Wenn das dann von einzelnen Personen widergespiegelt wird, die das auf ihre ganz konkrete Situation beziehen - ich hatte vorgestern ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Stadtelternrates der Stadt Magdeburg, der gesagt hat, wir haben aber hier Grundschulen, in denen wir in einer Klasse ein Jahr lang keine Klassenlehrerin hatten und in denen auch der Unterricht in Schreiben und Lesen nicht gegeben werden konnte -, dann finden die die goldenen Wasserhähne nicht, bei denen wir sagen, da liegen wir über dem Durchschnitt.
Das müssen wir einfach berücksichtigen, wenn wir auf das Land Sachsen-Anhalt blicken. Wir haben halt in den letzten Wochen den Eindruck erweckt, dass es nächstes Jahr schlimmer und übernächstes Jahr noch schlimmer wird. Ich will, dass dieser Eindruck wegkommt.
Ich bitte Sie wirklich sehr herzlich, hören Sie auf, diesen Eindruck zu erwecken, weil ich glaube, dass das ganz schlecht für unser Land ist.
Hören Sie auf, den Menschen zu vermitteln, dass es in Sachsen-Anhalt nur bergab gehen kann. Hören Sie auch auf, diese Schreckensszenarien immer wieder zu malen, weil das Menschen abschreckt. Das schreckt Menschen ab, nach Sachsen-Anhalt zu kommen. Das macht auch die Entscheidung nicht leichter, hier zu bleiben, gerade für junge und mobile Menschen.
Ich weiß, dass Sie das nicht wollen. Aber das ist einfach das Ergebnis dieser Debatte und der Blick von außen auf das Bundesland. Ich möchte, dass sich das ändert.
Ich will auch nicht, dass Sachsen-Anhalt ein durchschnittliches Land ist. Die Begriffe, die wir verwenden, sind einfach falsch, weil wir das als Koalition gar nicht wollen. Wir wollen etwas anderes. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam versuchen zu sagen, was wir wollen, und nicht immer dieses Bild von Sachsen-Anhalt zeichnen.
Ich finde im Übrigen auch, dass die Landesregierung gar keinen Grund hat, so zu agieren, auch die Koalition nicht. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir die finanzpolitischen Hausaufgaben machen können. Wir haben als erste Koalition in der Geschichte dieses Landes schuldenfreie Haushalte vorgelegt. Wir haben im Haushalt Vorsorgeelemente geschaffen.
Man kann hinsichtlich der verschiedenen Vorsorgeelemente verschiedener Auffassung sein. Aber hinsichtlich des Pensionsfonds bin ich nicht Ihrer Auffassung, Herr Gallert. Klar gibt es keine großen Zinsen darauf. Trotzdem muss gerade der Pensionsfonds, weil wir wissen, dass die Ausgaben irgendwann kommen werden
wie die Situation sein wird, wenn wir daraus auszahlen müssen. Sie kann möglicherweise sehr viel schlechter sein. Dann müssen wir das entweder aus dem Gesamthaushalt erbringen - das schränkt die freien Spielräume ein - oder wir müssen es dann durch Schulden erledigen. Bei dem Thema Pensionsfonds bin ich komplett anderer Auffassung. Bei dem Thema Tilgung sind wir möglicherweise wieder etwas näher beisammen. Aber ich finde es absolut korrekt, dass in die Vorsorgeelemente Pensionsfonds und Steuerschwankungsreserve investiert wird.
Ich will noch einmal zu dem Thema zurückkommen, wie das Land Sachsen-Anhalt aussieht und welche Diskussionen wir über unsere eigenen Strukturen führen. Bei der Schuldiskussion, Herr Ministerpräsident, haben Sie gesagt, in den Schulen geht es vor allem um die Anpassung der Schüler-Lehrer-Relation.
Da sage ich: Nein. Klar geht es auch darum. Aber in den Schulen geht es zuerst darum, dass wir gute Schule machen. Es geht zuerst darum, dass Kinder in der Schule sind, denen wir einen guten Lebensweg ermöglichen möchten. Da geht es zuerst um die Chancengerechtigkeit. Es geht zuerst darum, jeden und jede mitzunehmen. Es geht zuerst darum, einen guten Unterricht zu organisieren. Das ist es.
Ich will es einmal kurz an der Debatte über Schulschließungen oder -zusammenlegungen erläutern. Wir haben in der Fraktion in der letzten Legislaturperiode das Thema ländliche Räume sehr intensiv bearbeitet. Hinsichtlich des Themas Schule kamen wir unter anderem zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll ist, im ländlichen Raum so etwas wie einen Campus Schule aufzubauen, wo man Ganztagsschulen hat, die vernünftig mit Personal ausgestattet sind und wo auch die Verbände und Vereine sagen, da finden wir genug Kinder, mit denen wir unsere Arbeit machen können. Warum kann man nicht für größere Schulen mit diesem Thema argumentieren und diese dann auch aufbauen?
Wir brauchen in den ländlichen Räumen Schulen, die struktur- und demografiefest sind, die nicht einfach umfallen, wenn ein Kind weggeht. Da geht es nicht in erster Linie um Schulschließungen, sondern da geht es um neue Antworten auf die Situation im ländlichen Raum. Ich stimme ja zu, dass das größere Schulen sein müssen. Aber sie müssen mit einem anderen Hintergrund und mit einem anderen Inhalt aufgebaut werden. Das ist für mich etwas, wie man Politik gestaltet. Dann kann man die Menschen auch ganz anders mitnehmen, weil sie eine Perspektive sehen, als wenn man ihnen sagt, wir müssen eure Schule schließen.
Ja, wir wissen, dass wir dann den Schülerverkehr anders organisieren müssen. Das wissen wir schon lange, weil der Schülerverkehr dafür da ist, die Kinder zur Schule zu bringen, und nicht um den ÖPNV in der Fläche zu ersetzen, so wie wir es jetzt tun. Dann hat Thomas Webel ein Problem.
Aber das müssen wir anders lösen, wenn es immer weniger Menschen werden. Das müssen wir möglicherweise auch individualisiert lösen und nicht mit festen Buslinien oder Ähnlichem. Da bin ich nicht die Fachpolitikerin. Aber wir wissen, dass es auf Dauer nicht mehr funktionieren wird, den Schülerverkehr als ÖPNV zu nutzen.
Also sagen wir doch, wo wir hinwollen und wie wir das gestalten wollen. Das ist dann wirklich eine Vision für das Land in bestimmten Politikbereichen. Das ist das, was ich gern in einer Regierungserklärung hören würde.
Ich will auch an das erinnern, was sich die Koalition vor zwei Jahren auf die Fahne geschrieben hat.
„Die Orientierungspunkte für das Handeln der Koalition in den nächsten fünf Jahren werden die Ziele Wachstum und Gerechtigkeit sein. Mit der Verwirklichung dieser Ziele wollen wir Sachsen-Anhalt zu einem lebenswerten, weltoffenen, modernen und solidarischen Land machen.
Wirtschaftliches Wachstum und die Steigerung der Leistungsfähigkeit unseres Landes sind die Grundlage für wachsenden Wohlstand, dauerhafte und gut bezahlte Arbeitsplätze, eine Verbesserung der Infrastruktur und Daseinvorsorge in allen Lebensbereichen sowie für solide Finanzen. Wir werden daher die Potenziale des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt ausbauen, gezielt die Bereiche stärken, die innovationsfähig sind, die Wertschöpfung steigern und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen“.
Das ist das Zitat, das ich mir aus dem Koalitionsvertrag herausgesucht habe, weil das vor dem Ganzen steht. Hinsichtlich der Umsetzung dieses Zieles ist sich die Koalition vollkommen einig.
(Herr Höhn, DIE LINKE: Na ja! - Herr Gallert, DIE LINKE: Dann hätte man es auch sagen müssen! - Weiterer Zuruf von der LINKEN)
Die Zukunft des Landes - das will ich auch noch einmal ganz deutlich sagen - ist nicht alternativlos, genauso wenig wie die Europapolitik der Bundesregierung alternativlos ist. Aber darüber debattieren wir heute nicht.
Die Zukunft des Landes ist gestaltbar. Am 29. November 2012 teilte der „Focus“ auf seiner InternetSeite mit, Deutschlands dynamischste Stadt heißt Magdeburg. Im Städteranking lag Magdeburg auf Platz 1 und Halle auf Platz 7. Zwei unserer Regionen liegen ganz vorn im Städteranking.
Das sind Schlagzeilen, die wir brauchen. Diese Schlagzeilen brauchen wir, nicht weil Magdeburg auf Platz 1 und Halle auf Platz 7 liegt. Das hätte genauso gut umgekehrt sein können. Aber es sind zwei, die ganz vorn sind. Das ist wichtig. Das sind die Botschaften, die wir brauchen, damit, wenn von außen der Blick auf Sachsen-Anhalt fällt, gesagt wird, die sind dynamisch und die sind gut; das sind Regionen, in die wir gehen können.
Dann will ich noch etwas zum Ausgaben- und Einnahmenproblem sagen. Der Finanzminister sagt, wir haben kein Einnahmenproblem. Er beschreibt aber auch, welche Seite der Einnahmen er meint.
Ich bin mit ihm auch einer Meinung, wenn diese Beschreibung die öffentlichen Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich und aus dem Solidarpakt betrifft. Das ist völlig korrekt.
Aber wir haben auf der anderen Seite ein anderes Einnahmenproblem. Wir haben zu wenig gute Einkommen. Wir haben zu wenig gute Löhne und die hieraus resultierenden Steuern. Wir haben zu wenige und zu kleine Betriebe. Daraus resultieren geringe Steuereinnahmen. Dieses Einnahmenproblem haben wir.
Dazu kommt noch die gesamte Steuerproblematik. Die kommt aber weiter hinten, wenn ich über die Bundespolitik rede, nicht dass Herr Gallert denkt, dass ich die vergessen habe. Das ist natürlich auch eine Einnahmenseite, die nicht so gern betrachtet wird, weil dafür erst bundesgesetzliche Regelungen geändert werden müssen.
Aber natürlich haben wir ein Einnahmenproblem. Das setzt sich in den Kommunen noch fort. Wenn die überall prosperierende Gewerbegebiete mit Unternehmen hätten, die Steuern und Abgaben zahlen, dann hätten die auch bei der Finanzierung der freiwilligen Aufgaben keine Probleme. Insofern haben wir ein Einnahmenproblem. Das können wir zukünftig aber nicht durch den Transfer öffentlicher Leistungen regeln, sondern nur durch die Entwicklung des Landes. Das ist der Punkt, an dem wir arbeiten müssen.
Da sage ich noch einmal, dass eines der Ziele wirtschaftlicher Entwicklung lautet: Wir wollen die Wirtschaftspotenziale, die wir haben, stärken. Wir wollen, dass gute Arbeit etabliert wird. Das haben Sie auch gesagt, Herr Ministerpräsident.
An einem Punkt bin ich nicht Ihrer Meinung. Sie haben gesagt, Mut macht, wie Sachsen-Anhalt durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen ist - da bin ich Ihrer Meinung -, wenn auch nicht spurlos. Sie hatten sich auf die Photovoltaik bezogen. Da bin ich anderer Auffassung. Ich glaube, dass das Thema der Photovoltaik kein Problem der Finanz- und Wirtschaftskrise gewesen ist, sondern ein hausgemachtes, weil wir in Sachsen-Anhalt ausschließlich auf die Plattenproduktion gesetzt haben und keine Wertschöpfungsketten aufgebaut haben; denn die sind nachher weniger anfällig.
Ich glaube, dass das ein Stück weit auch ein hausgemachtes Problem war. Wir hätten schon vor vielen Jahren wissen können, dass China uns irgendwann im Bereich der reinen Produktion überholt. Deshalb war es falsch, da noch die große Förderung hineinzustecken.