Zurzeit 600 Millionen €. - Wenn die Zinsen ansteigen, kann sich dieser Aufwand auch schnell wieder verdoppeln.
Herr Erdmenger, natürlich schmerzt mich das. Es schmerzt mich vor allem deswegen, weil es ein Ergebnis einer strukturellen Unterfinanzierung öffentlicher Daseinsvorsorge ist.
- Herr Bullerjahn, auf Sachsen komme ich gleich zu sprechen. Es ist gut, dass Sie mich daran erinnern.
Ich glaube ausdrücklich, dass wir diese Schuldenlast als Hypothek realisieren. Das ist schwierig. Ich möchte diese Zinsen von 600 Millionen € oder 700 Millionen € oder noch mehr, wenn die Konjunktur anspringt, auch nicht bezahlen.
Ich denke aber ausdrücklich, dass es eine Illusion ist zu glauben, wir könnten diese Dinge jetzt aus den laufenden Einnahmen abbauen, ohne Entwicklungschancen dafür so stark zu schädigen, dass wir in der Perspektive nicht mehr in der Lage sind, die Dinge zu bedienen und Entwicklungen neu zu realisieren. Das ist der Unterschied in der Analyse.
Der niedersächsische Finanzminister hat einen guten Vorschlag gemacht. Alle, die sich ein bisschen mit der Materie auskennen, wissen doch, wie groß der Puffer bei der Körperschaftsteuer ist. Wir können sie verdoppeln und haben dann in der Bundesrepublik den OECD-Durchschnitt erreicht.
Wie sieht es bei der Erbschaftsteuer, bei der Vermögensteuer und bei den Transaktionsteuern aus? Das sind die Gelder, die wir mobilisieren müssen, um die Schulden zu senken.
Ich komme noch einmal auf das sächsische System zu sprechen. Natürlich freut sich Sachsen darüber, dass dort die geringste Pro-KopfVerschuldung besteht. Der Kollege Haseloff sagt, die Sachsen könnten die Kofinanzierung der Mittel aus der Portokasse bezahlen.
Schauen Sie heute Morgen einmal in die „FAZ“ hinein. Was macht Sachsen? Sachsen schließt Institute an den Hochschulen wegen eines immensen Spardruckes. Die gesellschaftswissenschaftlichen Einrichtungen an der Dresdner Universität, die bisher seitens des Bundes finanziert wurden,
werden radikal geschlossen. Die Universität Leipzig schließt ihr pharmazeutisches Institut mit der Begründung, das könne die Universität Halle mitmachen, die sei ja gleich in der Nähe.
Sachsen will allein an den Hochschulen in den nächsten Jahren 1 000 Vollzeitstellen streichen, weil sie Schuldenabbau betreiben wollen. Sachsen hat schlechtere Rahmenbedingungen in Schulen und Kindertagesstätten, weil sie Schuldenabbau betreiben wollen. Sachsen hat in den letzten drei Jahren radikale Einschnitte bei der Kulturförderung vorgenommen. Theater wurden geschlossen.
In Sachsen wurden die Zuweisungen für die Kommunen reduziert. Dies geschah alles mit der Begründung, dass Schulden abgebaut werden können.
Daran sehen Sie übrigens, dass nicht die Schulden die Ursache für solche politischen Entscheidungen sind, sondern eine neoliberale Gesellschaftsstrategie, die möglichst viel öffentliche Daseinsvorsorge abbauen will. So sieht es aus!
Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächste spricht in der Aussprache zur Regierungserklärung Frau Fraktionsvorsitzende Budde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über eine Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten, die im Wesentlichen zwei Kernfragen beinhaltet:
Das sind wichtige Fragen; denn von ihrer Beantwortung, von den Weichenstellungen, die wir vornehmen, und von den Entscheidungen, die wir treffen, hängt nicht unerheblich die Entwicklung des Landes ab.
Lassen Sie mich, bevor ich auf diese Fragen eingehe, etwas voranstellen. Wir haben gestern im Rahmen einer ausführlichen Aktuellen Debatte viel Richtiges und Wichtiges zum Thema Hochwasser gesagt. Dass das nicht ausreicht, ist völlig klar und liegt auf der Hand; denn wenn man über insgesamt drei Wochen als Land in Atem gehalten wird und die Situation in manchen Regionen immer noch sehr schwierig ist, dann kann man nicht so einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Der Mi
nisterpräsident hat deshalb auch zu Recht diese Passagen an den Anfang seiner Regierungserklärung gesetzt und darauf aufmerksam gemacht.
Wir haben aber auch davor in den letzten Wochen und Monaten viel über Haushaltskonsolidierung, Prognosen, Quoten, Zahlen etc. diskutiert. Das werden wir auch weiterhin tun. Das ist ein Teil unserer Arbeit und das ist wichtig.
Ich will aber auch Folgendes deutlich sagen: So wichtig das ist und so schwer es auch Haushaltspolitikern fällt, dies zu akzeptieren, weil sie stets einen großen Berg Arbeit vor sich haben, muss konstatiert werden: Diese Dinge sind und bleiben Instrumente. Sie sind nicht der Kern dessen, was wir in diesem Parlament tun. Sie sind nicht das Wesen des Politischen und sie sind nicht das Wesentliche in der Politik.
Prioritäten verändern sich relativ schnell. Wenn man auf die Hochwassersituation zurückblickt, dann muss man feststellen: Jeder von uns hat sicherlich in seinem Umfeld einen guten Freund oder eine gute Freundin gehabt, der oder die sinngemäß ungefähr das Gleiche gesagt hat, dass es nämlich Wahnsinn sei, wie schlagartig sich Prioritäten änderten und dass man erst in solchen Situationen merke, was wirklich wichtig im Leben sei.
Das ist absolut richtig und gilt sowohl im Leben als auch in der Politik. Deshalb ist in der Politik letztlich nur eines wichtig, nämlich dass wir die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist nicht neu. Aber ich denke, das muss immer einmal wieder gesagt werden.
Auch bei den anderen Prioritäten, wenn es zum Beispiel um Infrastruktur geht, verändern sich die Prioritäten ganz schnell. Wir können Haushaltsdebatten sowohl in der Bundespolitik als auch in der Landespolitik führen, wie wir wollen. Wenn man sich einmal überlegt, was nach dem Tsunami in Japan mit der Atompolitik auf der ganzen Welt, aber insbesondere in der Bundesrepublik passiert ist und angesichts unserer Debatte eine Woche davor im Parlament, Herr Dr. Aeikens, dann stelle ich fest, dass manche Dinge manchmal ganz schnell gehen. Dies ist beim Thema Hochwasserschutz auch der Fall.
Viele von uns haben gedacht bzw. laut oder leise gesagt, dass der Hochwasserschutz gestreckt werden könne und dass es nicht so schlimm kommen werde. Es war ein Jahrtausendhochwasser. Aber auf einmal haben sich Prioritäten verändert. Deshalb glaube ich, dass man Haushalte nicht krisenfest machen kann. Man muss aber aufpassen, dass für Krisen Rücklagen vorhanden sind, damit man reagieren kann.
Die Regierungserklärung haben Sie, Herr Ministerpräsident, unter den Titel „Investieren, konsolidieren, Innovationen fördern - mit solider Haushaltspolitik heute Zukunft gestalten“ gestellt.
Ich möchte mich zunächst dem letzten Aspekt widmen. Wir sind einer Meinung, dass eine solide Haushaltspolitik notwendig ist. Aber bei allem Respekt dafür: Eine solide Haushaltspolitik allein gestaltet nicht die Zukunft des Landes. Das ist eine Hausaufgabe, die wir erledigen müssen, die wir in den letzten Jahren auch gut erledigt haben und dies auch zukünftig tun werden.
Deshalb, Herr Gallert, damit Sie nicht wieder sagen, ich würde an den Anfang jeder Rede das Glaubensbekenntnis stellen: „Ja, wir müssen kürzen“, will ich noch einmal ganz deutlich sagen: Glaubensbekenntnisse gebe ich nur in der Kirche ab. So ein Glaubenbekenntnis hört sich dann so an:
Aber was Sie sagen wollten, ist in der Tendenz das, was ich eben auch gesagt habe, dass man quasi in den heutigen Debatten immer gezwungen ist, sich zu rechtfertigen, weil man, wenn man das nicht an den Anfang stellt, in den Verdacht gerät, dass man es nicht tun wolle.
Dazu will ich auch ganz deutlich noch einmal sagen: Ich muss nicht jeden Morgen aufstehen und mir sagen - die SPD muss das auch nicht tun -: Guten Morgen, hier ist die SPD, guten Morgen, hier ist Katrin Budde, und ich sage mir jetzt zum fünften Mal in der Woche, ich bin dafür, dass wir keine Neuverschuldung machen.
Das ist eine Grundlage, die wir mit dem Landeshaushalt beschlossen haben. Solange niemand von uns - ich kenne keinen Antrag - das verändern will, so lange ist das der Grundsatz unserer Politik für die Haushaltsaufstellungsverfahren. Damit muss es dann aber auch einmal gut sein, weil es nicht das Alleinige ist.
Die Landesentwicklung besteht aus mehr als Zahlen. Die Landesentwicklung besteht aus mehr als Sparen. Das wissen alle im Parlament. Die Landesentwicklung besteht auch aus mehr als aus den aktuellen Debatten über den Haushalt. Aber sie muss sich im Haushalt abbilden.
Wir wissen, dass die EU-Mittel weniger werden. Wir wissen, dass der Solidarpakt ausläuft. Wir wissen, dass der Länderfinanzausgleich ausläuft
und wie die demografische Entwicklung ist. Das sind Entwicklungen, mit denen wir umgehen müssen. Das kennen wir alle.
Herr Ministerpräsident, Sie haben das zu Recht noch einmal ausführlich erläutert. Wir brauchen nach meiner Auffassung aber - nicht dass wir diese Situation ignorieren - einen anderen Umgang mit diesen Aufgaben, und zwar einen konstruktiveren, als wir ihn in den letzten Wochen und Monaten hatten.
Was meine ich damit? - Herr Ministerpräsident, die Landesregierung hat in den letzten drei Monaten den Eindruck erweckt, dass hier in Sachsen-Anhalt alles schlechter wird. Sie hat den Eindruck erweckt, dass es nichts anderes als Sparen gäbe. Sie hat den Eindruck erweckt, dass wir uns goldene Wasserhähne leisten.
Wenn das dann von einzelnen Personen widergespiegelt wird, die das auf ihre ganz konkrete Situation beziehen - ich hatte vorgestern ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Stadtelternrates der Stadt Magdeburg, der gesagt hat, wir haben aber hier Grundschulen, in denen wir in einer Klasse ein Jahr lang keine Klassenlehrerin hatten und in denen auch der Unterricht in Schreiben und Lesen nicht gegeben werden konnte -, dann finden die die goldenen Wasserhähne nicht, bei denen wir sagen, da liegen wir über dem Durchschnitt.