertönt ein Gong - Heiterkeit - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Kriegt das jetzt jeder? - Zuruf von Herrn Schröder, CDU - Weitere Zurufe: Oh! - Was ist denn das?)

- Es soll Teile Europas geben, wo bei großen Erklärungen auch die Kirchenglocken läuten.

(Heiterkeit - Herr Miesterfeldt, SPD: Ja, schön!)

Der Pfarrer von Mugello tut das sogar angeblich immer, wenn Ferrari gewonnen hat.

(Heiterkeit und Zurufe)

Das habe ich nicht veranlasst; das ist Zufall.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das denke ich auch!)

Ich erteile hiermit Herrn Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach einer so verheerenden Flutkatastrophe, wie wir sie gerade in unserem Land erlebt haben und teilweise immer noch erleben, ist es natürlich nicht leicht, einfach zur Tagesordnung überzugehen.

Ich will zunächst einmal allen meine Anteilnahme aussprechen, die durch das Hochwasser zu Schaden gekommen sind. Mit vielen Leidtragenden habe ich während der Einsatztage direkt vor Ort sprechen können.

Die wirtschaftliche Not werden wir gemeinsam mit dem Bund und der Ländergemeinschaft lindern. Mein Dank gilt dem Bund und den anderen Ländern für die schnelle Entscheidung zum Hilfsfonds.

Dank gilt auch der Europäischen Union. In den letzten zwei Tagen habe ich mit EU-Kommissionspräsident Barroso und EU-Kommissaren in Brüssel gesprochen. Sie haben uns Gelder aus dem EUSolidaritätsfonds zugesichert. So wird es nun möglich sein, an die Beseitigung der materiellen Schäden zu gehen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Aber auch bei der Umsetzung der Hochwasserschutzkonzeption, der Anpassung der Infrastruktur an zukünftige Extremereignisse sowie weiteren Präventionsmaßnahmen wird die Europäische Union helfen.

Die emotionalen Belastungen aber bleiben. Ich wünsche allen Betroffenen, dass sie die große Solidarität während der Flut auch als Trost in dieser schweren Zeit empfinden können.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Ich will auch den vielen Helferinnen und Helfern danken. Die Bundeswehr hat einen hervorragenden Einsatz gemeistert, an den wir lange anerkennend denken werden, ebenso die Bundespolizei, das THW, die Feuerwehren und viele andere Hilfsorganisationen, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung im Land und in den betroffenen Kommunen.

Einzigartig war das Engagement Tausender junger Menschen, die sich über die sozialen Netzwerke selbst organisiert haben. Nachdem wir bereits bei der Flutkatastrophe des Jahres 2002 ein so großes und uneigennütziges Engagement erlebten, hatte ich erneut darauf gehofft. Diese Hoffnung hat sich erfüllt.

Mein Dank und meine Anerkennung für das unermüdliche Wirken gilt den Frauen und Männern aus Sachsen-Anhalt und vielen anderen Bundes

ländern, die alles stehen und liegen gelassen haben, um anderen uneigennützig zu helfen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Die Flutkatastrophe hat erneut unter Beweis gestellt, dass die Menschen in unserem Land zu einer großen solidarischen Leistung fähig sind. Das ist ein Potenzial, auf das wir auch künftig bauen können. Die Auswirkungen des Hochwassers werden wir noch lange spüren - auch im Haushalt des Landes Sachsen-Anhalt. Wir stehen offensichtlich vor mindestens so großen Schäden wie im Jahr 2002, auch wenn sie jetzt noch nicht seriös beziffert werden können.

Das Hochwasser hat aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, Vorsorge zu treffen. Ursprünglich sollten für die Hochwasservorsorge - sei es durch Deiche, sei es durch Retentionsflächen - bis zum Jahr 2020 in Sachsen-Anhalt etwa 120 Millionen € investiert werden.

Tatsächlich haben wir nach den Erfahrungen von 2002 bis heute schon über 500 Millionen € eingesetzt. Dort, wo wir in den letzten Jahren investiert, wo wir Dämme erhöht und Hochwasserschutzanlagen errichtet haben, waren die Auswirkungen der Flut weitaus geringer.

Was für den Schutz vor Hochwasser gilt, gilt auch für die Zukunftsvorsorge allgemein. Eine solide Haushaltspolitik ist und bleibt auch im Lichte der Ereignisse der letzten Tage wichtiger Teil einer solchen Zukunftsvorsorge.

Wer heute glaubt, die Zukunft dieses Landes könne erneut auf Schulden gebaut werden, reißt finanzpolitisch schützende Dämme ein und riskiert eine Schuldenflut, die irgendwann nicht mehr zu meistern sein wird.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Wir haben in diesem Haus seit dem Jahr 1990 immer wieder über die Notwendigkeit einer verantwortbaren Haushaltsführung diskutiert. Wir waren uns immer darüber einig, dass wir nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen dürfen, der alle Gestaltungsspielräume nimmt. Wer mag, kann dies in den Plenarprotokollen nachlesen. Dennoch stehen wir heute vor einem Schuldenberg von rund 21 Milliarden € und haben eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen aller Flächenländer.

Selbstkritisch müssen wir uns alle eingestehen: In den letzten 23 Jahren ist das verantwortungsvolle Haushalten nicht immer mit der erforderlichen Konsequenz erfolgt. Für höhere Ausgaben als andernorts mag es manchmal, vor allem zu Beginn, aber auch zur Bewältigung von Katastrophenfolgen gute Gründe gegeben haben.

Sachsen-Anhalt hatte die schwierigsten Startbedingungen unter den neuen Ländern und es musste den wohl anspruchsvollsten Transformationsprozess mit den tiefsten Strukturbrüchen in der Wirtschaft bewältigen. Andererseits sind vor allem frühzeitige Strukturanpassungen im staatlichen Bereich nicht konsequent vollzogen worden.

Niemand sollte behaupten, wir hätten Geld zum Fenster hinausgeworfen. Im Gegenteil: Wir haben mit dem vielen Geld auch vieles erreicht. SachsenAnhalt im Jahr 2013 ist überhaupt nicht mehr zu vergleichen mit Sachsen-Anhalt im Jahr 1990.

Natürlich wird es immer Menschen geben, die nur sehen wollen, was noch nicht erreicht ist. Solche Pessimisten, deren Glas immer halb leer ist, sind erfahrungsgemäß auch durch noch so gute Argumente zu keiner positiven Weltsicht zu bewegen.

Ich dagegen freue mich darüber, wie wir SachsenAnhalt in den letzten 23 Jahren gemeinsam vorangebracht haben und wie wir auch jetzt, beim Hochwasser, zusammengehalten haben. Es gibt noch viel mehr, auf das die Menschen in SachsenAnhalt stolz sein können. Der Blick auf unser Land ist gewiss immer auch eine Frage der Perspektive.

Für die junge Generation, die die DDR nicht mehr bewusst erlebt hat, versteht sich vieles ganz von selbst. Für meine Generation, die das Gesicht unserer Städte und Gemeinden und den Zustand der Betriebe und der Umwelt in der Zeit vor der friedlichen Revolution kennt, sind die Fortschritte mit den Händen zu greifen und geben Anlass zu ehrlicher Freude.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Ob nun in der Infrastruktur, bei Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen: Wer wollte da die Fortschritte nicht würdigen?

Warum spreche ich gerade jetzt auch das Positive an? - Ganz einfach: Wir haben in den letzten 20 Jahren gemeinsam darauf hingearbeitet, unser Land voranzubringen. Diese Anstrengungen tragen Früchte.

Wir spüren nach schwierigen Jahren wieder Boden unter den Füßen. Das ist das Ergebnis der Anstrengungen und der Arbeit der Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter, die wir, Landtag und Landesregierung, gemeinsam aus dem Landeshaushalt unterstützt haben.

Allerdings sind wir noch längst nicht so weit, dass wir uns gegenseitig auf die Schultern klopfen und uns - wie nach getaner Arbeit - zurücklehnen können. Wir müssen heute die Weichen für eine gute Zukunft unseres Landes in den kommenden Jahren und Jahrzehnten stellen.

Was heißt das? - Wir müssen zum Beispiel sehen, wie wir Strukturen an die sich verändernden de

mografischen Gegebenheiten anpassen. Bis zum Ende der 80er-Jahre hatte Sachsen-Anhalt noch knapp drei Millionen Einwohner. In einigen Jahren werden es voraussichtlich weniger als zwei Millionen sein.

Die Mittel von Bund und EU gehen zurück. Wir müssen uns also fragen: Wie können wir mit weniger mehr erreichen? Wie machen wir dabei unsere Schulen fit für die Zukunft, sodass mehr Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife erlangen und weniger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen? Wie schaffen wir es, Verwaltungskosten zu senken? Wie können wir auch künftig genügend Mittel für Investitionen zum Beispiel für den Hochwasserschutz und die Straßeninstandsetzung bereitstellen?