Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Zitat aus der „Agrarzeitung“ vom 8. November 2013 beginne:
„Die deutschen Agrarminister können nicht nur streiten, sondern, wenn es darauf ankommt, sich auch zusammenraufen. Das ist die gute Botschaft, die der einstimmige Beschluss zur nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik aussendet. Das lange Ringen zwischen den Bundesländern mit äußerst unterschiedlichen Interessen hat sich gelohnt. Die Ergebnisse des Münchener Verhandlungsmarathons bieten allen Betrieben, ob groß oder klein, konventionell oder ökologisch, Planungssicherheit und eine Zukunftsperspektive. Das zeigen auch die Reaktionen aus der gesamten Branche, die das Ergebnis mit Begriffen wie ‘Durchbruch’, ‘neues Zeitalter’ oder ‘historischer Beschluss’ würdigen.“
So weit ein Kommentar aus der „Agrarzeitung“ vom 8. November 2013. Ich kann mich der Würdigung durch die „Agrarzeitung“ nur anschließen. Es waren harte, engagierte und intensive Verhandlungen in München über viele Stunden. Sie standen manchmal auch auf der Kippe. Aber am Ende haben wir uns zusammengerauft bei völlig unterschiedlichen Ausgangsinteressen, von Bayern bis
Wir haben uns so zusammengerauft, dass wir uns anschließend noch in die Augen schauen konnten und zufrieden aus München abgefahren sind. Das betrifft die Kollegen aus den neuen Ländern, das betrifft aber auch - nach Parteizugehörigkeit - die Kollegen von der SPD. Auch die Kollegen von den GRÜNEN, Frau Frederking - das habe ich der Presse und den bilateralen Gesprächen entnommen -, können den Münchner Beschlüssen Gutes abgewinnen. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für die Verhandlungsergebnisse, die wir dort erzielt haben.
Meine Damen und Herren! Insbesondere aus der Sicht der neuen Bundesländer ist dieser Kompromiss gegenüber den ersten Vorstellungen, die wir von der EU gehört haben, ohne Frage ein Erfolg. Es gab Eckpunkte, die nicht zu umgehen waren. Das war - Kollege Daldrup hat es angeschnitten - zunächst einmal die Kürzung seitens der EU um mehr als 4 %. Dann haben wir die bundeseinheitliche Prämie, die wir aufgrund der durch das Saarland angestrengten Klage und des daraufhin vom Bundesverwaltungsgericht gesprochenen Urteils vollziehen müssen. Dadurch verlieren wir 3,9 %.
Allerdings gab es bei der Art und Weise der Umsetzung noch Verhandlungsspielraum. Diesen haben wir genutzt. Wir konnten erreichen, dass die Umsetzung erst im Jahr 2017 beginnt und über drei Jahre erfolgt, weil es eine Umverteilung zu unseren Lasten wäre, da wir bisher über dem Durchschnitt lagen. Weil die Umsetzung so spät erfolgt, nützt das den Landwirten in Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Der Bund hat schon sehr früh einen Ausgleich für kleinere Unternehmen in Deutschland gefördert. Was „kleinere“ Unternehmen sind, ist immer relativ. In Bayern beträgt die durchschnittliche Betriebsgröße - ich sage das einmal für diejenigen, die mit dem Agrarsektor nicht so vertraut sind - 30 ha, in Sachsen-Anhalt beträgt sie 250 ha. Das ist achtmal so viel.
Wenn sich nunmehr die Umsetzung dieser Forderung der Bundesregierung im Verhandlungsergebnis so präsentiert, dass die Mittel für alle Betriebsinhaber für die ersten 30 ha 50 € und für weitere 16 ha 30 € betragen, dann heißt das: Für Unternehmen bis 93 ha wird diese Regelung zu Mittelrückflüssen führen, und das sind in SachsenAnhalt immerhin 50 % der Unternehmen. In Deutschland sind es fast 90 % der Betriebe, die davon profitieren. Es profitieren, meine Damen und Herren, von dieser Regelung bäuerliche Familienbetriebe in Deutschland. Ich glaube, es ist ein guter Akt der Solidarität, dass wir uns zu diesem Kompromiss zusammengefunden haben.
Wenn man glaubt, dies hätte sich vermeiden lassen - meine Damen und Herren, ich plaudere jetzt einmal aus dem Nähkästchen der Münchner Konferenz -, dann möchte ich Folgendes sagen: Dort hat ein Kollege in einem bestimmten Stadium der Diskussion gesagt: „Hört auf mit der Umverteilung, das wird uns zu viel, wir machen jetzt Degression!“ - Daraufhin hat der Vertreter der Bundesregierung gesagt: „Das macht mal! So argumentiert mal weiter. Dann habt ihr anschließend beides: Degression und Umverteilung!“ - Damit war die Diskussion zu Ende und es war Ruhe zu diesem Thema.
Wir in Sachsen-Anhalt haben für unsere Betriebe eine Reduzierung um ca. 10 %. Im Jahr 2019 werden wir durchschnittlich 265 € an Direktzahlungen haben. Das ist immerhin noch mehr, als die Saarländer in den letzten Jahren hatten, meine Damen und Herren.
Die Kürzungen der Direktzahlung erfolgen auch durch eine Mittelumschichtung in Höhe von 4,5 % von der ersten in die zweite Säule, das heißt von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den Maßnahmen des ländlichen Raumes. Hier war der Druck sehr groß. Am Ende können wir auch mit diesem Ergebnis zufrieden sein. Es werden 4,5 % umgeschichtet und nicht 15 %, wie von einigen Kollegen zunächst gefordert.
Wir haben in der Agrarministerkonferenz beschlossen, dass diese Gelder den Betrieben wieder zugute kommen sollen. Der Beschluss der Agrarministerkonferenz lautet:
„Die umgeschichteten Mittel verbleiben entsprechend ihrem Aufkommen in den Ländern und sind zweckgebunden für eine nachhaltige Landwirtschaft, insbesondere für Grünlandstandorte, für Raufutterfresser, für flächenbezogene Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, für die Stärkung von besonders tiergerechter Haltung und des Tierwohls sowie für den ökologischen Landbau und für die Ausgleichszulage in von Natur aus benachteiligten Gebieten zu verwenden.“
Meine Damen und Herren! Damit kann auch ein weiterer Beitrag zur Schafhaltung geleistet werden. Über dieses Thema werden wir in diesem Hohen Haus heute noch sprechen.
Ein weiterer Erfolg dieser Konferenz ist die Verteilung der Mittel für den ländlichen Raum. Wir haben in Sachsen-Anhalt bisher kalkuliert, dass wir - auch nach dem Prinzip des vorsichtigen Kaufmanns - ca. 600 Millionen € bekommen werden. In den Verhandlungen konnten wir ein deutlich höheres Mittelvolumen erzielen, meine Damen und Herren. Wir können jetzt damit rechnen, dass wir in der zweiten Säule statt 600 Millionen € ca. 850 Millionen € zur Verfügung haben werden. Das sind rund 40 % mehr.
Was mich besonders freut, meine Damen und Herren, und was für unser Land wichtig ist: Damit haben wir die Finanzierungsgrundlage für den Hochwasserschutz bis zum Jahr 2020 geschaffen. Das ist ein gutes Zeichen für das Land Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.
Ich gehe davon aus, dass wir in der Lage sein werden, zum Beispiel auch für den so wichtigen Ausbau der Breitbandversorgung zusätzliche Mittel bereitzustellen, damit wir hier keinen weiteren Nachteil des ländlichen Raumes gegenüber urbanen Zentren haben.
Mein Fazit: Die Verhandlungen sind angesichts der Ausgangslage ein Erfolg. In der ersten Säule konnten Maßnahmen gegen die neuen Bundesländer abgewendet werden. Die Einbußen in den Betrieben sind sicherlich schmerzlich, aber ich glaube, sie sind verkraftbar und sie sind deutlich niedriger als ursprünglich von der EU geplant.
In der zweiten Säule haben wir 850 Millionen €, das heißt nur 5 % weniger als in der bisherigen Förderperiode. Damit haben wir gute Perspektiven für den Hochwasserschutz und für Maßnahmen im ländlichen Raum.
Meine Damen und Herren! Die Münchner Beschlüsse der Agrarminister sind gute Beschlüsse für unsere landwirtschaftlichen Betriebe und gute Beschlüsse für unseren ländlichen Raum. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Minister. - Wir fahren fort in der Debatte. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abgeordneter Czeke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jawohl, es müsste uns tatsächlich alle interessieren - oder sagen wir: fast alle -, wie die Umsetzung dessen erfolgen soll, was die Agrarminister auf ihrer Konferenz am 4. November 2013 in München beschlossen und worauf sie sich bezüglich der neuen EU-Förderperiode verständigt haben, ist doch der weitaus größere Teil SachsenAnhalts ländlicher, sogar ländlichster Raum.
Nun konnten wir schon einiges über die Medien erfahren bzw. der Presseerklärung des Ministers entnehmen. Aber aus erster Hand zu erfahren, welche Ausmaße und welche Folgen die gefassten Beschlüsse ganz konkret für SachsenAnhalt haben werden, ist in der Tat wichtig und richtig.
Nur, meine Damen und Herren von der Koalition, mussten Sie mit diesem Anliegen wirklich das gesamte Plenum beschäftigen?
Eigentlich haben wir für solche Anliegen doch immer das Instrument der Selbstbefassung im Ausschuss genutzt, und wir sind dabei nicht schlecht gefahren,
weil wir dann die Probleme doch recht zeitnah diskutieren konnten. Dem Einbringungsvortrag fehlte jegliche Emotion und jegliches Feuer. Das hätte man wirklich sein lassen sollen.
In Erwartung einer Berichterstattung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - wir haben uns die Mühe gemacht und qualifizieren diesen Antrag sogar; wir wollten auch den Umweltausschuss nicht vergessen - ist es jetzt und hier nicht nötig, ausgiebig über die inhaltlichen Fragen zu diskutieren. Einen Großteil hat Minister Aeikens hier schon erwähnt.
Für jene, die an diese Diskussion jedoch nicht angeschlossen sind, vielleicht aus meiner Sicht noch einige Gedanken. Im Kern geht es darum, bis zum Jahr 2020 über zwei Säulen insgesamt 6,2 Milliarden € als Agrarhilfen an die Landwirte in der Bundesrepublik zu verteilen. Die erste Säule betrifft die Direktzahlungen aus Brüssel auf Hektarbasis an die Bauern und die zweite Säule die Zahlung, mit der die ländliche Entwicklung - hierzu nenne ich ELER -, wie die Dorferneuerung oder die ökologische Ausrichtung der Landwirtschaft, gefördert wird. Minister Aeikens erwähnte dies bereits.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Begehrlichkeiten, die Mittel aus der ersten Säule bei einer bestimmten Betriebsgröße zu kappen bzw. die Degression der Direktzahlungen ab 150 000 € pro Betrieb einzuführen. Das wäre eine spürbare und einseitige Benachteiligung der ostdeutschen Landwirtschaft und damit auch der Sachsen-Anhalts gewesen, die bekanntlich größer strukturiert ist als in den westlichen Bundesländern.
Die Degression soll bis zum Jahr 2020 zunächst vom Tisch sein. Das ist in Ordnung. Im Gegenzug wird es Zuschläge in folgender Staffelung geben: für die ersten 30 ha 50 € und für weitere 16 ha 30 €. Das kommt nun wieder eher den kleineren Betrieben zugute. Die Relation zwischen Bayern und Sachsen-Anhalt erwähnte Minister Aeikens bereits.
Ab dem Jahr 2014 soll es auch keine Modulation mehr geben, sodass von vornherein ein überschaubarer Betrag der Direktzahlung - immer
hin 10 % pauschal und 4 % für Beiträge über 300 000 € - zurückgehalten wird. Außerdem geht es um eine Basisprämie, die künftig für alle Landwirte gilt, unabhängig davon, wo sie wirtschaften.
Summa summarum haben die Landwirte in Sachsen-Anhalt ausgerechnet, dass sie ca. 40 bis 50 € je Hektar weniger erhalten werden. Von den Landwirten in Sachsen-Anhalt hört man, dass es hätte schlechter kommen können und dass man mit diesem Ergebnis leben könne.
Allerdings kritisiert der Bauernbund sehr heftig, dass Minister Aeikens nicht genug für das Land Sachsen-Anhalt herausgeholt habe. In der „Volksstimme“ vom heutigen Tag war sogar von „ideologischer Beschränktheit“ zu lesen. Das, Herr Minister Aeikens, Ihnen vorzuwerfen, ist dann schon ein Schenkelklopfer allererster Güte.
Ich kritisiere, dass Sie in Ihrem Interview gesagt haben: „Der Minister“, also Sie, „kann damit gut leben.“ Das mag ich wieder verstehen. Das kann man nun bewerten, wie man will. Auf alle Fälle meinen wir, dass eine differenzierte Einschätzung gerechtfertigt und unbedingt nötig ist.
Zu vordergründig wird unserer Ansicht nach immer wieder über „große“ und „kleine“ Agrarbetriebe diskutiert. Dabei sollte künftig viel stärker die Frage in den Mittelpunkt gestellt werden, welche Agrarstrukturen an welchen konkreten Standorten am besten geeignet sind, solche wirtschaftlichen Potenziale zu entwickeln, mit denen den aktuellen sozialen und ökologischen Herausforderungen und Erfordernissen Rechnung getragen werden kann.
Uns als Fraktion DIE LINKE geht es um den sozioökologischen Umbau. Wenn wir von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sprechen, dann meinen wir den Dreiklang von Ökonomie, Sozialem und Ökologie. Allein einer bloßen Verteilungsgerechtigkeit entsprechen zu wollen, reicht nicht aus, um eine neue, zukunftsträchtige EU-Agrarpolitik zu betreiben, die früher oder später tatsächlich in eine europäische Landwirtschaft mündet, die unter bestimmten Rahmenbedingungen mit immer weniger oder gänzlich ohne sogenannte Subventionen auskommt. Das jedoch geht nicht auf dem Rücken der Landwirtinnen und Landwirte. Dabei betone ich ausdrücklich die Wendung „unter bestimmten Rahmenbedingungen“.
Unter diesem Gesichtspunkt bedauern wir es sehr, dass bei der Kompromissfindung und in den öffentlichen Statements - auch unseres Agrarministers - die in den Agrarunternehmen beschäftigten Arbeitskräfte völlig unberücksichtigt blieben.
beitsplätze für den ländlichen Raum vorgehalten. Dass 50 % der Einkommenszuschüsse aus der ersten Säule kommen und dann noch einmal x Prozent aus der zweite Säule, zeigt, obwohl man ein Vollerwerbslandwirt ist, dass man zu 50 plus x Prozent „Bediensteter der EU“ ist. Das sollte uns zu denken geben.
Die Einkommensabkopplung der Landwirte ist bereits erwähnt worden. Aber wir werden darüber im Ausschuss noch einmal sprechen müssen. Es ist ein sehr spannendes Thema, das Sachsen-Anhalt sehr berührt. Ich hoffe, wir kommen dann noch zu einem fruchtbringenden Ergebnis in unseren Beratungen. - Vielen Dank.